Die Finanzierung von Großprojekten befindet sich im Umbruch. Auf der einen Seite werden immer mehr Finanzmittel für die Durchführung großer Projektvorhaben beispielsweise im Infrastruktur- oder Energiebereich benötigt. Auf der anderen Seite haben sich seit der Finanzmarktkrise die makroökonomischen und politischen Rahmenbedingungen, aber auch die Regulierung der Banken grundlegend geändert. Ein unsicheres Projektumfeld bewirkt, dass die Finanzierung und Umsetzung von Projekten mit erheblichen Risiken einhergehen. Um Krisen im Vorwege zu vermeiden gilt es, diese Risiken rechtzeitig zu erkennen, die Projektbeteiligten frühzeitig einzubinden und die Projektfinanzierung so zu strukturieren, dass das Projekt erfolgreich finanziert werden kann.
Das erste Kapitel dieses Buches soll einen Überblick über die Grundlagen der Projektfinanzierung geben und den generellen Ablauf erläutern. Des Weiteren werden die potenziellen Risiken, die den Projekterfolg negativ beeinflussen können, betrachtet und Möglichkeiten vorgestellt, mit denen die Risiken auf die Projektbeteiligten verteilt werden können. Den Abschluss bildet eine kurze Einführung in die Cashflow-Modellierung sowie die für die Projekt-Evaluation maßgeblichen Kennzahlen der Projektfinanzierung.
1.1.1Was kennzeichnet eine Projektfinanzierung?
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Projekte zu finanzieren. Wenn ein Unternehmen über die Finanzmärkte Gelder aufnimmt, um ein Projekt zu realisieren, handelt es sich dabei noch nicht um eine Projekt-, sondern um eine klassische Unternehmensfinanzierung. Die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und seine Fähigkeit, den Kapitaldienst leisten zu können sowie adäquate Kreditsicherheiten zu stellen, sind hierbei für die Bewilligung der Finanzierung ausschlaggebend. Der zur Verfügung gestellte Kredit sowie das im Zuge der Realisierung des Projekts entstehende Anlagevermögen sind in der Bilanz des Unternehmens auszuweisen und belasten bei Großprojekten die Finanzkennzahlen des Unternehmens. Der Möglichkeit des Unternehmens, zukünftig weitere Kredite aufzunehmen, ist daher bei der Unternehmensfinanzierung Grenzen gesetzt. Projekte mit größerem Finanzierungsvolumen können daher häufig nicht mehr über die klassische Unternehmensfinanzierung realisiert werden, zumal die mit der Realisierung des Projekts einhergehenden Risiken nicht mehr von dem finanzierenden Unternehmen allein getragen werden können.
Im Gegensatz dazu bietet die Projektfinanzierung die Möglichkeit, auch Projekte mit einem hohen Finanzierungsvolumen zu realisieren, die aufgrund der dargestellten Restriktionen in der klassischen Unternehmensfinanzierung nicht zur Umsetzung kämen. Nach Nevitt/Fabozzi ist Projektfinanzierung eine Methode zur Finanzierung sich selbst tragender wirtschaftlicher Einheiten, bei der die Fremdkapitalgeber entweder keine oder nur beschränkte Rückgriffsmöglichkeiten auf die Eigenkapital gebenden Projektinitiatoren haben. Den Kreditgebern stehen lediglich die durch das Projekt generierten Cashflows für die Rückführung des Kapitaldienstes sowie die Projektaktiva als Besicherung zur Verfügung.2
Eine Projektfinanzierung zeichnet sich daher durch drei wesentliche Kennzeichen aus:
–Off-balance-Finanzierung
–Cashflow-Orientierung und
–Risikoverteilung unter den am Projekt beteiligten Stakeholdern.
