Draußen vor dem Ghetto
Leopold Kompert und die 'Schilderung jüdischen Volkslebens' in Böhmen und Mähren
- 405 Seiten
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Draußen vor dem Ghetto
Leopold Kompert und die 'Schilderung jüdischen Volkslebens' in Böhmen und Mähren
Über dieses Buch
Bislang sieht man – auch in der literaturwissenschaftlichen Forschung – die Situation der jüdischen Bevölkerung Böhmens fast ausschließlich durch den Spiegel der Prager Literatur um die Jahrhundertwende. Doch ihr berühmtester Exponent, Franz Kafka, gehörte bereits der dritten Generation deutschschreibender Juden an. Mit vorliegender Studie wird den frühen jüdischen Schriftstellern dieser Region, darunter, als den bekanntesten, Leopold Kompert (1822–1886) und seinem mährischen Kollegen Eduard Kulke (1831–1897) erstmals eine eigene Untersuchung gewidmet. Ihre Ghettogeschichten repräsentieren, wiewohl mit der von Berthold Auerbach popularisierten Dorfgeschichte verwandt, eine genuin jüdische Literaturgattung und bilden eine unverzichtbare Quelle für die kulturhistorische Erforschung jüdischen Lebens im Zeitalter der Emanzipation. Im Rahmen der methodisch an der Grenze zwischen Literatur- und Kulturgeschichtsschreibung angesiedelten Studie lassen sich auch Heinrich Heines berühmtem Fragment Der Rabbi von Bacherach (1840), das von den Zeitgenossen als 'Vorbild' der Ghettoliteratur betrachtet wurde, neue Aspekte abgewinnen. Nicht zuletzt wird damit ein Beitrag zur Erforschung minderheitlicher Assimilations- bzw. Akkulturationsstrategien geleistet. Ein Ausblick auf das KZ Theresienstadt als neuem 'Ghetto des Todes' auf böhmischem Boden und die in der Folgezeit entstandene autobiographische Literatur schließt die Untersuchung ab.
Häufig gestellte Fragen
Information
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung
- I. Einleitung
- 1. Entstehung einer deutsch-jüdischen Identität
- 2. Die Ghettogeschichte als literarische Selbstvergewisserung
- 3. Von Heinrich Heine zu Leopold Kompert und Joseph Roth
- 4. Stand der literaturwissenschaftlichen und historischen Forschung
- II. Überblick über die Geschichte der Juden in den böhmischen Ländern von 906 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
- III. Spielarten deutsch-jüdischer Belletristik im Vormärz
- 1. Das Ghetto als Schauplatz jüdischer Identitätskonflikte: Heinrich Heines Der Rabbi von Bacherach
- Exkurs: Die Blutgeschichte von Damascus
- 2. Doch eine jüdische Heiligenlegende: Heinrich Arndts David Isaac
- 3. Zwischen Anziehung und Abstoßung: Jacob Kaufmanns Der böhmische Dorfjude
- 4. Leopold Komperts erste Veröffentlichungen: Aus dem böhmisch-jüdischen Leben
- IV. Voraussetzung und Gestalt der böhmischen Ghettogeschichte
- 1. Das Erbe Auerbachs und seine Metamorphose
- 2. Dichter des Details: Leopold Kompert und Adalbert Stifter
- 3. Die Ghettogeschichte im Kontext des poetischen Realismus: Sprache, Milieu, Raum, Figuren
- V. Das Leben in der böhmischen ‘Gasse’ im Spiegel der Geschichten Leopold Komperts
- 1. Anzeichen eines jüdischen Patriotismus: Der Kaiser und ‘seine’ Juden – Judith die Zweite, Ohne Bewilligung, Die beiden Schwerter
- 2. Sündenfall und Strafe: Soziale Ausgrenzungsmechanismen im Ghetto-Alt Babele, Schlemiel, Die Schweigerin, Gottes Annehmerin
- 3. Die Familie als Heimat: Komperts Beitrag zum Mythos der jüdischen ‘Mamme’ – Die Augen der Mutter, Der Dorfgeher, Christian und Lea, Die Schwärmerin, Eine Verlorene
- 4. Der Jude als Bauer und Handwerker: Eine literarische Utopie – Am Pflug, Die Prinzessin, Trenderl
- 5. Wie man im Ghetto heiratet: Brautschau und Familiengründung – Der Min, Franzefuß, Von meinem Großvater
- 6. Die Greisenherrschaft: Alte Menschen als Kontinuitätsgaranten – Wie Hund und Katze, Roßhaar, Eisiks Brille
- 7. Von der getrennten zur gemeinsamen Lektüre: Wandel im Geschlechterverhältnis – Auf der Beschau, Julius Arnsteiners Beschau
- 8. Einbruch der Welt ins Ghetto: Auflösung hierarchischer Familienstrukturen – Die Seelenfängerin, Die Jahrzeit, Der Karfunkel
- 9. Jüdische Zwischen-Existenz in einer gewandelten Welt – Die Kinder des Randars, Zwischen Ruinen
- VI. Zwischen Imitation und Eigenart: Die Ghettogeschichten Eduard Kulkes
- VII. Ausblick: Theresienstadt – ein Ghetto des Todes auf böhmischem Boden
- VIII. Anhang: Stationen im Leben eines Ghettoschriftstellers: Von Münchengrätz nach Wien
- Glossar
- Bibliographie
- Primärquellen
- Sonstige Quellen
- Forschungsliteratur
- Abbildungen
- Personenregister