Die Eier des Staatsoberhaupts
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Die Eier des Staatsoberhaupts

Und andere Glossen

  1. 144 Seiten
  2. German
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Die Eier des Staatsoberhaupts

Und andere Glossen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Als Luise F. Pusch gebeten wurde, etwas über die Frage "Ist die Frauensprache am Ende?" zu schreiben, denn - so der Fragesteller - "man hört rein gar nicht mehr von dem Thema", fragte sie zurück, "wie ist es mit Skandinavien? Ist Skandinavien auch am Ende? Man hört in letzter Zeit so wenig von Skandinavien." Die Frage, ob Frauenbewegung und Frauensprache tot sind, ist ungefähr so alt wie diese selber, und kann mit "Nein" beantwortet werden. Denn immer neue Herausforderungen an die Sprache halten diese quicklebendig: Kann eine Frau die "Schirmherrschaft" übernehmen? Wäre es nicht besser von einem "Matronat" zu sprechen? Gibt es eine passendere Bezeichnung für "Frauenpaar" - vielleicht "Knutschfreundinnen"? Pusch gelingt es immer wieder, gedanken- und bedenkenlos verwendete Sexismen in der Sprache aufzudecken und sie durch witzige, überraschende und oft durchaus ironische Feminin-Äquivalente zu ersetzen.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783835321267

Frauenbewegung

Ist die Frauenbewegung tot?

