Kommentar
1Auf dem Titelblatt des Typoskripts vermerkt Heiden: »Konrad Heiden: Nächtlicher Eid, Typoskript, 164 Seiten, ca. Neujahr 1939«. Vgl. den Durchschlag des Typoskripts in der Zentralbibliothek Zürich unter der Signatur Ms. Oprecht T152.
2Anders als bei der Allgemeinen SS wurde die Aufnahme in die SS-Verfügungstruppe jeweils am 9. November vollzogen. Höhepunkt war der mitternächtliche Eid vor der Feldherrnhalle (vgl. Longerich 2008: 315). Eine zeitgenössische Schilderung der Zeremonie 1938 findet sich unter dem Titel »Vereidigung der SS-Bewerber«, in: Neues Wiener Tagblatt, 11. November 1938, S.7, aus dem Heiden an anderer Stelle ebenfalls zitiert.
3Auf Drängen Deutschlands wurde der sich schon zuvor in rechten Parteien und Vereinen engagierende Arthur Seyß-Inquart (1892-1946) noch vor dem ›Anschluss‹ Innenminister in Österreich. Seyß-Inquart machte im NS-System Karriere, u.a. war er Reichsstatthalter der ›Ostmark‹ (bis 1939), Stellvertretender Generalgouverneur im Generalgouvernement (bis 1940, unter Hans Frank) und schließlich von 1940 bis 1945 Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete. Seyß-Inquart setzte in seinen jeweiligen Machtbereichen die nationalsozialistische Politik unnachgiebig um und war sowohl für die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Länder als auch für die Verfolgung und Ermordung von Juden und politischen Gegnern verantwortlich. 1946 wurde er in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilt und hingerichtet (vgl. Weiß 2002: 428f., Wistrich 1988: 324f.). Heidens Bezeichnung »Auslieferer Österreichs« bezieht sich auf die Tatsache, dass Seyß-Inquart im März 1938 ein Gesetz durch das Parlament brachte, welches die Unabhängigkeit Österreichs de facto beendete (vgl. ebd.).
4Konrad Henlein (1898-1945) gründete 1933 mit der Sudetendeutschen Heimatfront (später Sudetendeutsche Partei) ein Pendant zur NSDAP, das von deutscher Seite unterstützt und finanziert wurde. Mit dem von ihm geführten deutschnationalen Sudetendeutschen Turnverband gelang es Henlein und seiner Partei, eine große Anhängerschaft unter der deutschen Bevölkerung zu gewinnen. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch deutsche Truppen wurde Henlein 1939 Reichsstatthalter im Reichsgau Sudentenland. Diese Position hatte er bis Kriegsende inne (vgl. Weiß 2002: 198f., Wistrich 1988: 145f.).
5Heiden bezieht sich vermutlich auf folgende Aussage Himmlers: »Ob sie uns lieben, das ist einerlei! Wenn sie uns nur respektieren! Ob sie uns hassen, ist uns einerlei, wenn sie uns nur fürchten« (Ackermann 1970: 145).
6»Wir treten zum Beten« ist ein altes, ursprünglich niederländisches Dankgebet, das zur Melodie eines Volkslieds bereits während der Kaiserzeit zu festlichen, vornehmlich militärischen Ereignissen gesungen wurde, u.a. im August 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor dem Berliner Stadtschloss. Auch in NS-Deutschland wurde es zu vielen festlichen Anlässen neben dem Horst-Wessel-Lied angestimmt. Vgl. Biermann 2011: 102f.
7Himmler formulierte den Eid der SS 1936: »Wir schwören Dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deutschen Reiches Treue und Tapferkeit. Wir geloben Dir und den von Dir bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr uns Gott helfe!« (vgl. die Fußnote bei Wegner 1997: 42).
8Vgl. »SS-Appell vor dem Führer«, in: Westfälische Landeszeitung – Rote Erde, Dortmunder Ausgabe, 11. November 1938, o.S.
9Dieser Satzteil fehlt in der englischsprachigen Übersetzung, vgl. Heiden 1939a: 22.
10»S.S.-« ist ein handschriftlicher Zusatz.
111931 machte Heinrich Himmler den Ausspruch »SS-Mann, Deine Ehre heißt Treue«, den er auch in einer Vielzahl seiner Reden gebrauchte, zum Leitspruch der SS. Er war, verkürzt zu »Meine Ehre heißt Treue«, auf allen Koppelschlössern der SS-Uniformen eingraviert. Vgl. Benz/Graml/Weiß 1998: 581.
