Kommunikative Herstellung von Infotainment
eBook - ePub

Kommunikative Herstellung von Infotainment

Gesprächslinguistische und multimodale Analysen einer TV-Kochsendung

  1. 409 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Kommunikative Herstellung von Infotainment

Gesprächslinguistische und multimodale Analysen einer TV-Kochsendung

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht liegt in der Untersuchung von massenmedialen TV-Formaten, die von Fernsehschaffenden und der Medienwissenschaft als Infotainment bezeichnet werden, eine Forschungslücke vor. Es ist bislang nichts darüber bekannt, wie die Interagierenden in solchen Sendungen situativ mit den massenmedialen Anforderungen von Informationsvermittlung und Entertainment umgehen. Die Untersuchung geht auf der Basis von 40 Stunden Sendematerial einer bekannten deutschen Kochsendung der Frage nach, mittels welcher verbalen sowie körperlich-visuellen Verfahren die Beteiligten die mediale Gattung situativ als Infotainment hervorbringen. Zu diesem Zweck wird rekonstruiert, wie die Interagierenden die für die Sendung konstitutiven Aktivitäten "Informieren", "Belehren" und "Bewerten" durchführen, um den Anforderungen der Gattung im Spannungsfeld von Informationsvermittlung und Entertainment zu begegnen. Die Untersuchung leistet so einen Beitrag zur multimodalen Fundierung einer linguistischen Analyse von konversationellen Aktivitäten und zeigt Perspektiven für eine Weiterentwicklung einer gesprächsanalytisch arbeitenden Medienlinguistik auf.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Kommunikative Herstellung von Infotainment von Beate Weidner im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Languages & Linguistics & Linguistics. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2017
ISBN
9783110515428