Manchmal fragen Zeitschriften bei mir an, ob ich einen Artikel zum Thema Frauensprache liefern könnte. »Schon möglich«, pflege ich zu sagen, »und was hatten Sie sich da in etwa so gedacht?« »Vielleicht folgendes«, kam neulich die muntere Antwort, »›Ist die Frauensprache am Ende?‹ Denn, finden Sie nicht auch, man hört heute rein gar nichts mehr von dem Thema.« »Und«, fragte ich zurück, »wie ist es mit Skandinavien? Ist Skandinavien auch am Ende? Man hört in letzter Zeit so wenig von Skandinavien.«
Die Frage »Ist die Frauenbewegung tot?« ist ungefähr so alt wie die Frauenbewegung selbst. Sie wird hierzulande allerdings, seit Alice Schwarzer die fünfzig überschritt, von Jahr zu Jahr mit größerer Ungeduld gestellt.
Frauen, die in der Frauenbewegung aktiv sind, kämen ja nicht auf die Idee, eine so dämliche Frage zu stellen. Wieso auch? Gestellt wird die Frage meist von Männern, die der Frauenbewegung fernstehen, aber auch wieder nicht so unhöflich sein wollen, die Frauenbewegung nun glattweg für tot zu erklären. Niemand würde fragen: »Ist die 68er Bewegung tot?« »Sind die Studentenbewegung, die Hippiebewegung tot?« Weil die nämlich so tot sind, daß die Frage eine Rückfrage nach dem Geisteszustand des Fragenden auslösen würde: »Wo haben Sie denn gelebt während der letzten dreißig Jahre?«
Daß die Frage gestellt wird, ist also ein Beweis dafür, daß die Frauenbewegung gesund und munter ist. Nur – »man hört heute rein gar nichts mehr von ihr.«
Dies Schicksal hat die Frauenbewegung übrigens mit der Frau als solcher gemeinsam: Sie hat gelebt all die Jahrmillionen, seit der Mensch auf der Erde wandelt – nur gehört hat mann nicht viel von ihr. Mann tat nämlich alles, um sie zum Schweigen zu bringen: Das Weib schweige in der Gemeinde – und nach Möglichkeit auch sonst überall. Redete frau trotzdem mal, hat mann eben nicht hingehört. Mann hat anscheinend nur ein einziges Mal kurz was vernommen – als die Neue Frauenbewegung noch wirklich neu war und in spektakulären Aktionen lautstarke Lebenszeichen von sich gab. Und da er die nun nicht mehr hört, macht er sich Hoffnungen, daß die Frauenbewegung tot ist.
Dabei – soo laut waren die Lebenszeichen eigentlich gar nicht. Sie waren halt nur neu und damit für eine Weile der Aufmerksamkeit der Medien wert. Inzwischen ist die Frauenbewegung erwachsen geworden und arbeitet eher wie amnesty international, Terre des Femmes oder ÄrztInnen ohne Grenzen – stetig, beharrlich, nachhaltig. Vieles geschieht effektiver im Hintergrund.
Fast noch beliebter als die Frage nach dem Totsein ist folgende Variante: »Hat die Frauenbewegung sich nicht überlebt?« Besonders junge Frauen, die noch nicht verstehen, was hier gespielt wird, erklären gern frischweg, sie jedenfalls hätten die Frauenbewegung nicht nötig. Für sie ist die Frauenbewegung mitsamt ihren verschrobenen Femi-Omas überholt und total uncool.
Neulich brachte das NDR-Fernsehen zu später Stunde die Sendung Satirefest. Zuerst trat eine Kabarettistin auf, angekündigt von einem Mann mit folgenden Worten: »Luise Kinseher ist eine Frau der neuen Frauengeneration. Eine, die nicht über Emanzipation redet, weil sie schon emanzipiert ist. Sie macht auch kein Frauenkabarett, sie macht einfach gutes Kabarett.«
Die Künstlerin kam nicht gut an, das Publikum lachte kaum. Vielleicht hätte sie doch besser »gutes altes Frauenkabarett« gemacht?
Und was sagt frau sonst noch zu solch mannhaften Sprüchen?
Eigentlich klingt seine Proklamation doch überzeugend: Die Künstlerin redet nicht von Emanzipation, weil sie schon emanzipiert ist. Über Geld redet man nicht, man hat es. Über ihre Gesundheit machen sich nur diejenigen Gedanken, die krank sind. Um ihre Freiheit kämpfen nur diejenigen, die keine haben, logo.
Aber irgendwo steckt doch der Wurm in dieser Argumentation.
Der Mann suggeriert, daß eine Frau schon dann emanzipiert ist, wenn sie sich um ihre Emanzipation nicht schert. Ja so pflegeleicht hätten sie uns natürlich gern, und manche gehen ihnen auf den Leim.
Folgende schlichte Wahrheit wurde ausgespart: Um ihre Freiheit kämpfen nur diejenigen, die genug Durchblick haben und sich trauen.
Sicher trifft es zu, daß Kinseher nicht von Emanzipation redet. Ob sie das unterläßt, weil sie dafür zu emanzipiert ist oder weil es sich in dem von Männern beherrschten Kleinkunst-Betrieb schlecht verkauft? Dreimal dürfen Sie raten. Und wenn Sie es erraten haben, wissen Sie auch, weshalb die Frauenbewegung sich ein vorzeitiges Ableben nicht leisten kann. Postfeministinnen werden wir im Postpatriarchat.
März 2002