Die Projektfinanzierung spielt sich außerhalb der Bilanz der Projektinitiatoren ab (Offbalance-Finanzierung). Hierzu gründen diese eine Projektgesellschaft, die gegenüber den Banken als Kreditnehmerin auftritt und von den Projektträgern mit Eigenkapital ausgestattet wird. Das im Zuge der Projektrealisierung entstehende Anlagevermögen sowie die für die Finanzierung aufgenommenen Fremdmittel werden dann in der Bilanz der Projektgesellschaft ausgewiesen. Die Projektträger haften im Falle einer Limited-Recourse-Finanzierung neben ihrer Eigenkapitaleinlage auch mit weiteren Zusicherungen, wie z. B. Garantien und Nachschussverpflichtungen. Sind nach Inbetriebnahme des Projekts keine weiteren Rückgriffsmöglichkeiten auf die Sponsoren über die Eigenkapitaleinlage hinaus vorgesehen, handelt es sich um eine Non-Recourse-Finanzierung. Die Besicherung von Projektfinanzierungen ist i. d. R. auf die Projektaktiva beschränkt und erstreckt sich dann nicht mehr auf die Vermögensgegenstände der Sponsoren.
Da das Projekt eine separate Wirtschaftseinheit bildet, wird die Finanzierung so strukturiert, dass sich die Projekte eigenständig tragen und den Kapitaldienst für die gestellten Kredite aus den erwirtschafteten Cashflows begleichen können (Cashflow-Orientierung). Diese werden im Vorwege mit Hilfe von Cashflow-Modellen prognostiziert.
Projektfinanzierungen zeichnen sich durch hohe Finanzierungsvolumina, höhere Verschuldungsgrade und aufgrund der Komplexität der Vorhaben auch durch hohe Risiken aus. An der Realisierung der Projekte wirken neben Eigen- und Fremdkapitalgebern zahlreiche Projektbeteiligte, wie beispielsweise Anlagenbauer, Betreibergesellschaften, Lieferanten und Kunden, Berater, Gutachter und staatliche Institutionen mit. Die Projektrisiken werden im Zuge der Vertragsverhandlungen auf die einzelnen Projektbeteiligten verteilt (Risikoverteilung). Mit der Risikoverteilung soll einem opportunistischen Verhalten einzelner Stakeholder entgegengewirkt und ein gemeinsames Interesse gefördert werden, das Projekt zum Erfolg zu führen.3
1.1.2Beurteilung aus Initiatorensicht
Steht ein Projektträger vor der Entscheidung, ein Projekt wahlweise im Rahmen einer Unternehmensfinanzierung oder alternativ einer Projektfinanzierung zu realisieren, so sind folgende Unterschiede zwischen diesen Finanzierungsformen zu berücksichtigen:4
–Die Projektfinanzierung wird nicht mehr in der Bilanz des Unternehmens, sondern in der Bilanz der Projektgesellschaft ausgewiesen.
–Für die Kreditgewährung sind nicht mehr die Finanzkennzahlen des Unternehmens, sondern die prognostizierten Cashflows aus dem Projekt maßgeblich.
–Das finanzierte Projekt hat relativ geringe Auswirkungen auf die zukünftigen Finanzierungsmöglichkeiten des Sponsors, und es können vergleichsweise höhere Verschuldungsgrade realisiert werden als in der klassischen Unternehmensfinanzierung.
–Die Besicherung der Kredite ist auf die Projektaktiva beschränkt.
–Eine Risikoverteilung unter den Projektbeteiligten kann im Rahmen der Vertragsverhandlungen unter den Stakeholdern erfolgen, so dass der Projektträger nicht mehr allein das Risiko zu tragen hat.
–Aufgrund der besonderen Finanzierungsstruktur lassen sich größere Projekte verwirklichen als über die klassische Unternehmensfinanzierung.
Da es sich bei der Projektfinanzierung um eine strukturierte Finanzierung handelt, muss der Projektinitiator einen komplizierten und auch kostenintensiven Arrangierungsprozess durchlaufen und auch nach der Gewährung der Mittel hohe Transparenzanforderungen inklusive der hierfür notwendigen Dokumentation erfüllen.