Sprache und Sprachverwendung in der Politik
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Sprache und Sprachverwendung in der Politik

Eine Einführung in die linguistische Analyse öffentlich-politischer Kommunikation

  1. 180 Seiten
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Sprache und Sprachverwendung in der Politik

Eine Einführung in die linguistische Analyse öffentlich-politischer Kommunikation

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Über dieses Buch

Die Politolinguistik ist eine inzwischen fest etablierte linguistische Teildisziplin, die das Verhältnis von Sprache und Politik zum Gegenstand hat. Mit der vorliegenden 2., vollständig überarbeiten und aktualisierten Auflage des 2002 erstmals erschienenen Arbeitsheftes wird der dynamischen Entwicklung dieses Forschungsbereiches Rechnung getragen und ein umfassender Überblick über Gegenstände und Methoden vorgelegt. Neben "klassischen" Themen wie politische Sprachfunktionen, politisches Lexikon, Kampf um Begriffe, politische Text-/ Gesprächssorten und Diskursanalyse, werden insbesondere auch neue, internetbasierte Formen politischen Sprachhandelns wie etwa Facebook, Twitter oder Rapid Response in den Blickpunkt genommen. Exemplarische Einzelanalysen ausgewählter Textsorten und Diskurse demonstrieren die Leistungsfähigkeit des in diesem Arbeitsheft vorgestellten Modells zur Analyse politischen Sprachhandelns.
Literaturhinweise und Übungen, die zur Vertiefung des Stoffes beitragen, runden die einzelnen Kapitel ab.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783110374087

1 Einleitung

Sprache ist nicht nur irgendein Instrument der Politik, sondern überhaupt erst die Bedingung ihrer Möglichkeit. Für die politischen Akteure geht es darum, politische Handlungen zu begründen, zu kritisieren und zu rechtfertigen, die eigene Position argumentativ zu stützen und glaubwürdig zu vertreten. In den Printmedien, im Fernsehen, im Rundfunk und im Internet wird über das politische Tagesgeschehen informiert, werden politische Sachverhalte kommentiert und bewertet. Dies alles geschieht mit und durch Sprache. Sprache in der Politik bedeutet vor allem sprachliches Handeln in der Politik. Es ist die Handlungspotenz von Sprache, die für die Politik konstitutiv ist und es lässt sich, wie der Politiker Erhard Eppler hervorhebt, in der Politik nur schwer zwischen Reden und Handeln unterscheiden, „weil das Reden sehr wohl Handeln bedeutet“ (Eppler 1992: 7).
Um einen Einstieg und eine erste Orientierung zu ermöglichen, wird im Folgenden das Verhältnis von Sprache zu drei für den Themenbereich dieser Einführung wichtigen Begriffen – Politik, Ideologie und gesellschaftliche Wirklichkeit – erörtert.

