Die feinen Unterschiede
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Kultur, Kunst und Konsum im antiken Rom

  1. 146 Seiten
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Die feinen Unterschiede

Kultur, Kunst und Konsum im antiken Rom

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Über dieses Buch

Bei der Erforschung der römischen Eliten stand bislang ihr ebenso intensives wie alternativloses Engagement in Politik und Militär im Mittelpunkt. In diesem Buch soll die anhaltende Exklusivität dieses Lebensmodells kritisch hinterfragt und ein erweiterter Blick auf die aristokratischen Lebenswelten geworfen werden. Senatoren und Ritter, so hat das Studium der Texte aller möglichen literarischen Gattungen gezeigt, erschlossen sich schon in der späten Republik eine Reihe alternativer Handlungsfelder, und diese Entwicklung erhielt mit der Etablierung der Monarchie noch einmal eine neue Dynamik. Sie beteiligten sich als Autoren und Patrone an dem lebhaften literarischen Leben. Sie sammelten Kunstwerke und Bücher und stellten diese Objekte in den Pinakotheken und Bibliotheken ihrer Villen in einem idealen Ambiente aus. Und nicht zuletzt intensivierten sie in den demonstrativen Konsum aller Arten von Luxusgütern, mit denen sie ihren Reichtum und ihre Fähigkeit zur Distinktion zur Schau stellten. Der vorherrschende Handlungsmodus dieser Elite blieb dabei die Konkurrenz. Doch im Streben nach Vorrang konnte der kultivierte Connaisseur nun den bewährten Consular überbieten.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110615722
Auflage
1

1 Einleitung: Aristokratische Lebenswelten im Vergleich

In den folgenden Ausführungen zu den kulturellen Praktiken und den Distinktionsstrategien der römischen Elite in der späten Republik und der frühen Kaiserzeit möchte ich in diesem einleitenden Kapitel, das die Leitfragen und die methodischen Grundlagen behandelt, explizit an meine Arbeiten zu den griechischen Eliten der archaischen und klassischen Zeit anschließen, weil die zentralen Fragestellungen und bestimmte theoretische Modelle auf meine Forschungen zur ‚Adelskultur‘ zurückgehen und die folgenden Analysen und Reflexionen somit durchaus in einer gewissen Kontinuität stehen.1 Allerdings stellen die gravierenden Unterschiede zwischen den sozialen und politischen Ordnungen der griechischen Welt einerseits und des spätrepublikanischen und frühkaiserzeitlichen Rom andererseits eine interessante Herausforderung dar, da es immerhin um die zentrale Frage geht, inwieweit die für die griechische Welt entwickelten Kategorien und Interpretationsraster methodisch sinnvoll und inhaltlich vielversprechend auf die doch recht unterschiedliche Kultur Roms anzuwenden sind. Es kommt hinzu, dass es im Folgenden auch und vor allem um jene Transformationen gehen soll, die aus der Etablierung der Monarchie resultierten und die kollektive Konstitution und die Reproduktion der Elite sowie die Bemessung der Handlungsspielräume ihrer einzelnen Mitglieder betrafen.
