Falsche Freunde im Kalten Krieg?
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Falsche Freunde im Kalten Krieg?

Sowjetische Freundschaftsgesellschaften in Westeuropa als Instrumente und Akteure der Cultural Diplomacy

  1. 621 Seiten
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Falsche Freunde im Kalten Krieg?

Sowjetische Freundschaftsgesellschaften in Westeuropa als Instrumente und Akteure der Cultural Diplomacy

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Über dieses Buch

Warum engagierten sich zahlreiche Westeuropäer im Kalten Krieg für die Sowjetunion? Waren dies von Moskau gesteuerte ideologisch verblendete Kommunisten? Inwiefern förderten sie tatsächlich den kulturellen und gesellschaftlichen Austausch? Sonja Großmann analysiert erstmals vergleichend die Entwicklung sowjetischer Freundschaftsgesellschaften in Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik vom Zweiten Weltkrieg bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion. Von diesen gesellschaftlichen Akteuren ausgehend eröffnet das Buch neue Perspektiven auf die Formen und Methoden sowjetischer Selbstdarstellung gegenüber dem Ausland, auf das Zusammenspiel staatlicher und gesellschaftlicher Akteure über den, Eisernen Vorhang' hinweg und auf kommunistische Organisationen im Westen. Das Bild der Sowjetunion in den verschiedenen Ländern spielt ebenso eine Rolle wie konkrete Felder des kulturellen Austausches in Kunst und Wissenschaft, Tourismus oder Städteverbindungen. Das Buch liefert einen innovativen Beitrag zur Internationalen Geschichte, indem es ost- und westeuropäische Geschichte, Diplomatie- und Kulturgeschichte sowie top-down mit bottom-up Ansätzen zusammenführt.

