Romanhaftes Erzählen von Geschichte
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Romanhaftes Erzählen von Geschichte

Vergegenwärtigte Vergangenheiten im beginnenden 21. Jahrhundert

  1. 509 Seiten
  2. German
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Romanhaftes Erzählen von Geschichte

Vergegenwärtigte Vergangenheiten im beginnenden 21. Jahrhundert

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Über dieses Buch

This volume examines the state of historical narrative at the beginning of the 21 st century with a focus on German texts. It looks at the forms and functions of novelistic narratives in both aesthetically sophisticated and popular writing, in different fictional genres. It illuminates innovations vis-à-vis the classical historical novel and today's experience-oriented, de-hierarchized, and hybrid historical culture.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110541304

II Romanhaftes Geschichtserzählen vom 20. Jahrhundert

Im Streben nach Transnationalität und historischer Authentizität

Deutschsprachiges romanhaftes Geschichtserzählen vom Ersten Weltkrieg im 21. Jahrhundert in Literatur, Geschichtsschreibung, Museum und Film
Stephan Jaeger
Eine Renaissance des historischen Romans zum Ersten Weltkrieg sucht man im wiedervereinigten Deutschland und im zeitgenössischen Österreich auf den ersten Blick vergeblich, wohingegen im englisch- und französischsprachigen Raum immer wieder einzelne herausragende Romane zum Ersten Weltkrieg erscheinen.1 Auch ein weiter ausgreifender Blick auf die nicht nur fiktionale, sondern auch faktuale Literatur, die um die Jubiläumsjahre 2014 bis 2018 erschienen ist, ergibt für den deutschsprachigen Raum relativ wenig. Der deutschsprachige Buchmarkt schien sich um den hundertjährigen Jahrestag des Kriegsausbruchs auf historiographische Texte zu beschränken, u. a. von Jörn Leonhard, Herfried Münkler, Ernst Piper, Olaf Jessen, Oliver Janz, Jörg Friedrich – hierzu gehören auch Übersetzungen wie die von Christopher Clarks Bestseller Die Schlafwandler (The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914), die den Markt geradezu überschwemmten und für Geschichtsschreibung zum Teil beeindruckende Auflagenzahlen erzielten.2 Hinzu treten einzelne, wiederaufgelegte autobiographische Erinnerungen und zahllose wiederaufgelegte Romane aus der Weimarer Republik.3
Diesem Desiderat wird im Folgenden in vier Schritten nachgegangen. Zuerst wird ein Überblick über deutschsprachige Romane gegeben, in denen der Erste Weltkrieg thematisiert wird. Diese in Bezug auf die Darstellung des Krieges und seiner Erfahrungen eher unbefriedigende Bestandsaufnahme wird mit den Erzählmöglichkeiten von in jüngster Zeit erschienenen Romanen und anderen Formen romanhaften Erzählens in anderen Sprachen kontrastiert. In einem zweiten Schritt beschäftigt sich dieser Aufsatz mit den Erzählweisen und Möglichkeiten von Beispielen der sehr erfolgreichen deutschsprachigen Geschichtsschreibung, die um das Jubiläumsjahr 2014 herum erschienen sind. Diese zeigt eine klare Tendenz zum Transnationalen, beschränkt sich aber vorwiegend auf argumentative Strukturerzählungen. In einem dritten Schritt werden dann mit Hans von Trothas Czernin oder wie ich lernte den Ersten Weltkrieg zu verstehen und Christoph Poschenrieders Der Spiegelkasten zwei Romane in den Blick genommen, die sich scheinbar ausgiebig mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigen, doch letztlich, statt Geschichte zu verstehen, auf unterschiedliche Weise vornehmlich die Gegenwart widerspiegeln. Im vierten und letzten Schritt wird dann gezeigt, dass romanhaftes Geschichtserzählen im deutschsprachigen Raum weniger im historischen Roman zu finden ist, sondern hauptsächlich in anderen literarischen Formen (am Beispiel des Sonderheftes August 1914 der Zeitschrift die horen), Geschichtsausstellungen (am Beispiel der Sonderausstellung Der gefühlte Krieg im Museum europäischer Kulturen in Berlin), und Dokumentarfilmen (am Beispiel von Jan Peters achtteiliger Dokumentarfilmserie 14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs ). Hier werden jeweils romanhafte Darstellungsmittel wie immersive Erzählverfahren zur Schaffung historischer Authentizität bei gleichzeitiger Reflexion des Konstruktionscharakters von Geschichte eingesetzt. Zudem zeichnet sich eine klare Tendenz zum transnationalen Geschichtserzählen ab.