1.1 Sprache und Politik

Für die Rechtfertigung eines eigenständigen linguistischen Zugangs zu dem Themenkomplex Sprache und Sprachverwendung in der Politik bedarf es eines Verständnisses von Politik, welches das Sprachhandeln der beteiligten Akteure in den Mittelpunkt rückt. Eine solche kommunikationsorientierte Definition findet sich beispielsweise schon bei Lübbe, der Politik definiert als „die Kunst im Medium der Öffentlichkeit Zustimmungsbereitschaft zu erzeugen“ (Lübbe 1975: 107). Sprachverwendung in der Politik setzt nach diesem Verständnis nicht nur bestimmte persuasive Fähigkeiten der politischen Akteure voraus, sondern ist zugleich auch an die Institution der Öffentlichkeit gebunden, die somit ein konstitutives Merkmal politischen Sprachhandelns ist. In eine ähnliche Richtung, nämlich Parteien und eine parlamentarische Demokratie voraussetzend, geht auch die Bestimmung politischen Handelns als „Kampf um Macht und Herrschaft, um Teilnahme an der Machtausübung und ihre Sicherung zur Durchsetzung bestimmter Vorstellungen und Interessen“ (Grünert 1974: 2, in Anlehnung an den Soziologen Max Weber). In einer für die Politolinguistik einflussreichen Definition bestimmt Dieckmann Politik als „staatliches oder auf den Staat bezogenes Reden“ (Dieckmann 21975: 29). Die Attraktivität dieser Definition liegt sicherlich in ihrer pointierten Form und dem kommunikationsorientierten Hinweis auf den Zusammenhang von Sprachverwendung und Politik. Zugleich macht diese Definition aber auch deutlich, dass politische Kommunikation mehr ist als nur das staatliche, also von Politikerinnen und Politikern im engeren Sinne realisierte Sprachhandeln. Es ist zugleich auch auf den Staat bezogenes Reden, schließt also das „Handeln von Individuen und Gruppen“ (Dieckmann 2005: 13) ein. Daraus resultiert ein weites Politikverständnis, das auch dieser Einführung zugrunde liegt. Im Unterschied zu einem engen Politikverständnis, das sich auf die von politischen Funktionsträgern produzierten Texte bzw. Äußerungen bezieht und einem weiteren Politikverständnis, das auch die öffentliche Kommunikation in den Medien über Politik einschließt, bezieht ein weites Politikverständnis „das Reden aller Mitglieder einer Gesellschaft über Politik ein“ (Schröter/Carius 2009: 12). Zugleich sollte aber auch deutlich werden, dass Politik verschiedenste Sach- und Handlungsbereiche umfasst und alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens durchdringen kann. Ob Kernenergie, Rechtschreibreform oder Klimawandel: Letztlich kann alles politisch werden, was von öffentlichem Interesse ist.
Ungeachtet der engen Beziehung zwischen Sprache und Politik ist es in der Forschung allerdings umstritten, ob politisches Handeln mit sprachlichem Handeln gleichzusetzen ist oder ob dem sprachlichen Handeln etwa nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Die Affinität der ersteren Position zu sprachhandlungsorientierten Ansätzen in der Politolinguistik dürfte in den oben aufgeführten Politikdefinitionen bereits deutlich geworden sein. Ihre terminologische Ausprägung findet diese Auffassung in dem Vorschlag Heringers, statt von Sprache in der Politik von Politik in Sprache zu sprechen:
