Ein Brautkleid aus Warschau
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Ein Brautkleid aus Warschau

Roman

  1. 253 Seiten
  2. German
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Ein Brautkleid aus Warschau

Roman

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Stücke der niederländischen Autorin werden auf vielen deutschen Bühnen mit großem Erfolg gespielt. In ihrem ersten Roman erweist sie sich als großartige Erzählerin.Marlena, Mitte zwanzig, wohnt in Polen auf dem platten Land und ist zum Kummer ihrer Mutter noch immer nicht verheiratet. Dann verliebt sie sich plötzlich bis über beide Ohren in einen Amerikaner, der als Journalist über die Zeit nach dem Kommunismus berichtet. Marlena hat das Glück, zu lieben und geliebt zu werden, aber sie weiß es nicht, oder wenigstens: Sie kann es nicht glauben. Und so ähnlich geht es ihrem Geliebten auch, der schließlich nach Amerika zurückkehrt. Dass sie ein Kind erwartet, wird er nie erfahren.Ein melancholischer Schleier scheint über Marlenas Leben zu liegen; stets bricht etwas entzwei, ohne dass es eigentlich eine Schuld gibt oder gar einen Schuldigen. Alle sind schuldlos Schuldige: Liebende, die tragisch verkettet sind in Verhältnisse, die sie nicht durchschauen.Drei Männern begegnet Marlena, die jeder auf seine Weise ihrem Leben eine entscheidende Richtungsänderung geben. Ihr Weg führt sie aus dem Dorf nach Warschau, über eine Heiratsvermittlung in die Niederlande zu einem Bauern, Jahre später zurück nach Polen.Lot Vekemans erzählt aus drei Perspektiven über das Verlangen, seinem Leben eine Richtung zu geben, und über die unvorhersehbaren Folgen, die es hat, wenn man es wirklich wagt. Ihre Charaktere, Marlena, drei Männer und ein Junge, gehen einem nicht mehr aus dem Kopf.

