Tours de force - Die Ästhetik des Grotesken in der französischen Pantomime des 19. Jahrhunderts
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Tours de force - Die Ästhetik des Grotesken in der französischen Pantomime des 19. Jahrhunderts
Über dieses Buch
Die französische Pantomime des 19. Jahrhunderts, ihres Zeichens eine von den Romantikern und der avancierten Kritik gefeierte Spektakelkunst, zeichnete sich durch ihre Affinität zu den Motiven der Gewalt und des Schrecklichen aus. Dieser spezifische Doublebind von komischer Unterhaltung und Prekärem machte sie zum Paradefall einer modernen Ästhetik, die - unter dem Signum des Grotesken - das Hässliche zu ihrer zentralen Kategorie aufwertete, indem sie es zum Garanten ästhetischer Lust umdefinierte.
Vorliegende Arbeit versucht entsprechend, beiden thematischen Aspekten gleichermaßen gerecht zu werden: der Pantomimenkunst und dem Primat der Deformation als eines Epochenspezifikums. Zur Erschließung des im Grotesken zu Tage tretenden Problemgehalts und vor allem zur Veranschaulichung des in ihm angelegten ästhetischen und theatralen Potenzials werden Zentraldokumente des zeitgenössischen europäischen Diskurses analysiert. Der dermaßen im Hinblick auf das Kriterium der ästhetischen Modernität erschlossene Begriff des Grotesken bestimmt die Untersuchung der genuin theatralen Qualitäten des stummen Körperspiels: Insbesondere seine im Verlauf des Jahrhunderts zunehmende Entgrenzung auf die Thematiken des Grausamen, Mörderischen und Bösen wird damit nicht nur als Entdeckung der performativen Qualitäten des pantomimisch bewegten Körpers, sondern als versuchte Freisetzung der Gewaltdimension ästhetischer Transformation schlechthin lesbar.
Häufig gestellte Fragen
Information
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- II. Theoretische Fokussierung
- 1. Kritischer Überblick über die Grotesktheorie: Zwischen Semantik und Sinnlichkeit
- 2. Ästhetische Modernität und Groteske
- III. Die Problematik des Grotesken: Der historische Diskurs
- 1. Zum Verlust vom Wahrheitsgehalt der Freude
- 2. Die europäische Diskussion um das Groteske: Zur Krise künstlerischer Verfahrensrationalität
- 2.1 Die prekäre Eigenwertigkeit ästhetischer Deformation
- 2.2 Die deutsche Diskussion:
- IV. Victor Hugos Préface de Cromwell: Die romantische Programmatik des Hässlichen
- 1. Die französische Romantik
- 2. Künstlerische Originalität und Deformation
- 3. Die frappierende Wirkung des Grotesken
- 4. Die Nivellierung des Unterschiedes von >innerer< und >äußerer< Hässlichkeit und die komische >Verkleinerung< des Erhabenen
- V. Die französische Pantomime: Das Théâtre des Funambules und Deburau
- 1. Theoretische und kritische Perspektivierung - Einleitung in die Auseinandersetzung mit der Pantomime unter Rekurs auf Adorno
- 1.1. Die tour deforce mit Adorno
- 1.2. Die französische Pantomime des 19. Jahrhunderts: Exploitationstheater
- 2. »vingt ans de révolution ont donné à l’imagination d’autres besoins«: Das neue Interesse am Schlechten
- 2.1 Die grausame Wirklichkeit: Revolution, Gewalt und ästhetischer Mehrwert
- 2.2 Die >blutige Komödie< als Antwort auf das epochale Trauma
- 3. »Le théâtre tel que nous le rêvons«: Die romantische Entdeckung der Pantomime
- 3.1 Erstaunen und Überraschen - Gautiers Bestimmung der ästhetischen Eigenwertigkeit der Pantomime
- 3.2 Jules Janin: Die Pantomime als théâtre ignoble
- 4. Melodram und Pantomime: Die komische Exploitation des Gewaltsubstrats
- 4.1. évidence – étonnement : Das melodramatische Struktur-Erbe der Pantomimen
- 4.2 Die >verkleinernde< Nachahmung melodramatischer Kampfszenen
- 4.3 Die zentrale Aktions-Figur der Pantomime: cascade
- 4.4 Raffinement des intensiv bewegten Körpers
- 4.5 Das theatrale Potenzial der Gewalt
- 5. Fantastischer Schrecken
- 5.1. Die Durchdringung von Komik und Fantastik: Entreferentialisierung und Effekt-Überbietung
- 5.2. Schrecklich komische Spektakel
- 6. Die dynamische Grimasse
- 6.1 Der Zusammenhang von Affektrepertoire und extrovertiertem Spiel
- 6.2 Commedia-Bezug? - Eine Reflexion im Rekurs auf Paul Hippeau
- 6.3 Die Körpergrimasse
- 7. Deburau/Pierrot: »mille acteurs dans un seul«
- 7.1. Das Laster als produktives Prinzip: Amoral als Herausforderung an die Darstellungsraffinesse
- 7.2. Technische Perfektion und Artifizialität des Ausdrucks
- 7.3. Der >Sarkasmus< von Pierrot/Deburau: sang-froid und die Souveränität des Akteurs
- 8. Reflexe und Wechselwirkungen: Pantomime und Deformation bei Gautier und Champfleury
- 8.1. Gautier
- 8.2. Champfleury : »[...] toute mon oeuvre funambulesque est logique à désespérer Aristote [...]«
- V. Die englischen Clowns
- 1. Der style anglais: Bewunderung und Skepsis von französischer Seite
- 2. Baudelaires comic absolu und die englische Pantomime als dessen Paradigma
- 2.1 Beitrag zur Pathologie der Moderne: Das satanische Lachen
- 2.2 Das absolute Komische: Das Hässliche als Kreation
- 2.3 Karikatur bei Baudelaire: Die aggressive Überzeichnung
- 2.4 Baudelaire und die englische Pantomime
- 3. Die Hanlon-Lees: »les gens les plus interessantes que le siécle ait produit«
- 3.1. Erste Annäherung an die Clown-Monster: Die bedrohliche Erscheinung der theatralen Karikatur
- 3.2. Zum >Realismus< der Hanlon-Lees
- 3.3. Die Hanlon-Pantomime unter Bergsonscher Perspektive: Mechanik und Dynamik
- 3.4. Akrobatik und Gewalt
- VII. Die Wiedergeburt der Pantomime aus dem Geist des Bösen
- 1.Verdüsterung der Pantomime
- 2.Decadence und Tod
- 3. Paul Margueritte: Das Prinzip des satanischen Pierrot
- 3.1 Pierrot Assassin de sa Femme.
- 3.2 Die Ambivalenz des Komisch-Schrecklichen und die >artifiziell-perverse< Motivation
- 3.3 Das Tragische als formaler Zwang
- 3.4 Das erschreckende Abbild
- 4. Joris-Karl Huysmans’ Pierrot sceptique – Die nihilistische Semantik der Pantomime
- 4.1 Das Vorbild der Hanlon-Lees
- 4.2 Skepsis und Nihilismus - Die narratio von Pierrot sceptique
- 4.3 Die prekäre Liaison: Sozialsatire - Schauspielmetapher – Gewaltmotiv
- 4.4. Die pessimistische Ver-Spielung des Ästhetischen: Pierrot als Chiffre des Todes
- VIII. Schluss: ... mit Lustig?
- IX. Anhang
- 1. Pantomimen
- 2. Literatur