Soziologische Theorie
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Soziologische Theorie

Abriss der Ansätze ihrer Hauptvertreter

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Soziologische Theorie

Abriss der Ansätze ihrer Hauptvertreter

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Das Buch führt in den zunehmend komplexer und unübersichtlicher werdenden Themenbereich "Soziologische Theorien" ein. Dabei wird der multiparadigmatischen Vielfalt der Soziologie Rechnung getragen: Anhand der Darstellung jeweils eines originären und repräsentativen Vertreters werden die Charakteristika des jeweiligen theoretischen Ansatzes sichtbar gemacht. Auch die dynamische Entfaltung des Themengebiets wird berücksichtigt, indem neben den "klassischen" Theorievarianten der Soziologie deren Weiterentwicklung und Wirkungsgeschichte sowie neue Theorieentwicklungen einbezogen werden. Die nunmehr vorliegende neunte Auflage wurde mit dem Rational-Choice-Ansatz um eine breit vertretende Grundlagentheorie erweitert.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783110397659

Eva Bauer

1Zur Entstehung soziologischer Theorie: Anfänge soziologischen Denkens

1.1Einleitung: zum Anliegen dieses Kapitels

Ziel dieses Kapitels ist die Vermittlung eines Überblicks über die Entstehung soziologischen Denkens und die Entwicklung erster soziologischer Theorieansätze.
Nicht geleistet werden kann in diesem Rahmen eine Darstellung der Geschichte der Soziologie; diese müsste sich – nach Robert K. Merton – einlassen auf „das Zusammenspiel zwischen der Theorie und solchen Faktoren […] wie der sozialen Herkunft und dem sozialen Status ihrer Vertreter, der sich verändernden sozialen Organisation der Soziologie, den Veränderungen, die ihre Verbreitung für die Ideen mit sich bringt, und ihre Beziehungen zur sozialen und kulturellen Umwelt“ (Merton, in: Lepenies 1981, S. 57). Vielmehr sollen hier einzelne sozialphilosophische, sozialwissenschaftliche und im engeren Sinn soziologische Denkansätze einander gegenübergestellt werden. Damit wird in zweifacher Weise von der Systematik dieses Buches abgewichen: einmal werden wir uns hier nicht mit den „Hauptvertretern“ einer bestimmten Theorie beschäftigen, sondern das Gemeinsame wesentlicher Denkrichtungen herausstellen; diese werden auch einer vergleichenden Betrachtung unterzogen, vor allem in Zusammenhang mit der Frage, was das spezifisch Soziologische in diesen Theorien ausmacht.
In einem Überblick werden dazu die Ansätze der neuzeitlichen europäischen Denktraditionen beleuchtet; näher ausgeführt werden die Theorien von Auguste Comte, Émile Durkheim und Max Weber als Klassiker der „ersten und zweiten Soziologen-Generation“ (Raymond Aron) des 19. und beginnenden 20. Jh., deren Denken neben Karl Marx (dem ein eigenes Kapitel dieses Buches gewidmet ist) die „neueren“ soziologischen Modelle entscheidend (mit-)beeinflusst hat und das auch heute noch Gegenstand von Theoriedebatten ist.

1.2Was ist soziologisches Denken und wann beginnt es?