Menschenrechte für die Frau

Menschenrechtsorganisationen setzen sich für die Grundrechte von Menschen ein, für die Menschen rechte. Daneben noch spezielle Frauenrechte einzuklagen, halten viele Menschen, vielleicht die meisten Menschen, für ein Zeichen von Denkschwäche. Denn die Frauen sind doch in dem Begriff »Menschen« auf alle Fälle schon erfaßt.
Vielleicht haben auch Sie sich schon öfter gefragt, was es mit den merkwürdigen Formulierungen »Menschenrechte für die Frau« oder »Frauenrechte sind Menschenrechte« eigentlich auf sich hat.
Ist die Forderung »Menschenrechte für die Frau« nicht tautologisch, etwa so absurd wie »Hundefutter für die Hündin« oder »Katzenstreu für den Kater«? Meine Schwester schenkte mir vor Jahren ein Glas »Senf für Frauen« – wir lachen heute noch über diesen Gag!
Im Sommer 2001 interviewte ich die inzwischen verstorbene Journalistin Carola Stern zu ihrem bevorstehenden 75. Geburtstag. Carola Stern war in den Jahren davor besonders durch ihre Biographien berühmter Frauen bekannt geworden. In den 60er Jahren hat die engagierte Journalistin die deutsche Sektion von amnesty international mitgegründet. Ich fragte sie also, diese beiden Tätigkeitsschwerpunkte miteinander verknüpfend: »Frau Stern, was halten Sie als Mitbegründerin von amnesty Deutschland von Organisationen wie Amnesty for Wom en oder Terre des Femmes neben Terre des Hommes
Sie reagierte schnell, lebhaft und sehr entschieden: »Davon halte ich überhaupt nichts. Das ist eine ganz unnötige, ja dumme und ärgerliche Zersplitterung!« Amnesty habe sich immer für Menschen eingesetzt, ohne Rücksicht auf das Geschlecht.
Ich wandte ein, es gebe aber doch, wie etwa die katastrophale Lage der Frauen unter den Taliban zeige oder die systematischen Vergewaltigungen im Balkankrieg, eine ganz spezifische, systematische Gewalt von Männern gegen Frauen, die auch spezifische Gegenmaßnahmen verlange.
Nein, dem konnte sie gar nicht zustimmen.
Es ist üblich, eine Organisation, die sich »nur« um Frauen kümmert, wenn nicht, wie Carola Stern, für im Ansatz verfehlt, so doch für überflüssig zu halten. Es sind dieselben Argumente, die gegen die Quote angeführt werden, gegen die affirmative action in den USA, kurz gegen alles, was der Tatsache Rechnung tragen will, daß wir hier noch mitten im Patriarchat leben, wo alle Machtzentren fest in Männerhand sind und Männer gegen Frauen und Mädchen täglich unfaßbar grausame Verbrechen begehen.
Ich habe ziemlich lange nachdenken müssen, um herauszubekommen, wie in dieser alten Streitfrage zu entscheiden ist. Haben Leute wie Carola Stern recht – oder Leute wie Ingrid Staehle, die den Namen »Terre des Femmes« mit dem Untertitel »Menschenrechte für die Frau« geprägt hat?
Der Begriff ›Menschenrechte‹ geht zurück auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen der Französischen Revolution, die dreizehn Jahre später ihren Anfang nahm. In beiden Dokumenten, auf die sich die Idee der Menschenrechte stützt, war nicht daran gedacht, Frauen ebenfalls zu den Menschen zu zählen. Die Brüder redeten von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – und meinten es auch genau so.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, genehmigt und verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948, die ich mir etwa als heute verbindliches, aktuelles Dokument von der Webseite von amnesty international herunterladen kann, verkündet in Artikel eins: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.«
Kommentar überflüssig!
