Brauchen wir ein drittes Geschlecht?
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Brauchen wir ein drittes Geschlecht?

Reformbedarf im deutschen (Familien-)Recht nach Einführung des § 22 Abs. 3 PStG

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Brauchen wir ein drittes Geschlecht?

Reformbedarf im deutschen (Familien-)Recht nach Einführung des § 22 Abs. 3 PStG

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Über dieses Buch

Im Jahre 2013 wurde in § 22 Abs. 3 PStG klargestellt, dass der Personenstand von Intersexuellen ohne Angabe der Geschlechtszugehörigkeit in das Geburtenregister eingetragen werden kann. Gleichwohl basiert das deutsche Familienrecht weiterhin auf einer binären Geschlechterordnung. Der Vortrag analysiert die Frage, ob ein drittes Geschlecht anzuerkennen ist oder auf das Geschlecht als Kategorie des Familienrechts ganz verzichtet werden sollte.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783110433463

§ 1 Einleitung

I Binäre soziale Geschlechterordnung

Im Alltagsleben wird die Zuordnung eines jeden Menschen zum weiblichen oder männlichen Geschlecht unreflektiert als naturgegebene Selbstverständlichkeit angesehen. Erhalten wir von Verwandten oder Freunden die Nachricht, dass sie Nachwuchs erwarten, ist eine der ersten Fragen: „Junge oder Mädchen?“ Begegnen wir einem Menschen das erste Mal, ordnen wir ihn automatisch in eine der beiden Geschlechterkategorien ein, noch bevor wir seinen Namen kennengelernt oder das erste Mal mit ihm gesprochen haben. Gelingt uns diese Geschlechtszuordnung nicht auf Anhieb, löst dies bei uns Irritationen aus, die uns im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos machen. Denn eine persönliche Anrede ohne Verwendung der Wörter Frau oder Herr kennt die deutsche Sprache nicht. Ein Leben ohne Geschlechtszuordnung können wir uns im Grunde nicht vorstellen.
Das binäre Geschlechtersystem ist in der Kultur- und Menschheitsgeschichte tief verwurzelt. So heißt es bekanntlich in der Schöpfungsgeschichte im 1. Kapitel des 1. Buchs Mose, Vers 27:
Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, […] er schuf ihn als Mann und Frau.
Die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern ist die evolutionsbiologische Grundlage für die Erhaltung der menschlichen Spezies. Sie prägt unser Paarungsund Sozialverhalten und bis zu einem gewissen Grad auch nach wie vor gesellschaftliche Organisations- und Machtstrukturen. Gleichwohl hat kulturgeschichtlich stets auch ein gewisses Bewusstsein dafür existiert, dass es Menschen gibt, die sich nicht in die üblichen Geschlechterkategorien einordnen lassen. Paradigmatischer Ausdruck dafür ist etwa die Figur des Hermaphroditen, die nach dem griechischen Mythos durch die Verschmelzung der Quellennymphe Salmakis mit dem Sohn des Hermes und der Aphrodite entstand.1