Am Anfang soll ein kurzes Resümee zum derzeitigen Stand der Erforschung der griechischen Eliten stehen, das gewissermaßen als Folie für die Überlegungen zu Senatoren und Rittern in Republik und Kaiserzeit fungieren soll. Bei den Eliten der griechischen Poleis der archaischen und klassischen Zeit – darüber herrscht mittlerweile weitgehender Konsens – handelte es sich nicht um eine rechtlich abgeschlossene Gruppe, deren Zusammensetzung durch feste, etwa geburtsständische Schranken reguliert war. Darüber hinaus beruhte der Status des Einzelnen in den Poleis nicht allein und nicht einmal primär auf seiner Vorrangstellung innerhalb der Gemeinwesen. Daher galt es in ihrem Fall zunächst grundsätzlich zu hinterfragen, worin diejenigen, die sich selbst ‚die Guten‘ und ‚die Besten‘ nannten, den anderen eigentlich überlegen waren und durch welche Vorzüglichkeitsmerkmale und darauf beruhende Prominenzrollen sie sich auszeichneten.2
Zentrale Bedeutung kommt dabei der Frage nach den ‚Feldern‘ zu, auf denen die Angehörigen der Elite agierten und jene Kapitalien erwarben, die ihnen einen Platz in der Spitzengruppe der Gesellschaft sicherten. Das Konzept des ‚Feldes‘ bezeichnet nach Pierre Bourdieu einen „autonomen Mikrokosmos innerhalb des sozialen Makrokosmos“, der sich jeweils in einem eigenen und eigenständigen Konstituierungsprozess entfaltet. Für jedes dieser Felder – das kulturelle, religiöse, militärische und nicht zuletzt das politische Feld – gelten entsprechende Verhaltens- und Handlungsregeln, „die in einem anderen Mikrokosmos keine Gültigkeit haben“. Jedes Feld ist ein „Universum mit eigenen Bewertungskriterien, die sich von den Gesetzen der gewöhnlichen sozialen Welt unterscheiden“. Akteure, die in eines dieser Felder eintreten, müssen sich den darin geltenden Regeln unterwerfen und sie müssen zugleich versuchen, eine gewisse Geltungsmacht über sie zu bekommen, um sie in ihrem Sinne operationalisieren zu können.3 Der Begriff des Feldes ist in den Überlegungen von Bourdieu eng mit dem Konzept des ‚Kapitals‘ verbunden. Er unterscheidet einerseits zwischen „geerbtem“ und „erworbenem Kapital“ und differenziert andererseits zwischen verschiedenen „Kapitalsorten“.4 Das ökonomische Kapital besteht im Wesentlichen in Besitztümern verschiedener Art und liegt deshalb „allen anderen Kapitalarten zugrunde“.5 Das soziale Kapital basiert auf den komplexen Netzwerken sozialer Beziehungen, in die der Einzelne eingebunden ist. Es bildet also jene „Ressource, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruht“.6 Das kulturelle Kapital setzt sich aus Erziehung und Manieren, Bildung und Wissen zusammen und zielt dabei zugleich auf den gesamten Lebensstil seines Eigentümers ab.7 Das symbolische Kapital umfasst im weitesten Sinne alle gesellschaftlich anerkannten Zeichen von Rang, Status und Prestige, die ein Individuum vor anderen auszeichnen. Und das heißt konkret, dass es in effektvoll inszenierten Akten der performativen Selbstdarstellung immer wieder öffentlich zur Schau gestellt werden muss, um es zu reproduzieren, zu aktualisieren und in die Zukunft zu perpetuieren.8
Gerade die Fragen nach den unterschiedlichen Handlungsfeldern und Kapitalsorten im Sinne Bourdieus haben sich für die Erforschung der griechischen Eliten als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Neuere Arbeiten haben gezeigt, dass es als eine kulturspezifische Besonderheit anzusehen ist, dass die Aristokraten im archaischen und klassischen Griechenland auf multiplen Feldern agierten: Wenn man den Blick gewissermaßen von innen nach außen richtet, stellt zunächst der individuelle oikos einen zentralen Handlungsraum dar, in dem der Einzelne als Familienoberhaupt, Wahrer und Mehrer des Vermögens, also des ökonomischen Kapitals, fungierte.9 Damit untrennbar verbunden war die Mitgliedschaft im Bürgerverband der Polis, die allgemeine Teilhabe und konkrete Teilnahme einschloss. In diesem Aktionsraum boten sich dem einzelnen Aristokraten zahlreiche Möglichkeiten: Er konnte sich auf dem militärischen Feld als Anführer auszeichnen und er konnte im religiösen Feld als Priester etwa Aufgaben bei Festen und Kulten übernehmen. Und nicht zuletzt konnte er sich auf dem besonderen politischen Feld als Redner in Volksversammlungen, Mitglied in Ratsgremien und Inhaber eines Amtes hervortun. Dabei kam es in jenem komplexen Verdichtungs- und Integrationsprozess, in dessen Verlauf sich die Poleis als stadtstaatlich verfasste Politien mit zentralen Gremien formierten, zu einer gewissen Sonderstellung des politischen Feldes. Doch selbst in Athen, wo der politische Aktionsraum zu einem autonomen Handlungsfeld mit einem eigenen komplexen Regelwerk avancierte, blieb der Kampf um Vorrang in diesem Bereich stets nur Teil der umfassenden Aktivitäten derjenigen, die auch unter den neuen Bedingungen als ‚die Guten‘ und ‚die Besten‘ angesehen werden wollten.10
