BELICHTUNGSZEIT: 1/15 S BLENDE: F/9 150:100 BRENNWEITE: 55 MM FOTO: SCOTT KELBY
Kapitel 1
Mit System blitzen wie ein Profi
Sie finden geblitzte Fotos furchtbar? Sie sind nicht allein.
Wenn Sie jemals ein Foto mit dem eingebauten Blitz Ihrer Kamera aufgenommen haben, fragen Sie sich bestimmt, wie die Kamerahersteller mit diesen Blitzen prahlen konnten, ohne rot zu werden. Vermutlich hat sich eine hochbezahlte PR-Agentur mit dem Begriff »eingebauter Blitz« eine goldene Nase verdient, während »der Hässlichmacher« eigentlich zutreffender wäre. Normalerweise müsste man, um diese »Qualität« fotografischer Beleuchtung zu erleben, Fahndungsfotos von sich anfertigen lassen, aber zum Glück geht es einfacher: ein einfacher Druck auf einen kleinen Knopf – schon werden wir von gnadenlos grellem Licht direkt ins Gesicht geblitzdingst. Mal im Ernst, es gibt doch kaum etwas Besseres, oder? Doch – schalten Sie den Kamerablitz einfach aus. Wenn Sie das erste Mal die »Qualität« (die nicht vorhandene) Ihres Kamerablitzes erleben, möchten Sie den Blitz am liebsten herausreißen (habe ich Recht?). Dabei wurden diese Blitze nur aus einem Grund eingebaut: Sie sollen den Absatz externer Blitzgeräte ankurbeln. Denn sobald Sie sehen, was Ihr eingebauter Blitz angerichtet hat, fragen Sie doch: »Oh Gott, ich muss irgendwas falsch gemacht haben?!« oder »Meine Kamera ist bestimmt kaputt!« oder »Es muss etwas Besseres geben!« oder »Warum gerade ich?« oder »Das muss die Kamera sein, die bei der Polizei die Fahndungsfotos macht«. Jedenfalls ist dieses Kapitel für alle jene gedacht, die nach Besserem suchen und die, wenn es ihnen mal jemand erklärt, ihren Blitz auch wieder mögen werden (nicht unbedingt den in der Kamera, sondern eher einen externen Systemblitz – Sie wissen schon).
Sieben Dinge, die Sie gern gewusst hätten, …
(1) So funktioniert dieses Buch: Wir treffen uns also sozusagen beim Shooting und ich gebe Ihnen dieselben Tipps und Hinweise und zeige Ihnen dieselben Techniken, die ich im Laufe der Jahre von den Top-Profis gelernt habe. Unter Freunden lasse ich den ganzen technischen Kram weg. Wenn Sie mich also zum Beispiel fragen: »Scott, ich möchte das Licht richtig weich und toll haben. Wie weit soll ich die Softbox zurücknehmen?«, würde ich Ihnen keinen Vortrag über Lichtverhältnisse und Zubehör wie Lichtformer halten. Stattdessen würde ich antworten: »Stellen Sie sie so nah ans Motiv, dass sie gerade so nicht im Bild auftaucht. Je näher Sie herankommen, desto weicher wird das Model vom Licht umhüllt.« Ich fasse mich kurz und bringe es auf den Punkt und in diesem Buch mache ich das genauso.
(2) Auf manchen Seiten gibt es extra Tipps – manchmal beziehen sie sich auf die Technik dieser Seite und manchmal ist es einfach nur ein Tipp, den ich irgendwo unterbringen musste. Werfen Sie also auch einmal einen Blick in diese Kästen.
… bevor Sie dieses Buch gelesen haben!
(3) Manchmal müssen Sie investieren. Dieses Buch ist nicht dazu da, Ihnen etwas zu verkaufen. Aber bevor Sie weiterlesen, müssen Sie verstehen, dass Sie sich manchmal Profi-Geräte zulegen müssen, um wie ein Profi arbeiten zu können. Ich werde nicht von Firmen für meine Tipps bezahlt, ich gebe Ihnen nur dieselben Tipps, die ich Freunden geben würde.
(4) Ich habe ein paar Video-Tutorials für Sie (in englischer Sprache). Manche Nachbearbeitungen sind mit reinem Text etwas schwer zu erklären, darum habe ich für Sie einige Videos produziert, die Ihnen die Bearbeitung bestimmter Bilder im Buch etwas näher erläutern. Bei manchen Bearbeitungen handelt es sich lediglich um die »normale Porträtretusche«, darum erkläre ich in einem Video, was ich darunter verstehe (damit Sie dieselbe Retuschen nachvollziehen können). Bei einigen Fotos musste ich etwas mehr tun, aber zum Glück war das nicht kompliziert – das können Sie auch, denn die Videos sind einfach, klar und Schritt für Schritt nachvollziehbar. Ich arbeite viel mit Lightroom (mein Hauptwerkzeug), manchmal muss ich auch Photoshop einsetzen (und fast alles im Video lässt sich auch in Photoshop Elements erledigen, falls Sie also mit Elements arbeiten, sind Sie dabei). Ebenso ist es in Ordnung, wenn Sie Photoshops Camera-RAW-Zusatzmodul verwenden (statt Lightroom), denn Camera RAW ist in Lightroom integriert (es hat dieselben Regler in derselben Reihenfolge, die genau dasselbe tun). Alle diese Videos und auch Links zur Fotoausrüstung, die in diesem Buch erwähnt wird, finden Sie auf der Website zum Buch. Die gibt es neu, ausschließlich zu diesem Buch extra für Sie, liebe Leser: http://kelbyone.com/books/bestof (und weiter geht’s mit drei weiteren wichtigen Dingen auf der nächsten Seite!).
