Deutsche und italienische Besatzung im Unabhängigen Staat Kroatien
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Deutsche und italienische Besatzung im Unabhängigen Staat Kroatien

1941 bis 1943/45

  1. 448 Seiten
  2. German
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Deutsche und italienische Besatzung im Unabhängigen Staat Kroatien

1941 bis 1943/45

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Über dieses Buch

Als Deutschland und Italien 1941 den Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) schufen und damit die faschistische Ustascha an die Macht brachten, schafften sie beste Voraussetzungen für eines der dunkelsten Kapitel der jugoslawischen Geschichte: Bis zum Ende des Krieges bestimmten Massengewalt, Verfolgungen, ethnische Säuberungen, Flucht und Bürgerkrieg den "Alltag" der Bevölkerung. Doch sollten sich beide Länder ebenfalls in den Fallstricken ihrer eigenen Machtpolitik verfangen. Sie blieben nämlich vor Ort als Besatzer, Kriegsparteien und Politiktreibende. Der NDH bietet somit ein Brennglas, um die nationalsozialistischen und die faschistischen Vorstellungen von Imperium, Besatzung und Machtdurchsetzung zu untersuchen. Die Autorin analysiert auf einer breiten Quellenbasis aus deutschen, italienischen, serbischen und kroatischen Archiven die deutsche und die italienische Besatzungspolitik und insbesondere auch das Verhalten gegenüber der Lokalbevölkerung.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110620368
Auflage
1
Thema
History

