Gerecht und Geschlecht
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Gerecht und Geschlecht

Neue sprachkritische Glossen

  1. 140 Seiten
  2. German
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Gerecht und Geschlecht

Neue sprachkritische Glossen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Anfang 2013 gab es in Deutschland einen »Aufschrei" gegen den alltäglichen Sexismus, losgetreten durch eine sexistische Bemerkung des Spitzenkandidaten der FDP. Nach der Wahl war die FDP weg vom Fenster, erstmals nicht mehr im Bundestag vertreten, geschweige denn in der Regierung. Der Feminismus, lange totgesagt oder für überholt erklärt, ist neu erstarkt und lehrt den Brüderles das Fürchten. Sexismus in der Sprache ist das Spezialgebiet von Luise F. Pusch. Ihr entgeht auf diesem Gebiet fast nichts, und deshalb hatte sie in den letzten drei Jahren besonders viel zu kommentieren. Denn die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit bzw. »Gendersensibilität" setzte sich durch und löste bundes- und medienweit hitzige Debatten aus. Luise F. Pusch hat diese Debatten, die durch ihre sprachwissenschaftlichen Analysen der letzten Jahrzehnte mit ausgelöst wurden, in ihren scharfsinnigen Glossen begleitet - respektlos, fundiert, einzigartig.

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Information

Verlag
Wallstein
Jahr
2014
ISBN
9783835325494

Kampf um das Femininum 1: Weg mit dem Femininum!