Nur noch zwei Dinge!
(5) Wenn Sie mit einer Kamera von Sony, Olympus oder Fuji fotografieren, lassen Sie sich durch die abgebildeten Nikon- oder Canon-Modelle nicht abschrecken. Sie sind eben weit verbreitet. Ich zeige meist die eine oder andere, aber es ist nicht schlimm, wenn Sie eine andere benutzen. Die meisten Techniken in diesem Buch treffen auf alle digitalen Spiegelreflexkameras zu, viele auch auf Kompaktkameras (zumindest auf die mit mehr Einstellmöglichkeiten).
(6) WARNUNG: Die Einleitung zu Beginn jedes Kapitels soll Ihrem Kopf nur eine kleine Pause verschaffen und hat mit dem Inhalt des Kapitels sehr wenig bis gar nichts zu tun. Tatsächlich haben sie mit kaum etwas zu tun, aber diese schrägen Kapitelanfänge sind mittlerweile Tradition in meinen Büchern. Falls Sie eher der »ernsthaften« Fraktion angehören, bitte ich Sie inständig, die Kapitelanfänge zu überspringen – die würden Ihnen doch nur auf die Nerven gehen. Aber falls sie Ihnen gefallen: Ich habe ein ganzes E-Book nur mit meinen Lieblingsanfängen herausgebracht, das heißt Buy This Book of Chapter Intros Even Though You Won’t Learn Anything. Der Erlös daraus geht zu 100 % an das Springs of Hope Orphanage in Kenia, ein Waisenhaus, das mit der Unterstützung von großzügigen Spenden der Leser meiner täglichen Blogbeiträge und von Teilnehmern des jährlichen Worldwide Photo Walks erbaut wurde. Sie finden es als Kindle-Exemplar bei Amazon oder im Apple iBooks Store. Sie werden es entweder lieben oder hassen, dazwischen gibt es nichts, in jedem Fall helfen Sie jedoch den Waisen.
Eins noch!
(7) Merken Sie sich: Das ist ein»Zeig-mir-wie-es-geht«-Buch. Ich gebe Ihnen dieselben Tipps, die ich auch einem Freund geben würde. Das bedeutet oftmals, dass ich Ihnen nur sage, welchen Knopf Sie drücken, welche Einstellung Sie ändern müssen, wo der Blitz zu stehen hat – ohne die ganzen technischen Details. Wenn Sie einmal tadellose Fotos aufgenommen haben, können Sie sich immer noch eines dieser »Ich will alles wissen«-Bücher über Kameras und Blitzgeräte kaufen, die sich über all die technischen Einzelheiten auslassen und Begriffe wie »chromatische Aberrationen« und »hyperfokale Distanz« erklären.
Ich hoffe sehr, dieses Buch heizt Ihre Leidenschaft für die Fotografie weiter an und hilft Ihnen, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Packen Sie also Ihren Kram ein und auf zum ersten Shooting!
Der eingebaute Blitz: eine Waffe
Der in eine Digitalkamera eingebaute Blitz liefert Ihnen das flachste, raueste und unschmeichelhafteste Licht, das der moderne Mensch je gesehen hat. Es gibt handfeste Gründe, warum Sie diesen Blitz unter allen Umständen vermeiden sollten: (1) Die Lichtquelle des Blitzes ist sehr klein, und je kleiner eine Lichtquelle ist, desto härter ist das von ihr gespendete Licht. (2) Da sich der Blitz direkt über dem Kameraobjektiv befindet, bietet er dieselbe Lichtqualität und denselben Einfallswinkel wie die Helmlampe eines Bergmanns (Glück auf beim Fotografieren!). (3) Bei einem eingebauten Blitz ist es fast zu 100 % sicher, dass abgelichtete Personen rote Augen haben. (4) Weil der Blitz das Motiv direkt von vorn trifft, sieht das Motiv meist recht flach aus. (5) Sie haben wenig Kontrolle über das Licht, wohin es gerichtet ist und wie es auftrifft – wie bei einer Leuchtgranate. Das sind die Gründe, warum so viele Leute davon enttäuscht sind, wie ihre Fotos mit einem eingebauten Blitz aussehen. Deshalb sollten Sie den eingebauten Blitz nur, wirklich nur in absoluten Notlagen verwenden, als letzte Rettung sozusagen. Was also verwenden Sie stattdessen? Das kommt auf der nächsten Seite.
DIE LEISTUNG DES KAMERABLITZES REDUZIEREN Bei den meisten Kameras können Sie die Leistung des eingebauten Blitzes reduzieren und ihn als Aufheller verwenden. Halten Sie bei einer Nikon die Blitzmodus-Taste gedrückt und drehen Sie das Eins...