1 Der fehlende deutschsprachige Roman zum Ersten Weltkrieg im 21. Jahrhundert

Die wenigen existierenden Romane zum Ersten Weltkrieg aus dem 21. Jahrhundert weisen gerade im Vergleich zu Sachbüchern und historiographischen Texten geringe Verkaufszahlen auf, wie sich an der Amazon.de-Verkaufsliste ablesen lässt. Als ersten Romantext aus dem 21. Jahrhundert findet man dort, unter dem Stichwort ‚Erster Weltkrieg‘ nach Beliebtheit sortiert auf Platz 31 – nach zahllosen historiographischen Werken und Sachbüchern –, Angelika Felendas Kriminalroman Der eiserne Sommer. Reitmeyers erster Fall von 2014.4 Bezeichnenderweise wird das Sujet dieses Romans von der nationalistischen Vorkriegsatmosphäre geprägt, und Reitmayers zweiter Fall setzt dann im Jahr 1920 ein, nachdem der Kommissar aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Das Kriegsgeschehen selbst scheint dem populären Genre des historischen Kriminalromans weniger zu entsprechen. Einer der wenigen ‚klassischen‘ historischen Romane ist Wie Blätter im Wind von Edgar Andre, 2017 im Selbstverlag herausgebracht.5 Dieser erste Teil einer Trilogie aus der Perspektive einfacher Menschen, u. a. des aus einer Arbeiterfamilie stammenden und als Soldat dienenden Hans Fülbert, versucht die Wochen vor Kriegsbeginn, den Krieg und die Revolutionsunruhen nach Kriegsende zu erzählen, beschränkt sich aber letztlich auf sehr einfache stereotype Perspektiven, was den Roman weder bei der Literaturkritik noch bei einem weiten belletristischen Publikum erfolgreich machen dürfte. Sätze wie „Doch der Weg ist lang, sehr lang sogar. Hans sieht, wie ein Soldat neben ihm von einer Mörsergranate regelrecht in Stücke gerissen wird. Blut- und Knochensplitter besudeln seine Uniform. Ihm wird übel und schon muss er sich im Voranstürmen übergeben“6 zeigen, warum die deutschsprachigen Verlage lieber Romane der 1920er Jahre wieder auflegen. Eine Sprache für den Ersten Weltkrieg und einen den Erwartungen des 21. Jahrhunderts entsprechenden Zugang findet Andre nicht.
Die meisten Romanversuche – bei der Bestandsaufnahme wurden Texte seit 2000 berücksichtigt – bewegen sich am Rande des Krieges und beschränken sich entweder auf deren Vorgeschichte, wie zum Beispiel Gerhard Seyfrieds Spionageroman Verdammte Deutsche!, 7 oder auf die direkten Nachwehen des Krieges, wie Bettina Balàkas Kriminalroman Eisflüstern , der im Wien der frühen zwanziger Jahre spielt.8 Eisflüstern kreiert den aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Wien zurückkehrenden Kriminalkommissar und Oberleutnant Baltasar Beck, der von den Erinnerungen an die Gräuel des Kriegs verfolgt wird. Balàkas Roman ist einer der wenigen deutschsprachigen Romane über den Ersten Weltkrieg mit geschlossener Handlung in der Vergangenheit. Er verschmilzt vornehmlich die Gattungen von Kriegsheimkehrerroman und Kriminalroman miteinander. Atmosphärisch konzentriert sich der Roman auf die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Nachkriegszeit, Antisemitismus einschließend. Der Erste Weltkrieg findet in Erinnerungen und seinen Nachwirkungen statt. Die Leser werden zu Detektiven, die das Kriegs- und vornehmlich Kriegsgefangenschaftstrauma des Protagonisten nachvollziehen zu versuchen, um zu verstehen, ob dieser selbst in die aufzuklärende Mordserie involviert ist.
