Topik als Methode der Dogmatik
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Topik als Methode der Dogmatik

Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit

  1. 246 Seiten
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Topik als Methode der Dogmatik

Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit

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Über dieses Buch

Die Frage, welche Wissensform Aristoteles mit seiner Topik im Unterschied zur strengen Wissenschaftslehre der "Zweiten Analytik" im Blick hatte, ist im vergangenen halben Jahrhundert ins Zentrum der geisteswissenschaftlichen Forschung gerückt. An den intensiven Diskussionen zur Topikforschung hat sich die Theologie bislang nur sporadisch beteiligt. Dabei war die Theologie neben der Jurisprudenz der bevorzugte wissenschaftliche Ort, an dem die Topik ihre Bedeutung erweisen sollte. Die vorliegende Studie untersucht diese Bedeutung in den frühen theologischen Wissensformen und ihre Rolle als Epistemologie, d.h. einer wissenschaftlichen Theologie, wie sie seit dem 12. Jahrhundert von den Gelehrten diskutiert wurde. In diesen wurde immer das Eigentümliche von Theologie als einer Glaubenswissenschaft mit berücksichtigt, die also eine Wissensform darstellt, die sich der menschlichen Vernunft nicht aus sich erschließt, sondern die aus der Offenbarung gegeben ist und die deshalb dieser beglaubwürdigender Instanzen bedarf. In den Dogmatiken des konfessionellen Zeitalters wird die breite Semantik der Topik zwischen Analytik, Enzyklopädik und Argumentations-Heuristik für die Neuzeit entfaltet.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783110519839

1.Die antiken Voraussetzungen der Topik als wissenschaftliche Methode (Aristoteles, Cicero, Boethius)