1 Einleitung

Als die Achsenstaaten Deutschland und Italien im April 1941 Jugoslawien in einem kurzen Krieg besiegten und in seiner Mitte den Unabhängigen Staat Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, NDH)1 schufen, sollte dieser die ihm im jeweiligen Imperium zugedachte Rolle einnehmen. Konkret war Deutschland primär an der ökonomischen Ausbeutung des NDH interessiert, während Italien ihn in seinem Lebensraum, dem spazio vitale, mit allen Implikationen, die dazu gehörten, verortete. Die kroatische Version der Faschisten, die Ustascha, sollte beiden Achsenpartnern unbeschränkte Zugriffe garantieren, ohne dass diese sich weiter in Regierung und Verwaltung des Gebietes hätten involvieren müssen. Diese Vorstellung zerbarst jedoch innerhalb weniger Tage nach der Ausrufung des NDH. Die Ustascha verfolgte nämlich eigene Ziele, die mit den Zielen Deutschlands und Italiens oft nicht vereinbar waren.2 Die Verfolgung der nationalen Minderheiten, die sofort einsetzte, schuf Aufstände und Instabilität, die schließlich zwei Aufstandsbewegungen, die sich zunächst gegen die Besatzer in Serbien formiert hatten, idealen Nährboden lieferte. Zudem schaffte es Italien nicht, seine Ansprüche auf rein diplomatischem Weg durchzusetzen. Deutschland und Italien mussten vor Ort bleiben, wenn sie ihren Einfluss wahren und ihre Privilegien weiterhin behalten wollten.
Die beiden Achsenpartner teilten den NDH in zwei Einflussgebiete: der Norden mit der Hauptstadt Zagreb blieb unter deutschem Einfluss, während der Süden mit der gesamten Adriaküste italienisches Einflussgebiet wurde. Diese „Einflussgebiete“ verwandelten sich durch die Kompetenzaneignungen der Deutschen und der Italiener, die auf Kosten des „souveränen“ kroatischen Staates gingen, de facto immer mehr in Besatzungsgebiete.3 Daher ist im Folgenden die Rede von der deutschen und der italienischen Besatzung, auch wenn sich diese zum Teil deutlich von echten Besatzungsgebieten, wie beispielsweise Serbien, unterschied.
Deutschland und Italien standen im NDH den gleichen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Problemen gegenüber. Trotzdem unterschieden sich ihre Problemlösungsansätze deutlich voneinander. Woher sie rührten und zu welchen Politikstrategien sie führten, soll im Folgenden eine vergleichende und zugleich verflechtende Untersuchung sichtbar machen. Frei nach Charles Tilly wird diese mindestens zwei Typen des Vergleichs einschließen: den individualisierenden Vergleich, der die Besonderheiten herausarbeitet, und den einschließenden Vergleich, da die Vergleichsgegenstände auch zu einem größeren Ganzen, dem NDH, gehören.4 Nach Jürgen Kocka kann verglichen werden, um sowohl ein grundsätzliches Muster, das den verglichenen Gegenständen unterliegt, als auch um einen bestimmten Aspekt in seiner Einzigartigkeit besser zu verstehen und ihn vom anderen besser zu unterscheiden.5 Viele Untersuchungen haben sich bisher eines, wenn man so will, „asymmetrischen Vergleichs“ bedient, d. h. sie haben nur den deutschen respektive den italienischen Teil der Besatzung untersucht, dabei jedoch Ähnlichkeiten wie Unterschiede zwischen den beiden Besatzungen postuliert. Diese Vergleiche dienten dazu, die jeweils eigenen Thesen zu unterstützen.6 Dabei kommen solche Studien nicht nur an die methodologischen Grenzen des Vergleichs, wo sie auf die Sekundärliteratur angewiesen sind, sondern bleiben oft der eigenen Meistererzählung verhaftet.7
Über den Vergleich hinaus soll auch ein verflechtender Ansatz verfolgt werden. Ein Verstehen der deutschen und der italienischen Besatzungspolitik ist letztlich ohne die Berücksichtigung des anderen nicht möglich, denn die jeweilige Politik hat stets auch die Politik des Bündnispartners bestimmt.8 Darüber hinaus soll der lokale Aspekt so stark wie möglich in die Analyse einbezogen werden. Bisherige Studien litten häufig an der zu starken Fokussierung auf nur einen Aspekt der Besatzung im NDH – sei es nun ein räumliches Teilgebiet (und somit nur ein Besatzer) oder ein spezieller Gesichtspunkt der Besatzung, wie die militärische Partisanenbekämpfung. Dabei fordert insbesondere die Untersuchung der Besatzung, wie kaum ein anderer Aspekt militärischer Konflikte, nach der Verknüpfung politischer und militärischer Analysen.9 Hinzu kommt, dass viele Studien im komplexen Gewirr der vielen nationalen Historiographien nicht alle Entwicklungen angemessen wahrnahmen.10 Daher sollen die unterschiedlichen Blickwinkel der Forschung auf die Besatzung die Verzerrungen, die durch eine zu starke Fokussierung auf die eine (meist eigene) Nation entstehen, überwinden.
Wie können nun die italienische und die deutsche Politik im NDH beschrieben und verortet werden? Edvard Kardelj, einer von Titos engsten Vertrauten, schrieb im Frühling 1942 an Tito folgende Zeilen über das Verhalten der italienischen Soldaten:
Sie brannten die Dörfer nieder, brachten die Menschen (falls sie nicht vorher geflohen waren) brutal in die Konzentrationslager und nun zwangen sie sie zurück an die Ruinen ihrer niedergebrannten Häuser, brachten ihnen sogar etwas Essen und die gleichen Soldaten helfen ihnen nun, ihre Häuser wieder aufzubauen. Es ist ein Irrenhaus!11
Das beschriebene, auf den ersten Blick völlig aberwitzig anmutende Verhalten der italienischen Soldaten, erinnert an die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Es scheint als hätten sie zwei Gesichter gehabt: Einerseits wendeten sie die terroristischen Methoden der Aufständischenbekämpfung auf die gesamte Zivilbevölkerung an, andererseits halfen sie anschließend eben dieser Bevölkerung beim Wiederaufbau. Die beschriebene Situation ist symptomatisch für das Verhalten der italienischen Armee im NDH während der gesamten zweijährigen Besatzung: Auf der einen Seite proklamierte die italienische Armee die Gleichbehandlung aller Personen und setzte dies auch zu einem großen Teil um. Auf der anderen Seite wurde dieselbe Bevölkerung Opfer der Aufständischenbekämpfung, die nicht zwischen den Aufständischen und der Bevölkerung unterscheiden konnte oder wollte.
