Medizin und Nationalsozialismus
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Medizin und Nationalsozialismus

Bilanz und Perspektiven der Forschung

  1. 324 Seiten
  2. German
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Medizin und Nationalsozialismus

Bilanz und Perspektiven der Forschung

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Über dieses Buch

Der Forschungsbericht kommentiert die kaum noch überschaubare Literatur zu Medizin und Nationalsozialismus. In knappen Strichen werden die Wege der wissenschaftlichen Annäherung an diesen Themenkomplex nachgezeichnet und Meilensteine, aber auch Desiderate der Forschung benannt. Zentrale Themen sind die NS-Gesundheitspolitik und die ihr zugrundeliegende Weltanschauung, das Gesundheitswesen und die medizinische Forschung im "Dritten Reich", die medizinische Praxis in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs sowie der Brüche und Kontinuitäten nach 1945. Die Untersuchung schließt Österreich (nach 1938) mit ein. Damit liegen erstmals eine Orientierung über den erreichten Stand sowie ein Wegweiser für zukünftige Forschungen auf diesem Gebiet vor. Das Buch wendet sich an alle, die sich für das Thema Medizin und Nationalsozialismus interessieren: an fortgeschrittene Studierende der Fächer Medizin, Pharmazie, Pflegewissenschaften und der Geschichtswissenschaften sowie der Nachbardisziplinen (z. B. Volkskunde, Ethnologie), ebenso an Ärztinnen, Ärzte und Wissenschaftsjournalisten, die ihr Wissen auf diesem Gebiet vertiefen und selbst forschen wollen.

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Information

Verlag
Wallstein
Jahr
2012
ISBN
9783835321212

1 Medizin und Nationalsozialismus

(Überblicksdarstellungen, Quellensammlungen, bibliographische und biographische Hilfsmittel)
Winfried Süß