1.1Aristoteles

Was also ist die Topik und was leisten die in ihr behandelten „topoi“ (loci)? Ihren Urspruch besitzt diese Fragestellung in der Topik des Aristoteles. Ihre Aufgabenstellung bestimmte er in einer programmatischen Eröffnung der Topik: „Die Abhandlung beabsichtigt, ein Verfahren zu finden, aufgrund dessen wir in der Lage sein werden, über jedes vorgelegte Problem aus anerkannten Meinungen zu deduzieren und, wenn wir selbst ein Argument vertreten, nichts Widersprüchliches zu sagen.“36 Die Topik beschreibt mithin ein Verfahren der Wissensfindung, das darin besteht, sich vor dem Hintergrund allgemein herrschender Meinungen ein konsensfähiges Urteil bilden zu können. Obwohl die in einem solchen Verfahren zu findenden „topoi“ sowohl in der aristotelischen Topik wie auch in der Rhetorik vielfach Verwendung fanden37, hat Aristoteles nirgends definiert, was ein „topos“ (locus) nun genau ist38. Cicero meinte ihn so zu verstehen, als habe er „topoi“ als „sedes“ verstanden, aus denen Argumente gewonnen würden (sedes argumentorum).39 In diesem Sinn ist ein „topos“ also ein Ort, an dem man Argumente finden kann. Und in diesem Sinn hatte Cicero bekanntlich seine Topik als eine Kunst der Findung (von Argumenten) bezeichnet (inventio). Hier steht also nicht das apodeiktische Beweisverfahren von Philosophie und Wissenschaft im Sinne der „Zweiten Analytiken“ im Vordergrund, sondern die Topik will einem Redner für eine jede beliebige Rede, vornehmlich die Gerichtsrede, die treffenden Argumente bereitstellen. Neben dieser ciceronischen Deutung der Topik stellte Boethius, in dessen Bearbeitung die ciceronischen Topiken dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit überliefert wurden, eine andere Deutung vor. Nach ihm sind „topoi“ Urteile von höchster Allgemeinheit, „maximae propositiones“, die keines eigenen Beweises bedürfen.40 Handelt es sich bei den Loci als „sedes argumentorum“ also um Stichworte, Begriffe, Prämissen o. ä., so sind die Loci in der boethianischen Tradition allgemeine Urteile oder Sätze, die bereits eine logische Form topischer Argumentation implizieren, aus der dann spezielle Schlüsse gezogen werden können.41
Im Blick auf die aristotelische Perspektive der Topik ist wichtig zu bedenken, was genau Aristoteles als den Ausgangspunkt eines topischen Verfahrens bezeichnete, und zwar das ἔνδοξον, d. h. eine wissenschaftlich nicht eigentlich begründbare, aber dennoch hinreichend glaubwürdige Ansicht, die auf einem zumindest repräsentativen Konsens beruht.42 Aristoteles hatte in dem einleitenden Kapitel seines ersten Buches der Topik die Unterscheidung getroffen zwischen dem apodeiktischen Syllogismus der Wissenschaft, dem dialektischen der Topik und dem bloßen Wahrscheinlichkeitsschluss (eristischer Sylogismus). Hier unterschied er: „Eine Deduktion ist also ein Argument, in welchemsich, wenn etwas gesetzt wurde, etwas anderes als das Gesetzte mit Notwendigkeit durch das Gesetzte ergibt. Ein Beweis (Apodeixis) liegt dann vor, wenn die Deduktion aus wahren und ersten (Sätzen) gebildet wird, oder aus solchen, deren Kenntnis ursprünglich auf bestimmte wahre und erste (Sätze) zurückgeht. Dialektisch ist dagegen die Deduktion, die aus anerkannten Meinungen deduziert […]“ – um dann den Grund ihrer Evidenz anzugeben: „Wahre und erste (Sätze) sind aber diejenigen, die nicht durch andere (Sätze), sondern durch sich selbst überzeugen. Man muss nämlich bei den wissenschaftlichen Prinzipien nicht nach dem Warum suchen, sondern jedes der Prinzipien ist an sich selbst überzeugend. Anerkannte Meinungen dagegen sind diejenigen, die entweder von allen oder den meisten oder den Fachleuten und von diesen entweder von allen oder den meisten oder den bekanntesten und anerkanntesten für richtig gehalten werden.“43
Aristoteles verfolgte dabei – worauf Peter von Moos hingewiesen hatte – das „Prinzip intellektueller Ökonomie: Die Struktur der Gegenstände bestimmt die anzuwendende Argumentation.“44 „Darin zeigt sich der Kenner, dass man in den einzelnen Gebietenje den Grad von Genauigkeit verlangt, den die Natur der Sache zulässt, und es wäre genauso verfehlt, wenn man von einem Mathematiker Wahrscheinlichkeitsgründe annehmen, wie wenn man von einem Redner in einer Ratsversammlung strenge Beweise fordern wollte.“45 Aristoteles habe also an ein Verfahren für kontroverse lebenspraktische Situationen gedacht, in denen die apodeiktische Wissenschaft nicht weiterhilft, bzw. überfordert, und man dennoch nicht alles dem Zweifel oder einer zufälligen Einsicht überlassen kann.46