Am Anfang jeder theoriegeschichtlich ausgerichteten Darstellung erhebt sich zunächst die Frage nach der „Geburtsstunde“ der untersuchten Theoriegattung. Hier ist diese Frage eng verknüpft mit dem Problem, was Soziologie eigentlich ist. Nun gibt es hierauf keine eindeutige Antwort, diese ist abhängig vom jeweiligen theoretischen Modell (was nicht nur für die Soziologie, sondern für alle Gesellschaftswissenschaften gilt, und worüber „Lehrbuchdefinitionen“ eher hinwegtäuschen).
Fruchtbarer als die Suche nach einer allgemeingültigen Definition der Soziologie ist das Auffinden von „Brennpunkten soziologischer Theorien“ (Kiss 1977, S. 17), also Kernfragen, um deren Lösung soziologische Erklärungsmuster bemüht sind. Als derartige Brennpunkte lassen sich nach Kiss anführen:
das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft und damit verbundene Menschenbilder; damit in Verbindung:
die soziale Integration: Wesen, Form und Intensität des Zusammenhangs zwischen Einzelteilen eines gesellschaftlichen Ganzen;
die soziale Differenzierung: der gesellschaftlich bedingte Prozess der Trennung, Scheidung, Absonderung von ursprünglich Gleichem (z. B. in Teilgruppen, Berufsfunktionen, Klassen, Schichten) mit seinen negativen und positiven Konsequenzen;
der soziale Wandel: Veränderungen auf sozialer Ebene (materielle Strukturen und das Wertesystem betreffend), ihre Ursachen und „Gesetze“;
die Handlungsorientierung und ihre soziale Bedingtheit (Relation zwischen „natürlichen“ Bedürfnissen und kulturellen Werten, zwischen subjektiven Motiven und objektiv gegebenen Handlungsmustern).
Selbst gegen diese Formulierungen (hier gegenüber Kiss durch einen höheren Allgemeinheitsgrad modifiziert; vgl. Kiss 1977, S. 17 f.) könnte auf Grundlage eines spezifischen theoretischen Ansatzes Einspruch erhoben werden; die moderne Systemtheorie etwa würde die „Gesetzlichkeit“ von sozialem Wandel infrage stellen; die Frage nach positiven oder negativen Konsequenzen sozialer Differenzierung würde nicht jede Richtung soziologischer Analyse als wissenschaftlich beantwortbar erachten. Und nicht jede Theorie greift alle diese „Kernfragen“ auf bzw. lässt deren implizite Beantwortung zu.
Mit dieser Herausstellung der Hauptfelder soziologischer Erörterung ist aber die Frage nach dem Beginn soziologisch-wissenschaftlichen Denkens noch nicht beantwortet. Denn als Gegenstand von Reflexion lassen sich die angeführten Themen zum Teil bereits im vorneuzeitlichen Denken ausmachen (z. B. bei Platon, Aristoteles, Augustinus, Thomas von Aquin). Diesen philosophischen Theorien ist gemein, dass sie das soziale Sein aus „natürlichen“ oder göttlichen Ordnungen ableiten, also z. B. Herrschaftsbeziehungen der „natürlichen Ungleichheit der Charaktere“ zuschreiben, oder im „natürlichen Sozialgebilde des ganzen Hauses“ eine unveränderbare Form der sozialen Beziehung sehen. Es wird „eine vorgegebene Struktur von Bedürfnissen und Zwecken vorausgesetzt“ (Luhmann 19792, S. 9); Staat und Gesellschaft sind eines. Die Rückführung von Beziehungen zwischen Menschen auf unveränderbare, außermenschliche Ordnungssysteme kann sicher nicht als soziologische Interpretation angesehen werden. Spätestens mit den beginnenden sozioökonomischen Veränderungen in Europa ab dem 16. Jh., mit den Anfängen der Industrialisierung und der Auflösung der agrarisch-traditionalen Strukturen sowie mit den damit einhergehenden politischen Veränderungen und der Neuorientierung im allgemeinen Wertesystem, erwies sich der klassisch-naturrechtliche Ansatz als nicht mehr erklärungskräftig. Die Beziehungen zwischen den Menschen hatten sich gegen seine Annahmen entwickelt, diese Beziehungen mussten neu durchdacht, der natürliche oder göttliche Ursprung der Sozialordnung hinterfragt werden.
Die folgenden Ausführungen sind den neuzeitlichen sozialtheoretischen Ansätzen gewidmet. Die Darstellung in den Kapiteln 1.3 und 1.4 folgt dabei sowohl in der Begrifflichkeit als auch der Klassifikation den Interpretationen Kiss’ (1977, S. 19–97).

