Recht
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  1. 290 Seiten
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Über dieses Buch

Das Recht ist heute am Besten durch das Paradigma unterschiedlicher Formen der Aushandlung zu erfassen. Dies hat Auswirkungen auf klassische Themen wie Legitimität, Souveränität, Freiheit, Gleichheit, aber auch Gerechtigkeit im nationalen und internationalen Rahmen. Als Kriterium erfolgreicher Aushandlung dient die Bewahrung und Sicherung der Menschenrechte, die daher im Zentrum dieses Buches stehen.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783110390964

1Die klassischen Modelle des Rechts, ihre Probleme und ein Vorschlag

Als Einstieg für die Bemühung um einen der heutigen Diskussion und gesellschaftlichen Situation angemessenen Rechtsbegriff ist die Auseinandersetzung mit den diversen Varianten des Naturrechts, des Rechtspositivismus, aber auch mit der Bemühung, diesen Gegensatz hinter sich zu lassen unausweichlich. Während diese Debatte aus verschiedenen Gründen weitgehend auf die europäische und christliche Tradition beschränkt bleibt, erfordern die durch den faktisch an vielen Orten entstandenen Rechtspluralismus gestellten Herausforderungen zumindest die Offenheit gegenüber außereuropäischen Rechtstraditionen, von denen die Scharia derzeit vielleicht die prägnanteste Rolle spielt. Der Umstand, dass die für einige Jahrhunderte zum Paradigma des Rechts gewordene Form etatistischer Rechtsdurchsetzung noch lokale Anwendung findet, jedoch in vielen Bereichen weder realistisch, noch eine wünschenswerte Option ist, dass andererseits auch keine göttliche oder jedenfalls ewige Rechtsordnung mehr anerkannt ist, aus der man die konkreten Rechtsfragen untersuchen könnte, lässt den Vorgang des Aushandelns als konstitutiven Rechtsprozess immer wichtiger werden. Um dabei weder faktische Machtverhältnisse, noch kontingente Vorgaben als per se legitim akzeptieren zu müssen, bedarf es der Diskussion um Rationalitätskriterien über kulturelle Grenzen hinweg. Als Angelpunkt dieser schwierigen und oftmals unübersichtlichen Diskussionen wird hier die universelle Geltung der Menschenrechte als Legitimitätskriterium für jegliche Form von Machtansprüchen vorgeschlagen.

1.1Das Naturrecht

In stark schematisierendem Zugriff kann man die Naturrechtsgeschichte als Aufeinanderfolge eines Rechtes aus der Natur, eines Rechtes aus der Natur des Menschen und eines Rechtes aus der Natur des Rechts fassen. Diese Ansätze waren für die Konzeption dessen, was unter Recht zu verstehen sei und wie man es bestimmen könne, zusammen mit dem römischen Recht und traditionellen Rechtsauffassungen im europäischen Raum für lange Zeit konstitutiv. Doch ist es wichtig, die Unterschiede zur Kenntnis zu nehmen, um nicht mit unzutreffenden Argumenten das Für und Wider zu erörtern, was insbesondere für die nach 1945 wiederbelebten Varianten des Naturrechts gilt.
Im römischen Recht, in vielen Teilen Europas bis ins 19. Jahrhundert eine zentrale Instanz zur Begründung von Normen und rechtlichen Entscheidungen,1 wird die Bedeutung des Naturrechts zunächst eher niedrig angesetzt. Man unterscheidet zwischen dem ius civile, das nur für römische Bürger gilt, und dem ius gentium, das nach natürlichen Maßstäben gefunden wird und überall gilt, daher auch ius naturale heißt.2 Die systematische Differenzierung zwischen Natur- und Völkerrecht entsteht in Europa erst im 16. Jahrhundert, insbesondere in der Spanischen Scholastik.
Eine Aufwertung erfährt das natürliche Recht nicht zuletzt im frühen Mittelalter bei Isidor von Sevilla3, der es unter Rückgriff auf stoische Traditionen und die römisch-rechtliche Differenzierung von liturgischem (fas, ius poli) und weltlichem (ius fori) Recht als göttliches Recht den von Menschen geschaffenen Sitten gegenüberstellt, allerdings nur begrenzt zu deren Fundierung benutzt. Im späteren Mittelalter wird es zusätzlich mit aristotelischen Theoriestücken verknüpft. Zu diesen Theoriestücken gehört eine der für die abendländische Geistesgeschichte fundamentalen Reflexionen zur politischen und rechtlichen Anthropologie, die allerdings in das mittelalterliche und frühneuzeitliche Naturrecht integriert werden und keine dominante Rolle spielen. Deshalb wird hier als anthropologisch begründetes Naturrecht der mit Thomas Hobbes verknüpfte Gegenentwurf vorgestellt, der kein dem staatlichen Recht vorgeordnetes objektives Recht akzeptiert und die Notwendigkeit des staatlichen Rechts aus den Eigenschaften der Menschen ableitet. Der im Anschluss an Hobbes einsetzenden Debatte um die „wahre“ Natur des Menschen vermag sich das Vernunftrecht insoweit zu entziehen, als es nach den Bedingungen der Möglichkeit eines Rechtssystems fragt und lediglich auf sehr elementare anthropologische Präsuppositionen zurückgreift.

