Die Hottentottenwerft
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Die Hottentottenwerft

Roman

  1. 392 Seiten
  2. German
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Die Hottentottenwerft

Roman

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Über dieses Buch

Ludwig Fels hat einen gewaltigen Roman geschrieben, der das Drama der Literatur, auch den kleinen Existenzen die Ungeheuerlichkeit des Lebens zuzubilligen, überaus eindringlich erzählt.Crispin Mohr muss weit fort, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Er lässt Pappenheim hinter sich, die Mutter, seinen versehrten Vater, eine unglückliche Liebe, und meldet sich als einfacher Reitersoldat zu den sogenannten Schutztruppen in die Kolonie Deutsch-Südwest. Dem, was er sich erträumt, kommt er aber auch in der neuen Heimat in Afrika, Deutschlands fernster Ferne, nicht näher. Als er sich in Hulette verliebt, die Enkelin eines Stammesführers, die als Faustpfand eines trügerischen Scheinfriedens mit der Kolonialmacht zum Opfer politischer Interessen und rassistischer Gewaltfantasien wird, entscheidet er sich für sein Schicksal: für eine Liebe, die keine Zukunft hat.Es ist ein finsteres Kapitel deutscher Geschichte, das Ludwig Fels hier aufschlägt und aus dem er eine Geschichte von biblischer Wucht erzählt. »Die Hottentottenwerft« ist ein Roman über Sehnsucht und Stolz, über den Lebenshunger eines jungen Mannes, der bis zu seinem Untergang an einem Traum festhält, welcher ihn zwischen die Fronten von Leben und Tod geraten lässt. Schmerzlich-schön, schonungslos hart und klar, mit dem glühend-visionären Pathos eines Trauer- und Freudengesangs.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783990271391