Wenn ein Autor sich nach dem klassischen Modell des historischen Romans – mit fiktionaler Hauptfigur, detailtreuer, genau recherchierter Historie und Erörterung einer möglichen historischen Wirklichkeit – dem Thema nähert, handelt es vorwiegend von politischen Anekdoten. Dies wird gerade in Steffen Kopetzkys vielbesprochenem Roman Risiko von 2015 deutlich, in dem es um eine Afghanistanexpedition geht, mit der die Deutschen die islamische Welt zum Angriff auf Britisch-Indien bewegen wollten.9 In Burkhard Spinnens zwischen Abenteuergeschichte und Novellenzyklus changierendem Roman Zacharias Katz 10 wird der Erste Weltkrieg mehr zur Kulisse von Identitätsgeschichten, was eine durchaus originelle anekdotische Reflexion des Erzählens ermöglicht. Um den Ersten Weltkrieg – aus militärischer oder ziviler Sicht – bzw. um die Frage, wie diesem im 21. Jahrhundert erzählerisch zu begegnen sei, geht es aber in allen diesen Romanen nur am Rande. Die einzige, historische Realität durch fiktive Figuren erzeugende Ausnahme davon bilden Jugendromane wie Elisabeth Zöllers Der Krieg ist ein Menschenfresser,11 der sich explizit auf grundlegende Soldatenerfahrungen: die Entscheidung zu töten und das Leiden im Krieg konzentriert, oder Herbert Günthers Zeit der großen Worte ,12 der aus der Perspektive eines 14-jährigen an der Heimatfront zeigt, wie der Krieg das Leben zunehmend verändert. Schließlich gibt es eine Unmenge an rein belletristischen Bestsellern, die um die Zeit des Ersten Weltkrieges angesiedelt sind, in denen aber der historische Hintergrund letztlich beliebige Kulisse für populäre Unterhaltungsgenres wie den Liebes- oder den Abenteuerroman bleibt. So verlässt der Leser deutschsprachiger Literatur schnell das 21. Jahrhundert, wenn er romanhaftes Erzählen des Ersten Weltkriegs entdecken will, und gelangt zum Beispiel zu Walter Kempowskis erstem Teil seiner Deutschen Chronik, Aus großer Zeit 13 von 1978, der in einer dokumentarisch-autobiographischen Montage, die mit der Spannung zwischen Chronik, Geschichtsschreibung und Roman spielt, ein Panorama der Zeit vor und im Ersten Weltkrieg schafft.
Am auffälligsten ist diese relative Vermeidung des Ersten Weltkrieges im deutschsprachigen Roman des 21. Jahrhunderts, wenn man sich jüngste französische Veröffentlichungen ansieht. Hier fallen zwei sehr erfolgreiche und viel besprochene Typen des Erzählens ins Auge: einerseits der realistische, aber multiperspektivische Roman, andererseits der metafiktionale, reflexive Roman, der sich stärker an postmodernen Erzählweisen orientiert. Ersterer Typ wird am deutlichsten durch Pierre Lemaitres Wir sehen uns dort oben 14 (im Original Au revoir là-haut) repräsentiert. Dieser Roman stellt eine zeitlich abgeschlossene Handlung dar, die 1921 endet. Er setzt sich, von den letzten absurden Kriegstagen ausgehend, mit den Nachwirkungen des Krieges zwischen Kriegsversehrthe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Einleitung Romanhaftes Geschichtserzählen in einer erlebnisorientierten, enthierarchisierten und hybriden Geschichtskultur
  5. I Leitbegriffe und -aspekte
  6. II Romanhaftes Geschichtserzählen vom 20. Jahrhundert
  7. III Alternative und hybride Romangattungen
  8. IV Zeitreisen und populäres Geschichtserzählen
  9. Beiträgerinnen und Beiträger
  10. Namen-, Titel- und Sachregister