Politik in Sprache soll darauf hinweisen, daß Politik sich in Sprache vollzieht, daß politische Tätigkeit sprachliche Tätigkeit ist. (Heringer 1990: 9)
Die zweite Position, die dem sprachlichen Handeln in der Politik nur eine untergeordnete Rolle zuweist, wird bezeichnenderweise eher von Politikwissenschaftlern vertreten. So geht beispielsweise Bergsdorf (1991: 20) vom „Primat der Politik [...] für das Verhältnis von Sprache und Politik“ aus. In diesem Sinne äußert sich auch der Semiotiker Klaus, für den die Sprache zwar wichtig, aber „keineswegs der entscheidende Aspekt in der Politik“ (Klaus 1971: 9) ist. Auch Fetscher/Richter (1976) schließen sich dieser Sichtweise an, wenn sie für ihr Buch den Titel „Worte machen keine Politik“ wählen. Setzt man politisches Handeln allerdings mit sprachlichem Handeln gleich, dann hört Politik folgerichtig dort auf, wo sie sprachlos wird (vgl. beispielsweise Dieckmann 21975: 29 und Grünert 1974: 1). Allerdings sollte man dabei nicht übersehen, dass als Mittel der Politik durchaus „Swords and Symbols“ in Frage kommen (vgl. Marshall 1939; Dieckmann 1975: 28). Insbesondere der Verschränkung zwischen Sprache und Gewalt kommt dabei besonderes Gewicht zu. Bei aller Bedeutung, die sprachlichem Handeln in der Politik zukommt, darf zudem nicht übersehen werden, dass es durch nonverbale Kommunikationsformen wie die politische Symbolik ersetzt oder ergänzt werden kann. Die Bedeutung politischer Symbolik kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: Während Sprache Inhalte nämlich nur linear und schrittweise entfalten kann, sind Symbole durch die Fähigkeit der „simultanen, integralen Präsentation“ (Pross 1974: 29) gekennzeichnet. Sie dienen der politischen Werbung, der Integration nach innen und der Abgrenzung nach außen. Zwar kommt politischen Symbolen vor allem in totalitären Staaten eine wichtige Funktion zu, sie werden jedoch auch in Demokratien und von demokratischen Parteien eingesetzt. Zu den politischen Symbolen zählen beispielsweise Nationalsymbole wie Nationalfarben, -flaggen oder -hymnen, Herrschaftssymbole wie der Adler, Freiheitssymbole wie die Fackel (etwa in der Freiheitsstatue der USA) oder Einigungssymbole wie die Weltkugel (als politisches Symbol der UN).
Wenn auch der Sprache in der Politik eine entscheidende Funktion zukommt, sollte man stets bedenken, dass der Untersuchungsgegenstand dieses Arbeitsheftes die öffentlich-politische Kommunikation ist, nicht die Politik selbst. Beide Aspekte müssen sorgfältig auseinandergehalten werden. Wie Knobloch (1998: 59) zu Recht bemerkt, hat politische Kommunikation mit Aufmerksamkeit zu tun und weniger mit den tatsächlichen Entscheidungen. Sie flankiert und ergänzt die Politik, sie organisiert und steuert die Bereitschaft, einer bestimmten Politik zuzustimmen. Die Kunst, im Medium der Öffentlichkeit Zustimmungsbereitschaft zu erzeugen, ist zwar ein wichtiger Aspekt der Politik, aber sie ist nicht die Politik selbst.

