2019
  1. 611 Seiten
  2. German
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Über dieses Buch

Das Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft ist ein literaturwissenschaftliches Periodikum, das vorwiegend Beiträge zur deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart veröffentlicht. Diese Zeitspanne entspricht den Sammelgebieten des Deutschen Literaturarchivs Marbach, das von der Deutschen Schillergesellschaft getragen wird. Arbeiten zu Schiller sind besonders willkommen, bilden aber nur einen Teil des Spektrums.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110635140
Auflage
1

AUFSÄTZE

Emilias Andacht und Gretchens Gewissen

Goethes Auseinandersetzung mit Lessing in der Arbeit an der Faust-Tragödie
Dorothea von Mücke
Columbia University, Department of Germanic Languages, Hamilton Hall 414, 10027, New York, United States of America
Mit diesem Aufsatz soll der Versuch unternommen werden, Goethes mehr als drei Jahrzehnte umspannende Arbeit an Faust. Der Tragödie erster Teil als Niederschlag einer produktiven Auseinandersetzung mit Lessings Emilia Galotti zu lesen.1 Obwohl Goethes Wertschätzung für Lessings Drama wohlbekannt ist, sind die deutlichen Anspielungen auf Emilia Galotti in Faust bisher unbeachtet geblieben. Dabei muss man sich allerdings nur die Szene Dom vergegenwärtigen, in der die Belästigung Gretchens durch den bösen Geist während des Totenamtes dargestellt wird, und diese Szene mit dem ersten Auftritt von Lessings Titelheldin vergleichen, in dem Emilia aufgeregt ihrer Mutter von der übergriffigen Annäherung des Prinzen während des Morgengottesdienstes berichtet, um zu realisieren, wie in beiden Dramen die Belästigung der Heldin während des Gottesdienstes ganz entscheidend mit der Frage nach Schuld, Gewissensbissen und Verantwortung verknüpft wird. Das tragische Potential der weiblichen Hauptfigur ist in beiden Dramen aufs engste mit dieser Exposition einer bei der Andacht gestörten Subjektivität verknüpft. Folgende zunächst einmal durch diese Parallelstellen angeregte Analyse von Goethes Gretchentragödie soll vor allem zu der neueren Goetheforschung beitragen, die sich näher mit der Figur Margaretes und ihrer Funktion für Goethes Arbeit an der Tragödie befasst.2
Bei der motivischen Parallele zwischen der Dom-Szene im Faust und Emilias Bericht von der gestörten Andacht beim Morgengottesdienst handelt es sich allerdings nicht einfach um einen direkten »Einfluss« der einen auf die andere Szene, bzw. um ein nachweisbar bewusstes Zitat. Vielmehr scheint in der Dom-Szene Goethes kritische Auseinandersetzung mit der Gattung des bürgerlichen Trauerspiels durch, für die Emilia Galotti einen zentralen Stellenwert behauptet. Wie sich Goethe immer wieder kulturkritisch mit dieser Gattung auseinandersetzt und dazu Lessings Emilia Galotti ins Spiel bringt, zeigt sich auch schon besonders deutlich in Die Leiden des jungen Werther und in Wilhelm Meisters Lehrjahre. Für Werther, der Emilia Galotti aufgeschlagen auf seinem Pult liegen lässt, bevor er sich erschießt, spielt Emilias tragischer Tod eine entscheidende Rolle in der Inszenierung seines Selbstmords als tragischer Freitod; Emilia Galotti dient Werther gewissermaßen zur Rechtfertigung und Idealisierung seines Selbstmords. Somit übernimmt Lessings Drama in Goethes Werk schon 1774 die Funktion eines kulturellen Marksteins, der die tragische Aspiration genauso wie die fehlgeleitete Lesepraxis des Protagonisten seines Briefromans bezeichnet. Emilia Galotti steht damit schon in der frühsten Phase von Goethes Arbeit am Faust, die sich ja mit der Arbeit am Werther überschneidet, zum einen für einen Komplex kultureller Praktiken, initiiert und propagiert mit Hilfe der Gattungsinnovation des bürgerlichen Trauerspiels, zum anderen für die kritische Reflexion auf ebendiese.3