Deren Aktionsraum war nämlich außerordentlich weit – und zwar in jeder Hinsicht. Denn einerseits blieben die statuskonstituierenden Aktivitäten der Angehörigen der Elite in ihren heimatlichen Gemeinwesen keineswegs auf das politische und religiöse Feld beschränkt. Sie konkurrierten vielmehr auch in so typisch aristokratischen Tätigkeiten wie etwa der Ausrichtung von Symposien und athletischen Übungen in der Palästra mit ihren Standesgenossen und wetteiferten bei jenen öffentlichen Ritualen und Zeremonien um Aufmerksamkeit und Ansehen, bei denen ihre trainierten Körper, ihre kostbare Kleidung und ihr gesamter Habitus sie unübersehbar über die anderen Teilnehmer hinaushoben. Einem sichtbaren und anerkannt eleganten Lebensstil und einer dementsprechenden „distinguiert-distinguierenden Lebensführung“ kam in den griechischen Gemeinwesen als gewissermaßen autonomes, eine eigene spezifische Prominenz begründendes Kriterium also eine erhebliche Bedeutung zu. Darüber hinaus agierten zumindest die Spitzengruppen der Eliten auch jenseits ihrer Heimatpoleis in dem weiten panhellenischen Handlungsraum, der sich etwa durch die Kultfeiern in den gesamtgriechischen Heiligtümern in Olympia und Delphi, die athletischen und musischen Agone in Olympia und Nemea sowie am Isthmos von Korinth und in Delphi konstituiert hatte. Die griechischen Aristokraten betätigten sich also auf einer Vielzahl von Feldern, die ihnen jeweils die Chance boten, die erwähnten ökonomischen, sozialen und symbolischen Kapitalien zu erwerben.11
Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass sich die entsprechenden Aktivitäten auf allen diesen Feldern stets im sozialen Handlungsmodus der Konkurrenz abspielten. Diejenigen, die sich selbst die ‚Schönen‘, die ‚Guten‘ und die ‚Besten‘ nannten, wetteiferten um ein Spektrum von distinktiven Überlegenheitsmerkmalen, die sie auf unterschiedlichen Feldern der Konkurrenz und vor unterschiedlichen Foren erwarben.12 Bei einer Bewertung der Agonalität als zentralem Verhaltensmuster der griechischen Aristokraten zeigt zumal Georg Simmels Konzept der Konkurrenz erhebliches analytisches Potential. Danach bezeichnet der Begriff ‚Konkurrenz‘ einen Kampf um einen Preis, der sich nicht in der Verfügungsgewalt eines der daran beteiligten Konkurrenten befinden darf. Diese besondere Form des Kampfes spielte sich vielmehr vor einer ‚dritten Instanz‘ ab, also vor einem von allen beteiligten Konkurrenten umworbenen, neutralen Schiedsrichter, der den Sieger kürt und ihm einen ‚Kampfpreis‘ als Prämie zuerkennt, der immer eine rare und daher begehrte Ressource sein muss.13 Als Preisrichter in den multiplen Agonen im archaischen und klassischen Griechenland agierten die Bürger der eigenen Polis, die Symposiasten in den andrones, die Kampfrichter bei den Spielen sowie die weitere Öffentlichkeit bei gesamtgriechischen Festen und Kulten – und damit gab es eben keine einheitliche Schiedsinstanz, welche etwa den Preis einer umfassenden Aristie hätte vergeben können. Dementsprechend wetteiferten die Teilnehmer an diesen Konkurrenzen um ein breites Spektrum von Siegespreisen: In der Polis waren bestimmte, auch materielle Privilegien und vor allem Positionen von Rang und Einfluss auf dem besonderen politischen Feld zu vergeben. Die Preise bei den athletischen und musischen Agonen reichten von den symbolischen Auszeichnungen bei den Kranzspielen bis hin zu handfesten geldwerten Objekten. Alle diese Prämien stellten für die Sieger jeweils wertvolle Einlagen in ihr symbolisches Kapital dar, das ihren Anspruch auf Zugehörigkeit zu der Gruppe an der Spitze der gesellschaftlichen Pyramide begründete.
