Waffen und Sicherheit im Kalten Krieg
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Waffen und Sicherheit im Kalten Krieg

Das Marketing der westdeutschen Rüstungsindustrie 1949–1990

  1. 562 Seiten
  2. German
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Waffen und Sicherheit im Kalten Krieg

Das Marketing der westdeutschen Rüstungsindustrie 1949–1990

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Über dieses Buch

Deutsche Rüstungsunternehmen und ihr Marketing sind unternehmenshistorisch nicht erforscht. Die Arbeit löst mit der Untersuchung der wichtigsten westdeutschen Produzenten von Waffen und ihrer Marketinginstrumente ein lange beklagtes Desiderat ein. Sie kann zeigen, dass im Verlauf des Kalten Krieges nicht nur die ökonomischen Entwicklungen, sondern auch die öffentliche Meinung entscheidende Auswirkungen auf das Marketing der Rüstungsunternehmen nahmen. Hier war die Sicherheits-Werbung ein entscheidender Faktor. Denn auf die starke Abhängigkeit von den Abnehmern durch lange Entwicklungszeiten und kurze Produktionszyklen, einem "System der Maßschneiderei", reagierte die Rüstungsindustrie mit erweiterten Marketingstrategien. Sie werden mit multiperspektivischer Methodik, die Unternehmens- und Kulturgeschichte miteinander verbindet, in den Blick genommen. Die Autorin kann überzeugend zeigen, dass nur eine solche Kombination die unerwartete Entwicklung der westdeutschen Rüstungsindustrie von einer Branche in Trümmern zum boomenden Wirtschaftszweig und drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt erklären kann. Die Außen- und Militärpolitik, NATO-Strategien und Netzwerke waren weitere relevante Faktoren.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110539158
Auflage
1
Thema
History