I. NEBELTRINKER

Auf, auf! ihr Brüder und seid stark,
der Abschiedstag ist da!
Schwer liegt er auf der Seele, schwer,
Wir sollen über Land und Meer
ins heiße Afrika.
Daniel Schubart
Im Traum, als das Schiff himmelwärts gehoben wurde, um wieder zurückzufallen in die Täler zwischen den Wogen, sah er sich zum ersten Mal in Uniform. Sie stand ihm gut; ihm gefiel ihre verwaschene Farbe. Er stolzierte in ihr vor dem Spiegel herum, und Seffie, die im Bett lag, klatschte Beifall. Als er sich verbeugte, rutschte ihm die Feldmütze, die ihm eine Nummer zu klein war, vom Kopf. Er bekam sie gerade noch an ihrem kornblumenblauen Schirm zu fassen. Seffies Hände lagen gefaltet auf der Bettdecke, und ihre Augen baten ihn darum, jetzt bitte nichts zu sagen.
Zu Befehl!
Sie rückte etwas zur Seite, als er sich neben sie auf die Bettkante setzte. Er nahm ihre Hände und legte sie um sein Geschlecht, war atemlos. Endlich küßte er sie, und trotz ihrer Nacktheit glich sie keiner der Frauen auf den kolorierten Fotografien, die sein Vater im Haus versteckt gehalten hatte.
Gnädiges Fräulein!
Sag nichts, dachte er, als sie etwas sagen wollte. So verging die Zeit. Die Zeit war eine schwarze Woge, die Fenster und Türen zuschlug und sie im Traum in tiefe Kälte hüllte.
In der neununddreißigsten Nacht hielt die SS Friederick Walbaum auf die Küste zu. Die Sintflut hatte länger gedauert.
Nach Anbruch der Dämmerung wurden sie geweckt, und als er sich aufsetzte, spürte er, wie das Schiff in der Dünung schaukelte. Er packte seinen Tornister und ging nach oben an Deck.
Kalt, dachte er. »Kalt«, sagte jemand.
An der Reling standen ein paar Kameraden, rückten eng zusammen, stemmten sich gegen den Wind.
Sie standen da und froren. Sie hatten sich vorgestellt, von der Sonne empfangen zu werden, ein hitziges Willkommen. Sie schwiegen jetzt alle.
Hinter den Gebilden des Nebels waren die Schläge einer gewaltigen Brandung zu hören, schwerer, nasser Wind zerrte an ihren Gesichtern. Der Atem des Wassers, der Wüste. Die Tiere unten in den Laderäumen witterten das Land; ihre flehenden Stimmen machten es ihnen leicht, zu schweigen.
Als der Nebel sich etwas gelichtet hatte, sah er eine Reihe Palmen, die im Wind tanzten. Dann wurde es wärmer, und der Himmel klarte auf, ein viel zu hoher Himmel mit einer viel zu großen Sonne, die an ihren Strahlen herabzuhängen schien. Er sah Menschen am Ufer. Es sah alles so aus wie auf den graubraunen Ansichtskarten, auf denen die Erde und der Himmel unabänderlich wirkten; manchmal, erinnerte er sich, hatte er an den Gesichtern der Personen gekratzt, hatte ihre Köpfe zwischen Daumen und Zeigefinger zerrieben, bis das Papier zu Flocken zerfiel.
»Gibt sogar eine Kirche«, sagte der Kamerad neben ihm.
Er hielt sich längst nur noch mit einer Hand an der Reling fest, den Tornister zwischen den Knien, stolz, daß er diese Reise gemacht hatte, und froh, daß sie nun zu Ende war. Das, was er sah, war Deutschlands fernste Ferne, Deutsch-Südwest, Afrika.
Und ich bin hier!
Ja, du!
Er war hier. Bald würde er das Land betreten, war sicher, daß die Erde ihn trug. Er bedauerte, daß niemand da war, um ihn zu fotografieren, wenn er den ersten Schritt an Land tat.
Am Strand sprangen jetzt die Kruboys aus den Brandungsbooten, beugten ihre Rücken und trugen die Passagiere huckepack durch die schäumenden Brecher den Strand hinauf. Als alle Zivilpassagiere ausgeschifft worden waren, kam die Reihe an das Kontingent.
Zuerst wurden die Pferde in ihren Transportboxen aus den Laderäumen gehievt und auf ein Pontonfloß hinuntergelassen, das an einer Stahltrosse festgemacht war und von einer Dampfwinde an Land gezogen wurde. Dort sprangen sie zurück in die Brandung, ein panisches Ballett, und es dauerte, bis man sie aneinandergeleint hatte.