1.3Vernunftrechtlich orientierte Gesellschaftstheorien : Der Mensch schafft sich eine „künstliche“ Sozialordnung

Die ersten neuen Ansätze in der Reflexion von Gesellschaft bestanden in der Dichotomisierung des menschlichen sozialen Seins in „Natürliches“ und „Künstliches“, also in der Annahme eines Bereichs, der von einer natürlichen Strukturierung ausgenommen ist. Dieser Bereich ist der der politischen Beziehungen der Menschen, deren Gestaltung der vertraglichen Regulierung unterliegt. Instanz der Regulierung ist die menschliche Vernunft, die in Unabhängigkeit von göttlichen oder natürlichen Kräften ein System politischer Beziehungen in Verfolgung bestimmter Zwecke konstruiert.
Während der Gedanke der vernünftigen Konstruktion der Ordnung, der Wille zur Ordnung, eine Gemeinsamkeit aller vernunftrechtlich orientierten Theoretiker ist, unterscheiden sie sich in den Zwecken und in Zusammenhang damit in den Annahmen über die „natürlichen“ Gegebenheiten des menschlichen Seins sowie im Stellenwert des Bereichs der Moral.
Thomas Hobbes, (England, 1588–1679) erblickt im Kampf zwischen den Individuen das „natürliche“ Prinzip des sozialen Seins: „Der Mensch ist des Menschen Wolf“. Zur Sicherung des gewollten Friedens, zur Eindämmung des Kampfes ist ein „Gesellschaftsvertrag“ zwischen Volk und Herrscher herzustellen, und zwar in Form der Machtübertragung an diesen Herrscher, der damit die Gewalt monopolisiert zu Sicherung und Schutz seiner Untertanen.
Anders ist die Sichtweise Jean-Jacques Rousseaus (1712–1778), des französischen Aufklärers. Er interpretiert den Menschen als „schwach und ängstlich“, er ist auf gegenseitige Hilfe angewiesen und neigt zum Mitgefühl. Soziale Auseinandersetzungen sind dem – falschen – politischen System zuzuschreiben (dem zentralistischen Obrigkeitsstaat). Von ihm gilt es sich durch die Demokratisierung zu emanzipieren, um den „natürlichen“ Zustand des freien Menschen (frei im Sinn von Losgelöstheit von persönlichen Abhängigkeiten) wieder herzustellen. An die Stelle der zentralen Staatsmacht hat die Herrschaft des „Allgemeinwille ns“ („volonté générale“) zu treten, die für die Gesetzgebung verantwortlich ist. Rousseaus Theorie birgt durch die Annahme des Vorhandenseins eines Kollektivwillens, der sich von den Willen der Einzelnen unterscheidet, wohl einiges mehr an soziologischen Implikationen als Hobbes. Auch wenn hier nicht der Platz ist, das nicht leicht verständliche Wesen der „volonté générale“ näher zu untersuchen, kann festgehalten werden, dass hinter der rousseauschen Vertragstheorie mehr steht als bloß (politischer) Wille und Vernunft. Ralf Dahrendorf, ein moderner Vertreter der soziologischen Konflikttheorie (vgl. Kap. 9), sieht in Rousseaus Theorie den ersten soziologischen Ansatz, und zwar wegen dessen Annahme, dass Ungleichheit zwischen den Menschen sozial bedingt (und zwar durch Eigentum) und nicht auf natürliche Veranlagungen rückführbar ist.
Der große deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) sei schließlich als letzter Vertreter einer vernunftrechtlich ausgerichteten Gesellschaftsphilosophie angeführt. Er begreift den Menschen als Einheit von Antinomien (Widersprüchen), z. B. jenen zwischen dem „Hang zur Vereinzelung“ und der „Neigung zur Vergesellschaftung“. Mittels der Vernunft – deren antagonistische Gegenspieler die Instinkte sind – sind die politischen und moralischen Gesetze zu finden, die den Spielraum für die Verwirklichung der persönlichen Freiheit und den gesellschaftlich notwendigen Zwang abstecken. Eine Gesellschaft mit derartigen Zwangsgesetzen zur Garantie der persönlichen Freiheit (rechtlich-bürgerliche Gesellschaft) stellt nach Kant aber noch nicht die „höchste Form“ eines sozialen Zusammenhalts dar. Deren Verwirklichung sieht er vielmehr im „ethisch gemeinen Wesen“, das sich durch eine freiwillige, „innere“ Verpflichtung zur Einhaltung moralischer Gesetze auszeichnet. Die moralischen Gesetze sind von der Vernunft aufzudecken und haben einen ethischen Endzweck – den Weltfrieden und die Idee der Menschlichkeit (d. h. dass der Mensch andere Menschen niemals als Mittel, sondern immer als Zweck ansehen soll).
Wenn die hier kurz angedeuteten Gesellschaftsmodelle auch sehr unterschiedliche Konstruktionen beinhalten, bleibt ihnen doch etwas gemeinsam – die Trennung zwischen „natürlichem“ und „künstlichem“ sozialen Sein, die Ablösung von Vorstellungen über den natürlichen oder göttlichen Ursprung der sozialen Ordnung, die Annahme ihrer „Machbarkeit“ durch den menschlichen Willen und die menschliche Vernunft. Soziale Beziehungen werden noch wesentlich als politische oder moralische Konstrukte gesehen, losgelöst von jeder Eigenbestimmtheit; Staat und Gesellschaft sind noch eins, Differenzen werden lediglich „geahnt“.

