Reinheit der Sprache, des Herzens und des Leibes
Zur Wirkungsgeschichte des rhetorischen Begriffs >puritas< in Deutschland von der Reformation bis zur Aufklärung
- 305 Seiten
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Reinheit der Sprache, des Herzens und des Leibes
Zur Wirkungsgeschichte des rhetorischen Begriffs >puritas< in Deutschland von der Reformation bis zur Aufklärung
Über dieses Buch
Ausgehend von der Erkenntnis, daß die herkömmliche Purismus-Debatte den Begriff der Sprachreinheit einseitig unter dem Primat der sogenannten Fremdwortfrage verstanden hat, entwickelt der Autor in dieser Studie ein komplexeres Bild der Wort-, Bedeutungs- und Wirkungsgeschichte des Begriffs "Reinheit" im deutschen Sprachraum von Luther bis Adelung, um von dieser Grundlage aus auch den engeren Begriff der "Sprachreinheit" neu einzugrenzen. Dies gelingt vor allem dadurch, daß der diskutierte Begriff zuerst als Problem der Rhetorik - nämlich in der differenzierten Tradition der rhetorischen puritas - gesehen wird; auf der Einsicht in den gleichermaßen ästhetischen wie pragmatischen Charakter der Rhetorik basiert der interdisziplinäre Forschungsansatz, mit dem der Autor seinen Gegenstand erschließt. Das zentrale Anliegen dieser Studie ist es, die Wirksamkeit der Kategorie puritas nicht auf die Sprache beschränkt zu sehen, sondern ihr in weiteren relevanten Feldern der sich im Untersuchungszeitraum konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft nachzugehen: im sowohl lebenspraktisch wie wissenschaftstheoretisch dominanten Bereich der Theologie und Religiosität - hier insbesondere bei Luther und im Pietismus, im Bereich der Poetik sowie der Sprachgeschichte und -philosophie, im Bereich der politischen und nationalen Identitätsbildung und nicht zuletzt im Bereich der Körperpflege und der Schamnormen. Anhand umfangreicher Analysen der originären Quellenschriften kann der Autor dem problematischen Begriff sein ideologisches, mentalitätsgeschichtliches Umfeld zurückgewinnen, das allein zu erklären vermag, weshalb "Reinheit der Sprache" bis heute ein höchst problematischer, zwischen Restriktion und Innovation oszillierender Begriff geblieben ist. - Ein Anhang stellt die aus Luthers Schriften gewonnenen Belegstellen zum Thema "Reinheit" im Originalwortlaut (teilweise mit Übersetzungen aus dem Lateinischen) zur Verfügung.
Häufig gestellte Fragen
Information
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- 1 Vorspiel bei Sachsens Pythia. Zum historischen Kontext der Reinheits-Thematik
- 1.1 Die Konsultation der Experten
- 1.2 Reinheit /puritas im historischen Rahmen der Rhetorik
- 1.3 Zur Absicht dieser Studie
- 2 Nur dem Reinen ist alles rein? Ein ideologiekritischer Exkurs
- 3 Zur Forschungssituation. Ein Bericht
- 3.1 Vorbemerkung
- 3.2 Theorie und Praxis des Purismus auf dem Tiefpunkt
- 3.3 Sprachwissenschaftliche Beiträge
- 3.4 Rhetorik
- 3.5 Sprachpflege
- 4 Wort-, Bedeutungs- und Wirkungsgeschichte des Wortes „rein“
- 4.1 Etymologie
- 4.2 Wortgeschichte
- 4.3 Gebrauch und Bedeutung
- 4.4 Wörterbücher
- 4.5 Auswertung
- 5 Der Reinheitsbegriff in den Schriften Martin Luthers. Ein Paradigma der Rechtfertigungs-Theologie
- 5.1 Voraussetzungen
- 5.1.1 Luther als Vorbild
- 5.1.2 Die „doppelte“ Reformation
- 5.1.3 Reformation und Rhetorik
- 5.2 Die Verwendungsweisen des Lexems rein bei Luther
- 5.2.1 Wortformen und ihre Schreibweisen
- 5.2.2 Typische und häufig wiederkehrende Adjektiv- und Adverbverbindungen
- 5.3 Die Bedeutung des Reinheits-Begriffs in den Schriften Martin Luthers
- 5.3.1 Reinheit und Taufe
- 5.3.2 Reinheit als sittliches Lebenskonzept
- 5.3.3 Reinheit und Wort Gottes
- 5.4 Reinheit des deutschen Wortes
- 5.4.1 Vielfalt der Sprachen, Einfalt des Sinnes
- 5.4.2 purus et germanus
- 5.5 rein machen – rein werden – rein sein
- 6 Der Reinheitsbegriff im deutschen Pietismus. Ein Paradigma der Nachfolge-Theologie
- 6.1 Reinheit bei Johann Arndt
- 6.2 rein und seine Bedeutungsnuancen in Beispielen geistlicher Dichtung
- 7 Sprachreinheit in ausgewählten Schriften deutscher Sprachmeister. Eine Querschnittsuntersuchung
- 7.1 Sprachreinheit und Sprachbedarf
- 7.2 Übergang
- 7.2.1 Ein Zeugnis aus dem 13. Jahrhundert
- 7.2.2 Vorbild Luther - zwei Beispiele
- 7.3 Definitionen von „reiner Sprache“ im Rahmen der Rhetorik
- 7.4 Sprachreinheit und Mundart. Oder: Was ist hochdeutsch?
- 7.5 Schriftlichkeit versus Mündlichkeit. Oder: Der falsch gewachsene Schnabel
- 7.6 Ursprache – Sprachentwicklung – Sprach verfall. Oder: Der lapsus linguae
- 8 Wirkungsfelder der Reinheit. Versuch einer Focussierung
- 8.1 Reinheit und Nation
- 8.1.1 Frankreich – Vorbild und Gegenbild
- 8.1.2 Sprach vertrag und Helden-Herrschaft
- 8.1.3 Der Reichtum der Sprache
- 8.1.4 Die reine Sprache: „lauter Gold“
- 8.2 Zwei Exkurse
- 8.2.1 Exkurs I: Zur Funktion der Sprachgesellschaften
- 8.2.2 Exkurs II: Zur Funktion einer „kayserlichen“ Grammatik
- 8.3 Reinheit und Fremdheit
- 8.3.1 Das Fremde und das Unreine
- 8.3.2 Abstammung und Bürgerrecht
- 8.3.3 Das Fremde im Eigenen, das Unreine im Reinen
- 8.4 Reinheit und Körper
- 8.4.1 Das Geschlecht der Sprache
- 8.4.2 Der Körper – eine sprachliche Leerstelle
- 8.4.3 Der geschliffene Leib
- 8.5 Reinheit und Literatur. Oder: Bemerkungen über das Ausgelassene
- 9 Anhang
- 9.1 Verzeichnis der Quellenschriften
- 9.2 Sekundärliteratur
- 9.3 Belegstellen zu rein bei Luther
- 9.4 Register