Lange Fluchten
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Lange Fluchten

Roman

  1. 146 Seiten
  2. German
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Lange Fluchten

Roman

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Über dieses Buch

Eine Abenteuergeschichte über die Abgründe des eigenen Ichs, eine moderne Legende - bildmächtig, geheimnisvoll, bezwingend.Alles um ihn herum scheint merkwürdig weit weg, auch wenn es auf den ersten Blick aussieht, als wäre alles in Ordnung. Cons, mit vollem Namen Constantin, lebt mit seiner Frau und zwei Jungen auf einem Grundstück zusammen; aber das Wort »zusammen" beschreibt es nicht ganz: Ein Haus hatten sie einmal bauen wollen, jetzt wohnen sie noch immer in provisorischen Containern in zwei Stockwerken, unten Cons, oben die Frau mit den Kindern. Etwas in Cons wirkt wie zerbrochen; er ist seit seinem »Aussetzer" bei einer Übung als Zeitsoldat, an den er sich nur vage erinnern kann, wie aus der Welt gefallen. Ja, die Welt ist ihm abhanden gekommen. Unfähig, sich von der Fokussierung auf ein Ziel zu lösen, das es nicht mehr gibt, gleitet Cons aus alten Freundschaften und aus dem Leben seiner Familie in eine richtungslose, nächtelange Pirsch.Angelehnt an die Legende des römischen Feldherrn und Jägers Eustachius schreibt Daniela Danz ein radikales Buch über den Sog des Scheiterns und die vergebliche Tapferkeit eines Mannes, der sich noch einmal mit aller Macht der Fluchtlinie seines Lebens entgegenstemmt, bevor er in eine alptraumhafte Irrealität sich überschlagender Ereignisse gerät.