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Information

Verlag
Wallstein
Jahr
2016
ISBN
9783835329645


DRITTER TEIL

Die Geschichte von Szymon

1

Aus dem Nichts erzählte mir Marlena, dass Andries nicht Stans Vater war. Wir saßen im Auto, hinter uns ein Anhänger, unter dessen grüner Plane eine gebrauchte Spülmaschine für das Restaurant stand. Den Anhänger hatte ich von Nachbar Nowak geliehen, der damit jeden Morgen die Kartoffeln von seinen Äckern auf den Markt fuhr.
Es regnete leicht. Die Scheibenwischer quietschten und zogen runde Schlieren über die Scheibe.
Ich nahm sofort den Fuß vom Gas. Hinter mir begann ein Lastwagenfahrer wild zu hupen. Ich trat das Gaspedal wieder durch. Meine Hände umklammerten das Steuer so fest, dass sich die Haut über meinen Fingerknöcheln weiß färbte.
Bei der nächsten Tankstelle fuhr ich ab. Um zu verhindern, dass die Spülmaschine auf dem Anhänger auf und ab sprang, musste ich eine Vollbremsung machen. Der Lastwagen hinter mir hupte wieder. Jetzt hupte ich zurück und warf die Hand hoch, als er an mir vorbeiraste.
Ich hielt auf einem Parkplatz. Vor uns lag ein mannshohes Maisfeld, bereit zur Ernte. Marlena sagte nichts. Schweigend starrten wir beide nach draußen, wo die Regentropfen langsam unser Blickfeld trübten.
»Können wir bitte weiterfahren?«, fragte Marlena nach einer Weile.
Es klang wie ein Befehl und ein Flehen. Ich starrte immer noch gerade vor mich.
»Ist er von Natan?«, fragte ich.
»Macht es einen Unterschied?«
»Ich will wissen, ob er von Natan ist.«
»Ja«, sagte Marlena.
Ich hatte es schon die ganze Zeit gewusst. Von dem Moment an, als ich von Stan hörte. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst, aber nie danach gefragt. Stan. Ein Sohn von Natan. Familie also. Meine Familie. Ich ließ die Hände vom Steuer gleiten und drehte mich zu ihr um.
»Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt?«
»Dazu gab es keinen Grund.«
»Keinen Grund? Brauchst du einen Grund, um mir zu erzählen, dass er ein Sohn von Natan ist?«
»Hätte es etwas verändert?«, fragte Marlena.
»Alles«, sagte ich.
»Alles?«
Marlena sah mich zum ersten Mal seit ihrer unvermittelten Bemerkung an.
»Wie kannst du so etwas sagen?«, fragte sie. »Alles. Was soll das heißen? Hättest du ihn anders behandelt, wenn du gewusst hättest, dass er Natans Sohn ist? Hättest du ihm mehr Liebe gegeben? Mehr Geld? Mehr Zuwendung?«
Ich schloss die Augen und drückte mit den Mittelfingern gegen die Tränendrüsen in den Augenwinkeln, bis das stechende Gefühl dort aufhörte. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich Flecken. Ich seufzte und schaute aus dem Seitenfenster.
»Ich rede mit dir, Szymon.«
»Du redest mit mir?«, fragte ich. »Du redest nie mit mir. Alles, was bei dir passiert, muss ich raten oder merken oder ignorieren. Gerade so, wie es dir passt.«
Marlena öffnete die Tür.
»Was tust du?«
»Ich will rauchen.«
»Du kannst hier rauchen.«
»Dann muss ich das Fenster aufmachen.«
»Dann mach das Fenster auf, verdammt.«
»Es regnet.«
»Na und?«
Marlena drehte das Fenster etwas herunter und zündete sich eine Zigarette an. Sie inhalierte schnell und blies den Rauch zum Fenster hinaus. Ich sah, wie die Regentropfen an der Innenseite der Scheibe klebten und träge nach unten rollten.
»Erzählst du mir noch mehr darüber?«, fragte ich.
»Natan ist der Vater von Stan. Stan ist der Sohn von Natan. Mehr gibt es darüber nicht zu erzählen.«
Marlena nahm wieder zwei kurze Züge von ihrer Zigarette.
»Es ist eine lange Geschichte.«
»Ich höre.«
»Nicht hier, nicht jetzt.«
»Und warum erzählst du es dann, jetzt und hier?«
Marlena zuckte die Schultern. Ich schüttelte den Kopf und wusste, dass sie vorläufig nichts mehr sagen würde.
Ich sah vor mich auf das Maisfeld. Als Kind hatte ich mich immer gern in Maisfeldern versteckt. Wenn man fünf Reihen tief durch die grünen Stängel geschlichen war, fand einen niemand mehr. Von klein auf übte ich mich im Verstecken, im Unauffindbarsein.
Ich musste an das erste Mal denken, als ich Stan sah. Marlena hatte ihn ins Hotel mitgenommen. Wir saßen draußen auf der Terrasse. Stan hing in seinem Stuhl und trat ständig gegen die Metallbeine von Marlenas Stuhl. Ich hatte ihn in Ruhe betrachtet. Ein Junge mit dunklen Locken und tiefbraunen Augen. Ich fragte Stan, ob er sich das Hotel von innen anschauen wollte. Zögernd nickte er.