Olympe de Gouges verfaßte angesichts des Widerspruchs zwischen den vollmundigen Erklärungen der Brüder und der tatsächlichen Situation der Frau die Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne, ein kühnes feministisches Manifest, in dem sie nicht von Menschen spricht, sondern von Frauen und Männern und betont, daß die Frauen die gleichen Rechte wie die Männer haben. Dafür haben die ersten Menschenrechtler sie aufs Schafott geschickt.
Der Begriff der heute so hochgehaltenen Menschenrechte ist also an der Wurzel verfault und unglaubwürdig durch den Ausschluß der Hälfte der Menschheit bei seiner Entstehung und durch die anhaltende Weigerung, ebendiese Menschenrechte ohne Abstriche auch den Frauen zuzugestehen. Daß zu den Menschen auch nicht die schwarzen SklavInnen Amerikas gezählt wurden, genausowenig wie die unterjochte, zur Ausrottung bestimmte indianische Urbevölkerung, macht die »Menschenrechte« auch nicht überzeugender.
Die Sitte, der Frau das Menschsein abzusprechen, hat bekanntlich altehrwürdige Tradition und ist schon in der Bibel verankert, wo es in den Zehn Geboten heißt: »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.« Wir dürfen getrost davon ausgehen, daß hier nicht an Lesben gedacht wurde, die die Frau des Nachbarn nicht begehren sollen. Das »du« der Zehn Gebote richtet sich an Männer, wir Frauen sind gar nicht gemeint. Wir gehören nämlich – auf einer Stufe mit Haus, Acker, Vieh und allem was sein ist – zum Besitz des »Menschen«.
Aus dieser schon im Ansatz fatal verfehlten Erklärung der Menschenrechte folgen nun alle weiteren Aporien.
Was machen wir z. B., wenn es zu den Menschenrechten gehört, daß des Menschen Ehre nicht angegriffen werden darf, und die Frau durch Fremdgehen die Ehre des Menschen beschmutzt hat? (Artikel 12 der Menschenrechtserklärung von 1948: »Niemand darf … Angriffen auf seine Ehre und seinen Ruf ausgesetzt werden.«)
Was machen wir, wenn der Mensch ein Recht auf Bildung hat – aber Bildung teuer ist? Ist es da nicht ganz selbstverständlich, daß nur die vollgültigen Menschen in den Genuß der Bildung kommen können, die weniger wertvollen aber häufig leer ausgehen müssen?
Was machen wir, wenn der Mensch ein Recht auf freie Meinungsäußerung hat und er seine Meinung über Frauen in Form von Gewaltpornos im Internet verbreitet?
Was ich mit alldem sagen will, ist: Die scheinbar unsinnigen Formeln »Menschenrechte für die Frau« und »Frauenrechte sind Menschenrechte« sind die einzig angemessene sprachliche Reaktion auf einen männlichen Denkfehler, der zum Dogma wurde – auf die in alle Kulturen mehr oder weniger tief eingegrabene, schwer ausrottbare Überzeugung der Männer, daß Frauen entweder überhaupt nicht zu den Menschen zählen (sondern zum Besitz des Mannes) oder daß sie Menschen zweiter Klasse sind.
In der Tat ist es so, daß in den meisten europäischen Sprachen die Wörter für ›Mann‹ und ›Mensch‹ identisch sind: Im Französischen ›homme‹, im Englischen ›man‹, im Italienischen ›uomo‹, im Spanischen ›hombre‹ undsoweiter. Mir ist hingegen keine Sprache bekannt, in der die Bezeichnung für ›Mensch‹ mit der Bezeichnung für ›Frau‹ übereinstimmt.
Sie kennen vielleicht den Witz von den beiden Schneidern, die am selben Platz wohnten. Der eine hängte ein Schild auf: »Hier wohnt der beste Schneider der Welt.« Der andere Schneider hängte auch ein Schild auf: »Hier wohnt der beste Schneider am Platze.«
Der Kleine hat den Gernegroß mit einem Satz entlarvt.
Eine ähnliche Glanzleistung war der Spruch »Wir sind das Volk«, mit dem die angeblichen Vertreter ebendieses Volkes schließlich in die Knie gezwungen wurden.
Sie erkennen das Muster: Der eine bläht sich auf mit einem universellen (An-)Spruch: »Wir kämpfen für Menschenrechte!« Die andere kontert bescheiden: »Und wir für Frauenrechte!« – und untergräbt damit den universellen Anspruch des anderen, entlarvt ihn als hohl.
Kein Wunder, daß Carola Stern nicht begeistert war.
März 2002