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Information

1 Vom Zweiten Weltkrieg zum Kalten Krieg: Höhen und Tiefen der Freundschaft

1.1 Einleitung: Nachkriegszeit, Kalter Krieg und Spätstalinismus

Die Geschichte der Freundschaftsgesellschaften beginnt nicht erst – wie man annehmen könnte – mit Stalins Tod 1953. Schließlich gilt die Zeit des Spätstalinismus als Phase der Abwehr jeglicher Einflüsse von außen, der Restauration des Systems der 1930er Jahre unter den verschärften Bedingungen des Kalten Krieges.1 Wie sollte unter diesen Bedingungen kultureller und gesellschaftlicher Austausch funktionieren? Doch die meisten Freundschaftsgesellschaften wurden bereits am Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet. Dies alleine deutet darauf hin, dass es offensichtlich auch im Spätstalinismus Zeitfenster gab, in denen nicht nur der Gedanke der Abschottung herrschte. Die Zeit von 1945 bis 1953 war einerseits noch wesentlich vom Zweiten Weltkrieg beeinflusst, während dem die Sowjetunion unter widrigen Bedingungen durchaus in Kontakt mit der Außenwelt war. Andererseits kündigte sich unter anderem mit den Friedenskampagnen bereits zaghaft das „Tauwetter“ nach Stalins Tod an.2
Die Geschichte der Freundschaftsgesellschaften begann jedoch auch nicht 1945. Um die sowjetische Cultural Diplomacy der Nachkriegszeit zu verstehen, muss man zunächst in die Zwischenkriegszeit zurückblicken. In dieser Periode wurden die ideologischen, strukturellen und politischen Grundlagen geschaffen, die auch in der Nachkriegszeit Bestand hatten. Die Vorstellung einer direkten Diplomatie der Massen als Gegenentwurf bzw. Ergänzung zur „bourgeoisen Geheimdiplomatie“ bewirkte ein großes staatliches Interesse an Organisationen, die Einfluss auf die politische Haltung der Menschen im Ausland nehmen sollten. Zu diesem Zwecke wurde auch die Institution der VOKS gegründet, die die ersten Freundschaftsgesellschaften in westlichen Ländern koordinierte. Die sowjetische Cultural Diplomacy durchlebte zudem insbesondere während Stalins Herrschaftszeit ein Auf und Ab mit Phasen der Abschottung und der Öffnung, das sich über 1941 und 1945 hinaus fortsetzen sollte. Schließlich stellten sich schon in der Zwischenkriegszeit zwei grundlegende Fragen, die im Laufe der Zeit immer wieder unterschiedlich beantwortet wurden: Ist die Ausbreitung der Revolution oder lediglich die Imagewerbung für den sowjetischen Staat prioritäres Ziel? An welche Zielgruppe richten sich die Freundschaftsgesellschaften – an westliche Intellektuelle oder an revolutionäre Arbeiter?
Der Zweite Weltkrieg war ungeachtet seiner Gräuel nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion eine Zeit der Öffnung für die Sowjetunion. Denn er machte den Weg frei für Allianzen, die die außenpolitische Abschottung der Sowjetunion und die innenpolitische Isolation der westlichen Kommunisten lockerten. Angesichts des gemeinsamen Feindes waren die westlichen Regierungen trotz ihrer antikommunistischen Haltung bereit, Bündnisse mit Stalins Sowjetunion einzugehen. Im Juli 1941 schlossen Großbritannien und die Sowjetunion eine Militärallianz, im Mai 1942 einen auf 20 Jahre angelegten britisch-sowjetischen Beistandspakt.3 In Frankreich kam es zu einem Bündnis zwischen der Sowjetunion und der gaullistischen Résistance. Die Sowjetunion erkannte schon im September 1941 das von General Charles de Gaulle geführte Comité national de la France libre in London als rechtmäßige Regierung des Freien Frankreichs an und tauschte diplomatische Vertreter aus. Ebenso akzeptierte sie im Gegensatz zu den anderen Alliierten das im Juni 1943 in Algier gegründete Comité français de Libération nationale (CFLN) als provisorische Regierung.4 Unter anderem aufgrund dieser politischen Unterstützung entstand die Vorstellung, dass die Sowjetunion an der Seite der französischen Résistance für die Befreiung Frankreichs kämpfte.