1.2 Sprache und Ideologie

Wenn von Ideologien die Rede ist, dann sind in einem alltagssprachlichen Sinne zumeist Auffassungen gemeint, die im Besitz der Wahrheit zu sein glauben, in Wirklichkeit aber die Wahrheit verzerren oder falsch darstellen. Bestimmt man Ideologie wertneutraler, dann können darunter die einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppierung oder einer bestimmten Gesellschaftsordnung zugrundeliegenden Wertvorstellungen und Denkmuster verstanden werden. Will man das Verhältnis von Ideologie und Politik charakterisieren, dann kann man konstatieren, dass politische Wirklichkeit immer auch ideologisch vermittelte Wirklichkeit ist (vgl. auch Strauß [u. a.] 1989: 28). Es kann die das politische Handeln leitende Ideologie sein, diewie Eagleton (1993: 3) es drastisch formuliert – “Menschen von Zeit zu Zeit dazu bringt, einander für Götter oder Ungeziefer zu halten“. Wenn sich, wie oben gezeigt wurde, politisches Handeln in Sprache vollzieht, dann ist Sprache auch der Ort, in dem sich Ideologien manifestieren. In der Politolinguistik wird immer wieder auf die enge Verflechtung von politischem und ideologischem Sprachgebrauch hingewiesen. Da sich Ideologien als Bewusstseinstatsachen in Sprache manifestieren und in der Regel auch sprachlich vermittelt werden, kommt dem ideologischen Sprachgebrauch in der Politik eine besondere Bedeutung zu. Linguistisch interessant ist dabei vor allem die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Ideologien und typischen Formen ihrer Versprachlichung. Ideologischer Sprachgebrauch muss immer im Kontext der konkreten historisch-politischen Situation bewertet werden. Wie Eagleton hervorhebt, ist „Ideologie [... ] eine Funktion der Beziehung einer sprachlichen Äußerung zu ihrem gesellschaftlichen Kontext“ (Eagleton 1993: 17). So erhält etwa der Ausdruck Blut und Boden seine ideologische Motiviertheit erst durch die Einbindung in den Kontext der nationalsozialistischen Ideologie.
Dieckmann (1988: 1780) weist „auf die fast unbegrenzte Vielfalt der Gebrauchsweisen des Ausdrucks Ideologie“ hin. Um die Vielfalt der Verwendungen sinnvoll zu reduzieren, gelangt er zu einer Klassifizierung, die auf den ideologietheoretischen Voraussetzungen von Aufklärungskonzepten ideologischen Sprachgebrauchs beruht. In seiner wohl geläufigsten Verwendung wird Ideologie nach Dieckmann denunziatorisch gebraucht und bezieht sich auf den Sprachgebrauch des politischen Gegners. Hier besitzt Ideologie eine negativwertende Bedeutungskomponente und zielt auf einen unangemessenen, die Wahrheit verzerrenden Sprachgebrauch des anderen. Der eigene Sprachgebrauch wird dagegen als der Wahrheit angemessen empfunden. Diesem Ideologieverständnis liegt ein problematisches Zeichenverständnis zugrunde, dass von einer „wahren“ Bedeutung sprachlicher Zeichen ausgeht. Es ist dies ein Konzept, dass in der politischen Auseinandersetzung im Schlagwort vom „Besetzen von Begriffen“ seinen Ausdruck findet (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 4.4).
In einer weiteren Verwendung ist ideologischer Sprachgebrauch Ausdruck eines gesellschaftlich bedingten Verfehlens der Wahrheit. Ideologien sind nach dieser Auffassung nicht einfach wahr oder falsch. Sie spiegeln gesellschaftliche Verhältnisse aus der Perspektive einer bestimmten Klasse wider. So sind in der marxistischleninistischen Ideologietheorie Ideologien Ausdruck der Interessen der herrschenden Klasse, die aber als Interessen der Allgemeinheit ausgegeben werden und letztlich die gesellschaftlichen Verhältnisse verschleiern. Der Ideologiebegriff des Marxismus-Leninismus ist zweiwertig, da er zwischen einer negativ bewerteten Ideologie des politischen Gegners einerseits und einer positiv bewerteten Ideologie der eigenen Gruppe unterscheidet.
Für die Linguistik am brauchbarsten ist ein Ideologiebegriff, der seinen Ursprung in den wissenssoziologischen Theorien der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts hat. Danach ist das menschliche Denken grundsätzlich ideologiegebunden. Ideologischer Sprachgebrauch ist Ausdruck prinzipieller Seinsgebundenheit des Denkens. Als bedeutender Vertreter dieser Auffassung ist der Soziologe Karl Mannheim ([1929] 51969) zu nennen. Dieckmann stellt hierzu fest:
Gerade weil der wissenssoziologische Ideologiebegriff keine Kritik impliziert, erlaubt er eine kritische Auseinandersetzung mit ideologischem Sprachgebrauch und der Relation zwischen dem ideologischen Bewußtsein und der Art und Weise, wie es sprachlich vermittelt wird, ohne daß der Linguist in die Verlegenheit kommt, über Wahrheit oder Falschheit des Bewußtseins selbst bewertend urteilen zu müssen. (Dieckmann 1988: 1785f.)
Ein Vertreter des neutralen und allumfassenden Ideologiebegriffes ist auch der sowjetische Sprachphilosoph Valentin Vološinov.1 Sein Ideologiebegriff ist semiotisch begründet, da er Ideologie und Zeichen untrennbar miteinander verknüpft: „Ohne Zeichen gibt es keine Ideologie“ (Vološinov [1929] 1975: 182). Für Vološinov entsteht Bewusstsein nur in der materiellen Verkörperung durch Signifikanten, die nicht nur einfach die gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegeln, sondern deren integraler Bestandteil sind. Er entwickelt ein Zeichenmodell, in dem die ideologische Komponente notwendigerweise enthalten ist. Sprachliche Zeichen stellen die Wirklichkeit nie unmittelbar, sondern immer nur ideologisch „gebrochen“ dar:
Images
Abb. 1: Das repräsentationale und das ideologische Zeichenmod...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Forschungsüberblick
  8. 3 Pragmalinguistische Grundlagen der Politolinguistik
  9. 4 Lexikon und Nomination
  10. 5 Texte und Diskurse in der politischen Kommunikation
  11. 6 Exemplarische Einzelanalysen: politische Reden
  12. Literaturverzeichnis
  13. Sachregister
  14. Fußnoten