Allerdings führten diese Kapitalien in der Regel nur zur Etablierung ephemerer und ihrer Natur nach stets volatiler Hierarchien, die darüber hinaus ganz im Sinne Bourdieus zunächst nur für das entsprechende Handlungsfeld Geltung hatten, auf dem sie erworben worden waren. Für die Konvertierbarkeit und den Transfer oder auch die Kumulation respektive Bündelung der unterschiedlichen Kapitalsorten zu einer umfassenden Vorrangstellung fehlte in den griechischen Poleis jedoch ein einheitliches Regelwerk, das alle Handlungsfelder hätte einbinden und aufeinander beziehen können – was allein schon daraus resultierte, dass wichtige Arenen der Konkurrenz jenseits und gewissermaßen oberhalb der einzelnen Polis lagen, denn dort wurde um Prestige und Prominenz auf panhellenischer Ebene gestritten. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Zugehörigkeit zur Elite in den griechischen Poleis auf der überlegenen Performanz auf einer Vielzahl von verschiedenen, in ihrer Wertigkeit nicht eindeutig hierarchisierten Handlungsfeldern beruhte. Die Sieger, die aus diesen multiplen Konkurrenzen hervorgingen, zeichneten sich durch individuelle Überlegenheitsprofile aus, in denen sich so unterschiedliche Statuskriterien wie etwa Reichtum, ein ‚vornehm-adliger Habitus‘ und der Nimbus eines Siegers in den panhellenischen Spielen auf je singuläre Weise mit anderen gewissermaßen ‚funktionalen‘ Prominenzrollen wie etwa der Wortführung in Beratungs- und Beschlussorganen und der Übernahme von Ämtern und militärischen Kommanden verbinden konnten, aber eben nicht mussten.
Dieser Charakterisierung der griechischen Elite, die die Vielfalt der Prominenzrollen der einzelnen Aristokraten und ihre jeweiligen Kombinations- respektive Kumulationsmöglichkeiten und deren Grenzen in den Mittelpunkt stellt, wird in der Forschung zur römischen Republik das Modell einer Führungsschicht gegenübergestellt, die sich konsequent als eine politische Klasse definierte und deren Mitglieder sich exklusiv dem Dienst an der und für die res publica widmeten.14 Die Angehörigen dieser Klasse bewegten sich vornehmlich auf dem politischen, militärischen und religiösen Feld und konkurrierten dort in fest institutionalisierten Formen und nach festgelegten Regeln um Rang und Vorrang. Der Idealtyp des römischen Aristokraten ist demnach der ‚Generalist‘, der sich durch überlegene Kompetenz in Politik, Recht, Rhetorik und vor allem Krieg gleichermaßen auszeichnete und mit seinen peers um ein überschaubares Spektrum von sich ergänzenden und gegenseitig stützenden Prominenzrollen als Senator, Feldherr und Priester, Redner und Anwalt und schließlich als Patron konkurrierte.15 Schauplätze dieser allgegenwärtigen Konkurrenz waren die zentralen öffentlichen Räume im Zentrum der urbs wie etwa das Forum, das Comitium und das Marsfeld, in denen die Angehörigen der Elite mit ihresgleichen und dem populus Romanus interagierten. Dort mussten diejenigen, die über die für den Zugang zu dem zentralen politischen Feld notwendigen ökonomischen und sozialen Kapitalien verfügten, um die Magistraturen konkurrieren, die als die unstrittig prestigeträchtigsten Prominenzrollen galten.16 Denn es waren vor allem die Magistraturen, die ihren Inhabern und deren Familien die Zugehörigkeit zur Aristokratie sicherten und zugleich festlegten, wer in der komplexen Taxonomie von Rang, dignitas und auctoritas gerade welche relative Position im Verhältnis zu seinen peers innehatte, die ja immer zugleich seine Konkurrenten waren.
