1 Einführung, Bauformen und Technologien
Computer und Eingebettete Systeme nehmen dem Menschen Routinearbeiten ab. Wir betrachten als Beispiel das Eingebettete System „Temperaturregelung“ (siehe Abbildung 1.3). Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wurde die Temperatur in einem Raum durch die Intensität des Heizens und der Lüftung bestimmt, die eine Person im Raum vornahm. Dadurch waren relativ große Temperaturschwankungen unvermeidlich. Erst mit dem Aufkommen und der Verbreitung der Messgeräte, der Elektronik und der mathematischen Grundlagen wurden Geräte ersonnen, die Regel- und Steueraufgaben übernehmen konnten. Mit dem Eingebetteten System „Temperaturregelung“ ist es möglich, sehr effizient und wirtschaftlich, ohne menschlichen Arbeitsaufwand die Temperatur in einem Raum in engen Grenzen konstant zu halten.
Dieses Kapitel beginnt mit einer Auslegung des Begriffs Eingebettete Systeme und mit einigen Beispielen für Eingebettete Systeme aus unserer Umgebung und der Industrie. Der typische Aufbau von Eingebetteten Systemen wird vorgestellt und anhand der Beispiele Temperaturregelung und „Smart Phone“ veranschaulicht. In weiteren Abschnitten gehen wir auf verschiedene Bauformen und auf Technologien von Eingebetteten Systemen ein.
1.1 Begriffsbestimmung und Beispiele
Eingebettete Systeme sind datenverarbeitende Systeme, die in übergeordnete Systeme integriert sind. Sie führen spezielle Aufgaben und Funktionen im übergeordneten System aus und werden ausschließlich für diese Funktionen entwickelt. In dem vorliegenden Buch werden ausnahmslos elektronische Systeme behandelt. Eingebettete Systeme sind, wenn nicht gerade das Herzstück, so doch meist unverzichtbarer integraler Bestandteil in beispielsweise folgenden übergeordneten Systemen (siehe Abbildung 1.1):
- in Transport-Vehikeln als Antriebssteuerung, Klimaregelung, Bremssysteme, Navigationssysteme,
- - in Kraftfahrzeugen z. B. als Motorsteuerung, ABS,
- - in Flugzeugen z. B. als Autopilot, Klimaanlage und Druckregelung in der Kabine,
- - in Eisenbahnen,
- - in Schiffen,
- in medizinischen Geräten als Tomographen, Mikromessgeräten, zum Beispiel für die Darmspiegelung, in Herzschrittmachern, künstlichen Prothesen usw.
- in der mobilen und Festnetz-Kommunikation,
- in militärischen Geräten, Anlagen und Transport-Vehikeln, 2 1 Einführung, Bauformen und Technologien
- im „intelligenten Haus“ bzw. im „intelligenten Büro“ als Klimaregelung, Sicherheitsüberwachung, Anzeige von belegten Räumen usw.,
- in optischen Geräten,
- in Produktionsanlagen als Fließbandsteuerung, zur Steuerung von Hochregallagern, als Klimaregelung, in Alarmsystemen usw.,
- in Kraftwerken, als Steuerung und Regelung der Energieumwandlung in Wärme oder Strom und deren Verteilung,
- in der Chemie- und Verfahrenstechnik als Prozess-Steuerungen,
- in Multimedia-Anwendungen, z. B. in der Unterhaltungselektronik und in Spielen,
- in Handel- und Bankenendgeräten als Kassensysteme, in speziellen Druckern, zum Beispiel in Kontoauszugsdruckern, Sparbuchdruckern, in Geldausgabe-Automaten usw.
Abbildung 1.1: Beispiele vonübergeordneten Systemen, die Eingebettete Systeme enthalten können.