Globale Entmannung

In einem Interview wurde mir neulich folgende Frage gestellt: »Wenn Sie die Zeit von ihrem Buch Das Deutsche als Männersprache (1984) bis heute betrachten – wie sieht Ihre Sprach-Bilanz aus? Sind aus Ihrer Sicht deutliche Fortschritte erkennbar oder hat sich nach einer Phase gesteigerten Bewußtseins wieder alles zum Gewohnten gekehrt?«
Meine Antwort: Teils – teils. Ein deutlicher Fortschritt ist die Tatsache, daß das Maskulinum nicht mehr das ist, was es einmal war. Vor der feministischen Sprachkritik hieß es »Sie ist Kaufmann, Ratsherr, Amtmann« und so fort. Das Publikum, meist zur Hälfte weiblich, wurde angeredet als »Liebe Leser, liebe Zuhörer, liebe Wähler und Bürger draußen im Lande«. Das geht heute so nicht mehr, da sind mann und frau sen sibel geworden. Wir werden angeredet als »Liebe Le serinnen und Leser«, und eine Frau ist Kauffrau oder Ratsfrau, ganz selbstverständlich. Und das Pendant ist der »Hausmann«, der früher noch ganz lächerlich wirkte. Außerdem gibt es verbindliche Richtlinien für einen »geschlechtergerechten Sprachgebrauch«, dem zumindest die Amtssprache in der Bundesrepublik verpflichtet ist, z. B. in Formularen, Gesetzestexten und soweiter.
Andererseits sind wir alle träge. Überdies gehört unsere Sprechweise zu unserem Intimbereich, in den wir uns nur sehr ungern hineinreden lassen. Geschlechtergerechte Sprache (ich nenne sie ja lieber nur »gerechte Sprache«) bedarf der Einübung und der Bewußtheit. Und wir sprechen lieber und besser, wenn wir uns der Sprache beim Sprechen nicht bewußt sind. Es gibt also ein paar ganz natürliche Bremsen gegen den Sprachfortschritt.
Und schließlich gibt es den von Männern in allen Machtbereichen gehegten und geschickt geschürten Widerwillen gegen die »Emanzen«. Das war zu allen Zeiten so und gilt ganz allgemein, wenn eine Gruppe in ihrer Macht eingeschränkt werden soll. Auch der französische Adel ließ sich nur ungern köpfen, um ein drastisches Beispiel zu nennen. Die Frauenbewegung ist ja schon uralt, die organisierte begann in weiten Teilen Europas etwa um 1850 und stieß auf härtesten Widerstand. Aber inzwischen dürfen Frauen hier doch wählen, ihr Geld selbst verwalten und die höhere Schule besuchen, sogar die Universität. Das war früher bei uns alles verboten – und in anderen Teilen der Welt, siehe Saudi-Arabien, Kuwait und andere arabische Länder, immer noch. Aber die Gerechtigkeit ist letztlich nicht aufzuhalten, wenn es auch immer wieder Rückschläge und erbitterten Widerstand gegen sie gibt.
So weit der Auszug aus diesem Interview. Inzwischen habe ich gelegentlich weiter über die Zukunft der feministischen Sprachkritik und -politik nachgedacht. Hier mein vorläufiges Ergebnis:
Ich meine, die feministische Sprachkritik hat zur sexistischen Grammatik das Wesentliche schon vor einem Vierteljahrhundert gesagt, in Europa etwa in der Zeit ab Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre. In den fast zwanzig Jahren seither ging es folgerichtig nicht mehr um theoretische Fundierung, sondern um die Durch setzung feministisch-linguistischer Forderungen in der Praxis. Diese Forderungen lassen sich in einem handlichen Spruch zusammenfassen:
Frauen wollen sprachlich gewürdigt werden und sprachlich sichtbar sein.
Leicht erschließbar ist hier die gängige Sprachpraxis, gegen die sich der Satz richtet: Frauen werden nach Möglichkeit sprachlich unsichtbar gemacht – dabei half traditionell die sexistische Grammatik, die etwa vorschreibt, daß aus 99 Sängerinnen und einem Sänger zusammen 100 Sänger werden. Wo das nicht geht, werden sie als »Gruppe« (immerhin sind wir die Mehrheit, da ist der Ausdruck »Gruppe« schon seltsam) systematisch herabge w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Beruf
  3. Familie
  4. Film und Fernsehen
  5. Frauenbewegung
  6. Geld
  7. Gesundheit
  8. Heim und Herd
  9. Kunst und Kultur
  10. Liebe
  11. Merkel
  12. Miteinander
  13. Mode
  14. Musik
  15. Paare
  16. Reisen
  17. Tierleben
  18. Verzeichnis der Erstdrucke
  19. Verzeichnis der Glossen