Über den Ausgang dieser Konkurrenz wurde in der Republik durch ‚Volkswahl‘ entschieden – auch wenn das Volk nie eine freie Wahl hatte, sondern nur eine ‚Auswahl‘ unter den Akteuren treffen konnte, die zu dem besonderen Spiel der Konkurrenz auf dem politischen Feld zugelassen waren. Der populus Romanus in den Comitien und den concilia plebis stellte somit jene ‚dritte Instanz‘ im Sinne von Georg Simmel dar, die alljährlich die honores vergab – jene hochbegehrten Siegesprämien, die ihren Inhabern über die Jahresfrist hinaus zudem eine dauerhafte Prominenzrolle als Senator sicherten oder ihm gar die informelle Einstufung in die oberste Rangklasse der nobiles oder principes civitatis eintrugen.17 Im Gegensatz zu den Aristokraten der griechischen Poleis verfügten die römischen Aristokraten also über ein relativ homogenes Überlegenheitsprofil, das sich aus einem allgemein anerkannten, konstanten Spektrum von Prominenzmerkmalen zusammensetzte, die vornehmlich aus einer erfolgreichen Performanz auf dem privilegierten politischen und militärischen Feld resultierten. Dabei ist innerhalb der Gruppe, die über diese Merkmale verfügte, mit einer ausgeprägten Hierarchisierung zu rechnen, die sich nicht nur in den Karrierestufen des cursus honorum, sondern auch in der Zuerkennung von außerordentlichen Kommanden und Ehrungen wie dem Triumph manifestierte, die einzelne Aristokraten aus der Gruppe ihrer peers hervortreten ließen.18 Als eine der Ursachen für die Herausbildung dieser zugleich homogenen und hierarchisierten Elite lässt sich die Existenz ebenjenes einheitlichen Regelwerks identifizieren, das den politischen Raum strukturierte und gegenüber anderen Feldern privilegierte und zugleich die Konkurrenz kanalisierte. An die Stelle der multiplen Instanzen und Institutionen, die im archaischen Griechenland als ‚dritte Instanz‘ fungierten und über die Zuteilung eines ebenso breiten wie heterogenen Spektrums an Siegespreisen entschieden, trat in Rom der populus Romanus, der in jährlichem Rhythmus durch die Vergabe der Magistraturen die politische Klasse symbolisch neu konstituierte und ihre interne Hierarchie durch die Zuweisung von Rang und Status an die einzelnen Akteure neu austarierte.19 Dabei kann es als eine Besonderheit der republikanischen politischen Kultur angesehen werden, dass es neben dem politischen und militärischen Feld keine alternativen Felder der Distinktion gab. Es bestanden keinerlei Möglichkeiten, sich durch Aktivitäten auf anderen Feldern zu profilieren, um gesellschaftliche Anerkennung und darauf beruhenden Rang zu erwerben. Alternativen zu diesem Lebensmodell wurden nicht als Varianzen, sondern als Devianzen betrachtet, die einem tief verankerten kollektiven Konsens über Werte und Normen widersprachen.
Das hier beschriebene System darf allerdings keineswegs als über die Generationen hinaus stabil oder gar statisch begriffen werden. Zumal die rasante außenpolitische Entwicklung und die Expansion in Italien und darüber hinaus stellten die politische Ordnung vor immer neue Herausforderungen und machten ständig Modifikationen aller Art erforderlich – eine Entwicklung, die im letzten Jahrhundert der Republik eine gesteigerte Dynamik und krisenhafte Brisanz entfaltete und schließlich in der Errichtung der Monarchie durch Augustus ihren Höhepunkt erreichte.20 Für die politische Klasse resultierten aus diesen komplexen Veränderungsprozessen vielfältige Erschütterungen jenes wohlaustarierten Systems, das die Zuteilung von Positionen und Ressourcen regelte, welche traditionell Macht und Einfluss gesichert hatten. Schon die außerordentlichen Kommanden und die ‚berühmt-berücht...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Vorwort
  5. 1 Einleitung: Aristokratische Lebenswelten im Vergleich
  6. 2 Einheit oder Vielfalt? Lebensziele und Lebensentwürfe der römischen Aristokratie im Wandel
  7. 3 Epos oder Elegie? Die Dichtung als Weg zum ewigen Ruhm
  8. 4 Mars oder die Musen? Kunstsammler und Kunstkenner im republikanischen und kaiserzeitlichen Rom
  9. 5 Toga oder Chlamys? Dresscodes und Habitus der spätrepublikanischen und kaiserzeitlichen Aristokraten
  10. 6 Luxus oder Dekadenz? Konsum und Konkurrenz beim römischen Gastmahl
  11. Texte und Übersetzungen
  12. Zitierte Literatur
  13. Personenregister – antik und modern
  14. Sachregister