1.4Liberalistische Gesellschaftsmodelle in der klassischen Politischen Ökonomie : Soziale Ordnung hat ihre Eigengesetzlichkeit

Einen wesentlichen Schritt weiter gehen die Vorstellungen über soziales Sein in den liberalistisch orientierten Gesellschaftsmodellen des 18. Jh. Ihre deutlichste Ausprägung finden sie in den Konzepten der klassischen politischen Ökonomie (die „Physiokraten“ in Frankreich, Adam Smith, David Ricardo, John Stuart Mill in England), denen im Allgemeinen als Erste der Status einer Gesellschaftswissenschaft in Abgrenzung zu sozialphilosophischen Denksystemen zugeschrieben wird.
Der wesentliche Unterschied zur Lehre des Vernunftrechts besteht in der Annahme, dass die soziale Ordnung nicht konstruierbar ist, sondern einer eigenen (Natur-)Gesetzlichkeit folgt und damit durch menschliches Eingreifen (politisch, juristisch) nicht veränderbar ist.
Um das Auffinden der den sozialen Beziehungen inhärenten Gesetze kreisen die liberalistischen Denkansätze (wobei einer empiristischen Methode der Erkenntnisgewinnung im Gegensatz zum Rationalismus, dem vernunftbestimmten Denken, der Vorzug eingeräumt wird). Ins Zentrum der Reflexion gerückt werden die Fragen des ökonomischen Handelns, der Akkumulation und Verteilung von Reichtum, der Marktbeziehungen, der Klassenstrukturierung einer Gesellschaft und die davon abzuleitende Rolle des Staates.
Als den gesellschaftlichen Strukturen zugrunde liegende Faktoren werden die ökonomischen erkannt. So entwickeln die französischen „Physiokraten“ – zu denen u. a. der Leibarzt Ludwig des XV. F. Quesnays gehörte, was hier zur Illustration dessen erwähnt werden soll, wer in den Anfangsphasen sozialwissenschaftlicher Theoriebildung als „Motor“ dieses Prozesses gewirkt hat – das erste Klassenmodell der Gesellschaft, das auf der Erkenntnis über die unterschiedlichen ökonomischen Funktionen aufbaut: Die aus Bauern und Pächtern bestehende produktive Klasse, die sterile Klasse, zu der die Industriearbeiter, die Kapitalisten, der Handel, das Gewerbe und der Dienstleistungssektor zählen, sowie die sich aus König, Grundeigentümern, Kirche und Leibeigenen zusammensetzende disponible Klasse, stehen in einer Art wirtschaftlichem Kreislaufzusammenhang. Sowohl dieses Modell als auch der Begriff der Klasse sind der Biologie entlehnt. Auch die Bezeichnung „Physiokraten“ deutet die durch diese Denker angenommene Analogie zwischen Natur und menschlicher Gesellschaft an, die auf der Grundannahme aufbaut, gesellschaftlicher Reichtum sei nicht das Produkt der Menschen selbst, sondern entspringe der Natur (genauer: dem Boden, weshalb nur die Bauern als produktiv gelten). Das liberale Moment bleibt im Denken der Physiokraten