Wilhelm Meisters Lehrjahre, gut zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung von Werther und gleichzeitig mit der Wiederaufnahme von Goethes Arbeit an Faust erschienen, markiert mit der Erzählung von Serlos Inszenierung von Emilia Galotti das Ende der Gattung des bürgerlichen Trauerspiels für Serlos Truppe. Nach der Aufführung von Emilia Galotti soll eine andere Art von Theaterstücken inszeniert werden, und Wilhelm wird zur Einsicht gelangen, dass das Theater letztlich doch nicht sein Metier ist. Darüber hinaus wird vergleichbar mit Werthers fehlgeleiteter Emilia-Galotti-Rezeption auch in Wilhelm Meister eine verabsolutierte, pathologische Subjektivität, die sich in der Identifikation mit einer dramatischen Person äußert und ebenfalls in einem höchst unglücklichen Tod endet, zur Darstellung gebracht. Aurelie, Serlos Schwester, eine ehrgeizige Schauspielerin, von ihrem Liebhaber verlassen, stürzt sich in die Rolle der Orsina, verausgabt sich bei der Aufführung und eilt anschließend, ohne vorher in wärmere Kleidung gewechselt zu haben, auf die Straße in den kalten Wind und stirbt kurz darauf in Folge einer schweren Erkältung. Sowohl Werther als auch Aurelie, zwei zutiefst enttäuschte, jugendlich leidenschaftliche Charaktere beenden ihre Verzweiflung im Tod und leihen sich für ihr selbstzerstörerisches Ausagieren das tragische Pathos und den Heldennimbus, die sie mit Lessings Emilia Galotti assoziieren. Dass sie damit Lessings Stück geradezu pathologisch fehldeuten, ja seine Kritik dieser Art Heldentums ausblenden, die sich von Philotas bis zu Nathan durch sein Gesamtwerk verfolgen lässt, ist nun auch für die nicht mehr nur textimmanente Dimension von Goethes produktiver Emilia-Galotti-Rezeption ausgesprochen wichtig.4
Gerade was die theaterhistorische und -kritische Dimension Wilhelm Meisters angeht, dient Emilia Galotti dazu, den Endpunkt der Theaterauffassung zu markieren, welche sich in der Inszenierung bestimmter Dramen oder auch realer Lebensumstände äußert, die als familiäre Doku-Dramen aufgefasst und realisiert werden. Emilia Galotti steht im Wilhelm Meister am Ende der Theaterkarriere des Protagonisten, die, so könnte man behaupten, auch mit Wilhelms Ausagieren der prototypischen dramatischen Konventionen der Gattung des bürgerlichen Trauerspiels ihren Anfang nimmt. So beginnt Wilhelms Theaterkarriere mit der finanziellen Unterstützung Melinas und seiner Frau, denen er zunächst nicht auf der Bühne, sondern zufällig anlässlich eines Besuches von Bekannten und Schuldnern seines Elternhauses begegnet. Dabei erfährt er von dem Skandal einer Mesalliance, die in der gegen die soziale Konvention und den Wunsch der Eltern eingegangenen Beziehung der Stieftochter seiner Bekannten mit einem Schauspieler besteht, weshalb er es sich zur Aufgabe macht, das unglückliche Liebespaar zu retten. Kurz darauf trifft Wilhelm dann auch tatsächlich Melina und seine Geliebte, als diese festgenommen und zum Gemeindesaal transportiert werden. Nachdem er die öffentliche gerichtliche Verhandlung der beiden Liebenden mit großer Anteilnahme wie ein Melodrama oder bürgerliches Trauerspiel verfolgt hat, bei dem er mit besonderem Mitgefühl den Auftritt der jungen Frau während ihres amtlichen Verhörs als ein besonders rührendes Bild der verlorenen Unschuld verfolgt hat, bietet er sich als Vermittler mit der Familie des Mädchens an und überzeugt Melina, mithilfe seiner finanziellen Unterstützung zum Theater zurückzukehren.5 So kommt Wilhelm gewissermaßen zu seinem ersten Theaterengagement, indem er unmittelbar von einer Zuschauerrolle in eine Mitspielerrolle überwechselt. Dieser Umstand trifft sich nun genau mit der dramaturgischen Innovation Diderots, wie diese in den Entretiens sur le fils naturel ausführlich dargelegt wird: Das drame bourgeois soll als ein Kontinuum zur Alltags- und Familienwirklichkeit der Zuschauer vorgestellt werden, d. h. nicht als artifizielles Theater.