Der Haushaltsführende

Vor einer Woche hat sich der Deutsche Hausfrauenbund umbenannt und teilt dazu mit:
Nach über 90 Jahren orientiert sich der Deutsche Hausfrauen-Bund (DHB) neu. Seit dem 23.9.2009 heißt der Verband nun »DHB – Netzwerk Haushalt, Berufsverband der Haushaltsführenden e. V.«
Die Begründung ist geradezu klassisch:
Die veränderten Familienstrukturen, die stärkere Einbindung der Väter in die Kindererziehung und die Hausarbeit waren ein Anlass zur Namensänderung. Frauen und Männer empfinden sich als Haushaltsführende, der Begriff Hausfrau ist geschlechtsspezifisch. Der DHB verzeichnet jedoch seit Jahren eine steigende Zahl von männlichen Mitgliedern. (Meine Hervorhebungen)
Mit anderen Worten: Die paar Männer finden es genierlich, Mitglieder des Hausfrauenbundes zu sein. Ich selbst bin Mitglied des Berufsverbands »Women in German« (Studierende und Lehrende des Fachs Germanistik), dem auch etliche Männer angehören. Soviel ich weiß, sind sie als echte Feministen stolz auf diese Bezeichnung, sehen sich sozusagen als »Frauen ehrenhalber«.
»Hausfrau« ist nett und kurz und knapp – etwas, was die feministische Sprachkritik ja angeblich zu untergraben sucht mit ihren dämlichen Doppelformen à la Bürgerinnen und Bürger oder ihren komischen geschlechtsneutralen Partizipien à la Studierende statt Studenten.
Nun aber bekommen wir statt der handlichen Hausfrau das Wortungetüm Haushaltsführende/r aufgebrummt. Es ist mit 18 Buchstaben fast doppelt so lang wie Hausfrau und mit der kaum aussprechbaren Konsonantenfolge l-t-s-f ein extra fieser Zungenbrecher.
»Berufsverband der Haushaltsführenden« besteht aus zehn Silben und hat 37 Buchstaben. »Hausfrauenbund« hat vier Silben und besteht aus 16 Buchstaben.
Und das alles nur, weil die paar Hausmänner die Bezeichnung Hausfrau nicht vertragen? Und schon wird der altehrwürdige Verband weich in den Knien und gibt nach?
Die Frauenbewegung hat die Bezeichnung Hausmann als männliches Pendant für Hausfrau durchgesetzt. Nach den bewährten Beispielen
Ehemann – Ehefrau – Eheleute
Fachmann – Fachfrau – Fachleute
Geschäftsmann – Geschäftsfrau – Geschäftsleute
Gewährsmann – Gewährsfrau – Gewährsleute
Kaufmann – Kauffrau – Kaufleute
Obmann – Obfrau – Obleute
Ombudsmann – Ombudsfrau – Ombudsleute
Putzmann – Putzfrau – Putzleute
Vertrauensmann – Vertrauensfrau – Vertrauensleute
hätte also als zweitbeste Lösung des Scheinproblems die Bezeichnung Hausleute nahegelegen: Deutscher Hausleutebund. Klar und knapp, noch knapper als Hausfrauenbund. Die eleganteste Lösung wäre natürlich die Null-Lösung, Beibehaltung des traditionsreichen Namens, wobei die paar Hausmänner sich herzlich mitgemeint fühlen dürfen – so wie sonst immer wir Frauen.
Wir haben keinen Einblick in den Prozess der Namensfindung im Deutschen Hausfrauenbund. Ich denke mir, es war so:
Zum einen gibt es maulende Männer, die sich in der Bezeichnung »Hausfrau« nicht wiederfinden wollen – während wir Frauen bis heute eine kaufmännische Ausbildung machen müssen, Bauherren und Patentanten sind und alle möglichen Patronate und Schirmherrschaften übernehmen.
Zum andern die Klage der Frauen über den niedrigen bis überhaupt fragwürdigen Status ihres »Berufs«, dem alle Charakteristika eines Berufs fehlen, vom Gehalt über geregelte Arbeits- und Urlaubszeiten bis hin zu Kranken- und Rentenversicherung. Statt nun den undankbaren »Beruf« endlich abzuschaffen, wird Wortkosmetik betrieben wie damals bei der Putzfrau, die erst zur Raumpflegerin wurde und dann – weitgehend unter männlicher Regie – zur Gebäudereinigerin, die ein kostspieliges Produkt herstellt, nämlich Sauberkeit. Das sind dann aber schon überwiegend Männer, zu deren guter Bezahlung eine Bezeichnung wie Putze oder Putzerich einfach nicht passt. Denn männliche Beteiligung bringt einem Beruf Würde und Status und verlangt nach einer entsprechend würdevollen Bezeichnung.
Eben so etwas wie Haushaltsführende/r. Kann gar nicht lang und getragen genug sein. Haushaltsführender ist mit 18 Buchstaben schon fast so lang und silbenreich wie Obersturmbannführer.
November 2009