Wie bereits erwähnt, gehört zu einem Eingebetteten System immer ein übergeordnetes System, in dem es eine dedizierte Aufgabe ausführt. Damit ist der Begriff „Eingebettetes“ System hinlänglich eingegrenzt. Ist beispielsweise das Platzbuchungssystem einer Fluggesellschaft ein Eingebettetes System? Antwort: Nein, es ist selbst ein eigenständiges Software-System, das zwar in einem oder mehreren Computern läuft, die aber nicht als übergeordnete Systeme betrachtet werden. Der Trend zur Miniaturisierung Eingebetteter Systeme und zur Durchdringung aller Arbeits- und Lebensbereiche schlägt sich nieder in den folgenden drei Begriffen, die teilweise synonym sind: „allgegenwärtiges Computing“ (Ubiquituos Computing) [Mar07], „überalleindringendes Computing“ (Pervasive Computing) [Hnsm01] und „Intelligente Umgebung“ (Ambient Intelligence, AmI) [deMan03]. Während „allgegenwärtiges Computing“ die Tendenz „Information überall und zu jeder Zeit“ zum Ausdruck bringt, zielt das „überalleindringende Computing“ mehr in die Richtung praktischer Geräte wie Haushaltsmaschinen, die nach und nach von Eingebetteten Systemen gesteuert bzw. geregelt werden und mit den Benutzern kommunizieren. „Ambient Intelligence“ schließlich bedeutet, dass hochintegrierte Chips in unsere nächste Umgebung einziehen werden, also in Gebäude oder, noch näher, in unsere Kleider, Jacken, Handschuhe, beispielsweise als medizinische Helfer, zur Unterhaltung, im Sport oder als Helfer im Beruf, z. B. als Erinnerungs-Ansage für einen Termin bzw. als Navigationshilfe in einem unübersichtlichen Gebäude.
1.2 Systemkategorien
Im vorhergehenden Abschnitt werden Beispiele Eingebetteter Systeme in verschiedenen Industriezweigen und Anwendungen aufgeführt. Eine Einteilung in verschiedene Kategorien kann aus verschiedenen Gesichtspunkten vorgenommen werden. A. Jantsch [Jan04] zeigt eine Klassifikation entsprechend der Systemeigenschaften.
Eine Klassifizierung der Eingebetteten Systeme im Hinblick auf die Schnittstellen nach außen und in Bezug auf die Bedienung des jeweils übergeordneten Systems kann für den zivilen Nutzungsbereich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wie folgt vorgenommen werden:
- Eingebettete Systeme, die Steuerungs- und Regelungsaufgaben wahrnehmen und die keine offenen Bedienungs-Schnittstellen zum Benutzer haben. Dies sind die überwiegende Menge der sogenannten „Versteckten Systeme“ wie z. B. die Heizungsregelung, ABS im Kraftfahrzeug, Autopilot im Flugzeug, Herzschrittmacher, Fokussiersteuerung in der Kamera, Geräte der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik wie z. B. Fernseh-, Video- und Stereo-Geräte usw.
- Geräte, die von der Fachfrau bzw. vom Fachmann bedient werden. In diesem Zusammenhang bedeutet Fachfrau/Fachmann eine Person, die Grundlagenkenntisse über das Einsatzgebiet des Geräts besitzt oder einer Anlernung bedarf, entweder durch eine Fachperson oder entsprechende Literatur. Beispiele dafür sind: Steuerungen von chemischen Prozessen und Kraftwerken, medizinische Geräte, physikalische Messgeräte usw.
- Datenendgeräte, die von der Fachfrau bzw. vom Fachmann bedient werden. Datenendgeräte sind Geräte, die mit einem zentralen Computer verbunden sind. Oft stehen diese Geräte mit einer Datenbank in Verbindung. Beispiele sind: Supermarkt-Kasse, elektronische Waagen im Supermarkt, Drucker in LAN-Umgebungen usw.