1Einleitung

Zunehmend scheinen wir nicht nur
auf dem Weg in eine Informationsgesellschaft,
sondern vor allem auf dem Weg in eine Gesellschaft,
die Information unterhaltend darstellt […].
(Schwab 2000: 46)
An jedem beliebigen Wochentag werden im deutschsprachigen Fernsehen derzeit ungefähr 20 Sendungen ausgestrahlt, die sich dem Thema Kochen widmen. Dies belegt ein Blick in ein TV-Programmheft, das kulinarisch Interessierten eine Zusammenstellung aller Kochsendungen in deutschen, österreichischen und schweizerischen TV-Kanälen bietet:
Abb. 1: Fernsehprogramm für Kochsendungen (http://www.happy-mahlzeit.com/koch-tv/kochsendungen-von-heute-das-tv-programm-rezepte/#.VaN46vlIl7w)
Bei dieser großen Auswahl offenbart sich eine enorme Formatvielfalt: So kochen etwa Hobby-KöchInnen um die Wette (die Küchenschlacht), Profi-KöchInnen stehen gemeinsam mit Prominenten am Herd (Lafer! Lichter! Lecker!), RestaurantbesitzerInnen, die vor der Pleite stehen, erhalten Coachings von ‚Star‘-KöchInnen (Die Küchenchefs) etc. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass es sich bei dieser Fülle von Sendungen um „ein Symptom der allgemeinen Inflation von Fernsehformaten“ (Lowry 2009: 59) handelt, ist es nicht intuitiv einsichtig, weshalb so viele Menschen Kochen im Fernsehen sehen möchten. Schließlich handelt es sich beim Kochen um eine von vielen ZuschauerInnen selbst ausgeübte Alltagspraktik, die außerdem im Fernsehen ihre charakteristischen sensorischen Reize des Schmeckens, Riechens und Fühlens einbüßt.
In einer Studie des Online-Meinungspanels mafo.de wählte eine repräsentative Anzahl von VerbraucherInnen die beliebtesten TV-KöchInnen anhand der Kriterien Kernkompetenz, Bekanntheitsgrad, Sympathie, Unterhaltungswert, Einschaltfaktor, Kreativität.1 Diese Parameter können Aufschluss darüber geben, warum eine Kochsendung für ein zuschauendes Publikum attraktiv ist. Je kompetenter und je unterhaltsamer die ‚Star‘-KöchInnen auftreten, desto beliebter sind sie und durch sie die Sendung. Die Datengrundlage der vorliegenden Arbeit bildet die Kochsendung Lanz kocht!, die sich selbst auf ihrer Homepage2 den Genres Information und Unterhaltung zuordnet:
Abb. 2: Spartenzuordnung der Sendung Lanz kocht!
Der Charakterisierung der ProduzentInnen bzw. Programmverantwortlichen nach zu urteilen, ist das Format somit als „Infotainment“ (Postman 1985) zu klassifizieren. Dieses Kunstwort beschreibt das Zusammentreffen von Informations- und Unterhaltungselementen. Um diese produzentenseitige Zuschreibung für Lanz kocht! nachvollziehbar zu machen, ist das Format kurz in seiner Konzeption zu beschreiben:
Das Konzept sieht vor, dass fünf KöchInnen zu einem vorgegeben Motto (etwa „Gut und günstig“, „Galadinner“, „Bella Italia“ o. ä.) live in der Sendung vor einem Studiopublikum ein Fünf-Gänge-Menü zubereiten, wobei jeder Koch/jede Köchin für jeweils einen Gang von Vorspeise bis Dessert verantwortlich ist. Entgegen der Erwartungen des Sendungsnamens kocht der Moderator nicht selbst, sondern spricht mit den KöchInnen über die Zubereitung des jeweiligen Gerichts, lässt sich über Handlungsabläufe informieren, erkundigt sich nach weitergehenden Informationen zu den Lebensmitteln, scherzt und betreibt Smalltalk. Sobald ein Gericht fertig ist, kosten alle KöchInnen sowie der Moderator davon und bewerten es, indem sie positive oder negative Kritik äußern. Die Produktion findet live on tape statt, das heißt, dass die Sendung ohne Unterbrechung aufgezeichnet wird und die Redaktion keine nachträglichen Veränderungen am Datenmaterial vornimmt. Ferner handelt es sich nicht um ein ‚geskriptetes‘ Format, sondern um spontan verlaufende Interaktion. Der Unterschied zu anderen Kochsendungen besteht darin, dass in dieser Sendung fünf Profi-KöchInnen gleichzeitig ihr Können unter Beweis stellen und dadurch eine Situation gegeben ist, in der die Beteiligten ihre eigene Fach- sowie auch Medienkompetenz gegen vier MitstreiterInnen behaupten müssen. Dass sie dies anscheinend sowohl auf informative als auch auf unterhaltsame Weise tun, zeigen Kommentare, die ZuschauerInnen in Foren und auf Facebook über Lanz kocht! posten:
http://www.chefkoch.de:
„Auch wenn mir die Selbstbeweihräucherung der Köche zuletzt echt auf den Geist ging, habe ich doch immer etwas für mich mitgenommen. Und launig war es allemal.“
Facebook:
„Die Show war witzig und informativ. Das kann man wirklich nicht von allen Sendungen behaupten, die ansonsten gesendet werden.“
„es war einfach unterhaltsam und informativ auch die Kamera hat meist da drauf gehalten wo es fachlich einigermaßen wichtg war und nicht nur auf blubbernde stars...“
„das interessante daran war einfach, wenn man sich für Kochen interessiert, den Schritten zu folgen, wie ein leckeres Essen hergestellt wird. Sie war informativ und lehrreich und auch lustig.“
„Ich fand sie sehr unterhaltsam und informativ. Ich muß sogar sagen: Trotz des Herrn Lanz.“
„Die Sendung war informativ, unterhaltsam einfach für mich die schönste Einstimmung auf das Wochenende.“
„Mit Abstand das beste was es als reine Kochsendungen je gegeben hat. Nicht immer muss es Entertainment pur sein hier zählt pure Kompetenz und trotzdem war die Sendung immer lustig und Markus Lanz hier ganz groß“
„War ein treuer Gucker von Lanz kocht - von allen konnten wir Zuschauer noch was abschauen; habe viele Rezepte versucht nachzukochen.“
„Bei Lanz wurde man neben Tipps und Anregungen zum Kochen auch noch glänzend unterhalten.“
„Die Show war nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam und lustig. Es hat einfach gepasst, viele Fans und Zuschauer gebracht, Top Köche und Spitzengerichte in unsere Wohnzimmer und Küchen gebracht und außerdem hat Markus Lanz wie kein anderer mit einer charmant witzigen Art durch den Abend moderiert. Er bekleidet dieses Format mit Stil und es machte Spaß zuzusehen, zuzuhören und zu lernen!“