Kurz darauf stand ich mit ihm in der Küche, die kaum noch verwendet wurde. Ich benutzte nur die Kühlschränke und eine Pfanne, um einem Gast ein Spiegelei zu braten. Stan strich mit der Hand über die Arbeitsfläche aus rostfreiem Stahl und blieb vor dem Ofen stehen. Er berührte einen der Schalter.
»Darauf haben wir früher die Hamburger gebacken«, sagte ich.
Stan schaute überrascht auf.
»Du sprichst Holländisch?«
Ich nickte.
»Warum?«
»Ich bin in den Niederlanden geboren.«
»Wirklich?«
Ich nickte wieder.
»Warum?«, fragte Stan.
»Warum?«, wiederholte ich.
Ich dachte einen Moment nach. »Das ist eine ziemliche Geschichte.«
Ich berührte Stan kurz an der Schulter. »Komm, dann zeige ich dir den Rest.« Fügsam folgte er mir.
Zwei Wochen später fragte Stan mich nach der holländischen Geschichte. Wir saßen hinter dem Hotel auf einer Bank im Schatten. Ich hatte ihm zwei Nutellabrote geschmiert. Stan wusste noch nicht, dass er nicht nach Hause zurückkehren würde, wenn der Sommer vorbei war. Ich erzählte ihm, dass ich als Baby im Bauch meiner Mutter in die Niederlande gekommen war, weil sie vor dem Krieg flüchten musste.
»Und dein Vater?«, fragte Stan.
»Mein Vater war damals schon tot.«
Er dachte kurz nach.
»Du hast deinen Vater also nie gekannt?«
»Nein«, sagte ich.
»Ist das schlimm?«
Ich streichelte ihm über den Kopf. »Iss jetzt mal deine Brote.«
Ich erzählte ihm nicht, wie ich jahrelang versucht hatte, ein klares Bild von meinem Vater zu bekommen. Ich war fünf Jahre alt, als ich von seinem Tod erfuhr. Nach dem Krieg hatte meine Mutter einen Anwalt beauftragt, um herauszufinden, ob mein Vater noch lebte. Der Anwalt hieß Hans Polak, und Jahre später würde ich nach meinem Jurastudium bei ihm die ersten praktischen Erfahrungen im Beruf sammeln. An einem warmen, sommerlichen Tag war Polak gekommen, um die schlechte Nachricht zu überbringen. Er hatte seinen beigefarbenen Hut abgenommen, beide Hände meiner Mutter umfasst und sie fest gedrückt. Da wusste sie genug. Am gleichen Abend erfuhr sie, dass unsere ganze polnische Familie umgekommen war. Die Eltern meines Vaters und auch seine beiden älteren Brüder mit ihren Frauen und Kindern, die Eltern meiner Mutter, Nichten, Neffen, Onkel. Polak hatte niemanden lebend wiederfinden können. Ich weiß noch, dass ich nachts hörte, wie sich meine Mutter über der Toilette übergab.
Es gab kein Foto von meinem Vater, und sooft ihn meine Mutter mir auch beschrieb, wenn wir abends zusammen vor dem Ofen saßen oder an einem schönen Sommersonntag im Wald spazieren gingen, und wie oft ich auch versuchte, mir aufgrund der Beschreibung ein Bild von seinem Gesicht zu machen, von der Farbe seiner Augen, der Haltung seines Mundes, den Locken seines Haars, der Art, wie er ging oder sprach; ich merkte, dass sein Gesicht immer wieder andere Formen annahm. Mein Vater veränderte sich mit dem, was ich von ihm sehen wollte.
Marlena hielt das Ende ihrer Zigarette aus dem geöffneten Fenster und hustete. Sie hatte gerade erst mit dem Rauchen angefangen, weil ein Gast ein Päckchen in einem der Zimmer liegengelassen hatte. Aus Neugier, hatte sie gesagt.
»Weiß Stan, dass Natan sein Vater ist?«, fragte ich.
Marlena schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich.«
»Nicht wirklich? Wieso nicht wirklich?«
»Ich habe es ihm schon einmal gesagt. In einem unpassenden Moment. Ich glaube, er hat es nicht gehört oder nicht verstanden.«
Marlena warf die Zigarette nach draußen.
»Weiß Natan Bescheid?«
»Nein.«
»Wann hast du es herausgefunden?«
»Als er schon weg war.«
»Und warum hast du mir damals nichts davon erzählt?«, fragte ich.
»Du hast gemeint, ich solle ihn mir aus dem Kopf schlagen.«
»Ich?«
»Das hat Basia gesagt. Ich habe dich angerufen, aber du warst nicht da, und als ich nach Natan fragte, sagte Basia: Schlag dir den Jungen aus dem Kopf. S...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Erster Teil. Die Geschichte von Marlena
  6. Zweiter Teil. Die Geschichte von Andries
  7. Dritter Teil. Die Geschichte von Szymon