- Selbstbedienungsgeräte, die von Laien benutzt werden: z. B. alle sogenannten Automaten wie Fahrkartenautomat, Geldausgabeautomat, Haushaltsmaschinen usw. Für diese Geräte ist besondere Beachtung auf eine gute Benutzerführung zu legen. Die Bedienung muss einfach sein und die Bedienerführung gut verständlich. Besonders wichtig ist, dass Fehlbedienungen keine katastrophalen Folgen haben, sondern wieder geduldig zum Ausgangspunkt der Bedienung führen und eventuell dem Benutzer den Fehler anzeigen. Für den Entwicklungsingenieur bzw. Informatiker ist es wichtig zu wissen, dass Selbstbedienungsgeräte, die in der Öffentlichkeit stehen, oft Vandalismus zu erleiden haben, d. h. sie müssen entsprechend mechanisch robust aufgebaut werden.
- Mobile, tragbare Geräte für die private und geschäftliche Nutzung mit und ohne drahtlose Verbindung zu einer Basisstation bzw. einem Server wie zum Beispiel Mobiltelefone, Persönliche Digitale Assistenten (PDAs), Laptops usw.
Je nach Systemkategorie werden an dieübergeordneten Systeme und an die Eingebetteten Systeme verschiedene Anforderungen gestellt (siehe Abschnitt 4.2, Seite 119).
Abbildung 1.2: Typischer Aufbau eines Eingebetteten Systems.
1.3 Typischer Aufbau
Der typische Aufbau von Eingebetteten Systemen ist in Abbildung 1.2 dargestellt. Ein Eingebettetes System enthält in der Regel einen Prozessor, der ein Mikroprozessor, Mikrokontroller oder ein anwendungsorientierter Prozessor sein kann. Auf die Art und die Anwendungsbereiche der verschiedenen Prozessoren wird intensiver in Kapitel 2 eingegangen. In vielen Fällen ist ein zweiter, dritter usw. Prozessor bzw. ein ASIC (Application Specific Integrated Circuit), also ein anwendungsspezifischer Schaltkreis nötig, um die erforderliche Rechenleistung zu bewältigen, die bei Eingebetteten Systemen oft in „Echtzeit“ ausgeführt werden muss (siehe Abschnitt 4.2.1, Seite 121). Diese zusätzlichen Prozessoren wurden früher „Rechenbeschleuniger“ genannt. Heute werden meist „Mehrprozessorsysteme“ (siehe Abschnitt 2.5, Seite 51) eingesetzt. Der Speicher enthält sowohl Daten als auch das Ausführungs-Programm des Prozessors bzw. der Prozessoren und kann sowohl als RAM (Random Access Memory) als auch als ROM (Read Only Memory) ausgeführt sein. Als zusätzliche Prozessoren können auch FPGAs (siehe Abschnitt 1.5.2, Seite 15) zum Einsatz kommen. Ein Beispiel für die Verwendung eines Mehrprozessorsystems ist ein Videogerät, bei dem Videobilder in schneller Abfolge dekomprimiert oder komprimiert werden müssen.
Schnittstellen sind Eingabe- und Ausgabe-Schnittstellen. Beispiele für Eingaben sind bei einer Temperaturregelung der Sollwert der Temperatur und Parameter der Heizanlage. Ausgaben sind beispielsweise Fehler-Anzeigen. Schnittstellen sind auch nötig für Sensor-Eingaben und Aktor-Ausgaben (auch „Aktuator“-Ausgaben genannt). Beispiele bei einer Temperaturregelung sind die Eingabe des Temperatur-Sensors und die Ausgabe des Stellwerts als Aktor-Ausgabe für das Mischer-Ventil, das die Verteilung des Heizungswassers in den Heizkörpern bestimmt. Das Verbindungselement kann ein „Bus“ sein (siehe Abschnitt 3.2, Seite 89).
Ein ASIC (siehe Tabelle 1.2) ist ein anwendungsspezifischer Integrierter Schaltkreis. Es ist ein Hardware-System, das speziell für eine dedizierte Anwendung entwickelt und gefertigt wird. Die Vorteile von ASICs sind folgende: Bei sehr hohen Stückzahlen sind sie sehr kostengünstig. Die Ausführungszeit eines ASICs kann relativ kurz sein, ebenso ist der Lei...