1.1.1Das Recht der Natur und das Recht Gottes

Erste rechtsphilosophische Reflexionen in Form einer Gegenüberstellung von menschlichem und natürlichem Recht bietet im europäischen Kulturkreis die griechische Sophistik. Angesichts der Erfahrung unterschiedlicher Formen von Gesetzen und Sitten bei Griechen und Barbaren sowie der Möglichkeit, bei der Neugründung von Kolonien unterschiedliche politische Organisationen zu installieren, suchte man nach einem stabilen Maßstab für die Richtigkeit von Regelungen und fand ihn in der Natur (physis), die man menschlicher Kunstfertigkeit (techne) auf dem Sektor von Recht und Moral gegenüberstellte. Die Natur diente daher nicht nur der Begründung, sondern auch zur Kritik faktisch bestehender Normen. Einige Sophisten deuteten das menschliche Recht als widernatürliche Unterdrückung der Schwachen durch die Starken, andere als Zähmung der Starken durch die Schwachen, wodurch die Starken um den aus ihrer Stärke resultierenden natürlichen Vorteil gebracht würden. So erklärt Hippias in Platons Protagoras-Dialog die Anwesenden als Gleiche von Natur verwandt4, während Kallikles im Gorgias vehement dafür eintritt, dass der Edle und Starke nach dem Recht der Natur mehr haben und die Schwachen beherrschen müsse5.
Aristoteles will im Gegenzug zur sophistischen Kritik zeigen, dass die Polis und ihr Recht von Natur aus, damit auch der Natur gemäß ist. Dies geschieht durch eine Art induktiven Aufbaus der Polis aus ihren grundlegenden sozialen Relationen: Mann und Frau, Herr und Knecht, Eltern und Kinder, also Beziehungen, die für alle Beteiligten nach Aristoteles’ Ansicht lebensnotwendig sind und gemeinsam das Haus bilden. Aus mehreren Häusern entstehen auf Kult und gegenseitiger Hilfe basierende Dörfer. Die erste autarke Gemeinschaft, die sich wiederum aus diesen kleineren Strukturen zusammensetzt, ist die Polis. Das Argument für die Naturgemäßheit der Polis lautet nun, der Staat müsse von Natur aus bestehen, da er das Ziel der von Natur aus bestehenden kleineren Gemeinschaften sei und das Ziel eines Dinges sei eben die Natur. „Denn der Zustand, welchen jedes Einzelne erreicht, wenn seine Entwicklung abgeschlossen ist, nennen wir die Natur jedes Einzelnen, wie etwa des Menschen, des Pferdes, des Hauses.“6 Der von Aristoteles in dieser Argumentation verwendete teleologische Naturbegriff spielte über lange Zeit eine zentrale Rolle in der Naturrechtstradition, gerade dann, wenn der Natur eine Begründungsfunktion zukommt. Später wird er häufig verbunden mit Spekulationen über die göttlichen Absichten, da Gott als Schöpfer der Natur auch gewollt haben müsse, dass die Dinge sich so verhalten. Heute ist er eher umstritten, da man einen naturalistischen Fehlschluss vermutet: Der Schluss, daraus, dass etwas der Natur gemäß so ist, darauf, dass es so sein soll, ist eine Form des Schlusses daraus, dass etwas so ist, darauf, dass es so sein soll. Hinzu kommt noch die keineswegs unproblematische Bestimmung, welche der vielfältigen in der Natur beobachtbaren Erscheinungsformen als „der Natur gemäß“ zu bewerten sind.