Gegenüber dem Eindruck, bei einem dialektischen Syllogismus der Topik könnte es sich um einen defizienten Modus eines wissenschaftlichen Beweisverfahrens handeln, sofern dessen zentraler Begriff das Wahrscheinliche ist (ἔνδοξον), ist zunächst zu betonen, dass – worauf Peter von Moos hingewiesen hatte – das ursprüngliche Äquivalent von „probabile“ nicht „wahrscheinlich“, sondern „ehrenwert“, „anerkannt“ ist.47 Darüber hinaus handelt es sich nach Aristoteles bei dem dialektischen Syllogismus um eine universale Methode, die sogar – wie er im zweiten Kapitel der Topik ergänzt – von Bedeutung ist für das eigentliche apodeiktische Verfahren der Wissenschaft, weil deren „Prinzipien gegenüber allen (anderen Sätzen) vorrangig sind“ und es daher „notwendig [sei], sie mit Hilfe der über sie bestehenden anerkannten Meinungen durchzugehen. Dies aber ist das Eigentümliche oder im höchsten Maße Eigene der Dialektik: Da sie ein Prüfungsverfahren ist, eröffnet sie einen Weg zu den Prinzipien von allen Disziplinen.“48
Neben ihrer hier von Aristoteles nur skizzenhaft angeführten Bedeutung selbst für die apodeiktischen Wissenschaften muss im Zusammenhang des dialektischen Syllogismus der Topik darauf hingewiesen werden, dass das Wahrscheinliche als Objekt und Ziel des dialektischen Syllogismus nicht den Grad, sondern den Grund für die Geltung einer Aussage angibt: dieser Grund liegt in der Verbürgung durch das, was „Allen oder den Meisten oder den Weisen wahr scheinen“,wie Aristoteles im 1. Kapitel ergänzt hatte. Die Übersetzung des ἔνδοξον als probables, d. h. als „bloß“ wahrscheinliches Wissen ist insofern irreführend, als es eher den Grad als den Grund ihrer Geltung bezeichnet. Demgegenüber schien es Aristoteles jedoch um Aussagen gegangen zu sein, deren Anspruch durch die Verbürgung geltend gemacht werden kann, wobei auch hier nicht auszuschließen ist, dass sich bei einer zunehmenden Sacheinsicht eine notwendige Geltung herausstellt. Bei dem endoxalen Wissen des dialektischen Syllogismus der Topik handelt es sich mithin um ein aufgrund der Verbürgung anerkanntes, bzw. glaubhaftes Wissen. Schließlich ist – worauf Bernhard Körner49 zu Recht hingewiesen hatte – der Ausgangspunkt und das Ziel des dialektischen Verfahrens der aristotelischen Topik zu berücksichtigen. Sein Ausgangspunkt besteht in der Diskussionspraxis, in der zu einer gegebenen Auffassung die geeigneten Prämissen gefunden werden müssen, welche die vorgegebene Auffassung glaubhaft machen können, die selbst also in hohem Maße konsensfähig sein müssen. Anders als im apodeiktischen Beweis, bei dem es um Einsicht in die ersten Prinzipien geht, ist Ziel des dialektischen Beweises die Überzeugung, die durch Rückgriff auf glaubwürdig anerkannte Prämissen gewonnen wird, d. h. durch einen Verbürgungszusammenhang erreicht werden soll. Gesucht werden also glaubwürdige Voraussetzungen, denen der Gesprächspartner in der Diskussion zustimmen kann. Die Perspektive des dialektischen Syllogismus der Topik ist also eine pragmatisch-persuasive. Eine topische Argumentation heißt dann zunächst, ein starkes Argument zu finden und dieses dann in der Argumentation auch anzuwenden50, um – so wird man Aristoteles verstehen können – sein Gesprächsgegenüber von der Glaubwürdigkeit eines Sachverhalts überzeugen zu können. In dieser Hinsicht stellen dann die „topoi“, die in einer solchen Gesprächssituation gefunden werden müssen, allgemeine Gesichtspunkte für die Diskussion zur Verfügung.51 Diese durchgängig pragmatisch-persuasive Perspektive des dialektischen Verfahrens der Topik verdeutlicht bereits im Ansatz die Nähe der Dialektik zur Rhetorik. Denn – wie Aristoteles ausführt – sind es „die dialektischen und rhetorischen Schlüsse […], die unser Verständnis der Topoi bestimmten“52, so dass die „Rhetorik [als] Pendant zur Dialektik [gelten kann]; beide richten sich auf solche allgemeinen Gegenstände (koina), deren Erkenntnis in gewisser Weise allen [gebildeten Menschen] möglich und keiner Einzelwissenschaft vorbehalten ist“53.
Neben diesem Aspekt, dass nach Aristoteles der dialektische Syllogismus auf ein durch Verbürgung anerkanntes, bzw. glaubhaftes Wissen zielt, sind die „topoi“ nach Aristoteles – und dies ist ein weiterer, wichtiger Aspekt – aufzusuchende Begriffe oder Sätze, die für eine bestimmte Diskussion hilfreich und weiterführend sind. Dies entspricht seiner dialektischen Syllogistik als einer „Technik des Argumentations- und Problemdenkens“54. Syllogistische Urteile im Sinne der Topik stehen mithin nicht am Ausgangspunkt einer Argumentation, sondern am Ende eines inventiven und ingeniösen Problemdenkens. Aristoteles gab selbst lediglich vier sog. „Organa“ an, die als Hilfsmittel zur Bildung dieser Sätze dienen: die Ermittlung von Prämissen, die Unterscheidung der Wortbedeutungen, die Unterscheidung der Dinge und die Betrachtung des Ähnlichen.55
Man kann mit Lothar Bornscheuer in dieser Topik, die ursprünglich durch eine wesenseigene Problemoffenheit und Perspektivenfülle gekennzeichnet ist, einen aristotelischen Grundriss einer Philosophie der Praxis erkennen, wie sie gerade ihr öffentlicher, gesellschaftlich-praktischer Wahrheitsbezug zum Ausdruck bringt.56

