Papsturkunden vom 9. bis ins 11. Jahrhundert
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Papsturkunden vom 9. bis ins 11. Jahrhundert

Untersuchungen zum Empfängereinfluss auf die äußere Urkundengestalt

  1. 562 Seiten
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Papsturkunden vom 9. bis ins 11. Jahrhundert

Untersuchungen zum Empfängereinfluss auf die äußere Urkundengestalt

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Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit dem Empfängereinfluss auf die Gestaltung päpstlicher Urkunden des 9. bis 11. Jahrhunderts. Entgegen der sonst zu beobachtenden Zentralisierung des Papsttums gibt es hier auffallende lokale Unterschiede in der Gestaltung von Papsturkunden, die anhand von 308 Beispielen – datierend von 819–1085 -- aus den Kirchenprovinzen Italiens und Kataloniens sowie Mainz, Köln, Trier, Reims, Lyon und Sens hinsichtlich Größe, Material, Schrift und graphischen Symbolen detailliert analysiert und statistisch ausgewertet werden.

Während in Italien der Papstname besonders hervorgehoben wird, spielt in den Urkunden nördlich der Alpen die Größe des Dokuments eine entscheidende Rolle; in Lothringen sind beide Merkmale vereint. Diese Erkenntnisse erlauben Rückschlüsse auf die Autorität des apostolischen Stuhls in den verschiedenen Kirchenprovinzen.

Das reichhaltige, auch durch Abbildungen repräsentierte Material stellt eine Sammlung dar, die auch in zukünftiger Forschung Verwendung finden wird.

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Information

1Einführung: Papsturkunden als Mittel der Organisation und Ordnung der christianitas

Neben dem Legatenwesen, den Kanones und der persönlichen Präsenz vor Ort waren Papsturkunden im Mittelalter das bedeutendste Medium des apostolischen Stuhls, um von einer zentralen Position heraus die christliche Welt zu erreichen, mit ihr zu kommunizieren und sie so zu organisieren. Im Gegensatz zu den meisten Herrscherurkunden war der Empfängerkreis dabei grundsätzlich nicht regional beschränkt, soxndern erstreckte sich auf die ganze christianitas. Ab der Mitte des 11. Jahrhunderts entwickelte sich die päpstliche Kurie zum größten Urkundenaussteller des europäischen Mittelalters1. Das Eingreifen in das Geschehen der christlichen Welt, sei es durch Besitzverleihungen, Exkommunikationen oder Entscheidungen in Rechtsfällen, verübte der Papst kraft seiner auf der Übertragung der Binde- und Lösegewalt von Christus an Petrus (Mt 16,18) basierenden2 apostolischen Autorität. Dem Matthäusevangelium nach bestimmte Christus Petrus als den Felsen, auf dem er seine Kirche erbauen werde, und überreichte ihm die claves caelorum mit der Zusage et quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum et in caelis, et quodcumque solveris super terram, erit solutum et in caelis. Dem Papst als Nachfolger des Apostelfürsten und damit Stellvertreter Christi kam die gleiche Vollmacht zu, die ihn befähigte, sich in der hierarchischen Ordnung der Kirche an die Spitze zu stellen und von den Christen Gehorsam