Zu den aristotelischen Argumentationsfiguren, auf die in der Naturrechtstradition – allerdings nicht nur dort – kontinuierlich zurückgegriffen wurde, ohne dass den Beteiligten der Ursprung klar sein musste, gehören die formale Bestimmung der Gerechtigkeit, „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln“7, die Analyse der Freiwilligkeit8, die für die Zurechnungslehre wichtig wurde, und die Erwägungen zur Billigkeit, epikeia9, die man z. B. anwenden muss, wenn die Gesetze zu allgemein sind und ihre buchstäbliche Befolgung ungerecht wäre, wenn man Grund zur Nachsicht hat, oder wenn es gilt, die Mängel der Gesetze auszugleichen. Letzteres wurde in Mittelalter und Neuzeit für die menschlichen Gesetze häufig geltend gemacht, während das natürliche Gesetz dank seines göttlichen Ursprungs keine Mängel aufweisen konnte.
Markant in der Geschichte des Naturrechts ist die Figur der Antigone in Sophokles’ gleichnamiger Tragödie, die gegen den ausdrücklichen Befehl des Stadtherren Kreon ihren im Kampf gegen Theben gefallenen Bruder beerdigt und sich, vom Herrscher zur Rede gestellt, auf das Gesetz der Götter beruft, an welchem der menschliche Herrscher nicht rühren könne, da es eine über seinen Anordnungen stehende Norm darstelle.
Während in diesem Fall das Naturrecht dem Gebot der als Personen aufgefassten Götter entspringt, entspricht für die Stoa das Naturrecht dem ewigen Gesetz einer göttlichen Allnatur. Nach stoischer Auffassung sind wir, ist überhaupt alles auf der Welt Bestandteil einer wohlgeordneten, von einem vernünftigen Gesetz durchdrungenen Natur, die eine Überpolis darstellt. Der Weise, der richtig Handelnde befindet sich im Einklang mit dem diese Natur durchdringenden göttlichen Willen10. Laut Cicero steht dieses Gesetz auch über allen menschlichen Regelungen:
Es ist aber das wahre Gesetz die richtige Vernunft, die mit der Natur in Einklang steht, sich in alle ergießt, in sich konsequent, ewig ist, […]. Wir können aber auch nicht durch den Senat oder das Volk von diesem Gesetz gelöst werden, […], noch wird in Rom ein anderes Gesetz sein, ein anderes in Athen, ein anderes jetzt, ein anderes später, sondern alle Völker und zu aller Zeit wird ein einziges, ewiges und unveränderliches Gesetz beherrschen.11
Die Auffassung des Naturrechts als Anordnung einer personal verstandenen Gottheit verbindet sich bei vielen mittelalterlichen Autoren insofern mit der stoischen Konzeption, als man das ewige Gesetz der Allnatur als Anordnung der Gottheit deutet. An dieser Stelle treffen die Begriffe des Rechts und des Gesetzes, dann aber auch die des natürlichen und des menschlichen Gesetzes zusammen. Im Anschluss an die erwähnte Differenzierung bei Isidor von Sevilla stellt auch das für die weitere begriffliche Entwicklung des Rechts enorm einflussreiche Decretum Gratiani (ca. 1140) mit den diversen Glossen göttliches und natürliches Recht in engste Verbindung, ohne sie generell gleich zu setzen, und beides dem menschlichen Recht gegenüber. In einer Glosse wird erläutert, welches göttliche Recht mit natürlichem Recht