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Information

Verlag
Wallstein
Jahr
2016
ISBN
9783835329560

XI

Es ist noch Sommer, es ist noch immer endloser Sommer. Es ist noch immer der Tag, an dessen Morgen er über die Wiese zum Haus gegangen war, der Morgen, an dem er Susas Pferdeschwanz hatte davonwippen sehen. Der Morgen nach der Nacht auf der Kanzel, an die er sich mittlerweile kaum noch erinnern kann. Was für ein endlos langer Tag.
Sechzehn Uhr, als er den Niva zu Hause parkt. Die Jungen sitzen in der Sonne, der Kleine schnitzt an einem Stöckchen, der Große schraubt an seinem Rad rum. Die Tür oben steht offen, und Musik dringt nach draußen. Harmlose Radiomusik, was für eine Idylle. Das Gesicht des Großen verfinstert sich leicht, als Cons den Motor abstellt. Wobei er es offenbar mehr aufsetzt, dieses Gesicht, als dass er wirklich finsterer Laune wäre. Er ist drüber weg, über das Vaterding. Der Gedanke macht Cons mutig, hinüberzugehen, sich neben den Großen zu stellen, ihm zuzusehen. Der Kleine kommt gleich auf ihn zu, zeigt ihm den Pfeil, den er für Anne schnitzt, wie er freudig mitteilt. Cons nimmt ihn hoch und hebt ihn in die Luft. Ihm ist kurz, als würde er auftauen – der warme Sommer, die Schramme an der Stirn seines Sohnes, sein von der Sonne gebleichtes Haar – eine warme Welle rollt auf ihn zu. Er hält den Kleinen in die Luft und lässt sich überrollen von diesem Gefühl. Er nimmt den Kleinen herunter, schließt ganz fest seine Arme um ihn. Der Große sieht sie an, verwundert, alles hält für einen Augenblick.
Wüst im Wind der Milan, steht, schwankt in einer Bö. Kreist über der Wiese. Verharrt. Schießt herab und erhebt sich wieder in die Luft. Die leuchtenden Beeren der Ebereschen am Waldrand und das niedergedrückte Gras dort, wo einer gelegen hat, lag, liegen wird. Der Milan mit seiner Geduld, der böige Wind.
Er setzt den Kleinen ab, gibt ihm einen Klapps, fragt den Großen, wo die Bohrmaschine ist.
»Im Schuppen, nehm ich an«, der wundert sich noch immer. Und auch Cons wundert sich, er geht zum Schuppen und findet nach einigem Suchen die Bohrmaschine. Auch einen Strick findet er. Ihm fällt ein, dass die Jungen noch nie eine Hängematte hatten, auch wenn die Bäume hier dicht genug stehen. Er wird seinen Jungen eine Hängematte aufhängen. Also wieder in die Stadt, eine kaufen, da kann er auch gleich die Bohrmaschine vorbeibringen.
Er parkt direkt vor Hennings Haus im Halteverbot, Henning scheint zu schlafen, er öffnet nicht, aber die Haustür ist nur angelehnt. Cons geht hoch und legt Bohrmaschine und Strick vor die Tür. Er bleibt kurz stehen. Ob er noch einmal klingeln soll? Er zögert, lauscht auf die Musik aus der Nachbarwohnung.
Im Fernseher eine Sendung über irgendeine Katastrophe, und die Männer schauen unverwandt hin. Das Gurgeln von Wasser aus dem Spülbecken. Der Staub in der Luft, der Geruch von Geschwafel und Ressentiments.
Nein, es ist gut, wenn Henning schlafen kann. Aber es ist so schwer, zu gehen, ohne ihn gesehen zu haben. Verdammt, Henning, ich würde dir gern ein paar Löcher in die Wand bohren, wenn ich schon sonst nichts tun kann. Cons fühlt Tränen in seine Augen steigen, er hat seit Jahren nicht geweint, ausgerechnet jetzt Tränen.
Eine Politesse steht unten neben seinem Auto und ist gerade im Begriff, seine Nummer einzugeben. Cons geht zu ihr, und ehe sie ihn etwas fragen kann, sagt er: »Heute nicht, heute bitte nicht«, und sie sieht ihn an mit erstaunlich blauen Augen, und dann packt sie ihr Gerät ein und nickt und geht weiter.
Siebzehn Uhr dreißig. Wenn er jetzt noch beim Edeka halten würde, könnte er schauen, ob Susa da wäre. Ja, sie ist da, er sieht ihren blonden Pferdeschwanz und hört, wie sie freundlich den Preis nennt, und sieht sie Geld in die ausgestreckte Hand einer Kundin legen. Er beeilt sich, in die Deckung der Regale zu kommen, bevor sie ihn sieht. Dann nimmt er den teuersten Pralinenkasten aus dem Regal und legt ihn auf Susas Kassenband. Sie ist gerade um die Ecke mit Einräumen beschäftigt und ruft: »Komme gleich«. Schwungvoll setzt sie sich auf ihren Stuhl, zieht die Pralinen übers Band, und indem sie »neun neunzig« sagt, sieht sie ihn.