zu fordern, da er mittels seiner Binde- und Lösegewalt über das Seelenheil der Menschen verfügte. Ungehorsam gegenüber dem apostolischen Stuhl war gleichbedeutend mit der Gefährdung des ewigen Lebens. Obgleich die Formulierung dieses Primatsanspruchs unter Gregor VII. im dictatus papae3 einen Höhepunkt erreichte, existierten auch schon vor dem 11. Jahrhundert „in großer Zahl Quellenbelege für die grundsätzliche Überzeugung, daß dem römischen Bischof weit über seine (Orts-)Kirche hinaus ein Vorrang als oberster Hirt, Lehrer und Richter zukomme.“4 Das Bewusstsein um die aus der apostolischen Sukzession erwachsende Autorität des Papstes war schon im 9. Jahrhundert unter Nikolaus I., zumindest im eigenen Selbstverständnis, vorhanden5 und bildete „die wesentliche Grundlage päpstlicher Handlungsfähigkeit“6; die tatsächliche Macht im Sinne einer plenitudo potestatis konnte sich jedoch erst in späteren Jahrhunderten formieren7.
Dieses wirkungsvolle Argument der Stellvertreterschaft Christi wurde auch mittels des Mediums der Papsturkunden les- und sichtbar in den orbis christianus transportiert. Trotz mehrerer Umgestaltungen der äußeren Form im Laufe der Zeit blieben diese Dokumente dabei in ihrem wesentlichen Aufbau über Jahrhunderte hinweg gleich, nicht zuletzt durch die wiederholte Verwendung bestimmter Formeln, die beispielsweise dem Liber diurnus8 entnommen werden konnten. Ebenso unterschied sich eine Papsturkunde für ein süditalienisches Kloster auf den ersten Blick nicht wesentlich von der für einen Bischof aus dem heutigen Norddeutschland – durch die Verwendung bestimmter festgelegter Beglaubigungsmittel war ein vom apostolischen Stuhl ausgestelltes Dokument immer als solches erkennbar, auch für die nicht lesende Bevölkerung9. Dies lässt die Papsturkunden als ein Mittel zur Vereinheitlichung des orbis christianus erscheinen, die in weitgehend gleichbleibender Form die christliche Welt organisierten und ordneten, nicht nur durch den Transport von Rechtsinhalt, sondern auch durch die Vermittlung apostolischer Autorität, die das päpstliche Amtsverständnis les- und sichtbar in die komplette christianitas hinaustrugen.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Durchdringung der christlichen Welt durch Papsturkunden wirklich überall in gleichem Ausmaß geschah oder ob es nicht auch Unterschiede in der Auffassung der Autorität des apostolischen Stuhls gab. Jüngere Forschungen zur heterogenen Empfängerlandschaft von Papsturkunden10 konnten zeigen, dass die vorherrschenden lokalen Gewohnheiten und Erwartungen an das Papsttum keinesfalls im ganzen orbis christianus einheitlich waren. Es bleibt daher zu untersuchen, ob sich diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen an den apostolischen Stuhl auch in der Gestaltung der Papsturkunden – eventuell sogar durch direkten Empfängereinfluss – widerspiegelten. Zwei hauptsächliche Vorüberlegungen und Forschungsansätze spielen dabei eine Rolle: Der Ansatz der semiotischen Diplomatik und die Untersuchungen zum Empfängereinfluss bei der Urkundengestaltung.