zusammenfällt, weil es uns von der höchsten Natur, d. h. von Gott gegeben ist („dicitur hoc ius naturale quoniam summa natura id est Deus nobis illud tradidit“).12 Dabei kommt eine evtl. auf den arabischen Aristoteles-Kommentator Averroes zurückgehende, bis weit in die Neuzeit, etwa bei Spinoza gebräuchliche Differenzierung zum Tragen: Gott als natura naturans im Unterschied zur natura naturata ist Urheber desjenigen göttlichen Rechts, das zugleich Naturrecht ist.13
In einigen Punkten von Gratian und seinen Glossatoren abweichend, jedoch gleichfalls prägend für spätere Diskussionen ist die Definition und Erklärung des Gesetzes bei Thomas von Aquin, die auf der stoischen Vorstellung vom ewigen Weltgesetz der göttlichen Allnatur fußt, welches auch das Gesetz unserer Natur ist. Thomas fügt die stoische Naturrechtslehre in ein neuplatonisch-christliches Weltbild ein, mit der Vorstellung einer Schöpfung, die bestimmt ist, zu ihrem Schöpfer zurückzukehren und schon von daher eine Teleologie in sich trägt. Er definiert das Gesetz als eine „Anordnung der Vernunft zum allgemeinen Wohl, von jenem, der für die Gemeinschaft sorgt, verkündet“ (quaedam rationis ordinatio ad bonum commune, ab eo qui curam communitatis habet, promulgata)14. Bemerkenswert ist, dass er das Gemeinwohl auf das Wohl der Individuen zurückführt und die Menge als Gesetzgeber vorsieht. Bei Thomas findet man eine der paradigmatischen Formen der Begründung menschlicher Normen aus dem natürlichen Gesetz:
Thomas unterscheidet die lex aeterna, die vollkommene Regelung des Universums durch die göttliche Vernunft, von der lex naturalis, der Teilhabe des ewigen Gesetzes in einem vernünftigen Geschöpf, wodurch dieses seine natürliche Neigung zum gesollten Tun und Ziel besitzt. Die menschlichen Gesetze entstehen beim Umgang der menschlichen Vernunft mit dem natürlichen Gesetz. Sie erarbeitet aus seinen allgemeinen und unbeweisbaren Prinzipien konkretere, auf die gegebenen Voraussetzungen bezogene Vorschriften, welche den Bedingungen eines Gesetzes genügen. Neben natürlichem und menschlichem Gesetz bleibt die lex divina bestehen, etwa zur Regelung der letzten, übernatürlichen Dinge, aber auch, um Verbrechen zu ahnden, die vom weltlichen Richter übersehen wurden. Das ewige und das göttliche Gesetz gelten in diesem Reigen also unmittelbar deshalb, weil sie vom Schöpfer der Welt befohlen werden, die lex naturalis gilt, weil sie die allgemeinen Prinzipien enthält, die der menschliche Verstand durch die Teilhabe am ewigen Gesetz erkennen kann. Das menschliche Gesetz gilt, weil und insofern es durch die Anwendung dieser allgemeinen ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Introduction
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 Die klassischen Modelle des Rechts, ihre Probleme und ein Vorschlag
  7. 2 Staat und Recht: Legitimität und Widerstandsrecht
  8. 3 Menschenrechte
  9. 4 Die Kernbegriffe des modernen Rechts
  10. 5 Völkerrecht, internationales Recht
  11. Anmerkungen
  12. Siglenverzeichnis
  13. Literaturverzeichnis
  14. Namenregister
  15. Sachregister