Die Klassifizierung als Infotainment wird also nicht nur von der Produktionsseite vorgenommen, sondern tatsächlich auch von den RezipientInnen geteilt. Die Funktionen von TV-Formaten, die sich in der Sparte des Infotainments verorten, lassen sich demnach mit dem auf Horaz zurückgehenden dichtungstheoretischen Topos des „prodesse et delectare“3 beschreiben.
Aus linguistischer Sicht stellt sich die Frage, wie diese Verbindung von Information und Entertainment – das Infotainment – von den Interagierenden kommunikativ erzeugt wird. Wie erfüllen die AkteurInnen vor der Kamera die Anforderungen, zu informieren und dabei zugleich unterhaltsam zu sein? Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, am Beispiel der Kochsendung Lanz kocht! der Frage nachzugehen, mittels welcher konversationeller Aktivitäten und unter Verwendung welcher kommunikativer Verfahren ein TV-Format als Infotainment hervorgebracht wird. Zu diesem Zweck wird rekonstruiert, wie die Interagierenden die Aktivitäten, die sich als konstitutiv für die Sendung herausgestellt haben – das Informieren, Belehren und Bewerten – durchführen, sodass sie den Anforderungen der Gattung4 im Spannungsfeld von Informationsvermittlung und Entertainment entsprechen. Für dieses Forschungsinteresse erweist sich eine gesprächsanalytische Vorgehensweise als geeignet. Das Ziel der Gesprächsanalyse ist,
durch eine strikt empirische Analyse ‚natürlicher‘ Interaktion die formalen Prinzipien und Mechanismen zu bestimmen, mittels derer die Teilnehmer an einem sozialen Geschehen ihr eigenes Handeln, das Handeln anderer und die aktuelle Handlungssituation in ihrem Tun sinnhaft strukturieren, koordinieren und ordnen. (Bergmann 1994: 3)
Mit der Gesprächsanalyse ist folglich die methodische Basis gegeben, um ermitteln zu können, wie die KöchInnen und der Moderator vor den Kameras interagieren, um unter den massenmedialen Rahmenbedingungen für ein Publikum eine Infotainment-Kochshow hervorzubringen.
Die vorliegenden audiovisuellen Daten bieten die Möglichkeit, die Interaktion in der Kochsendung als multimodales und praxeologisch gerahmtes Ereignis zu analysieren. Nur auf der Basis audiovisueller Interaktionsdokumente kann die Komplexität des dokumentierten Geschehens erhalten werden und als analytische Ressource genutzt werden (vgl. Schmitt 2009; Stivers/Sidnell 2005). Neben der sequenziellen Abfolge der verbalen Äußerungen werden so u. a. auch Gestik, Mimik und Blickverhalten der Interaktionsbeteiligten, Bewegungen im Raum, Körperhaltungen sowie die Objektmanipulation als Analyseressourcen nutzbar. Die technischen Aufzeichnungsmöglichkeiten haben in der gesprächsanalytisch ausgerichteten Sprachwissenschaft einen Paradigmenwechsel mit weitreichenden Folgen ausgelöst. Das theoretische Verständnis und die empirischen Erkundungsmöglichkeiten des Gegenstands haben sich grundlegend verändert. Es geht nicht mehr nur darum, Mechanismen des Gesprochenen zu rekonstruieren, sondern neben den hörbaren auch die sichtbaren Dimensionen der Interaktion in den Fokus zu nehmen. Die unter dem Stichwort ‚Multimodalität‘ gut fassbaren Arbeiten der letzten Jahre haben die Produktivität der multimodalen Perspektive für die interaktionslinguistische Forschung evident gemacht (vgl. Hausendorf/Mondada/Schmitt 2012a: 7). Mit ihrem Ziel, auch die körperlich-visuellen und verbalen Verfahren der Konstruktion einer massenmedialen Gattung aufzuzeigen, versteht sich die Arbeit auch als ein Beitrag zur Etablierung einer multimodal erweiterten gesprächsanalytischen Herangehensweise an Interaktionsereignisse innerhalb der (Medien-)Linguistik.
Als erster Schritt zur Bearbeitung der umrissenen Fragestellung sind in Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen zu schaffen, auf denen eine Beschäftigung mit massenmedialer Kommunikation basiert. Zu diesem Zweck werden die wesentlichen kommunikationstheoretischen Merkmale von Gesprächen in den Massenmedien diskutiert sowie die analyseleitenden Konzepte Unterhalten, Informieren, Infotainment, Inszenierung und Performance eingeführt. Zudem wird ein Überblick über die derzeit im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Kochsendungen gegeben und der Stand der Forschung über dieses TV-Phänomen aufgearbeitet.
Kapitel 3 legt den methodischen Rahmen dar: Es werden sowohl die Vorgehensweise der ethnomethodologischen Konversationsanalyse und der linguistischen Gesprächsanalyse als auch die Prinzipien der Gattungsanalyse erläutert. Daraufhin werden das Forschungsparadigma der Multimodalität skizziert und die verwendeten multimodalen Transkriptionskonventionen erklärt. Schließlich erfolgt eine Diskussion der Implikationen, die sich aus der Komplexität des Datenmaterials für die Analyse ergeben. An die theoretischen und methodischen Ausführungen schließt sich ein empirischer Teil an.
Kapitel 4 beinhaltet die Vorstellung des Datenkorpus und die Beschreibung von Lanz kocht! als massenmediale Gattung. Dabei werden auf Basis von Transkriptausschnitten und ethnografischen Daten die Produktionsbedingungen, die Konzeption und der Ablauf der Sendung sowie die Teilnehmerkonstellation und die räumliche Situiertheit als zentrale Aspekte rekon...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Massenmediale Kommunikation
  8. 3 Methodische Grundlagen
  9. 4 Die Datengrundlage: Lanz kocht! als massenmediale Gattung
  10. 5 Die konversationelle Aktivität des Informierens
  11. 6 Die konversationelle Aktivität des Belehrens
  12. 7 Die konversationelle Aktivität des Bewertens
  13. 8 Schlussbetrachtung
  14. Literatur
  15. Index