Während des Hitler-Stalin-Pakts wurden die westlichen kommunistischen Parteien von der Komintern auf einen unerbittlichen Kampf gegen die „Bourgeoisie“ eingeschworen. Unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion erhielten sie jedoch die Anweisung, ab sofort den westlichen Imperialismus nicht mehr als Kriegstreiber zu verdammen, sondern mit allen gesellschaftlichen Kräften eine nationale, antifaschistische Front gegen den gemeinsamen Feind zu bilden. In Großbritannien stützte die CPGB das Kriegskabinett unter Premierminister Winston Churchill, in dem alle drei großen Parteien vertreten waren, und suchte die Zusammenarbeit mit Labour und den Conservatives. In Frankreich näherten sich der im Untergrund agierenden PCF und die gaullistischen Résistance an. Schließlich kamen sogar kommunistische Minister in die provisorische Regierung. De Gaulle hatte Interesse daran, die Kräfte der kommunistisch dominierten „Résistance intérieure“ mit der Londoner „Résistance extérieure“ zu vereinen und mit Blick auf eine mögliche Nachkriegsordnung Einfluss auf den PCF gewinnen.5
In diesem begünstigendem Klima wurden die Weichen für die Freundschaftsgesellschaften der Nachkriegszeit gestellt. Das Ansehen der Sowjetunion stieg dank ihres Beitrags zum Sieg über die Nationalsozialisten. Die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse der an den Gründungen beteiligten Akteure waren wegweisend für die spätere Stellung und Rolle der Freundschaftsgesellschaften. Die Gründungsgeschichten der Freundschaftsgesellschaften geben daher Einblicke in die Stimmungslage der Bevölkerung, in die Rolle der kommunistischen Parteien und in die Interessenlage der sowjetischen Cultural Diplomacy in der unmittelbaren Nachkriegszeit. In welchem Maße war die Sowjetunion damals tatsächlich offen für einen Kulturaustausch mit dem Westen, oder bereitete sie schon eine neue Phase der Abschottung und der Auseinandersetzung vor? Umgekehrt stellt sich die Frage, wie groß die Bereitschaft im Westen zur Fortführung der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion tatsächlich war.
Denn diese positive „Gründerzeit“ war nur von kurzer Dauer. Der Burgfrieden zwischen den Alliierten wurde schon gegen Ende des Krieges brüchig. Die ideologischen und politischen Gegensätze traten wieder deutlich zu Tage. In seiner berühmten „Iron Curtain“-Rede im März 1946 konstatierte Churchill den offenen Bruch zwischen den vormaligen Alliierten. Die Truman-Doktrin vom März 1947, die Ankündigung des Marshall-Plans im Mai 1947 und dessen Ablehnung durch die osteuropäischen Länder auf Geheiß der Sowjetunion zementierten die Zweiteilung Europas. Zudem zeichnete sich mit dem Zusammenschluss der drei westlichen Besatzungszonen die Teilung Deutschlands ab. Auf der Tagung der kommunistischen Parteien im September 1947 verkündete Andrej A. Ždanov die Teilung der Welt in ein „imperialistisches und anti-demokratisches Lager“ unter Führung der USA und ein „demokratisches und anti-imperialistisches Lager“ unter Führung der Sowjetunion.6
Mit dem außenpolitischen Bündnis zerbrachen auch auf innenpolitischer Ebene die parteiübergreifenden Allianzen. Die CPGB hatte während des Krieges vorübergehend von der prosowjetischen Stimmung profitieren können, doch in die ersten Nachkriegswahlen gewann sie nur zwei Sitze im Unterhaus. Die siegreiche Labour-Partei führte ihre antikommunistische Politik der Abgrenzung fort, obwohl die CPGB sich weiter um ein Bündnis bemühte.7 Anders als in Großbritannien feierte der PCF im Oktober 1945 den größten Wahlerfolg seiner Geschichte und wurde stärkste Kraft in der Nationalversammlung. Doch in der Dreiparteienregierung mit der sozialistischen Section française de l’Internationale ouvrière (SFIO) und dem christdemokratischen Mouvement répulicain populaire (MRP) nahmen die Spannungen zu. Gleichzeitig überwarf sich de Gaulle mit den Parlamentariern, da er eine Präsidialrepublik mit schwachen Parteien anstrebte, und erklärt im Januar 1946 seinen Rücktritt. Nachdem der PCF in der Regierungsverantwortung die Sparpolitik als nationale Anstrengung für den Wiederaufbau und den Indochinakrieg unterstützte, gerieten die kommunistischen Abgeordneten und Minister zunehmend in interne Konflikte Im Mai 1947 entzogen sie Premierminister Paul Ramadier das Vertrauen, woraufhin dieser sie aus der Regierung entließ.