auf den ökonomischen Bereich beschränkt: Das Prinzip des laissez faire – bezogen auf das in der wirtschaftlichen Tätigkeit verwirklichte Luststreben der Einzelnen – garantiert den bestmöglichen Zustand der gesamten Gesellschaft. Jeder Eingriff in das natürliche Zusammenspiel der ökonomischen Kräfte ist diesem Zustand abträglich. Der Staat – und zwar der absolutistische – hat lediglich die Aufgabe, das freie Spiel der Kräfte und deren natürlich-gesetzlichen Ablauf durch die Wahrnehmung von Hilfsfunktionen (z. B. das Unterrichtswesen) zu garantieren. Das physiokratische Gesellschaftsmodell birgt so eine etwas widersprüchlich erscheinende Verquickung zwischen liberalen (ökonomischen) und autokratischen (politischen) Elementen, was zum Teil auf die diesem Modell zugrunde liegenden metaphysischen Annahmen (z. B. die Gottgewolltheit des monarchischen Herrschers) zurückzuführen ist. So stark es auch diesen Annahmen verhaftet ist, so wenig es deshalb Widerlegungsversuchen standhalten konnte, so deutlich zeigt es doch die „Trendwende“ im sozialtheorethischen Denken in der Hinwendung zur Suche nach der Eigengesetzlichkeit sozialer Beziehungen an.
Von größerer Bedeutung in der Ideengeschichte sind die Konzepte Adam Smiths (1723–1790) und David Ricardos (1772–1823) in England. Smith gilt als einer der eigentlichen Begründer der klassischen Politischen Ökonomie und damit der Sozialwissenschaft. Axiome seiner Theorie sind die Annahmen über die Arbeitsteilung als eigentliche Quelle des Fortschritts und die Betrachtung der Arbeit als wertschöpfende Kraft (im Gegensatz zu den Physiokraten, die – wie ausgeführt – in der außermenschlichen Natur die Que...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorworte
  6. Kapitel 1 Zur Entstehung soziologischer Theorie: Anfänge soziologischen Denkens 1
  7. Kapitel 2 Verhaltenstheoretische Soziologie: George Caspar Homans
  8. Kapitel 3 Symbolischer Interaktionismus: George Herbert Mead
  9. Kapitel 4 Phänomenologische Soziologie: Alfred Schütz
  10. Kapitel 5 Rational Choice Theory: James S. Coleman
  11. Kapitel 6 Materialistische Gesellschaftstheorie: Karl Marx
  12. Kapitel 7 Der Strukturalismus: Claude Lévi-Strauss
  13. Kapitel 8 Handlungstheoretische Systemtheorie: Talcott Parsons
  14. Kapitel 9 Konflikttheorie: Ralf Dahrendorf
  15. Kapitel 10 Prozess- und Figurationstheorie: Norbert Elias
  16. Kapitel 11 Sozialsysteme als selbstreferenzielle Systeme: Niklas Luhmann
  17. Kapitel 12 Kritische Theorie: Jürgen Habermas
  18. Kapitel 13 Feministische Soziologie: Regina Becker-Schmidt
  19. Kapitel 14 Postmoderne Soziologie
  20. Kapitel 15 Die Soziologie und die Soziologien
  21. Index
  22. Fußnoten