Die Parusie bei Lukas
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Die Parusie bei Lukas

Eine literarisch-exegetische Untersuchung zu den Parusieaussagen im lukanischen Doppelwerk

  1. 470 Seiten
  2. German
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Die Parusie bei Lukas

Eine literarisch-exegetische Untersuchung zu den Parusieaussagen im lukanischen Doppelwerk

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Parusie wird traditionell im Themenkomplex der Naherwartungsverzögerung behandelt. Aufgrund dieses Interpretationsparadigmas wurden der Ereigniszusammenhang der lukanischen Parusieaussagen und die Struktur der eschatologischen Perspektiven des Lukas kaum beachtet. Das vorliegende Buch untersucht die lukanische Parusieauffassung nicht nur vor dem Hintergrund der innerchristlichen Tradition, sondern stellt diese in den traditionsgeschichtlichen Kontext der frühjüdischen "Parusievorstellungen". Hierfür werden intensiv die frühjüdischen Schriften zu Zeitvorstellungen und Eschatologie untersucht und herangezogen.
Die Parusie ist bei Lukas als ein mit der gegenwärtigen Herrschaft Christi verbundener integrierter Bestandteil des extendierten Christusgeschehens zu verstehen. Die Naherwartung zielt nicht auf einen vorhersagbaren Zeitpunkt, der verfehlt worden wäre, sondern bestimmt die eschatologische Dimension der alltäglichen "Wachsamkeit".