1 Einleitung

1.1 Einführung: Waffen und Sicherheit im Kalten Krieg

Sicherheit ist – nicht erst seit 9/11 – ein intensiv diskutiertes Thema in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. Historiker wie Eckart Conze und Thomas Mergel sehen die „Suche nach Sicherheit“ als wesentliche Erklärung für die bundesdeutsche Entwicklung im Kalten Krieg, messen aber dem Faktor Ökonomie in ihren Werken nur eine geringe Rolle bei.1 Wie der Amerikanist Bernd Greiner gezeigt hat, lassen sich aber schon in der Ära Roosevelt enge Verflechtungen zwischen national security und industrial security feststellen. In der Weltwirtschaftskrise verband der US-Präsident in seiner Krisenrhetorik „Sicherheit der Arbeitsplätze, der Märkte, der Finanzwelt, Sicherheit in der Lebensplanung“ mit der „Freiheit vor Furcht“. Für Roosevelt war „Sicherheit nur als unteilbare vorstellbar“.2 Diese frühe Form der Entgrenzung des Sicherheitsbegriffs wird gegenwärtig auch durch die politikwissenschaftliche Forschung vertreten, die für eine konstruktivistische Erweiterung plädiert.3 Dies ermöglicht, Sicherheit als schillerndes, wenig trennscharf definierbares und normativ aufgeladenes Konstrukt im Wandel zu untersuchen.4 Sicherheit als Forschungsparadigma bietet zudem Möglichkeiten, wie Conze anknüpfend an Beobachtungen von Arnold Sywottek offeriert, die Diskursebene einzubeziehen. Zudem können gängige Periodisierungen hinterfragt und politikhistorische, transnationale, sozial- und wirtschaftshistorische Ansätze miteinander verknüpft werden.5
Sicherheit als Diskurs ist allerdings eng verflochten mit konkurrierenden Hauptdiskursen wie „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“, mit denen er in Beziehung gesetzt werden sollte.6 Diese Diskurse werden nicht nur von Akteuren im politischen Feld, sondern auch von wirtschaftlich relevanten und potenten Akteuren wie den Rüstungsunternehmen gespeist, die sich selbst sogar als „Produzenten von Sicherheit“ verstanden und bewarben.7
In der deutschen, aber auch internationalen Öffentlichkeit werden Waffenhersteller bis heute dagegen häufig als „Produzenten des Todes“, „Merchants of Death“ oder „blutige Geschäftemacher“ gebrandmarkt.8 Die Branche gilt als ebenso mächtig wie verschwiegen. Insbesondere ihre korrupten Praktiken wurden seit den späten 1960er Jahren in den Medien ausführlich erörtert, obwohl wir über ihre Produkte, ihre Märkte und Absatzpraktiken bislang nur wenig wissen. Meist fanden Rüstungsskandale wie die Lieferung von Waffenfabriken oder Waffensystemen in den Nahen Osten oder überteuerte Projekte wie der „Jäger 90“ ein breites öffentliches Echo, seltener aber ökonomische Bedingungen und Strukturelemente der Waffenproduktion samt ihrer nationalen wie internationalen Märkte.9 Diskutiert und skandalisiert wurden aber nicht nur Exportpraktiken bundesdeutscher Rüstungsunternehmen, somit ihr Einfluss auf das internationale Konfliktgeschehen, sondern auch ihre politische Legitimität, die Sicherheit der Produktionsverfahren, die volkswirtschaftliche Bedeutung und last but not least die Höhe der Gewinne. Eine Reihe von politikwissenschaftlichen, finanzsoziologischen und ökonomischen Studien hat sich in den letzten Jahrzehnten darum bemüht, Licht in das Dunkel dieser umstrittenen Branche zu bringen. In der historischen Forschung fristet sie dagegen immer noch ein Schattendasein.10 Seit über 30 Jahren gilt ein Diktum Michael Geyers:
„Insbesondere die Geschichte der Rüstungsindustrie, ganz zu schweigen von der Geschichte der Forschung und Entwicklung, aber auch der personellen Rüstung ist noch nicht geschrieben.“11
Zwar gab es in der letzten Dekade wegweisende Fortschritte in der unternehmenshistorischen Forschung, v. a. zur Rolle der Unternehmen in der nationalsozialistischen Rüstungspolitik.12 Doch Lücken blieben vor allem in der Untersuchung der traditionellen deutschen Waffenschmieden wie Rheinmetall, Krauss-Maffei, Mauser, IWKA oder Diehl und beim Rüstungsgeschäft von diversifizierten Großkonzernen wie Daimler-Benz, Siemens, Thyssen oder Krupp. Das von Geyer schon 1981 postulierte Desiderat ist also immer noch gültig. Dies erstaunt, denn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vollzog die Rüstungsindustrie der Bundesrepublik (BRD) einen kometenhaften Aufstieg von einer verbotenen Branche zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt.13 Wie gelang den deutschen Rüstungsunternehmen dieser weitgehend unbemerkte Aufstieg? War es die Qualität ihrer Produkte, die Organisation der Unternehmen, die Struktur ihrer Märkte oder eine neue Absatzpolitik im Kalten Krieg? Und welche Rolle spielte der Faktor Sicherheit? Eine erste Antwort darauf gibt eine ungewöhnliche Quelle, eine Zeitungs-Kampagne bundesdeutscher Rüstungshersteller zu Beginn der 1980er Jahre, in einer Hochphase des Kalten Kriegs.14 Sie wandte sich explizit nicht nur an Unternehmensmitarbeiter und Kunden, sondern auch an die breite Öffentlichkeit (Abb. 1).
Quelle: Rheinmetall-Archiv B 521/1: Rheinmetall Wehrtechnik. Argumente für die Sicherheit. Rheinmetall-Insertionen als Diskussionsgrundlage.
Abb. 1: Rheinmetall-Anzeige in Zeitungen und Zeitschriften, nach 1979.
In verschiedenen bundesdeutschen Printmedien, wie z. B. der „Süddeutschen Zeitung“, der „Zeit“, aber auch in militärtechnischen und rüstungswirtschaftlichen Fachjournalen wie „Soldat und Technik“ oder „Wehrtechnik“ wurden diese Anzeigen lanciert. Die Werbekampagne unterbreitete der Öffentlichkeit konkurrierende Bilder zu den „Produzenten des Todes“ oder „blutigen Geschäftemachern“, über die in den Medien zu diesem Zeitpunkt, auf dem Höhepunkt der NATO-Nachrüstungsdebatte diskutiert und deren Exportpraktiken skandalisiert wurden.15 Betrachtet man das Textregister der Anzeigen, so fällt auf, dass Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall nicht nur versprachen, den Einzelnen zu schützen, sondern Waffen sollten auch allgemein der „Sicherheit des Friedens“, der „Sicherheit der Freiheit“, „der freien, sozialen Marktwirtschaft, der Grundlage unseres Wohlstandes“ dienen. Die Anzeigen propagierten, dass „sichere Waffensysteme für einen sicheren Frieden“ eine fundamentale Voraussetzung sind. Das Nordatlantische Militärbündnis (NATO) versprach darüber hinaus sogar den Schutz des Einzelnen in einer internationalen Gemeinschaft. Diese Aussagen stehen teilweise in diametralem Gegensatz zu den Werbebildern, die Treibkäfiggeschosse mit martialisch anmutenden Spitzen oder standardisierte Einzelteile wie Panzerchassis mit Geschützrohren zeigen. Wie erklärt sich dieser Gegensatz? Warum wurde diese Anzeigenserie entwickelt? Warum ließen die Kampagnen den Einsatzzweck und die Wirkung von Waffen nahezu völlig außer Acht z. B. bestehende internationale Konflikte und die Blockkonfrontation des Kalten Krieges? Und schließlich ergeben sich auch methodische Fragen wie die Funktion und Relevanz dieser visuellen Quellen für die unternehmens- und wirtschaftshistorische Forschung, die einer genaueren Klärung bedürfen.
Rüstungsproduzenten wie etwa die Rheinmetall GmbH, Diehl und Krauss-Maffei, die diese Anzeigenserie mehrfach veröffentlichten, begründeten sie mit einem umfassenden Anspruch:
„Wehrtechnische Anzeigen wozu? Diese Frage stellt sich berechtigt für den, der an Produktwerbung denkt. Mit der Hardware produziert die wehrtechnische Industrie nicht nur Spitzentechnologie, sie produziert Sicherheit. Mit den aktuellen Wehrtechnik-Anzeigen will Rheinmetall auf diesen Zusammenhang hinweisen: Wer JA sagt zur Bundeswehr, wird auch die Wehr-Industrie nicht zur Disposition stellen können.“16
Doch inwiefern können Waffen überhaupt Sicherheit „produzieren“? Warum sollten sich Menschen im Kalten Krieg sicher fühlen, wenn sie umgeben waren von Technik, die nicht nur der Abschreckung diente, sondern im atomaren Rüstungswettlauf auch zur Auslöschung menschlichen Lebens auf der Erde führen konnte? Stand diese Werbung für ein umfassendes Sicherheitskonzept der Unternehmen, dass nicht nur militärischer, sondern auch wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit diente oder ist es eher als eine spezifische Form der Unternehmenskommunikation zu werten, die Marketingzwecke verfolgte und damit einer marketingwissenschaftlichen Untersuchung bedarf? Diente Sicherheit gar als bloßes Werbeversprechen für einen Markt, der durch Krisen und Skandale erschüttert wurde?
Hier setzt die vorliegende Arbeit an und analysiert die Entwicklung der traditionellen bundesdeutschen Rüstungsindustrie, also der Heerestechnik,17 und ihrer Märkte von einer „Branche in Trümmern“ bis zum drittgrößten Exporteur der Welt. Sie geht dabei aus von der Hypothese, dass nicht nur die konjunkturelle Entwicklung der Branche im Kalten Krieg, sondern auch die „Konjunkturen“ der öffentlichen Meinung entscheidende Auswirkungen auf ihr Marketing hatten.

