In diesem Kapitel wird zunächst die Ausgangslage für die Forschungsarbeit und die daraus resultierende Fragestellung dargestellt. Die Zielsetzung der Arbeit wird erläutert. Der Stand der Forschung im Umfeld dieser Forschungsarbeit wird als Grundlage der Arbeit geklärt und der Aufbau der Arbeit dargelegt.
1.1Ausgangslage und Problemstellung
Im Lebenszyklus einer Immobilie – von Planung über Bau, Betrieb, ggf. Umnutzung und Verwertung – werden unterschiedlichste Informationen benötigt. Diese werden in verschiedenen Lebenszyklusphasen erzeugt, verwaltet und genutzt. Bei komplexen Immobilien, wie Produktionsstätten, Gesundheitsbauten oder Forschungs- und Laborgebäuden, handelt es sich dabei um eine Vielzahl von verschiedenen Informationen. Die Notwendigkeit Informationen (wie z. B. Material, Hersteller, Wartungsintervalle etc.) vorzuhalten, ergibt sich auf Grund von Informationsbedarf innerhalb einer Aufgabe oder Tätigkeit, aus gesetzlichen Anforderungen und aus projektspezifischen Erfordernissen.
Im Endbericht der „Reformkommission Bau von Großprojekten“ wird die Bedeutung von Informationen und der Weitergabe dieser betont: „Es ist fundamental für den Erfolg eines Bauprojekts, dass diese [zu analysierenden und bewertenden] Informationen in der richtigen Qualität und Tiefe zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Format der richtigen Person vorliegen.“ (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2015, S. 88)
Besonders bei Immobilien, die über mehrere Phasen des Lebenszyklus in einer Hand bleiben, wie z. B. selbstgenutzte Immobilien von Industrieunternehmen oder der öffentlichen Hand, hat der Eigentümer ein hohes Interesse an einer ganzheitlichen Betrachtung der Immobilie und zugehöriger Informationen, daher einer Betrachtung der Informationen über den gesamten Lebenszyklus (vgl. Egger et al. 2013, S. 19). Schulte und Schäfers nennen „die Verfügbarkeit und zielorientierte Auswertung von immobilienbezogenen Daten […] eine Voraussetzung für die Effizienzsteigerung und strategieorientierte Steuerung des Immobilienbestandes“ (Schulte und Schäfers 2004, S. 66).
Bei einer ganzheitlichen Betrachtung von Informationen werden Informationen anwendungsübergreifend und lebenszyklusphasenübergreifend vorgehalten. Im Gegensatz dazu sind bei einer nicht ganzheitlichen Betrachtung Daten in anwendungsbezogen EDV-Programmen abgelegt und stehen somit anderen Anwendungen, anderen Phasen oder unter Umständen anderen Beteiligten in Planung, Bau und Betrieb nicht zur Verfügung (vgl. z. B. Bergmeister et al. 2018, S. 388).
Mögliche Folgen einer nicht ganzheitlichen Betrachtung sind nach Schulte und Schäfers: „Fehlende Vergleichbarkeit von Daten […], Mehrfacherhebung und - erfassung von Daten […], mangelnde Effizienz der Informationsverarbeitung […][und eine] unzureichende Informationsbasis […]“ (Schulte und Schäfers 2004, S. 110 f.).
Bergmann leitet aus einem nicht durchgängigen Informationsmanagement einen „materiellen oder immateriellen, mittelbaren oder unmittelbaren Schaden für das Unternehmen“ ab (Tiemeyer 2013, S. 579). Konkret bedeutet dies: nicht durchgängig vorhandene Informationen verursachen einen wirtschaftlichen Schaden. In einer Studie des National Institute of Standards and Technology (NIST) für Planung, Bau und Betrieb von gewerblich, institutionell oder industriell genutzten Gebäuden, Anlagen und Fabriken in den USA wird dieser wirtschaftliche Schaden mit 15,8 Milliarden US-Dollar pro Jahr beziffert. Immobilien-Eigentümer und Betreiber tragen der Studie zufolge zwei Drittel dieser Kosten. (Gallaher et al. 2004)
Durch die Neuerungen im Bereich immobilienbezogener Software und Methoden wie Computer Aided Design (CAD), Analysesoftware und Building Information Modelling1 (BIM) können heute mehr Informationen erhoben und verarbeitet werden als zuvor. Von BIM wird durch eine integrale Arbeitsmethode ein verbesserter Informationsfluss zwischen den Projektphasen und Beteiligten erwartet (vgl. z. B.: Albrecht 2014; Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2015, S. 56).
Trotz der technischen und methodischen Fortschritte entsteht der Eindruck, dass einerseits immer noch Informationen im Lebenszyklus von Immobilien verloren gehen oder nicht an die richtige Stelle gelangen und andererseits die Bearbeitung und Verwaltung, obwohl häufig nicht die Kernaufgabe, einen erheblichen Anteil an immobilienbezogenen Tätigkeiten ausmachen. Unterstützt wird diese These durch die Aussage der Reformkommission Bau von Großprojekten, dass „vorhandene Daten […] nicht immer effektiv verwaltet [werden]“ (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2015, S. 83) und durch die branchenunabhängige Aussage von Bergmann: „Trotz eines umfangreichen Einsatzes an Informations- und Kommunikationstechnik scheinen Informationsprobleme in unseren Tagen zumindest nicht weniger zu werden.“ (Tiemeyer 2013, S. 578)
Die Einführung von Arbeitsinstrumenten und Arbeitsmethoden, wie BIM, kann die Durchgängigkeit von Informationen unterstützen; jedoch nicht die systematische Betrachtung von notwendigen Informationen mit dem Hintergrund der konkreten Bau- und Immobilienmanagementabteilung unter unternehmens- und immobilienspezifischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Aspekten ersetzen. Auch für den Einsatz von BIM muss zunächst geklärt sein, welche Informationen zu welchem Zweck benötigt werden (vgl.Egger et al. 2013, S. 20) und in welcher Phase des Immobilienlebenszyklus diese vorliegen müssen.