»Cons!«, sie scheint sich zu freuen. »Gerade heute Morgen war ich bei dir, aber du warst nicht da.«
Er lächelt. Susa lächelt auch und sagt noch einmal »neun neunzig«. Er bezahlt, hält ihr die Pralinen entgegen und sagt: »Für dich, schöne Frau.«
Sie scheint sich wirklich zu freuen. Dann kramt sie unter ihrem Kittel in ihrer Gesäßtasche und bringt einen Zettel zum Vorschein: »Ich hab von einem Freund, der auch beim Bund war, eine Adresse von einem, der so ähnliche Probleme wie du hat.«
»Was hab ich denn für Probleme?«
»Komm schon, Cons, nimm sie halt mit, und wenn dir danach ist, rufst du da mal an. Ich wollte dir nur helfen.«
Ja, so war Susa, man konnte darüber noch nicht mal wütend sein. Deswegen war sie auch wegen neulich nicht sauer, weil sie einem Kranken ja nicht böse sein wollte, die Sanitätsschwester Susa, die aufopferungsvoll von einem Halbzerschossenen zum nächsten läuft.
»Mit dir in der Hauptrolle sollten sie mal einen Film drehen«, sagt er zu ihr, und sie lächelt wieder. Letzten Endes war immer alles ganz leicht und einfach mit Susa.
»Komm mal raus aus deinem Verschlag, ich will dich in den Arm nehmen«, sagt er, und sie beugt sich erst vor, um nachzusehen, ob kein Kunde kommt, dann geht sie zu ihm herum. Ihr Körper ist wie für seinen gemacht, das hat ihn immer verwirrt. Bei Anne hatte er dieses Gefühl nie. Susa ist größer, kräftiger und weicher. Er streicht ihr über die Schlüsselbeine, die mochte er an ihr schon immer am liebsten. Sie trägt ein kleines silbernes Schiff um den Hals, und es sieht nicht nach Modeschmuck aus, sondern als ob es etwas bedeutet.
»Was hast du denn da?«
»Hat mir ein Kapitän geschenkt«, antwortet sie und lächelt etwas verlegen.
»Und dann musste er in See stechen«, sagt Cons und zerrt ein wenig an der Kette, wie um sie abzureißen.
»Lass!«, sie zieht seine Hand weg. Eine alte Frau mit einem Rollator betritt das Geschäft, und Susa tritt einen Schritt von ihm weg, sagt: »Guten Tag.«
»So ists recht«, meint Cons spöttisch. »Vergiss die Pralinen nicht.« Und es amüsiert ihn für den Moment, dass sie ein paar Extrarunden würde joggen müssen.
Die Sonne steht schon niedrig, als Cons wieder zu Hause ankommt, zwischen Haus und Waldrand in einem rötlichblauen Dunst. Wie auf einem Bild von Caspar David Friedrich, nur dass der Rohbau die Ruine spielen muss. Und er macht den Mann von hinten, den einsamen Mann in der Dämmerung. Oben im Container brennt Licht, die Jungen sind vielleicht schon im Bett. Er würde trotzdem die Hängematte noch anbringen. Ob sie sie annehmen würden von ihm? Er würde auch die Schaukel herunternehmen. Der Sommer liegt vor ihnen, die langen Abende. Die Jungen mussten doch auch irgendwann Ferien haben, fällt ihm ein. Er schämt sich, nicht zu wissen, wann das sein würde. Anne würde Urlaub genommen, vielleicht etwas geplant haben. Vielleicht schon nächste Woche, vielleicht ohne ihn. Sie waren ohnehin meist ohne ihn gefahren, entweder war er im Einsatz gewesen, oder er wollte am Haus bauen. Aber das war ja alles ihr gemeinsames Leben gewesen, Rücken an Rücken hatten sie sich als kleines Kommando die Aufgaben aufgeteilt. Jetzt stand er mit dem Rücken zur Wand. Wie hatte das alles kommen können?
Nein, in sein Verlies will er heute Abend nicht, er legt sich in die Hängematte. Die Luft riecht würzig nach wildem Thymian, und das Zirpen der Grillen breitet sich wie ein Teppich über die Wiese. Er denkt an Henning: Warum eigentlich wollte er eine Hängematte im Zimmer. Er müsste ihn noch einmal hierher holen, das musste doch gehen. Seltsam, dass heute der Tag war, an dem er die Schaukel abgenommen hat, an dem die Jungen ihre erste Hängematte bekamen, es war so einfach gewesen.