Überblicksdarstellungen

Die Geschichte der Medizin im »Dritten Reich« umfasst ein breites Spektrum an Themenfeldern. Hierzu zählt die Geschichte der Biowissenschaften und der medizinischen Verbrechen ebenso wie die Geschichte der Gesundheitspolitik und die Sozialgeschichte von Ärzten, Pflegeberufen und Patienten. Für den ersten Einstieg in die Thematik eignen sich einige neuere Überblicksartikel, die den aktuellen Forschungsstand skizzieren.1 Allerdings existiert bis heute keine Darstellung, die die Erträge von mehr als sechs Jahrzehnten Forschung auf der Höhe des erreichten Wissensstandes zusammenführt. Insofern trifft die Feststellung des Kieler Medizinhistorikers Fridolf Kudlien aus dem Jahr 1993 weiterhin zu, dass »ein wirklich umfassendes Buch über das Themengebiet ›Medizin und Nationalsozialismus‹«2 bis heute fehlt. Eine solche Synthese ist daher ein dringendes Desideratum.
Gleichwohl gibt es Annäherungen an dieses Ziel: Das 1986 erschienene Buch des US-amerikanischen Psychiaters Robert J. Lifton stellt die Erklärung ärztlichen Handelns bei den Medizinverbrechen des »Dritten Reiches« in den Mittelpunkt.3 Professionsgeschichtliche Fragen und die Erklärung ärztlichen Engagements für die Politik der Nationalsozialisten stehen sowohl in der populärwissenschaftlichen Darstellung von Renate Jäckle4 als auch in der 1989 erstmals veröffentlichten Monographie des Sozialhistorikers Michael H. Kater im Zentrum.5 Letztere ist bis heute die umfassendste Studie zur Geschichte von Ärzten im »Dritten Reich«. Robert Proctor setzt einen anderen Schwerpunkt und beschreibt die Geschichte der NS-Gesundheitspolitik als Durchsetzung des rassenhygienischen Paradigmas.6 Dem zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung (1988) an der New Yorker New School of Social Research lehrenden Historiker geht es um die Stellung der Wissenschaft in Politik und Gesellschaft des »Dritten Reiches«. Indem er nach dem aktiven Anteil biomedizinischer Wissensordnungen und ihrer Vertreter an der Gestaltung der nationalsozialistischen Rassenpolitik fragt, wendet er sich gegen die Vorstellung eines »schwachen«, auf politische Vorgaben lediglich reagierenden und durch die NS-Politik korrumpierten Wissenschaftssystems. Den Versuch einer Gesamtdarstellung für die Kriegsjahre, die politik- und sozialgeschichtliche Fragestellungen integriert, hat Winfried Süß vorgelegt.7 Kaum Neues bringt die Darstellung des österreichischen Journalisten Hans-Henning Scharsach, die auf der selektiven Auswertung älterer Literatur basiert.8 Stärken hat das Buch dort, wo es die Verhältnisse in Österreich schildert, z. B. den Fall Heinrich Gross, der es zu einem der führenden psychiatrischen Gutachter der zweiten Republik brachte, obwohl seine Mitwirkung an der Kinder-»Euthanasie« gerichtsnotorisch war.
Die Geschichte der Gesundheitspolitik im »Dritten Reich« war lange Zeit ein nahezu unvermessenes Forschungsfeld. Dies änderte sich erst in den 1980er Jahren, dann aber mit einer solchen Geschwindigkeit, dass der britische Historiker Paul Weindling nicht ohne Hintersinn von einer »Volksbewegung«9 medizin- und biologiegeschichtlicher Arbeiten gesprochen hat. Sein Diktum bezieht sich erstens auf die rasch steigende Zahl einschlägiger Veröffentlichungen. Nicht zuletzt eine Fülle von Sammelbänden spiegelt die rasche Ausdifferenzierung des Forschungsstandes. Weindlings Diktum spielt zweitens darauf an, dass wichtige Anregungen dazu nicht aus dem professionellen Feld der deutschen Medizingeschichte kamen, sondern von außen. Unter den Veröffentlichungen der frühen 1980er Jahre sind vor allem zwei Sammelbände wichtig: Ein 1985 vom Kieler Medizinhistoriker Fridolf Kudlien herausgegebener Band stellt den ersten, international stark beachteten und auch heute noch lesenswerten Versuch einer Gesamtdarstellung der Geschichte der Medizin im »Dritten Reich« dar. Die in Zusammenarbeit mit jüngeren Medizinhistorikern verfasste Aufsatzsammlung fragt insbesondere nach der Rolle von Ärzten als Unterstützer und Kritiker des Nationalsozialismus. Weiterhin enthält sie Beiträge zu zentralen Institutionen, Organisationen und Programmen der NS-Gesundheitspolitik (z. B. zum NS-Ärztebund, zu den »Gesundheitshäusern« und zur Leistungsmedizin), die seinerzeit schmerzliche Forschungslücken schließen halfen.10
Eine starke Initialwirkung ging 1980 von der Eröffnungsveranstaltung »Tabuisierte Vergangenheit – ungebrochene Tradition« des Berliner Gesundheitstags aus, der parallel zum 83. Deutschen Ärztetag stattfand. Der Gesundheitstag verknüpfte historische Fragestellungen mit dezidiert gegenwartskritischen Positionen und schlug damit eine Brücke zwischen einer kritischen Medizingeschichte und Teilen der neuen sozialen Bewegungen, die sich für mehr Patientenrechte und Transparenz im Gesundheitswesen engagierten. Die von Gerhard Baader und Ulrich Schultz herausgegebene Tagungsdokumentation setzt den Schwerpunkt auf die Geschichte medizinischer Verbrechen, entfaltet darüber hinaus jedoch ein breites Panorama ideen-, standes- und sozialgeschichtlicher Themen. Sie wurde mehrfach nachgedruckt und regte eine ganze Reihe akademischer Vortragsreihen an, die auf die zunehmende Nachfrage einer jüngeren Generation von Ärzten und Studierenden nach einer Neujustierung des professionellen Selbstverständnisses im Umgang mit dem eigenen Fach reagierten und daher ihren Fragekreis vorrangig auf die Geschichte der Hochschulmedizin an der eigenen Universität fokussierten.11
Bereits wenige Jahre nach diesen wegweisenden Veröffentlichungen war das Thema in der Medizingeschichte und in der Zeitgeschichte gleichermaßen »angekommen«.12 Es verlor seinen Charakter als »Oppositionswissenschaft« und wurde Teil eines außerordentlich produktiven Forschungstrends, der Gesundheitspolitik als zentrales Element nationalsozialistischer Gesellschaftspolitik begriff. Sammelwerke, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre erschienen, konnten sich daher bereits als Zwischenbilanzen des erreichten Forschungsstands verstehen, wie ein von Johanna Bleker und Norbert Jachertz herausgegebener Band, mit dem das »Deutsche Ärzteblatt« auf kontroverse Diskussionen innerhalb der Ärzteschaft reagierte.13 Zwei Sammelbände des Instituts für Zeitgeschichte markieren die Bruchlinie dieser Entwicklung und verweisen zugleich auf die rasche Karriere des Themas und seinen Weg von den Rändern ins Zentrum der zeithistorischen Forschung. Verstand sich die Dokumentation eines 1987 veranstalteten Kolloquiums noch als tastender Versuch des interdisziplinären Gesprächs und vorläufige Summe erster Ergebnisse nach 15 Jahren »wissenschaftlichen Schweigens«,14 präsentierte wenige Jahre später ein von Norbert Frei publizierter Band mit Beiträgen von Medizinern, Biowissenschaftlern, Theologen und Historikern eine eindrucksvolle Fülle empirisch dichter Forschungsarbeiten zur Politik-, Sozial- und Verbrechensgeschichte der Medizin im »Dritten Reich«, die eng mit zeithistorischen Leitdebatten verknüpft waren und z. B. nach der Bedeutung der polykratischen Herrschaftsordnung für die Radikalisierung der NS-Gesellschaftspolitik fragten.15
Für die Forschungssituation in der DDR hat der Sammelband von Achim Thom und Genadij I. Caregorodcev eine ähnliche Bedeutung.16 Ein von Christoph Meinel und Peter Voswinckel herausgegebener Band enthält Aufsätze zu Medizinischen Fakultäten, der biowissenschaftlichen Forschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten sowie zum Umgang mit behinderten Menschen und chronisch Kranken. Er dokumentiert Beiträge auf der 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik 1992 in Jena und versteht sich als »Zwischenbilanz« der Forschungsentwicklung seit der Coburger Jahrestagung 1978, auf der das Thema erstmals kontrovers diskutiert wurde.17 Klaus-Dietmar Henke hat für die Begleitvorträge zur Ausstellung »Tödliche Medizin«, die 2006/07 im Dresdener Hygiene-Museum zu sehen war, international ausgewiesene Experten gewonnen. Sein Band versammelt Beiträge zur Geschichte der »Euthanasie«, der juristischen Verfolgung von »Euthanasie«-Verbrechen und zur Geschichte der »Wiedergutmachung« und gibt die derzeit beste Einführung in den aktuellen Forschungsstand auf diesen Themenfeldern.18