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783110424997

1Einleitung

1.1Die Problemstellung

Der Begriff »Parusie« (παρουσία) bezeichnet heute die »Wiederkunft Christi«. Das Themenfeld »Parusie« war nicht erst christlicherseits, sondern schon in vorchristlicher Zeit mit Problemen behaftet, da bereits damals mit der Parusie das »Problem der Verzögerung« verknüpft war.1 Das, was das Verzögerungsproblem problematisch macht, geht nicht in erster Linie auf eine soteriologische Frage zurück, sondern auf die Gottesfrage. Die beiden Fragen fallen im Alten Testament (AT) und im Frühjudentum mit der Frage nach dem Messias bzw. seiner Zeit zusammen, im Urchristentum wird dieses Problem jedoch größtenteils zur Christusfrage. In diesem theologischen Kontext ist Lukas – wie auch die übrigen neutestamentlichen Autoren – zu situieren.
Phänomenologisch kommt der Begriff παρουσία in den Schriften des Verfassers des dritten Evangeliums (Lk) und der Apostelgeschichte (Apg) (hiernach: »Lukas«) zwar nicht vor, aber der Gedanke der Parusie dominiert im Werk des Lukas nicht unwesentlich. Es stellt sich die Frage, inwieweit und weshalb ihr Lukas einen theologischen Stellenwert beigemessen hat. Kann der Satz von Walter Radl, der unter Bezugnahme auf die neutestamentlichen Aussagen »die Parusie als ein[en] Akt im Enddrama der Geschichte«2 auffassen will, auch für das lukanische Doppelwerk geltend gemacht werden? Der Satz ist wohl akzeptabel, insofern die Parusie im Neuen Testament (NT) zum Endzeitgeschehen gehört. Aber er stimmt weder in Bezug auf das NT noch auf Lukas, sobald man die literarisch-theologische Funktion der Parusie und ihren mehrdimensionalen Bezug auf die Zeit in den Blick nimmt. Denn einerseits beziehen sich die Parusieaussagen nicht immer auf die Ferne der Zukunft, sondern auch auf die Situation der Gegenwart. Andererseits fungiert die Parusie nicht allein als Angabe eines eschatologischen Zeitpunktes (aber nie als endzeitliche Terminangabe) oder als eine christologische bzw. theologische Handlungsbezeichnung, sondern ist mit der ethischen Dimension verbunden.
Wäre der Satz in Bezug auf die Parusieauffassung des Lukas (bzw. des NT) prinzipiell hinreichend, dann könnte das Urteil Ernst Troeltschs, das »eschatologische Bureau« sei heutzutage zumeist geschlossen (1911–1912)3, weiterhin einen Anspruch auf Gültigkeit erheben. Die Theologiegeschichte zeigt allerdings, dass dieses Urteil sich nicht durchsetzen konnte. Verweisend auf die Versuche, die Eschatologie ständig neu zu entwerfen, verglich Roger Aubert sie 1954 mit Baustellen: »Aber es ist offensichtlich, daß die Baustellen noch nicht abgeräumt sind.«4 Zutreffend wies zudem Hans Urs von Balthasar 1957 darauf hin, dass jenes Troeltsch’sche Verdikt nur innerhalb des Liberalismus des 19. Jh. gegolten habe. Weiterhin machte er deutlich, dass die Eschatologie keinesfalls ihre theologische Anziehungskraft in der dogmatischen Diskussion verloren habe: »So macht dieses [eschatologische Büro] im Gegenteil seit der Jahrhundertwende Überstunden.«5
In der neutestamentlichen Bibelwissenschaft brachte Hans Conzelmann im selben Jahr (1954), in dem Aubert seine Baustellenmetapher äußerte, die Parusiethematik in den Mittelpunkt der neutestamentlichen Diskussion.6 Nach Conzelmann ergibt sich mit der Verzögerung des Heils, dessen endgültige Verwirklichung mit der Parusie erwartet wird, ein für die Urgemeinde in die Krise führendes Problem. Lukas als selbstbewusster Theologe habe dieses Problem aufgegriffen und es mit seinem »heilsgeschichtlichen« Konzept gelöst, indem er die Naherwartung durch die Konzeption der »Heilsgeschichte« ersetzte. Diese »Lösung« finde ihren Niederschlag in seinem Doppelwerk, welches das letzte Stadium der jüdischen Heilserwartung aufweise: Naherwartung – Verzögerung – Modifizierung der Naherwartung. Unter Aufnahme der traditionellen Vorstellungen der Apokalyptik habe Lukas die herkömmliche Erwartung modifiziert.7 Die Eschatologie bekomme eine neue Gestalt, die sich der dehnenden Zeit anpasse.
Die These Conzelmanns fand hinsichtlich der Interpretationsparadigmen für die lukanischen Schriften viel Beachtung. So wurde sein Ansatz in Bezug auf das lukanische Doppelwerk als Ganzes (Erich Gräßer) und in Bezug auf die Gleichnisse des dritten Evangeliums (Gerhard Schneider) eingehend behandelt. Zugleich stieß Conzelmanns These auf kritische Einwände: Man überprüfte, ob seine eschatologische Auffassung überhaupt den lukanischen Schriften naheliege (Josef Ernst)8 oder ob die Naherwartung tatsächlich bei Lukas verschwunden sei (Andrew Jacob Mattill, Werner Georg Kümmel)9. Nicht nur das Zeitschema bzw. die Drei-Epochen-Theorie Conzelmanns wurde dabei in den Blick genommen, sondern auch seine Theorie von der topographischen Vorstellung des Lukas, vom Abfassungszweck der Apg, von der politischen Einstellung des Lukas sowie anderes mehr. Diese extensive Beschäftigung mit den Thesen Conzelmanns hatte zur Folge, dass sein Konzept rasch mit der »Theologie« des Lukas identifiziert wurde.10
Angesichts der gegenwärtigen Forschungslage aber stellt sich die Frage, ob der Einwand Auberts bzw. von Balthasars gegen Troeltsch noch heute Zustimmung finden kann. Es scheint, dass Troeltsch in Hinblick auf die heutige Situation recht hat: Sein Satz beschreibt den gegenwärtigen Forschungsstand zutreffend. Denn abgesehen von der Lehrveranstaltung über den locus de novissimis hat die Eschatologie in der theologischen Debatte keine Konjunktur. Und obwohl Erich Gräßer 2001 das Bonmot von Balthasars gebraucht und noch einmal in seinem Buch zur Actaforschung zitiert hat, um zu zeigen, dass in der Lukasforschung die Eschatologie noch diskutiert werde11, wird dieses Thema heutzutage nur selten behandelt. Jedenfalls macht derzeit kaum ein Neutestamentler im eschatologischen Büro Überstunden.12
Das Motto »Eschatologie als akute Naherwartung bzw. als Mittelpunkt urchristlicher Theologie bei der Bewältigung des Parusieverzögerungsproblems« ist nicht mehr aktuell. Eckhard Plümacher verwies schon 1983 darauf, dass der Ansatz Gräßers – das Problem der Parusieverzögerung sei die Ursache der Entwicklung der urchristlichen Eschatologie von Jesus bis Lukas gewesen und Lukas habe sich mit seinem heilsgeschichtlichen Konzept bemüht, dieses Problem zu lösen – nicht mehr gültig sei: »Zudem wird es richtig sein, das Problem der Parusieverzögerung bei Lk als gelöst zu betrachten, und zwar durch den Verzicht auf die Naherwartung.«13 Ebenso stellte Jens Schröter nach dem Rückblick auf die Actaforschung von 1982 bis 2008 fest: »Die Eschatolgoie ist traditionell ein Zentralthema der Lukasforschung. War hier für eine ganze Forschungsphase der Begriff ›Parusieverzögerung‹ leitend, so hat sich diesbezüglich in den zurückliegenden Jahren eine grundlegende Wende vollzogen.«14
Zu dem Zeitpunkt, als Gräßer die »Überstunden« zitierte, stand bei der Beschäftigung mit dem Problem der Parusieverzögerung nicht mehr das reine Interesse am Verzögerungsproblem im Vordergrund, sondern die Überprüfung der Richtigkeit dieses Ansatzes. Das Problem stieß dabei zunehmend auf Kritik, so dass dieses Paradigma seine Führungsposition in der Interpretation der lukanischen Theologie allmählich an die Israelfrage abgeben musste.15
Dieser Wandel des Interpretationsparadigmas macht im Hinblick auf die Untersuchungen zur lukanischen Eschatologie ein Zweifaches deutlich: Zum einen weist er darauf hin, dass die Conzelmann-Gräßer-These nur in einer bestimmten theologiegeschichtlichen Situation plausibel war16. Zum anderen zeigt er, dass sich die Eschatologie des Lukas durchaus in eine übergeordnete Perspektive wie z. B. die Israelthematik integrieren lässt. Daraus ergibt sich, dass die lukanische Eschatologie nicht mehr ohne Weiteres durch die Conzelmann-Gräßer’sche Perspektive interpretiert werden kann.
Es ist noch ein weiteres Spannungsfeld zu erwähnen, dessen Spannung durch die »Tatsache« entsteht, dass die Parusie im NT fast immer vor dem Hintergrund des Bewusstseins der Nähe (Naherwartung) steht, aber in der Geschichte faktisch noch nicht eingetroffen ist. Dieser geschichtliche »Tatbestand«, der gelegentlich durchaus für problematisch gehalten wird, ist nicht nur bei der Interpretation der Parusieaussagen des Lukas (bzw. NT), sondern auch im Bereich des Glaubenslebens sehr häufig missbraucht worden.