Die Auseinandersetzung mit dem italienischen Faschismus im Krieg wurde lange Zeit vernachlässigt, während Untersuchungen der Zeit zwischen 1922 und 1939 umfangreich sind. Dies speist sich wohl aus der Tatsache, dass tatsächliche italienische Eroberungen nicht mit den Vorkriegsambitionen mithalten konnten und im September 1943 zu einem jähen Ende kamen. Von einigen frühen Ausnahmen abgesehen,12 hat es bis zu den 1990er Jahren gedauert, bis sich in Italien eine Debatte um italienische Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs gebildet hatte, die sich insbesondere auf Afrika und den Balkan konzentrierte. Aus dem Bedürfnis, nicht nur die Kriegsverbrechen zu untersuchen, sondern auch das in der italienischen Öffentlichkeit verbreitete Bild eines „bravo italiano“ zu hinterfragen und letztlich zu revidieren, sind einige Arbeiten entstanden, die sich mit der italienischen Besatzung auf dem Balkan beschäftigen.13 Dabei wird zumeist die Repressionspolitik der italienischen Armee betont, der eine grundlegende Brutalität zugesprochen wird. Diese wird jedoch nicht systematisch mit der deutschen Repressionspolitik im NDH verglichen.14
Das bisher zentrale Werk für die Erforschung der italienischen Besatzung bildet Davide Rodognos Dissertation zur italienischen Mittelmeerpolitik.15 Die viel gepriesene und viel zitierte Studie zeigt einerseits die Ziele Mussolinis und der Faschisten in Bezug auf eine Neuordnung des Mittelmeerraums, andererseits ihre konkrete Umsetzung und schließlich die Diskrepanz zwischen Zielen und Umsetzung auf. Insgesamt erfuhr das Thema zu Beginn des neuen Jahrtausends eine Hochkonjunktur, wie auch eine Sonderausgabe der Zeitschrift Qualestoria von 2002 zeigt, die der italienischen Besatzung auf dem Balkan gewidmet ist.16 Ein weiterer Sammelband wandte sich spezifisch der Besatzung in Jugoslawien zu und untersuchte auch bis dato vernachlässigte Themen, wie die Besatzung im Kosovo oder in Montenegro.17 Weitere Veröffentlichungen vertieften bestimmte Aspekte der Besatzung, wie zum Beispiel italienische Kriegsverbrechen oder die Besatzung Jugoslawiens.18 Die meisten Arbeiten nehmen allerdings eine weite Perspektive ein, während lokale Untersuchungen kaum angestellt werden. Dies führt teilweise zu reduktionistischen Thesen – wenn beispielsweise mit Blick auf den ganzen Balkan argumentiert wird, dass die Propaganda der Aufständischen die italienischen Militärs wenig kümmerte,19 obschon für den NDH genau das Gegenteil zutrifft. Eric Gobetti war bisher der erste und einzige, der den NDH ins Zentrum einer Untersuchung stellte. Sie zeigt vor allem die Komplexität des Beziehungsgeflechtes zwischen den Ustascha, den Tschetniks und den Italienern auf.20
So wichtig es war und ist, den Mythos vom „sauberen Italiener“ zu dekonstruieren und die italienischen Kriegsverbrechen zu benennen und zu untersuchen, so greifen die bisher gebotenen Erklärungen zu kurz, will man die facettenreiche italienische Besatzungspolitik im NDH erklären. Denn neben Repressionen und Kriegsverbrechen bestand diese auch aus Versuchen, die Bevölkerung durch direkte Kommunikation und positive Anreize für eine Zukunft in einem italienischen Imperium zu gewinnen.21 Der Ansatz, der im vorliegenden Buch verfolgt wird, um dieses zwiespältige Verhalten zu erklären, erweitert die klassischen Untersuchungen der Politik-, Diplomatie- und Militärgeschichte durch bestimmte ideengeschichtliche Ansätze.22 Sie können helfen, die Besatzung dort, wo „klassische“ Politik- und Militärgeschichte an ihre Grenzen kommen, zu erklären.
Während es sehr viele Untersuchungen der deutschen Pläne einer neuen europäischen Ordnung gibt, beschäftigten sich Historiker, wie Monica Fioravanzo bemerkte, weiterhin nur am Rande mit den entsprechenden italienischen Plänen. Sie erklärt dies damit, dass die italienischen Neuordnungsvorstellungen niemals umgesetzt wurden.23 Historiker betrachteten sie für die angestrebte Ausdehnung des Imperiums als wichtig, nicht aber für die tatsächliche Besatzungspolitik vor Ort leitend. Entsprechend wurden vor allem die Unterschiede zwischen den Ideen der italienischen „neuen Ordnung“ und ihrer tatsächlichen Umsetzung in den europäischen Besatzungsgebieten betont.24 Doch wenn man Emilio Gentiles Forderung folgt und das „symbolische Universum“ von Liturgien, Ritualen, Symbolen, Mythen und Gedenken, als ein System von Glauben und Werten25 ernst nimmt, dann muss auch gefragt werden, welche Konsequenzen die beinahe zwanzigjährige Propagierung dieser Werte für die italienische Besatzungspolitik und die Besatzungsrealität hatte.
Die Vorstellung vom italienischen Imperium sowie das Empire Building werden in der hier vorliegenden Studie als ein mentaler Rahmen verstanden, mit dem sich das italienische Verhalten im besetzten Kroatien erklären lässt. Dies ist eine Herausforderung, da es sich um zwei sehr unterschiedliche Bereiche handelt. Doch gibt es genügend Hinweise, die daraufhin deuten, dass diejenigen, die die Besatzungspolitik bestimmten, durchaus eine (diffuse) Vorstellung vom italienischen Imperium jenseits der rein geographischen Ausdehnung hatten. Sie waren gewillt, sowohl an dessen Erschaffung mit zu arbeiten, als auch zu bestimmen, wie es denn beschaffen sein sollte. Die Verbindungen zu Vorkriegsvorstellungen vom italienischen Imperium werden im ganzen Verhalten der italienischen Besatzungsarmee sichtbar. Letzteres w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Vorwort
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Die Achsenverbündeten und der Balkan: Ideologien, Visionen und Pläne
  7. 3 Der Unabhängige Staat Kroatien (NDH)
  8. 4 Imperiale Beziehungen
  9. 5 Die Minderheiten des NDH und die Besatzer
  10. 6 Ideologie und Propaganda vor Ort
  11. 7 Aufständischenbekämpfung I: Militärische Kooperationen
  12. 8 Aufständischenbekämpfung II: Partisanenkrieg und Repressionen
  13. 9 Zwei Verbündete, eine Besatzungspolitik?
  14. Anhang
  15. Terms Index