1.1 Historische Entwicklung
Als Wurzel des Theaterbaus im europäischen Abendland kann man das griechische Amphitheater (Abb. 1.1/1) ansehen. Die Plätze der Zuschauer waren in einem Kreisring nach außen hin ansteigend angeordnet. Davor befand sich die Spielfläche für die Schauspieler. Sie bestand aus einer Art Vorbühne, dem sogenannten Proszenium, und einer dahinter erhöht angeordneten Bühne, genannt Skene. Proszenium und Skene waren bereits architektonisch durch Säulen, Stützen und Überdachung gestaltet. Im Zentrum des Kreises befand sich der Platz für den Chor, das sogenannte Orchestra.
Abb. 1.1/1: Griechisches Amphitheater – Grundrissschema.
Bildnachweis: Merkblatt 289 (s. Verzeichnis ergänzender Literatur)
Die Begriffe des griechischen Theaters werden auch heute verwendet, allerdings mit etwas geänderten Bedeutungen. Aus dem Orchestra wurde der Bereich der Musiker, das Orchester, aus dem architektonisch gestalteten Proszenium die Umrahmung der Bühnenöffnung. Aus dem ursprünglich als Skene benannten Bauteil entwickelte sich letztlich das Bühnenhaus. Theatron bezeichnete zunächst nur den Bereich der Zuschauer; später verwendete man den Begriff Theater für den gesamten Baukomplex, also Zuschauerraum und Bühne.
Im römischen Theater beließ man einerseits nach griechischem Vorbild die Längsorientierung, indem ein Halbkreisabschnitt den Zuschauern und ein hievon getrennter Bereich den Schauspielern zugedacht war. Andererseits war im römischen Arenatheater, das in römischer Zeit vorwiegend sportlichen Veranstaltungen, Tier- und Gladiatorenkämpfen Platz bot, eine im Zentrum gelegene Sandfläche rundum von einem Zuschauerbereich umschlossen. Diese zweite Variante findet sich im Zirkus und im Arenatheater moderner Prägung wieder.
Bereits im antiken Theater wurden bemalte Tafeln zwischen den Säulen als Dekorationen verwendet und auch mit drehbaren dreiseitigen Prismen sehr einfache Verwandlungen des Bühnenbildes vorgenommen. In der Telari-Bühne der frühen Renaissance wurde diese Idee wieder aufgegriffen. Es wurde aber auch schon maschinelle Bühnentechnik angewandt, um einen Gott als „Deus ex machina“ (lat. „Gott aus der Maschine“) mit Versenkungen oder Flugapparaten plötzlich erscheinen zu lassen.
Das Theatergeschehen des Mittelalters war vor allem durch kirchliche Mysterien- und Passionsspiele geprägt. Als Bühne dienten Kirchen oder Plätze. Häufig war durch die bestehende Architektur oder durch Gerüstbauten eine dreiteilig gestufte Anordnung für Hölle, Erde und Himmel als Spielfläche gestaltet, oder es wurden nebeneinander fix aufgebaute Bühnendekorationen verwendet. Das Spielgeschehen fand in mehreren Szenenbereichen gleichzeitig (simultan) statt oder wechselte von einem Dekorationsabschnitt zum anderen. Man bezeichnet diese Bühnenform daher auch als Standortbühne oder Simultanbühne. Das Bühnenbild musste also nicht gewechselt werden, daher waren auch keine technischen Einrichtungen für Verwandlungen erforderlich.
Das weltliche Theatergeschehen war auf die Benützung von Scheunen und einfachen Bretterbuden angewiesen oder spielte sich in Sälen und Höfen mit einfachster Bühnengestaltung ab. Erst im 16. Jahrhundert entstanden sogenannte Spielhäuser.
In England sollen bereits damals Wagen mit darauf aufgebauten Szenerien vor das Publikum geschoben worden sein, um den raschen Wechsel eines Bühnenbildes zu ermöglichen. Man könnte dies als Vorläufer des heutigen Schiebebühnensystems ansehen. In Italien konstruierte Leonardo da Vinci die erste Drehbühne für eine Hochzeits-Festaufführung.
Der klassische Theaterbau der italienischen Renaissance versuchte die Formen des antiken Theaters verkleinert in einen geschlossenen Raum zu übertragen. Das Teatro Olimpico des Architekten Palladio in Vicenza ist dafür ein interessantes Beispiel: Durch betont perspektivische Gestaltung der Bühnenarchitektur wurde ein Bühnenraum mit besonderer Tiefenwirkung geschaffen.
Zur besseren Raumausnutzung erfand man das Rangtheater, in welchem bis zu sechs übereinander angeordnete Ränge etwa halbkreisförmig von der einen Seite der Proszeniumswand zur anderen reichten. Im höfischen Theater waren auf den Rängen oft nur Logen vorhanden; man bezeichnet dies als Logentheater. Der Zuschauerraum dieses klassischen Theaters war bereits, wie heute üblich, durch die Proszeniumswand und den Vorhang von der eigentlichen Spielfläche, dem Bühnenhaus, getrennt. Diese Bauform des klassischen Theaters wird auch heute noch weitgehend beibehalten, allerdings wird im modernen Rangtheater wieder die offene Sitzreihenanordnung bevorzugt.
Während man im Shakespeare-Theater Dekorationsteile nur wenig verwendete und Szenenwechsel oft nur symbolisch andeutete, führte später der allgemeine Trend zu immer größerem
Einsatz von Dekorationsmaterial; dies erforderte technische Mittel zur variablen Bühnenraum-und Szenengestaltung.
Das in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts generell übliche Bühnensystem war die sogenannte Kulissenbühne. Der Bühnenraum wurde an der Bühnenhinterwand durch einen bemalten Prospekt, seitlich durch hintereinander versetzt angeordnete bemalte Bildflächen, hängend oder stehend, und oben durch Bogen oder Soffitten begrenzt (s. Abb. 1.1/2a). Dekorationselemente waren auf vom Schnürboden herabhängenden horizontalen Latten befestigt und konnten aus dem Sichtbereich der Zuschauer durch Hochziehen dieser Latten entfernt bzw. durch Absenken in den Sichtbereich der Zuschauer verfahren werden. S...