Quellensammlungen und Ausstellungskataloge

Mehrere Quellensammlungen machen zentrale Dokumente für die Verwendung in Lehre und Studium verfügbar. Allerdings liegt ihr Akzent primär auf der Verbrechensgeschichte der NS-Medizin und ihren ideengeschichtlichen Wurzeln, während Quellen zur Sozial- und Standesgeschichte von Ärzten oder zur Patientengeschichte seltener zu finden sind. Dies gilt für die frühe und in hoher Auflage verbreitete Dokumentation des Nürnberger Ärzteprozesses von Alexander Mitscherlich und Fred Mielke19 ebenso wie für Ernst Klees bekannte Dokumentation zur Geschichte der »Euthanasie«,20 die vor allem die strafrechtliche Aufarbeitung der »Euthanasie«-Morde in den Anstalten Eichberg und Grafeneck sowie das Gerichtsverfahren gegen Werner Heyde auswertet. Einen thematisch und zeitlich weiter gefassten Ansatz, der z. B. auch den Reaktionen auf die Krankenmorde breiten Raum gibt, verfolgt die Dokumentation von Jochen-Christo...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. 1 Medizin und Nationalsozialismus
  3. 2 Eugenik und Rassenanthropologie
  4. 3 Gesundheitswesen
  5. 4 Medizinische Forschung
  6. 5 Medizinische Praxis
  7. 6 Brüche und Kontinuitäten nach 1945