II Intersexualität aus medizinischer Sicht

Im heutigen medizinischen und juristischen Sprachgebrauch ist freilich nicht mehr von Hermaphroditen, sondern von Intersexuellen die Rede. Dabei liegt Intersexualität aus medizinischer Sicht dann vor, wenn die Zuordnung einer Person zum männlichen oder weiblichen Geschlecht zweifelhaft ist, weil geschlechtsbestimmende körperliche Merkmale vorhanden sind, die sowohl typisch weibliche als auch typisch männliche Ausprägungen aufweisen.2 Solche geschlechtsbestimmenden körperlichen Merkmale sind vor allem die Chromosomen (zwei X- Chromosomen für das weibliche Geschlecht und die Kombination von X- und Y- Chromosom für das männliche Geschlecht), dann die Keimdrüsen (also Eierstock oder Hoden), die Hormone (allgemein bekannt sind vor allem Testosteron als männliches und Östrogene als weibliche Sexualhormone) sowie die äußeren Geschlechtsorgane. Unter der Fülle an unterschiedlichen Erscheinungsformen von Intersexualität sei kurz auf drei häufiger vorkommende Varianten hingewiesen:
(1) Bei den sog. XY-Frauen liegt ein regulärer männlicher Chromosomensatz vor, doch kann dieser aufgrund eines genetischen Defekts seine üblichen Wirkungen nicht entfalten, so dass sich kein Hoden, sondern eher weibliche innere und äußere Geschlechtsorgane entwickeln. Dem äußeren Erscheinungsbild nach werden XY-Frauen bei der Geburt typischerweise dem weiblichen Geschlecht zugeordnet, doch stellt sich in der Pubertät dann regelmäßig heraus, dass ihre Keimdrüsen nicht funktionsfähig sind.3
(2) Im Falle einer sog. Androgeninsensitivität können aufgrund einer Mutation die männlichen Sexualhormone (Androgene) ihre Wirkung nicht entfalten. Dann kommt das Kind, das einen männlichen Chromosomensatz besitzt, mit weiblichen Genitalien auf die Welt. In der Pubertät stellt sich dann heraus, dass das Kind keinen Uterus besitzt, dafür aber Hoden, die meist im Bauchraum liegen.4
(3) Besonders häufig ist das sog. adrenogenitale Syndrom (AGS). Hier liegt ein weiblicher Chromosomensatz vor, doch aufgrund einer Mutation kommt es zu einer Überproduktion männlicher Sexualhormone. Bereits während der Schwangerschaft tritt eine Vermännlichung der äußeren Geschlechtsorgane des Embryos ein, so dass sich etwa die Klitoris in penisähnlicher Form vergrößert. In der Regel besitzen die Betroffenen aber alle weiblichen Geschlechtsorgane und sind bei hormoneller Behandlung fortpflanzungsfähig.5
Die hier beispielhaft beschriebenen atypischen Ausprägungen des biologischen Geschlechts sind in aller Regel nicht lebensbedrohlich, doch kann in manchen Fällen ein signifikant erhöhtes Tumorrisiko bestehen.6
Von Intersexualität zu unterscheiden ist Transsexualität: Transsexualität liegt dann vor, wenn die körperlichen Merkmale eine eindeutige Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Geschlecht erlauben, aber nicht mit dem psychischen Zugehörigkeitsgefühl übereinstimmen.7
Ein zentrales Problem besteht darin, dass die Herangehensweise der Medizin an das Phänomen der Intersexualität in der Vergangenheit teilweise durch gravierende Fehleinschätzungen geprägt wurde. Erheblichen Einfluss besaßen die Werke des medizinischen Psychologen und Sexualforschers John Money, der in den 1950er Jahren die These vertrat, dass die Geschlechtsidentität eines Menschen vor allem sozial geprägt sei. Um intersexuellen Kindern die Entwicklung einer stabilen Geschlechtsidentität zu ermöglichen, sprach er sich daher für möglichst frühzeitige geschlechtsanpassende Operationen aus. Um die Selbstwahrnehmung der Betroffenen nicht ins Wanken zu bringen, hielt man es sogar für gerechtfertigt, sie über die vorgenommenen Eingriffe auch später nicht aufzuklären. Dabei wurden teilweise nicht einmal die Eltern über die genaue Diagnose sowie Art und Umfang der Eingriffe informiert.10 Diese Vorgehensweise hat sich – unabhängig von ihrer rechtlichen Fragwürdigkeit – auch medizinisch als dramatische Fehleinschätzung erwiesen, die zu großem Leid geführt hat.Insbesondere kann durch geschlechtsanpassende Operationen die sexuelle Empfindsamkeit zerstört und eine lebenslange Hormonersatztherapie mit gravierenden Nebenwirkungen erforderlich werden.11 Viele Betroffene leiden unter dem Gefühl, gegen ihren Willen körperlich verstümmelt worden zu sein.12 Heutzutage werden geschlechtsanpassende Operationen sehr viel zurückhaltender bewertet,13 wobei manche medizinische Experten so weit gehen würden, sie während der Minderjährigkeit von Intersexuellen – mit Ausnahme von Notfällen – komplett auszuschließen. Problematisch ist allerdings, dass sich allgemein akzeptierte Behandlungsstandards noch nicht etablieren konnten.14

III Haltung des Rechts

Angesichts der binären Geschlechterordnung der sozialen Lebenswirklichkeit fällt die rechtlicheBewältigung von Intersexualität naturgemäß schwer. Doch haben sich historisch gesehen Juristen und Gesetzgeber mit dem Personenstand sog. Zwitter durchaus beschäftigt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass in früheren Zeiten die Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Geschlecht viel weiter reichende Auswirkungen auf den rechtlichen Status hatte, als das heute der Fall ist.15
Auch die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches haben die rechtliche Einordnung von Intersexuellen in die Geschlechterkategorien erörtert.16 Auf eine eigenständige Regelung wurde allerdings bewusst verzichtet. Dabei ging man von der mediz...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Imressum
  4. Inhalt
  5. § 1 Einleitung
  6. § 2 Personenstandsrechtliche Behandlung von Intersexualität
  7. § 3 Perspektive eines geschlechtsneutralen (Familien‐)Rechts?
  8. § 4 Eintragung eines dritten Geschlechts im Personenstandsregister?
  9. § 5 Zusammenfassung
  10. Fußnoten