Die Einheit als Gemeinheit

Am 6. Oktober brachte Kulturzeit einen Beitrag über die Dreier-Shortlist für das geplante Denkmal der deutschen Einheit, kurz Einheitsdenkmal. Wenige Stunden zuvor hatte Zeit online unter der Schlagzeile »Deutschland, knie dich nieder« gemeldet:
Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung, […], nach einer zweiten Runde mit 386 Bewerbungen, hat sich die Jury nunmehr einstimmig gegen einen ersten Preis, aber für drei preiswürdige Projekte entschieden – und sie zur Überarbeitung zurückgegeben.
»Deutschland, knie dich nieder« bezieht sich auf den Entwurf des Bildhauers Balkenhol, der von den »Kunstexperten« in der Jury (Expertinnen gab’s da anscheinend nicht) favorisiert wurde. Zeit online aber mäkelte:
Stephan Balkenhols fünf Meter großer kniender Mann ist eine unbefriedigende … Lösung, die viele wegen des Warschauer Kniefalls für ein Willy-Brandt-Denkmal halten werden – und um Demut allein kann es jedenfalls bei einem Freiheits- und Einheitsdenkmal nicht gehen.
Kein Kommentar dazu, dass DIE Einheit von einem Mann symbolisiert werden soll. Dass Balkenhol für seine Skulpturen meist nur Männer einfallen, ist ja bekannt – aber warum soll das glücklich vereinte Volk sich ausgerechnet in einem Mann wiedererkennen, der auch kniend noch 5 Meter hoch ist?
Kulturzeit-Moderatorin Andrea Meier zeigte auch keinerlei Missvergnügen, nicht einmal Befremden. Lächelnd erklärte sie uns, er sei »ein abstrakter Jedermann, der seinen Blick nach Osten richtet, aber keinesfalls in Demut, wie der Künstler beteuert.«
Ich bekam sofort nach der Sendung wütende Kommentare von erbosten Leserinnen, die mich baten, doch zu dem Einheitsmann Stellung zu nehmen. Und vor allem auch dazu, dass das, was nicht bewusstlosen Frauen sofort aufstößt, unseren KulturverwalterInnen einfach nicht aufzufallen scheint. Wo lebe ich denn, fragt frau sich in so herben Momenten der Erkenntnis. »Mitten im Malestream« (Helke Sander).
Schon immer waren sämtliche Denkmäler für Herren reserviert – mit einer Ausnahme: Die meist weiblichen Abstrakta, wie DIE Freiheit (Libertas, Liberté, Libertà, Liberty) oder DIE Gerechtigkeit (Justitia) wurden durch weibliche Figuren (Allegorien) symbolisiert. Berühmteste Beispiele: die New Yorker Freiheitsstatue (Lady Liberty) und Delacroix’ Gemälde »Die Freiheit führt das Volk«. Auf Deutsch heißt es zwar der Sieg, aber die Siegesdenkmäler richten sich doch allenthalben nach der femininen griechisch-lateinischen Tradition (griech. nike, lat. victoria), vgl. die Nike von Samothrake im Louvre (damals noch ohne Turnschuh-Connection) oder die Siegessäule (Goldelse) in Berlin.
Nun also sollen die Abstrakta auch noch von den Herren übernommen werden. Den unrühmlichen Anfang macht Balkenhol mit seinem Kniephall. Was mag in ihm vorgegangen sein, als er sich diesen Entwurf ausdachte, und was in der Jury, als sie ihn akzeptierte? Ich denke, Folgendes ist abgelaufen:
Schon im Einheitsjahr 1990 wurde die Vereinigung häufig als Hetero-Ehe zwischen Ost und West versinnbildlicht. Immer war der starke Westen der Mann und der arme Osten die Frau, besonders widerwärtig auf einem Spiegeltitel, den ich noch nicht wiedergefunden habe.
Balkenhols Entwurf erinnerte mich an diese Vereinigungs- und Ehe-Symbolik, speziell an den Bibelspruch
Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden zu einem Fleisch werden. (1. Mose 2,24).
Dass dieses eine Fleisch oder diese eine Person, zu der sie werden, nur der Mann sein kann, liegt auf der Hand und wurde offenbar auch von Balkenhol klar erfasst. Im 19. Jahrhundert verlor die Frau bei der Eheschließung nicht nur ihren Namen (wie die DDR), sondern auch sämtliche bürgerlichen Rechte. Der Mann trat buchstäblich »an ihre Stelle«.
Balkenhol ist ein Mann und ein Wessi. Was der Wessimann da in seiner Skulptur mit den realen Frauen und der symbolischen Frau DDR macht, ist eigentlich ganz logisch: Sie wird inkorporiert und geschluckt. Er hat sie sich einverleibt. Herr Wessi geblieben, Frau Ossi geschluckt – das ist die deutsche Einheit.
Irgendwie scheint die Jury das erfasst und richtig gut gefunden zu haben.
Ich hoffe nun mit den erbosten Frauen, die mir geschrieben haben oder auch nicht (frau hat immer so viel zu tun), dass das Parlament in einem Moment der Erleuchtung den besten Entwurf der drei wählt, nicht zufällig wohl der einzige, an dem eine Frau mitgewirkt hat: die Choreographin Sasha Waltz.
Oktober 2010

