Woche 1
Ordnung und Struktur
1.1 Struktur dient dem Leben
Das Leben, so wie wir es kennen, besteht aus physikalischen Körpern (besser aus Prozessen und Strukturen), die Probleme lösen.
—Joseph Ratzinger
■ Jede Struktur in der Natur dient dem Leben. Das Skelett trägt den Körper. Der innere Aufbau von Zellen verleiht ihnen Stabilität. Ohne Struktur würden sie zusammenbrechen und wären nicht mehr funktions- und lebensfähig.
Zugleich ermöglicht die Struktur in der Natur Beweglichkeit. Selbst Knochen sind nicht starr und tot, sondern bis zu einem gewissen Grad beweglich und voller Blutgefäße, Zellen und Leben.
Die Strukturen in der Natur sind so geschaffen, dass sie zugleich Halt geben und Beweglichkeit ermöglichen. Das kann man an einem Grashalm ebenso erkennen wie an einer Muskelfaser.
Auch von Menschen geschaffene Strukturen haben diese Kennzeichen. Selbst Gebäude, die groß und starr erscheinen, sind strukturell beweglich und können bis zu einem gewissen Grad auf die Kräfte der Natur reagieren. Starke Bewegungen – etwa Erdbeben – überfordern manche Strukturen. Es kommt zum Einsturz.
Unter Ordnung verstehe ich, dass die Dinge an dem Platz sind, an den sie gehören. Ordnungen entlasten – wenn alle Lebewesen und Dinge ihren angemessenen Platz haben. Ein Fisch am Festland ist nicht in seiner Ordnung. Das tut ihm nicht gut.
Beides – die grundsätzlichen Strukturen und die einzelnen Zuordnungen – dienen dem Leben. Das ist ihre Aufgabe. Das gilt in der Natur ebenso wie in den Ordnungen und Strukturen, die wir für Dinge, Projekte und unsere Zeit schaffen.
■ Denk mal
Wie hast du bisher über Ordnung und Struktur gedacht? Welche Gedanken sind neu für dich?
■ Mach mal
Gehe in die Natur (oder zu einem Blumentopf) und betrachte die Struktur. Achte auf Details und Zuordnungen.
1.2 Strukturen mit Sinn
Der Plan, den man nicht ändern kann, ist schlecht.
—Publius Syrus
■ Strukturen haben – wenn sie erst einmal etabliert sind – eine gewisse Langlebigkeit. Das ist gut, wenn es hilfreiche, Leben spendende Ordnungen sind. Es bedeutet, dass man die Dinge nicht stets neu durchdenken und ordnen muss. Es ist jedoch belastend, wenn Ordnungen kein Leben spenden.
Als Verlegerin verpflichtet mich beispielsweise der deutsche Staat dazu, von jedem Titel zwei Exemplare an die Deutsche Nationalbibliothek zu liefern. Dort werden sie in ein großes Archiv gepackt und vermutlich nie wieder hervorgeholt. Ich bezweifle, dass meine Quadros in einem dunklen Keller dem Leben dienen.
Aus meiner Sicht wäre eine Anlieferung von digitalen Daten weitaus sinnvoller. Aber hier hat sich eine Struktur etabliert und wird beibehalten, ohne zu hinterfragen, ob sie noch ihren Sinn erfüllt.
In Firmen wird in der Regel – mit mehr oder weniger Erfolg – umstrukturiert, wenn man feststellt, dass ein Ablauf oder eine Hierarchie nicht so hilfreich ist wie erhofft. Im beruflichen wie im privaten Leben ist es gut, Strukturen und Abläufe gelegentlich zu hinterfragen. So habe ich beispielsweise den – in meiner Herkunftsfamilie üblichen – Samstagsputz aufgegeben.
Ich habe entdeckt, dass kleinere Putzeinheiten jeden Tag besser zu meinem Leben passen. Nicht zuletzt, weil ich am Wochenende oft unterwegs bin.
Auch Ordnungen – etwa, wo Dinge platziert werden – verlieren manchmal ihren Sinn und können erneuert werden.
■ Denk mal
Welche Struktur in deinem privaten und beruflichen Leben ist vielleicht nicht (mehr) Leben spendend?
■ Mach mal
Denke darüber nach, welchen Sinn diese Struktur ursprüngliche hatte, und entwickle drei Ideen, wie sie sinnvoll verändert werden könnte.
1.3 Struktur wofür?
Ordnung ist die Verbindung des Vielen nach einer Regel.
—Immanuel Kant
■ Wer eine gute Struktur in sein Leben bringen will, tut gut daran, sich zu fragen: Was macht mein Leben aus? Oder auch: Welche Rollen fülle ich aus? Das kann zum Beispiel umfassen: Partner, Kind meiner Eltern, Angestellte, (Freizeit)-Sportler, Bewohner einer Wohnung oder eines Hauses, Mitarbeiter im Ehrenamt usw.
Jeder Lebensbereich braucht seine eigene Struktur. Die ist in manchen Fällen häufig von außen vorgegeben, etwa durch Arbeitszeiten oder die regelmäßigen Termine, zu denen sich beispielsweise der Chor trifft.
Gibt es von außen keine Struktur, steht man vor der Aufgabe, sie selbst zu schaffen. Hat man beispielsweise die Rolle, Vater von Schulkindern zu sein, kann man überlegen:
- Welche Aspekte beinhaltet diese Rolle?
- Was ist mir wichtig?
- Wie will ich hier Leben fördern?
Dann kann man eine lebensfördernde Struktur schaffen, beispielsweise samstags zusammen Sport treiben.
Herausfordernd wird es häufig dann, wenn die verschiedenen Lebensbereiche Anforderungen stellen, die sich gegenseitig ausschließen. Da kollidiert ein wichtiges Ehrenamtstreffen mit einem ebenso wichtigen beruflichen Termin.
Statt immer von Fall zu Fall zu entscheiden, kann man grundsätzlich überlegen, nach welchen Prinzipien man entscheidet. Z. B. einmalige Termine der Kinder, wie Schulaufführungen, habe...