1.2 Rüstungsmarketing als Forschungsgegenstand

Das Marketing von Rüstungsunternehmen stand bislang ebenfalls nicht im Fokus einer größeren wirtschafts- oder unternehmenshistorischen Untersuchung.18 Neben allgemeinen wirtschaftswissenschaftlichen Studien zum Beschaffungsmarketing öffentlicher Güter, etwa von Laffont/Tirole,19 thematisierten lediglich drei ökonomische Untersuchungen der 1960er und 1980er Jahre zeitgenössische Probleme des Waffenkaufs.20 Dies gilt auch für Arbeiten aus dem Umkreis des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung, die aus einer bürokratischen Perspektive die organisatorische Struktur des Beschaffungswesens behandelten.21
Zur bundesdeutschen Rüstungsindustrie liegen v. a. Arbeiten vor, die finanzwissenschaftliche Aspekte von Militärbudgets betrachten22 oder die Luft- und Raumfahrtproduktion genauer untersuchten.23 Es fehlt aber an Marktanalysen nicht nur der Eisen- und Stahlindustrie, deren Anteil an der Produktion von Gewaltmitteln bislang kaum einzuschätzen ist, sondern auch der Aluminium- und Metallunternehmen, der Maschinenbauindustrie sowie der Sprengstoff-, Chemie- und Elektronikbranche. Zudem herrscht immer noch ein eklatanter Mangel an historischen Studien, die sich mit dem internationalen Absatz und Handel von Waffen sowie mit der sektoralen Verteilung von Rüstungsunternehmen und Standortfragen dieser Wachstumsbranchen nach 1945 eingehender beschäftigen.24 Bezüglich der technologischen Entwicklung von Waffen und Waffensystemen haben Innovations- und Diffusionsprozesse, Rentabilitätsberechnungen, Spin-off-Effekte der militärischen auf die zivile Produktion und andere wirtschaftswissenschaftliche Konzepte in der wirtschaftshistorischen Forschung bisher kaum eine Rolle gespielt.25 Neuere Veröffentlichungen über die Geschichte diversifizierter Konzerne wie der Daimler AG, Siemens, Thyssen, MAN, Quandt und Krupp nach 1945,26 streifen die Waffenproduktion – wenn überhaupt – nur am Rande oder widmen sich eher der Familiengeschichte.27 Viele Informationen über historische Waffen und ihre technischen Details finden sich dagegen in Werken von Militaria-Sammlern oder -Experten, die wissenschaftlichen Ansprüchen nach Überprüfbarkeit aber nicht immer genügen.28
Analog zur Rüstungsforschung bestehen in der Marketinggeschichte noch Desiderate, da sich die deutsche Forschung erst in den letzten Jahren intensiviert hat, um den Blick stärker von der Produktion auf die ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Vorwort
  5. Abkürzungsverzeichnis
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Direktmarketing im „Wiederaufrüstungsboom“: Märkte, Akteure und institutioneller Rahmen für Waffen
  8. 3 Rüstungsmarketing im Kalten Krieg – Vom Aufholen zur Internationalisierung
  9. 4 Sicherheit in Diskursen des Rüstungsmarketings
  10. 5 Schlussbetrachtung und Ausblick:Rüstungsunternehmen und Marketing im Kalten Krieg
  11. Quellen- und Literaturverzeichnis
  12. Namensverzeichnis
  13. Unternehmensverzeichnis
  14. Ortsverzeichnis