Für die Informationsanforderungen bzw. die Dokumentation der Informationsanforderungen werden in der Literatur verschiedene Begriffe verwendet wie ‚Auftraggeber Informations-Anforderungen‘ (AIA) (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2015b, S. 9), ‚Informationsanforderung Auftraggeber‘ (IAG), ‚Employer’s Information Request‘ (EIR) (vgl. PAS 1192-2:2013) oder auch ‚Informations-Lieferungs-Handbuch‘ (engl.: ‚information delivery manual‘ (IDM)) (vgl. DIN EN ISO 29481-1 Entwurf).
Informationsanforderungen können dabei von verschiedenen Beteiligten formuliert werden. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) bemerkt jedoch hierzu: „Eine besondere Bedeutung bei der Zielformulierung kommt dem Auftraggeber zu. Die Verantwortlichkeit für die bauliche Investition und den erwarteten Investitionsnutzen sind letztlich nicht delegierbar.“ (SIA 2051:2017-08, S. 17)
Die Ermittlung und Benennung der Informationsanforderungen ist für den Einsatz von BIM eine Grundlage; über die Verwendung von Arbeitsinstrumenten und Arbeitsmethoden hinaus sind die Informationsanforderungen jedoch für jegliche Erhebung, Prüfung oder Optimierung von Informationen im Lebenszyklus einer Immobilie von zentraler Bedeutung.
Es ergibt sich folgende Fragestellung, die im Fokus dieser Forschungsarbeit steht:
–Wie kann in einer konkreten Situation (z. B. Projekt- oder Unternehmenssituation) der Informationsbedarf systematisch ermittelt werden?
Zugehörige Fragen, die den Informationsbedarf konkret erfassen, sind:
–Wofür werden Informationen im Lebenszyklus von Immobilien benötigt?
–Welche Informationen werden benötigt?
–Wann müssen Informationen wem in welcher Detailtiefe vorliegen?
–Wer erstellt und liefert wann und wie diese Informationen?
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird zunächst die hinleitende Frage beantwortet:
–Wie sieht ein Schema aus, das darstellt welche Aspekte Informationen im Lebenszyklus von Immobilien haben?
Zugehörige Fragen, aus denen ein Schema abgeleitet werden kann, sind:
–Wie sind Informationen im Lebenszyklus von Immobilien definiert?
–Wie sind Informationen mit anderen Aspekten verbunden, wie z. B. Lebenszyklusphasen, Rollen oder Anwendungen?
–Wie können Informationen klassifiziert bzw. strukturiert werden?
1.2Zielsetzung
Durch die zunehmende Bedeutung von BIM gewinnt auch die Fragestellung, welche Informationen im Lebenszyklus von Immobilien benötigt werden, an Bedeutung und wird in BIM-Leitfäden, BIM-Projektausführungsplänen und zugehöriger Literatur aufgegriffen. Die Struktur der Informationen und eine Konkretisierung der Informationen ist dabei jedoch nicht der Fokus der Literatur und daher größtenteils nicht ganzheitlich beschrieben. Es muss außerdem festgestellt werden, dass Veröffentlichungen zum Thema BIM sich teilweise auf die frühen Phasen im Immobilienlebenszyklus und dabei vor allem auf das Planen konzentrieren (vgl. z. B.: AEC (UK) 2012, S. 6). An einer differenzierten Aussage zu der Ermittlung von Informationsanforderungen mangelt es noch. Dieser Lücke wird diese Forschungsarbeit entgegentreten.
Es wird angenommen, dass ein durchgängiges Informationsmanagement vor allem für Immobilieneigentümer, die den gesamten Lebenszyklus der Immobilie begleiten und selbst Nutzer der Immobilie sind, von höchster Bedeutung ist. Dabei wird erwartet, dass die Anzahl der Informationen mit der Komplexität der Immobilie zunimmt (vgl. Gallaher et al. 2004). Die Forschungsarbeit konzentriert sich daher auf komplexe Immobilien von Industrieunternehmen und der öffentlichen Hand. Der Fokus liegt auf der Informationseingabe und Informationsausgabe, da der Übergang von Informationen von einer Stelle zu einer anderen als besonders kritisch zu betrachten ist (vgl. u. a. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2015, S. 83; KBOB und IPB 2013).
Das Ziel der Forschungsarbeit ist es eine Systematik aufzuzeigen, wie für konkrete Situationen (Projekt- oder Unternehmenssituationen) der Informationsbedarf ermittelt werden kann. Für Bau- und Immobilienmanagementabteilungen von Industrieunternehmen und der öffentlichen Hand wird eine konkrete Vorgehensweise zur Ermittlung der Informationsanforderungen vorgestellt. Die Vorgehensweise zur Ermittlung der Informationsanforderung bietet dabei eine „Hilfe zur Selbsthilfe“, die auf Organisation, Projekt oder Situation angepasst werden kann.
Um dieses Ziel zu erreichen ist ein hin...