XII

Ein guter Tag. Anne kommt mit seinem Handy herüber, er hatte es offenbar bei ihr oben liegengelassen, als er nach dem Essen zum Rohbau gegangen war, um die Holzbalken für die Zwischenwand zuzuschneiden. Er geht ihr entgegen, spürt seinen Körper in jeder Faser, das Bauen heute hat ihm gutgetan, er könnte auch bald Feierabend machen, es dämmert schon.
»Wer ist dran?«, fragt er.
»Ellen.«
Ellen? Cons ist für einen Moment, als könne er dieses Ding, das ihm Anne entgegenhielt, nicht anfassen. Er muss sich sehr beherrschen, es ihr nicht aus der Hand zu schlagen, er will Ellen nicht hören, warum ruft sie an! Er will es nicht wissen.
»Henning hat sich erhängt. Als ich heute Nachmittag mit den Kindern von meiner Mutter zurückgekommen bin, hing er da. In seinem Zimmer. Der Arzt sagt, er muss es gestern Abend gemacht haben.« Sie macht eine Pause. »Und kein Brief, kein Zettel.« Cons hört ihr Schnaufen.
Nein, nein. Halt still, das ist der Regen. Es ist Regen, nur Regen. Hörst du? Nein, du musst nicht raus. Es regnet doch. Guck, man sieht ja kaum den Wald. Wie der Regen hier prasselt. Komm, es ist nicht so wichtig, es reicht, wenn du später kommst. Bei dem Regen. Hör dir das an, wie der runterkommt.
»Nur, dass du es weißt.«
»Ja, ist richtig.«
Unter mir lag wie ein Schneefeld die Wolkendecke, fest und so, als ob man darübergehen könnte, durch dieses klare Licht. Alles blendete, und nur der geringste Teil des Gipfels erhob sich über diese weiße Ebene. Ich war am äußersten Punkt. Und nichts war übrig als ich und das Licht.
Der Strick, die Bohrmaschine. »Da musst du die Haken aber ganz hoch setzen.« Hatte Henning etwas darauf erwidert? Cons hatte ihm den Strick gebracht, gestern um diese Zeit hatte er ihm die Bohrmaschine gebracht, und er hatte nichts geahnt, vollkommen blind war er gewesen. Hatte Henning gesagt »Bring die Bohrmaschine heute noch«? Hätte er sie nicht später bringen können oder übermorgen oder gar nicht?
Henning war tot? Wieso war Henning tot? Gab es dafür irgendeinen Grund? Außer dieser Bohrmaschine und diesem Strick gab es keinen. Was sollte Henning umbringen, groß und stark, wie er war? Cons kann sich keinen an der Decke hängenden Henning vorstellen. Er hat ihn doch noch im letzten Sommer in weißen Leinenhosen gesehen, heiter und gelassen vom Wald herüberkommend. »Diesen ganzen kaputten Körper lass ich euch zurück.«
Anne steht noch immer da mit geradem Mund, er hasst es, wenn sie diesen Mund hat. Er will nicht mit ihr reden. Oder schweigen, noch schlimmer. Er will weg. Er steckt das Handy ein und sagt: »Er ist tot. Erhängt hat er sich. Ich muss noch mal weg«, und geht zum Niva, aber sie holt ihn ein, versucht ihn am Arm zurückzuhalten.
»Cons, wo willst du hin? Bleib hier, du kannst jetzt überhaupt nichts machen.« Er dreht sich um, wendet sich ihr zu, er ist ganz ruhig, es ist nicht so, wie sie denkt, er will nur kurz ein Stück fahren.
Er parkt auf dem unkrautüberwachsenen Platz vor der alten Klinik. Das Dach des rechten Flügels war nun auch eingestürzt, aber dort oben war noch das Fenster. Man musste da noch hinkommen. Sie haben das ganze Gebäude mit einem Bauzaun umzäunt. Ein lächerliches Hindernis.
Der Geruch im Inneren überwältigt ihn, es ist der Geruch seiner Jugend, nach DDR riecht es, immer noch, nach überspielten Kassetten, nach den freien Abenden, an denen sie mit der Clique hierher fuhren, die Mopeds hinter dem Haus abstellten, rauchten und wie sie dann in den Fluren Knaller zündeten und sie in die Zimmer warfen, wegrannten. Die Flure mit dieser grünlichen, abwaschbaren Farbe, von der nun kaum noch Fetzen an der Wand hingen. Damals war die Klinik noch gut gegen Einbruch gesichert, aber das machte es nur verlockender. Die Waschräume waren fast intakt, nur ein paar Türen von den Klokabinen fehlten. Henning konnte auf dem Klo stehend bis ins Pissoir pinkeln. Wie sie mit den Betten Rennen in den Fluren gefahren waren, hinten an die an der Wand aufgestellten Matratzen knallten und Martin sich den Arm dabei gebrochen hatte. Oder wie der Gaskocher hochgegangen war und Schmitti mit Verbrennungen ins Krankenhaus musste. Henning hatte ihn auf dem Moped hingefahren, wegen der Kühlung durch den Fahrtwind hielten sie das für eine gute Idee, aber Schmitti hatte sich kaum halten können.
Cons ist im dritten Stock angekommen, es ist eine helle Nacht, und durch die scheibenlosen Fenster fällt das Mondlicht auf die langen Flure. Es knirscht unter seinen Sohlen, Scherben und Putz. Er ist seit jenem Abend vor sechzehn Jahren nicht wieder hier gewesen. Vor sechzehn Jahren. Henning hatte ihn an diesem Abend ins Leben zurückgeholt, aber es fühlt sich jetzt wieder wie damals an: ein grundloses Weitermachen, wo man schon den Mut gehabt hatte, einen Punkt zu setzen, und ihn danach nicht mehr fand, diesen Punkt, von dem aus man sich aus den Angeln heben kann.
Es war das erste Zimmer im Westflügel gewesen. Cons findet es gleich. Er geht zum Fenster. Sieht hinaus in die Nacht.
Kein Gefühl, sein Körper erinnert sich an nichts, kein Punkt. Jetzt, wo Henning nicht mehr da ist, ihn zu retten. Henning musste an diesem Abend sein Moped vor der alten Klinik gesehen und ihn gesucht haben. Wieso war er eigentlich hierher gekommen und wieso allein? Ein scharfer Schmerz durchfährt ihn: Er würde Henning das nicht mehr fragen können, er würde es nie erfahren. Gestern hatte er noch fragen können, gestern war so unendlich viel Zeit gewesen, und nun ist Hennings Zeit vorbei. Ich hab vielleicht nicht mehr so viel Zeit, dass du hier ewig rumsitzt und über irgendwas brütest. Henning hatte den Punkt gefunden. Und Cons hatte ihm die Bohrmaschine dazu gebracht.
Er zieht einige Scherben, die Reste der Fensterscheibe, aus dem morschen Holzrahmen und setzt sich wie an jenem Abend ins Fenster. Unter ihm der Parkplatz, auf dem nur sein Auto steht, Büsche, der Wald. Vielleicht hatte Henning ihn damals auch schon von unten gesehen. D...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. I
  5. XI
  6. XX
  7. Impressum