Nach den Pferden wurden Rinder aus dem Pinzgau ausgeladen, die zur Auffrischung der hiesigen Herden bestimmt waren. Ihre massigen Leiber klatschten hart ins Wasser, und sie muhten verloren, als sie von der Kälte gepackt wurden; einige, die nicht schnell genug waren, gingen in der Brandung unter, die sie von hinten überrollte, die Zungen mit Sand bedeckt, als sie wieder auftauchten.
Als letztes wurden zwei kanarische Kamele von Bord gebracht. Als sie an Land gewatet waren und die Dünen sahen, liefen sie los, und die Kruboys hatten zu tun, sie wieder einzufangen.
Das Kommando: Reiter Mohr!
Vom Kapitän, der zur Verabschiedung auf die Brücke gekommen war, wurden in alphabetischer Reihenfolge ihre Namen aufgerufen, und einer nach dem andern bestieg den Korb mit dem brusthohen Gitter, hockte sich auf den festgenieteten Eisenschemel, wurde vom Kran hochgezogen und über die Reling hinausgeschwenkt, um in die Pinassen hinuntergelassen zu werden, die in der Dünung wippten. Vögel stürzten sich schreiend ins Meer.
»Hier! Reiter Mohr, Pappenheim!« Ich komme, komme, dachte er, fiel fast auf die rutschigen Planken.
Der Horizont kippte hin und her, als die Kruboys losruderten. Hinter der Stadt begannen die Dünen der Wüste, die den ganzen Horizont einnahmen und auf deren Kämmen Heerscharen von Geistern den Sand aufzuwirbeln schienen.
Entlang der Promenade stand eine Reihe von Gebäuden, das Hafenamt, weißgetüncht, zweistöckig, der palastähnliche Bau der Zollbehörde, seitlich zurückversetzt, das Bezirksamt, das die deutsche Flagge gehißt hatte, dann das im schönsten Ocker gehaltene Postgebäude, daneben ein Hotel, umgeben von grünem Rasen und weißen Bänken vorm Portal, schaukelnd auf einem Teppich aus Farnen und Blumen, weiter entfernt ein unverputzter Leuchtturm und eine Halde riesiger Steinblöcke, an der im Bau befindlichen Mole.
Sie sammelten sich hinter der Linie der Brandung. Plötzlich lagen sie einander in den Armen, und niemand wußte etwas zu sagen.
Ein Hund kam zum Strand heruntergelaufen, biß ins Wasser.
Und wenn Soldat und Offzier
Gesund ans Ufer springt,
Dann jubeln wir, ihr Brüder, ha!
Nun sind wir ja in Afrika.
Und alles dankt und singt.
SS FRIEDERICK WALBAUM
KAPITÄN GERD GERHARDT
BORDBUCH, 24. NOV. 1903
Die Ladung ist gelöscht, Vogelkot und Straußenfedern; eine Fracht Diamanten wäre mir lieber gewesen. Mit an Bord waren 43 Mann Nachschub zur Aufstockung der Deutschen Schutztruppe in Südwest, junge Männer aus allen Gegenden Deutschlands. Mindestens die Hälfte der neuen Soldaten war während der Überfahrt seekrank und lag darnieder. Unter den Tieren war es noch schlimmer. Die zwei Kamele zeigten sich besonders anfällig für Seekrankheit. Das Schiff stinkt wie ein Stall, in dem Männer wohnten. Die Mannschaft hat ihren dreitägigen Landurlaub angetreten, den sie sich wohlverdient hat. Einige Rückkehrer haben für die Rückfahrt gebucht, ca. 10 Personen. Mußte einen der Kruneger den hiesigen Polizeiorganen übergeben, weil er dabei ertappt wurde, als er Passagiergepäck stehlen wollte. Ich denke an Hilde in der Heimat, ich weiß nicht, woher sie ihre vielgeprüfte Treue nimmt und jedesmal so viel davon, mir meine lange Abwesenheit zu verzeihen. Die weiblichen Passagiere sind wie auf jeder Fahrt in der Minderheit, Frauen und Mädchen, denen auf Kosten des Deutschen Frauenbundes die Einreise als Dienstmädchen ins deutsche Schutzgebiet kostenlos ermöglicht wird; während der Passage bleiben die Damen von den mitreisenden männlichen Passagieren isoliert. Ich bin schon beim dritten Glas Wein. Wenn ich weitertrinke, wird es Krieg geben. Prosit, Afrika! Ich gehe heute etwas früher schlafen.
Mohr versuchte etwas Besonderes zu spüren.
Aber es gelang ihm nicht.
Er war da.
Und das war alles.
Genug für den Moment.
»Und?« sagte Katzenschlager, der neben ihm stand und die Feldmütze abgenommen hatte.
»Was und?«
»Wo sind sie jetzt, die Wilden?«