Auch später als Mitglied von Serlos Theatertruppe bei der Inszenierung von Hamlet behandelt Wilhelm Shakespeares Tragödie, als würde es sich um ein bürgerliches Trauerspiel handeln. D.h. er hält sich an die in Diderots Entretiens sur le fils naturel so anschaulich dargestellte programmatisch anti-theatralische Einstellung gegenüber dem Schauspiel, die alles darauf setzt, den Zuschauer völlig in die dargestellte Welt aufzunehmen, was heißt, dass so gespielt wird, als würde sich der Vorhang nie heben. Diderots Text macht besonders deutlich, dass bei dieser Art von Schauspiel die getrennten Rollen von Zuschauer, Schauspieler und handelnder Person nahtlos ineinander übergehen bzw. miteinander vertauscht werden können.6 Die auf die Hamlet-Aufführung folgende Inszenierung von Emilia Galotti markiert in Wilhelm Meister nun das Ende dieser Illusionspraxis, nach dem das Theater dann wieder theatralischer werden darf und ein homogenes Zeichenrepertoire durch andere, nichtverbale, nicht-realistische künstlerische Medien aufgebrochen wird. In Wilhelm Meisters Lehrjahre ist diese Öffnung durch den Hinweis angedeutet, dass sich Serlo im weiteren Verlauf für Oper und Singspiel interessieren wird.
Emilia Galotti steht somit im theatergeschichtlichen und dramenkritischen Diskurs von Wilhelm Meisters Lehrjahren für das Ende des geschlossenen Illusionsraums des bürgerlichen Trauerspiels sowie am Übergang zu völlig anderen theatralischen Formen. Was nun Goethes eigene Praxis als Dramenschriftsteller betrifft, so lässt sich Faust 1 gerade im Hinblick auf die sogenannte Gretchentragödie ebenfalls als eine Auseinandersetzung mit diesem anti-theatralischen homogenen Illusionsraum verstehen. Durch die deutlichen Anspielungen auf Emilia Galotti wird das Drama um Gretchen bzw. Margarete sowohl als Arbeit an der Tragödie - bzw. Verabschiedung des bürgerlichen Trauerspiels - als auch in seiner geschlechterpolitischen Dimension reflektiert. Da dieser Zugang zu Faust von der eingangs erwähnten motivischen Parallele zwischen der Szene Dom und dem ersten Auftritt der Titelheldin in Lessings Emilia Galotti ausgeht, soll meiner Analyse der zweiten Hälfte der Gretchentragödie, d. h. der Szenenfolge Am Brunnen, Zwinger, Nacht. Straße vor Gretchens Tür, Dom, in der Margarete vor allem als Zuhöre...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. TEXTE UND DOKUMENTE
  5. TEXT UND BILD
  6. AUFSÄTZE
  7. BERICHTE
  8. MARBACHER VORTRÄGE
  9. Jahresbericht der Deutschen Schillergesellschaft  2018 / 2019
  10. Anschriften der Jahrbuch-Mitarbeiter
  11. Zum Frontispiz
  12. Impressum  JAHRBUCH DER DEUTSCHEN SCHILLERGESELLSCHAFT INTERNATIONALES ORGAN FÜR NEUERE DEUTSCHE LITERATUR