12In der Nacht vom 8. auf den 9. November 1923 versuchte Hitler mit der NSDAP und weiteren völkischen Organisationen in München die Regierung zu stürzen und die Macht zu übernehmen. Bei einem Marsch auf die Feldherrnhalle am 9. November wurde der Putschversuch von der bayerischen Landespolizei niedergeschlagen, wobei 16 Putschisten getötet wurden. Wer das Feuer eröffnet hat, ist unklar. Hitler und weitere Verschwörer wurden wenig später verhaftet. Vgl. Benz/Graml/Weiß 1998: 515.
13Hitler hatte bereits am Abend des 8. November 1937 im Münchener Bürgerbräukeller eine Rede gehalten, bei der er vor »alten Kameraden« erwähnte, dass das Fehlschlagen des Putsches von 1923 »das größte Glück« seines Lebens und das der deutschen Nation gewesen sei. Er begründete diese positive Einschätzung folgendermaßen: »Die Zersplitterung Deutschlands aber war auf alle Fälle verhindert worden. Denn um mit uns fertig zu werden, benötigte man die Hilfe des deutschen Nordens. […] Man hat uns dabei nicht mundtot machen können, sondern wie durch eine Explosion sind unsere Ideen über ganz Deutschland geschleudert worden.« Zitiert nach: Domarus 1965: 757f., vgl. auch »Erst eine europäische Achse und jetzt ein großes weltpolitisches Dreieck!«, in: Völkischer Beobachter, 10. November 1937, S.2.
14Ernst vom Rath (1909-1938) wurde im Juli 1938 an die deutsche Botschaft in Paris versetzt und dort am 18. Oktober zum Legationssekretär ernannt. Der studierte Jurist war seit 1932 Mitglied der NSDAP und ab 1933 bei der SA. Den Schüssen von Herschel Grynszpan am 7. November erlag er zwei Tage darauf. Die NS-Propaganda stilisierte ihn zum ›ersten Blutopfer‹ und legitimierte die Ausschreitungen während der Reichspogromnacht mit der angeblichen Wut der Deutschen über diesen Mord (vgl. Weiß 2002: 365f.).
15In der englischsprachigen Ausgabe fehlt dieser Zusatz, vgl. Heiden 1939a: 24.
16Herschel Grynszpan (geb. 28. März 1921), der in Hannover als Kind jüdischer Einwanderer aus Polen aufwuchs, lebte ab 1936 bei Verwandten in Paris. Als Reaktion auf die Deportation seiner Familie nach Polen oder – wie die jüngere Forschung annimmt – wegen früherer Kontakte aus der Pariser Homosexuellenszene erschoss er im Oktober 1938 Ernst vom Rath. Grynszpan wurde gefangen genommen, aber nie vor Gericht gestellt. Frankreich lieferte ihn schließlich unter der Vichy-Regierung an Deutschland aus. Da sich ein von Goebbels geplanter Schauprozess verzögerte und später nicht mehr opportun erschien, wurde Grynszpan im Konzentrationslager Sachsenhausen und im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit festgehalten. Über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt, vermutlich kam er 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen ums Leben (vgl. Bareiß 2005: 154, Steinweis 2011: 150, Weiß 2002: 364 sowie Wistrich 1988: 129f.).
17Walter Buch (1883-1949) engagierte sich bereits früh für die NSDAP: Parteibeitritt 1922, SA-Gauführer 1923, Teilnahme am Hitlerputsch, ab 1928 Reichstagsmitglied und Autor für den Völkischen Beobachter. Ab 1934 war Buch Vorsitzender des mächtigen Obersten Parteigerichts, dies wurde »für die NSDAP das, was für die Deutschen insgesamt die Gestapo war« (Wistrich 1988: 46). Buch, dessen Tochter mit dem Chef der Parteikanzlei Martin Bormann verheiratet war, beging 1949 nach seiner Verurteilung zu fünf bzw. dreieinhalb Jahren Arbeitslager als ›Hauptschuldiger‹ Selbstmord (vgl. ebd. sowie Weiß 2002: 64ff.).
18Walter Buch hielt seine Rede über »Des nationalsozialistischen Menschen Ehre und Ehrenschutz« vor den Parteigerichtsvorsitzenden während des Nürnberger Parteitags 1938. Abgedruckt wurde die Rede in: Deutsche Justiz, Ausgabe A, 21. Oktober 1938, 100. Jahrgang, S.1657-1664, Zitat S.1660 unter der Überschrift »Sexualehre«.
19Französisch, abwertend, ›Polizisten‹, ›Bullen‹.
20Ab dem 27. Oktober 1938 wurden innerhalb von drei Tagen circa 18.000 Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit abgeholt und an die deutsch-polnische Grenze gebracht. Viele von ihnen harrten dort tagelang im Niemandsland aus, bevor sie nach Polen eingelassen wurden. Dort verbrachten sie oft Wochen in Lagern. Unter ...