1.2Cicero

Von Cicero sind zwei wirkungsgeschichtlich bedeutsame Schriften zur Topik überliefert.57 Wie bereits erwähnt, besteht die auffälligste Neuformulierung in der von nunan traditionsbildenden Definition des Toposbegriffs durch Cicero: „Itaque licet definire locum esse argumenti sedem.“58 Auch wenn sich Cicero ausdrücklich auf Aristoteles beruft, so muss doch als wichtigster Unterschied hervorgehoben werden, dass „loci“ nach Cicero gerade nicht zu findende, sondern vorauszusetzende Begriffe sind. Nicht „topoi“ müssen aufgesucht werden im Sinne der aristotelischen Technik des Problemdenkens, sondern aufgrund bekannter „topoi“ die entsprechenden „argumenta“, deren Ziel jedoch – wie auch Cicero betonte – die Herstellung von Glaubwürdigkeit ist (faciat fidem).59 Deshalb definiert Cicero hier auch genau, was „loci“ sind: gewissermaßen Fundorte, aus denen Argumente gewonnen werden. „Loci“ sind „sedes argumenti“ oder – wie er in „De oratore“ definiert – „sedes et quasi domicilia omnium argumentorum“.60 Dies war dann auch der Ort, wo Cicero von „loci communes“ sprach.61
Der zweite Aspekt, der nunmehr ebenso traditionsbildend für die Definition des Toposbegriffs wurde, war die allgemeine Klassifizierung, in die Cicero die „topoi“ einteilte: danach gibt es „loci“, die notwendig mit der Sache, um die es geht, verbunden sind, und Gesichtspunkte, die von außen an eine Sache herangetragen werden.62 Und...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung: Topik und Dogmatik
  6. 1. Die antiken Voraussetzungen der Topik als wissenschaftliche Methode (Aristoteles, Cicero, Boethius)
  7. 2. Die Anfänge der Methodendiskussionen im Mittelalter
  8. 3. Theologie als Wissenschaft im Kontext der Wissenschaftstheorie der „Zweiten Analytik“ des Aristoteles
  9. 4. Die „veritates catholicae“ als Quellen der Theologie Einleitung: Die Herausforderung für die Theologie nach den Lehrverurteilungen von 1277
  10. 5. Die Erneuerung der antiken Topik in den humanistischen Dialektiken
  11. 6. Topische Dogmatik im Zeitalter der Reformation
  12. Literaturverzeichnis
  13. Personenverzeichnis
  14. Sachverzeichnis