Ramin Ipaktchi
1Epidemiologie von Verbrennungen im Kindesalter
1.1Einleitung
Thermische Verletzungen von Kindern sind eine der häufigen Ursachen für Verletzungen im Kindesalter [1]. Bundesweit begeben sich mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren jährlich aufgrund von Verbrennungen in ärztliche Behandlungen, wovon etwas weniger als jedes 10. Kind in einer Spezialklinik für Brandverletzungen weiterbehandelt werden muss [2]. Ursachen sind Unachtsamkeit von Aufsichtspersonen, aber auch die Tatsache, dass Kleinkinder schon sehr früh beginnen, ihre Umwelt zu erkunden. Die typischen Verletzungen im Kleinkindesalter sind Verbrühungen und machen nahezu 60–85% aus. [2] Verursacht werden sie durch Herabziehen von kochenden Töpfen oder Wasserkocher, indem das Kind am herabhängenden Stromkabel zieht. [3] Akzidentielles Verschütten von heißem Wasser am Esstisch sind weitere Risikofaktoren. Für Kleinkinder können aufgrund der geringen Körperoberfläche schon kleinere Mengen an heißer Flüssigkeit zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen. So kann schon eine Tasse heiße Flüssigkeit bis zu 30% der Körperoberfläche des Kindes lebensgefährlich verbrühen [2].
Im fortgeschrittenen Alter und entsprechender Größe treten zudem Kontaktverbrennungen durch warme/heiße Herdplatte auf, bzw. Kinder und Jugendliche fangen mit dem „Zündeln“ an und erleiden klassische Verbrennungen durch Feuer bzw. Inhalationsverletzungen. Hieraus lässt sich auch schon ableiten, dass frühkindliche thermische Verletzungen am häufigsten durch Verbrühungen auftreten, hingegen im heranwachsenden Alter als Ursache die Flammeneinwirkung stetig zunimmt. Im erwachsenen Alter erleidet die Mehrzahl der Patienten thermische Verletzungen durch Flammen. Verpuffungsverletzungen beim sommerlichen Grillen treten auch bei Kleinkindern auf. Hierbei kommt es durch unsachgemäßen Gebrauch von Spiritus durch Erwachsene zu einer möglichen Stichflammenentwicklung. Kinder werden hierbei besonders im Gesichtsbereich verletzt.
1.2Inzidenz
Nach dem Statistischen Bundesamt zeigt sich im Zeitraum von 2001 bis 2010 insgesamt ein Rückgang aller tödlichen Unfälle bei Kindern von rund 37%. Eine aktuelle Krankenhausdiagnosestatistik des Bundesamtes für Statistik zeigt dagegen, dass in einer 10 Jahresauswertung die Anzahl der behandelten Verbrennungsverletzten im Kindesalter nahezu gleich geblieben ist (siehe Abb. 1.1) [1].
In einem Eurosafe Bericht werden als die fünf häufigsten Todesursachen bei Kindern im Alter von 1–14 Jahren Stürze aus großer Höhe, Ertrinken, Unfälle im Straßenverkehr, Kindesmissbrauch und weiterhin thermische Verletzungen identifiziert. [4] Nach einer französischen Untersuchung von 1996 sind Verletzungen im Kindesalter in 3–8% der Fälle auf Verbrennungen zurückzuführen. [5] Die Zahl der stationär notwendigen Behandlungen von thermischen Verletzungen ist zudem über dem Zeitraum von 2000–2010 mit geringen Schwankungen nahezu gleich geblieben (Abb. 1.2). [6] Außerdem zeigt sich in Abb. 1.3, dass die thermischen Verletzungen gerade im Alter von 0–4 Jahren häufiger stationär behandelt werden müssen. Gerade diese Patientengruppe gilt unter Kindern als Hochrisikogruppe für Verbrühungen. [2]
Abb. 1.1: Verbrennungsbedingte Krankenhausfälle bei Kindern und Jugendlichen (ohne Patienten mit ausländischem Wohnort, unbekanntem Wohnort, unbekanntem Alter und unbekanntem Geschlecht) nach [1].
Abb. 1.2: Stationäre Behandlungsquoten von Kindern mit thermischen Verletzungen (ohne Verätzungen) nach Altersgruppen und Geschlecht, Deutschland 2000–2010. Quelle: Statistisches Bundesamt, Krankenhausdiagnosestatistik.
Abb. 1.3: Vollstationäre Behandlungsquoten der häufigsten Verletzungen und Vergiftungen bei Kindern und Jugendlichen 2012 (ohne Patienten/innen mit unbekanntem Wohnort, Alter und Geschlecht) Behandelte je 100 000 Einwohner.
Quelle: Krankenhausdiagnosestatistik.
1.3Ätiologie
Die mehrheitliche Ursache sind Verbrühungen gefolgt von Flammeneinwirkung, Kontaktverbrennungen [7–9]. Weniger häufig sind Stromverletzungen, Verätzungen, und Erfrierungen (Siehe Abb. 1.4). In dieser retrospektiven Unizenterstudie, welche sich über einen Zeitraum von 1974–2010 erstreckt, konnten epidemiologische Daten zu thermischen Verletzungen von insgesamt 5 748 Kindern gesammelt werden [7]. In rund 3% konnte als Begleitverletzung ein Inhalationstrauma festgestellt werden, welches ausschließlich nur bei Feuer aufgetreten sei [7].
Abb. 1.4: Verletzungsmechanismus; aus Saemann et al. 2016 Burns.
In der Literatur wird die Geschlechtsverteilung in der Regel identisch angegeben. So erleiden Jungen deutlich häufiger thermische Verletzungen als Mädchen (siehe Tabelle 1.1). [7–10]
Tab. 1.1: Thermische Verletzungen nach Geschlechtszugehörigkeit, nach [7].
Die Kindeswohlgefährdung als nichtakzidentielle Verletzung wird bundesweit jährlich auf etwa 200.000 Kinder geschätzt. [11] Die durchschnittliche betroffene Körperoberfläche (KOF) aller thermisch verletzten Kinder beträgt laut Literatur rund 4% und in 90% aller Fälle unter 10% KOF [8]. Die Verbrennungen sind am häufigsten stammbetont (34,1%), gefolgt von der unteren und der oberen Extremität und in 18,1% an Kopf und an Hals [8]. Interessanterweise beschreiben van Baar et al., dass ab einer verbrannten Körperoberfläche von mehr als 10% bei Kindern zwischen 5–15 Jahren deutlich mehr funktionelle Einschränkungen der oberen Extremität, welche im Alltag einschränkend sind, lokalisiert. [12]
Die Verletzungen entstehen in knapp 85% der Fälle in häuslicher Umgebung und hier besonders häufig im Wohnzimmer, gefolgt von Badezimmer und Küche [8].
Typischer Unfallmechanismus im Badezimmer ist zu heißes Badewannenwasser. Es sind aber auch einige Fälle beschrieben, in denen das Kind selber versucht habe, dass Wasser durch Zufuhr von heißem Wasser weiter zu erwärmen.
Eine tagesabhängige Prävalenz für Verbrennungsverletzungen im Kindesalter konnte nicht gezeigt werden. [5]
Thermisch verursachte Verletzungen im Rahmen einer Kindeswohlgefährdung liegen bei 7 bis 10% aller thermischen Verletzungen von Kindern vor [2, 7] und sind somit keine seltene Ursache für Brandverletzungen im Kindesalter. Überdurchschnittlich viele Kinder zeigen hierbei...