Wenn der Partner stirbt: Gedanken zum Totensonntag

Was hat das Altenheim mit dem Totensonntag zu tun? Nicht, was viele jetzt vielleicht denken.
Nein, wie üblich geht es mir nur um sprachliche Besonderheiten und Gemeinsamkeiten: Totensonntag und Altenheim sind geschlechtsneutrale Ausdrücke. Anders als etwa im Seniorenstift und mit dem Seniorenteller werden nicht wie üblich die Frauen übersehen oder ungemütlich hinzugequetscht (Seniorinnen- und Seniorenstift).
Also liebe Frauen: Besser ins Altenheim als ins Seniorenstift, ist schon sprachlich schicker. Noch schicker ist natürlich »Aging in Place«, was besser nicht mit »auf der Stelle altern« übersetzt wird, sondern eher mit »zu Hause alt werden«.
Für das nächtliche Fernsehprogramm nach dem Totensonntag wird im WDR eine Sendung aus der Reihe hier und heute angekündigt mit dem Titel »Plötzlich ohne sie – Weiterleben wenn der Partner stirbt«. In den Erläuterungen des Senders erfahren wir, dass der Film von einem trauernden Witwer handelt und von einer Frau gedreht wurde:
Siegrid, das war Wolfgang Wenzels große Liebe. Sie war seine zweite Frau. Manchmal denkt er … daran, ob es jemanden gäbe, der diese unendliche Leere wieder füllen kann, und wagt einen Blick ins Internet, denn als seine Frau ihre Diagnose erfahren hatte und wusste, dass sie sterben würde, hat sie immer wieder zu ihm gesagt: »Wolfgang, bleib nicht lang allein.« hier und heute-Reporterin Tanja Reinhard hat den Witwer in dieser schweren Zeit über zehn Monate begleitet und traurige, schmerzhafte, aber auch Momente der Lebenslust und Freiheit erlebt. (Senderinfo)
Warum Siegrid im Titel der Sendung »der Partner« genannt wird, weiß niemand. Vielleicht haben die leitenden Herren des Senders das so verfügt. Vielleicht hat die Regisseurin in vorauseilendem Gehorsam und weil unsere Männersprache klares Denken erschwert, sich den seltsamen Titel selbst ausgedacht.
Vielleicht ist »Weiterleben, wenn der Partner stirbt« der Titel einer Serie, die notgedrungen überwiegend von Frauen handelt, weil Frauen länger leben und daher der Verlust des Partners häufiger ist als der Verlust der Partnerin. Da das aber wiederum so alltäglich ist und die meisten Frauen mit dem Verlust auch tapfer zurechtkommen (Stichwort »Momente der Lebenslust und der Freiheit«, wobei zu vermuten ist, dass das bei Frauen mehr als nur Momente sind …), ist ein trauernder Mann schon eher gut für eine aufwühlende, bewegende Story.
So könnten wir lange grübeln über die Gründe eines verpatzten Titels. Immerhin hat er uns wieder darauf aufmerksam gemacht, dass wir nicht der Rede wert sind. Der Witwer hat seinen Partner verloren. Oder seine Partnerin? Ist eh egal. Hin ist hin.
Und jetzt sucht er jemanden, der diese Leere wieder füllen kann. Na, da kann er lange suchen, denn in seinem Alter sind mögliche Partner rar. Eher könnte es klappen mit einer Partnerin. Aber wirklich selig sind erst die Toten, denn sie kennen kein Geschlecht.
In diesem Sinne:...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Widmung
  4. Inhalt
  5. Vorwort 2013 – das Jahr der Frauen
  6. Lücken im Wortschatz
  7. Kampf um das Femininum 1: Weg mit dem Femininum!
  8. Kampf um das Femininum 2: Das Femininum erholt sich
  9. Deutsch als gerechte und bequeme Sprache? Wie könnte das aussehen?
  10. Lesben, Schwule und Sprache
  11. Feministische Sprachkritik, auch für Männer
  12. Verzeichnis der Glossen