1.2Die Aufgabenstellung der Untersuchung

Aufgrund der oben erwähnten Problemfelder, nämlich der Inkongruenz zwischen der niedrigen Gebrauchsfrequenz und dem hohen Wichtigkeitsgrad des Begriffs »Parusie«, der Frage nach der begriffskategorischen Zuordnung, der Beobachtung zur Existenzkraft der Parusiethematik in der Theologiegeschichte bzw. neutestamentlichen Wissenschaft, der sinkenden Aktualität der zeitschematischen Interpretationsausrichtung sowie des nicht leicht zu findenden Erklärungsmodells, welches den theologischen Platz des mit der Parusie verbundenen Nähe-Bewusstseins angemessen konstatiert, kann nun die Aufgabenstellung der vorliegenden Untersuchung formuliert werden.

1.2.1Das Ziel und die Methodik

Die vorliegende Arbeit wird sich mit den Parusieaussagen bzw. -texten im lukanischen Doppelwerk beschäftigen. Dabei wird einerseits die Frage behandelt, welche Aussagefunktion die Parusie in der theologischen Topographie des Lukas hat. Mit anderen Worten: ob Lukas die Parusie als ein in einem größeren theologischen Zusammenhang stehendes Ereignis versteht und darstellt oder ob er sie als rein isolierte temporale Umstandsbestimmung betrachtet. Andererseits geht diese Arbeit der Frage nach, welchem Phänomen das Parusieereignis zuzuschreiben ist. Bei der Beschäftigung mit diesen beiden Fragestellungen wird auch die Frage nach dem theologischen Fixpunkt der urchristlichen Parusieauffassung ins Auge gefasst, obgleich sie bei der Exegese der zu behandelnden Texte nicht explizit erwähnt wird. Die Annäherung an eine Antwort auf diese Frage erhellt gleichzeitig die Problematik der Kraftquelle des Nähe-Bewusstseins. Sie beleuchtet somit, weshalb das Urchristentum trotz all seiner erfahrungswidrigen Situationen die Parusie als nahe erwartet hat.
Unter Rücksichtnahme auf die gegenwärtige Diskussion um die lukanische Eschatologie17 wird diese Arbeit methodisch ganz neu an die Parusietexte des Lukas herangehen. Zunächst vermeidet sie ein zeitschematisches Interpretationsparadigma und stellt vielmehr die Analyse der Prädikate der Parusieaussagen voran. Diese hermeneutische Arbeit ist unentbehrlich, da in der Forschung aufgrund der Konzentration auf den zeitschematischen Aspekt noch nicht kritisch genug hinterfragt wurde, was man unter »Parusie« eigentlich verstehen soll – wie auch die obige Skizze des Forschungsstandes bereits angedeutet hat (und der Forschungsüberblick in § 2 zeigen wird). Da Lukas nirgendwo in seinen Schriften explizit den Begriff »Parusie« gebraucht, wird von vornherein ausgeschlossen, von der Begriffsarbeit über παρουσία oder πάρειμι auszugehen.18 Weiterhin scheint es inadäquat, den Parusiegedanken des Lukas (bzw. NT) allein auf das »Kommen« (
/ ἔρχομαι) zu berufen.19 Denn einerseits vermittelt das Verb nicht immer einen eschatologischen Sinn, andererseits gibt es noch andere Verben, di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Vorwort
  6. Inhaltsverzeichnis
  7. 1. Einleitung
  8. 2. Forschungsüberblick zur Parusieauffassung des Lukas
  9. 3. Die Parusieauffassungen in den frühjüdischen Schriften
  10. 4. Die Parusieauffassung des Lukasevangeliums
  11. 5. Die Parusieauffassung der Apostelgeschichte
  12. 6. Ergebnis und Ausblick
  13. Literaturverzeichnis
  14. Stellenregister
  15. Personenregister
  16. Fußnoten