Glatzel sagte: »Müßten längst um uns rumtanzen.«
»In Pelzmänteln«, sagte Rubyniak, und Mohr spürte seinen Atem im Nacken. »Du sagst ja gar nichts?«
»Redet nicht mit jedem«, sagte Katzenschlager. »Ist sich zu fein dazu?«
»Komischer Kamerad!« sagte Glatzel. Er machte eine Verbeugung vor Mohr, stieß ihn leicht mit dem Kopf in den Bauch.
»Nicht anfassen!« sagte Mohr.
»Habt ihr gehört?« sagte Rubyniak.
Mutter, dachte er, Frau Mutter. Aber das war alles zu groß, zu riesig für ihren Namen. Denk dir den Sand und das Meer weg, dann ist es wie daheim. Es gibt Bierhäuser, Weinhäuser, was willst du mehr?
Sie warteten, bis sie ihre Tornister und Schlafrollen ausgehändigt bekamen, und als sie schon schwer genug trugen, wurden ihnen auch noch Sättel und Zaumzeug aufgepackt. Sie machten sich fertig zum Abmarsch. Hinter ihnen zerschellten die Wogen, und dann zerschellte der ganze Himmel unter ihren Tritten, als sie im gleißenden Licht zur Garnison marschierten. Kruboys liefen neben ihnen her und lachten über jene, die ihren Sattel auf dem Kopf trugen. Nachdem sie eine Reihe von Lagerschuppen und Blechhütten passiert hatten, machte die Hauptstraße eine scharfe Krümmung und führte durch die Vorstadt zur Feste hin, die auf einer künstlichen Erhebung errichtet worden war.
Das von Rost marmorierte Eisentor war weit geöffnet, die Mannschaft der Garnison zu ihrem Empfang auf dem Exerzierplatz angetreten. Sie nahmen Aufstellung, und Rubyniak kam neben ihm zu stehen. Ab und zu orgelte eine Bö in den Zinnen und fuhr auf sie nieder wie eine Lawine aus Luft. Neben der Kommandantenvilla befand sich ein Zwinger, in dem ein bulliger Hund im Maschendraht hing.
Garnisonskommandant Hauptmann Suck hielt eine Begrüßungsansprache, er hatte einen rheinländischen Dialekt. »Das«, sagte er und zeigte in die Runde, »ist also Afrika! Aber« – und hier machte er eine oft geübte Pause – »das deutsche Afrika! Unser Afrika! Und wir, meine Herren, werden mit Ihrer Hilfe und Tatkraft dieses deutsche Afrika zu etwas machen, wie es die Welt so noch nicht gesehen hat. Die Eisenbahnlinie zur Hauptstadt ist fast fertiggestellt, und es wird nicht mehr allzulange dauern, bis die letzten Streckenabschnitte in Betrieb genommen werden können. Ich sage es frank und frei: Die Probleme, die wir mit den hiesigen Eingeborenen haben, sind trotz unserer militärischen Präsenz nicht als behoben zu betrachten, und der engere Kontakt zu ihnen unterliegt der Kontrolle der deutschen Kolonialverwaltung in Berlin. Viele dieser Menschen, Untertanen des Kaisers wie wir alle, sprechen zwar inzwischen mehr oder weniger leidlich unsere Sprache, aber am besten verstehen sie immer noch den Griff zur Waffe.«
Er rieb sich die Hitze von den Lippen und legte dar, wie wichtig die Aufstockung der Schutztruppe auf diesem deutschen Vorposten für die Kolonie sei, als ein heißer Windstoß die Flagge am Mast blähte; er schwieg ergriffen, als hätte Gott oder der Kaiser höchstselbst ein Zeichen gesandt.
»Dieses Land, dieses unser Deutsch-Südwest, in Besitz zu nehmen, hat Blut, Schweiß und Tränen gekostet, doch jeder Tropfen, der vergossen wurde, hat sich gelohnt, ist ein Geschenk ans Vaterland! Denkt an die Heimat! Denkt an die Heimat an dieser, ihrer fernsten Front! Diese Front, Männer, ist das Band,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. I. Nebeltrinker
  5. II. Engel und Fremde
  6. III. Walküre Germania
  7. IV. Goldener Horizont
  8. V. Hunde und Monde
  9. VI. Das, was man Liebe nennt
  10. VII. Müde die Kämpfer am Abend
  11. VIII. Auf, auf! Marsch, Marsch, ihr schönen Tiere!
  12. IX. Wie von Spinnweb ummantelt die Helden
  13. X. Ein Lied aus Erde
  14. XI. Deutsche Schande
  15. XII. Ziehet an den Harnisch Gottes
  16. XIII. Ach, ihr Hochverehrten, seid tausendmal umarmt!
  17. XIV. Die große Leere
  18. Inhalt