- 388 Seiten
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Über dieses Buch
Homer, Milton, Ossian: Die Ästhetikgeschichte der Blindheit betrifft visuelle Modernität in ihrem Kern. Dies wird für Frankreich und für Deutschland zwischen 1750 und 1850 gezeigt: Das "schwarze Licht" eines Sehens, das nicht im Gesehenen aufgeht, schafft eine mächtige Gegenerzählung zu triumphalischen Aufklärungsphantasmen und zur verwissenschaftlichten Objektivierung des Blicks. Die Negation des menschlichen Königssinnes gerät immer deutlicher zur Selbstbegründungsstrategie des Ästhetischen.
Das Korpus führt in drei Schritten eine Genealogie ästhetischer Strategien der visuellen Negativität vor: von der sensualistischen Erkenntniskritik des Starstich-Experiments über die idealistische Verschränkung von Nicht-Sein und positiviertem Sein in der Figur des blinden Sängers bis zum transitorisch gebrochenen Blick der Avantgarde.
Diskutiert werden philosophische Modelle von Holbach und Herder bis zum Deutschen Idealismus. Neben zwei umfangreicheren Kapiteln zur Blindheit bei Diderot und bei Jean Paul sind u.a. Blindentexte von Rousseau, Chateaubriand, Hugo, Nerval, Gautier und Baudelaire ausgewählt. Der Blinde gerät ebenso zum Zeichen eines verlorenen metaphysischen Blicks wie zur Projektionsfläche des autonom gewordenen Scheins. Über die Negativität des Sehens wird die säkulare Selbstsakralisierung der Poesie um 1800 schließlich gegen 1900 auf die Photographie als Kunstform übertragen.
Die Arbeit wurde mit dem Hugo Friedrich und Erich Köhler-Forschungspreis für Romanische Literaturwissenschaft ausgezeichnet.
Häufig gestellte Fragen
Information
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik
- ERSTER TEIL. Die Blindheit der Philosophen
- I. Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte
- 1. Minerva und die schlechten Augen der Philosophie
- 2. Etappen einer Philosophiegeschichte der Blindheit
- 3. Holbachs verdoppelte Blindheitssemantik
- 4. Exkurs: Dunkel, verborgen, trüb, verrückt – Gebrauchsweisen der Blindheit
- 5. Blindheit in der Encyclopédie
- II. Diderot und die Modernität der Blindheit
- 1. Die Lettre sur les aveugles, ästhetisch gelesen
- 2. Abstraktion und Gebrauch der Blindheit
- 3. Diderots Chimären
- III. Potentiale der Blindheit im Brief über die Blinden
- 1. Blindheit als Metapher
- 2. Das Tasten der Erkenntnisphilosophie
- 3. Symbolisierung - die Sprache der Blindheit
- 4. Sensibilité
- IV Gesichtstrübungen und Gefühlsverheißungen
- 1. Dunkles Sehendwerden bei Johann Gottfried Herder
- 2. Die Selbstberührung der Wahrnehmung: Vom Spiegelbild zur Anaglyptographie
- 3. Rousseaus Selbstblendung: Émile und Julie
- ZWEITER TEIL
- A. Die Blindheit des Deutschen Idealismus
- I. Fichtes transzendentale Blindheit
- 1. Einleitung: Das dunkle Leuchten der Philosophie
- 2. Hinter dem Vorhang: Zweifeln, Wissen, Glauben
- II. Objektiv verdunkelter Schein: Schelling und Hegel
- 1. Ausgangslage: Die haltlosen Blicke der Reflexion
- 2. Hegels Geistesphysik des Lichts
- 3. Ausblick
- B. Jean Paul: Poesie zwischen Materialismus und Nihilismus
- I. Hinführung
- 1. Das dunkle Leuchten der Poesie
- 2. Nihilistische Lichtverhältnisse
- 3. Jean Pauls gespiegelte Blindheit
- II. Vom beginnenden Traum der Wahrheit zum endenden Traum der Täuschungen
- 1. Das Blindenquartett der Transzendenz: Hesperus
- 2. Träume, die sich verdunkeln: Titan
- 3. Zur Schau getragene Blindheit: Flegeljahre
- 4. Auswertung
- DRITTER TEIL. Negation des schwarzen Lichts
- I. Romantische Ursprünge des blinden Dichters
- 1 .Die unbeirrt erleuchteten Augen Homers
- 2. Ossian: Die Augäpfel des letzten Barden
- II. Die Revolution der Blindeninspiration
- 1. Ankündigung moderner Inspiration: André Chénier
- 2. Letzte Nachtgesänge: Friedrich Hölderlin
- III. Chateaubriands Genie der Blindheit
- 1. Autorität der Blindheit
- 2. Christentum und blinde Poeten
- 4. Die Blindheit der Alten in der Neuen Welt
- 4. Sakralisierung, Revolution, Autorität: Vom Tagen der Geschichte
- IV Imaginationen der Moderne
- 1. Surnaturalisme der Blindheit
- 2. Höhepunkt und Ende des blinden Sehertums: Victor Hugo
- 3. Charles Baudelaires entromantisierte Blinde
- 4. Ende des Blindentraums: Veräußerlichung der Vision
- Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Ästhetikgeschichte der Moderne
- Tabellen und Abbildungen
- Literatur
- Register