Ein dritter Faktor für den beginnenden Kalten Krieg war die gewandelte sowjetische Politik. Entsprechend der von Ždanov proklamierten Zweiteilung der Welt wurden die kommunistischen Parteien im September 1947 aufgerufen, von nun an die Außenpolitik der Sowjetunion offen zu unterstützen und erneut einen bedingungslosen Kampf gegen das „imperialistische Lager“ zu führen.8 Zur engeren ideologischen Abstimmung und Kontrolle der kommunistischen Parteien durch die KPdSU wurde zudem das Kommunistisches Informationsbüro (Kominform) als Nachfolgeorganisation der Komintern gegründet. Gleichzeitig startete in der Sowjetunion eine neue antiwestliche Kampagne. Die Zeitungen propagierten einen sowjetischen bzw. russischen Patriotismus, der die nationale Unabhängigkeit als Großmacht betonte. Die sowjetische wurde gegenüber der „westlich-imperialistischen“ Kultur und Wissenschaft in allen Bereichen überlegen erklärt. Der Vorwurf der „Katzbuckelei vor dem Westen“ (nizkopoklonstvo pered zapadom) hing wie ein Damoklesschwert über allen, die Kontakte mit westlichen Kollegen pflegten, sich von westlicher Kunst und Wissenschaft inspirieren ließen oder nicht in den Chor der Verdammung der westlichen Erzeugnisse einstimmen wollten.9 Nicht nur die Staatenwelt, auch alle gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Bereiche teilten sich in zwei unversöhnlich gegenüberstehende Sphären, in die sich jeder einzuordnen hatte.
Damit begann die Hochzeit des Kalten Krieges. Hier stellt sich die Frage, wie die Freundschaftsgesellschaften als genuin transnationales Projekt mit dieser Politik vereinbar waren. Folgten die Freundschaftsgesellschaften blind dem propagandistischen Kurs oder hatten sie noch eigenen Spielraum? Gerade in dieser Phase wird deutlich, wie stark die kommunistischen Parteien tatsächlich gesellschaftlich verankert waren und inwiefern sie auch Persönlichkeiten außerhalb der Parteimitglieder mobilisieren konnten. Zudem zeigen aktuelle Arbeiten, dass die Sowjetunion auch in dieser Zeit nicht vollständig abgeschottet war. Vielmehr bestanden Kontakte auf persönlicher Ebene fort, und einzelne Künstler durften als Aushängeschilder in den Westen reisen, um die sowjetische kulturelle Überlegenheit zu demonstrieren.10 Welche Rolle spielten dabei die Freundschaftsgesellschaften?
Ab 1949/50 beginnt die Phase des „Friedenskampfes“, der Veränderungen in der sowjetischen Innen- und Außenpolitik nach sich zog, die wiederum Auswirkungen auf die Freundschaftsgesellschaften hatten. 1949 waren die ideologischen, politischen und militärischen Fronten in Europa geklärt, und eine Änderung des Status quo schien immer unwahrscheinlicher. Vor diesem Hintergrund initiierte die sowjetische Führung eine breit angelegte Friedenskampagne, um die europäische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass ein friedliebendes sozialistisches Lager einem kriegerischen imperialistischen Lager gegenüberstehe.
Entsprechend mussten auch die kommunistischen Parteien wieder eine Kehrtwende vollziehen. Mitte November 1949 schwor sie die dritte Tagung des Kominform darauf ein, die Konfrontations- und Destabilisierungspolitik gegenüber den westlichen Regierungen aufzugeben und wieder nationale Bündnisse im Namen des „Friedenskampfes“ und der nationalen Unabhängigkeit anzustreben.11 Die kommunistischen Parteien sollten – auch mit Hilfe gesellschaftlicher Mittlerorganisationen – breite Bevölkerungskreise jeglicher religiöser und politischer Couleur ansprechen, ohne dabei die Abgrenzung von den „rechten führenden Sozialisten, den schlimmsten Feinden des Friedens“ zu vernachlässigen.
Zu diesen Mittlerorganisationen gehörten auch die Freundschaftsgesellschaften, die durch eine dezidiert nationale Argumentation versuchten, nichtkommunistische Kreise zu gewinnen. Die Membran zwischen Ost und West wurde in dieser Zeit wieder etwas durchlässiger für ausgewählte Delegationen und Kulturschaffende, was die Arbe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Danksagung
  5. Einleitung
  6. 1 Vom Zweiten Weltkrieg zum Kalten Krieg: Höhen und Tiefen der Freundschaft
  7. 2 Tauwetter: Öffnung, Internationalisierung und Konkurrenz
  8. 3 Détente im Westen: Erleichterung und Herausforderung der Freundschaft
  9. 4 Cultural Diplomacy in der Brežnev-Ära:Rhetorische, virtuelle und persönliche Begegnungen
  10. 5 Die Perestrojka und das Ende der Sowjetunion: Höhepunkt, Niedergang, Neubeginn?
  11. Ergebnisse und Ausblicke
  12. Quellen- und Literaturverzeichnis
  13. Anhang
  14. Register