2Vorüberlegungen

2.1Forschungsstand

2.1.1Die Rolle des Empfängereinflusses

Die bisher vorgestellten Überlegungen betreffen zunächst nur die Sichtweise der Aussteller. In einer 1971 erschienenen Studie11 beschäftigte sich Ernst PITZ hingegen – anhand eines zeitlich und geographisch begrenzten Quellenmaterials – mit der problematischen Quellengattung des „Reskripts“. Als solche versteht er im weiteren Sinn alle Papst- und Kaiserurkunden, die auf Bitte oder Anregung des Ausstellers angefertigt wurden. Die Überlegungen führte er 19 Jahre später in einer Untersuchung des Registers Gregors I. fort12. Da Päpste „Privilegien grundsätzlich nur auf Antrag verliehen“13 hätten, seien „die darüber ausgefertigten Urkunden (,Zeugnisse‘) per definitionem unter den diplomatischen Begriff des Reskriptes“14 einzustufen. PITZ schließt, dass diese Schriftstücke nicht als politische, sondern als rechtliche Entscheidung zu sehen seien und durch die Empfänger mittels der Reskripte neues Recht entstehen konnte15. So sehr PITZ‘ Studie auch kritisiert wurde16, die Überlegung, dass die Rezipienten von Urkunden einen nicht unwesentlichen Einfluss auf deren Gestaltung ausübten, wurde in der diplomatischen Forschung auch mit weiteren Ansätzen verfolgt.
So legt auch Hans-Henning KORTÜM den Fokus auf das andere Ende Kommunikationsprozesses der Urkundenausstellung und geht der Frage des Empfängereinflusses in Bezug auf die Urkundensprache, vor allem in der Dispositio, nach17. Ausgehend von der Vielfalt sprachlicher Ausdrucksformen auf päpstlichen Urkunden, vor allem was die Unterschiede zwischen Vulgär- und „korrektem“ Latein betrifft, vermutet er einen unmittelbaren Einfluss der Petenten und rückt damit von der herkömmlichen Methodik der Königs- und Kaiserdiplomatik ab, indem er die Untersuchung beim Empfänger einsetzen lässt; der re-agierende Charakter päpstlicher Privilegienausstellung steht dabei im Mittelpunkt. Demnach fänden sich vor allem in den Petitiones und Dispositiones von Rechts- und Besitzverleihungen beziehungsweise -bestätigungen Einflüsse der Empfänger, weniger dagegen in Standardformulierungen wie Palliumsverleihungen, für welche die päpstlichen Notare ihre eigenen Formeln benutzten18. Durch die Einbettung der vom Empfänger formulierten gewünschten Privilegienbestätigungen in einen ordnungsgemäßen Rahmen aus Formularen sei ihnen von päpstlicher Seite die notwendige Autorität verliehen worden19.
Ähnlich sieht Jochen JOHRENDT Urkunden als das Ergebnis einer Kommunikation zwischen Empfänger und Aussteller20. Aus der Perspektive der Rezipienten untersucht er eingehend das Bild vom beziehungsweise die Erwartungshaltungen an das Papsttum in verschiedenen geographischen Empfängerregionen, vor allem bezogen auf den Rechtsinhalt der Urkunden21. Darüber hinaus weist JOHRENDT einen Empfängereinfluss auf Arenga und Sanctio22 nach: Vor allem bei der Verwendung der drei Arengen Convenit apostolico moderamini, Quotiens illa a nobis und Quoniam semper sunt concedenda sei ein klarer Einfluss der Rezipienten zu erkennen, „da die päpstlichen Schreiber denselben Rechtsinhalt, der in Italien und Deutschland in immerhin 13 Fällen mit der Arenga nach LD V 32 verknüpft werden konnte, bei französischen und katalanischen Empfängern ausschließlich mit anderen Arengen verbanden.“23
Die Sicht verschiebt sich also in jüngerer Zeit: Der Anteil der Empfänger an der Anfertigung der Papsturkunden wird deutlicher in den Fokus gerückt. Angesichts der Forschungsergebnisse KORTÜMS, JOHRENDTS und auch PITZ‘ stellt sich die Grundsatzfrage, ob die päpstliche Urkundenausstellung als größtenteils lenkende Initiative einerseits oder bloße Reaktion andererseits zu sehen ist. Zwischen Papsttum und Urkundenempfängern bestanden Wechselprozesse, so genannte „,push und pull‘-Effekte“24; der Papst griff nicht nur verändernd in die Angelegenheiten der Empfänger ein, auch die Programmatik päpstlicher Herrschafts- und Verwaltungsformen gewann durch diese Wechselprozesse an Kontur. Dieser Ansatz widerspricht dem Bild des orbis christianus als homogener Einheit: Die verschiedenen Empfänger brachten in diesem Wechselprozess ihre eigenen Vorstellungen vom Papsttum und dessen Autorität ein, die sich auch, wie von KORTÜM und JOHRENDT dargelegt, im Inhalt und der Formulierung der Papsturkunden widerspiegeln konnten.

2.1.2Forschungen zur semiotischen Diplomatik

Von Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Papsturkunden im späten 17. Jahrhundert an stand neben dem Inhalt auch deren äußere Gestaltung im Mittelpunkt25, was im weiteren Verlauf der Forschung zur Anfertigung zahlreicher Faksimile-Ausgaben führte26. Im 19. Jahrhundert profilier...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
  7. Abbildungsverzeichnis
  8. Diagrammverzeichnis
  9. 1 Einführung: Papsturkunden als Mittel der Organisation und Ordnung der christianitas
  10. 2 Vorüberlegungen
  11. 3 Material und Fläche
  12. 4 Schrift
  13. 5 Graphische Symbole
  14. 6 Synthese und Fazit: Die Zuschreibung päpstlicher Autorität im Zusammenspiel der einzelnen Urkundenmerkmale
  15. Anhang I: Untersuchte Originalurkunden mit Abbildungsnachweis
  16. Anhang II: Nicht analysierte päpstliche Originale für Empfänger in den Untersuchungsgebieten
  17. Anhang III: Schematische Darstellung der Urkundenlayouts
  18. Anhang IV: Verwendete Beschreibstoffe
  19. Anhang V: Verwendete Siegelschnüre
  20. Anhang VI: Verwendete Schriftarten
  21. Anhang VII: Verwendete Invokationen
  22. Literatur- und Quellenverzeichnis
  23. Orts- und Personenregister
  24. Urkundenregister