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Enklaven
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Inhaltsverzeichnis
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Ăber dieses Buch
Die Bezeichnung "Enklave" wird fĂŒr unterschiedliche PhĂ€nomene und Prozesse verwendet. Enklaven sind in sozialer, politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht von den sie umgebenden RĂ€umen wie Nationalstaaten, StĂ€dten oder Wirtschaftssektoren abgegrenzt. Enklaven umschlieĂen soziokulturelle Minderheiten, "Staaten im Staate" oder Produktionszonen, die den Interessen auswĂ€rtiger Akteure oder bestimmter Interessengruppen dienen. Innerhalb von Enklaven gelten eigene Regeln. Dieser Band beleuchtet Enklavenbildung am Beispiel der Förderung von Rohstoffen in Afrika.
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Information
1âEinleitung
Eine der groĂen Fragen, die in zahlreichen Foren im Zusammenhang mit Globalisierung kontrovers debattiert werden, ist die Rolle und das Gewicht von Nationalstaaten. Deren Handlungsspielraum schien vor allem in den 1990er Jahren mit der rasant zunehmenden Anzahl und Geschwindigkeit an grenzĂŒberschreitenden AktivitĂ€ten und Transaktionen sowie der Etablierung von globalen und regionalen Institutionen und Regulierungsmechanismen zu schwinden. Die MachtfĂŒlle multinationaler Konzerne und Finanzinstitutionen rief in der Ăffentlichkeit Kritik und Proteste gegen âHeuschrecken-Kapitalismusâ hervor. Ungleiche Entwicklung brĂ€chte âGlobalisierungsverliererâ hervor, wozu viele LĂ€nder des sogenannten Globalen SĂŒdens gehören.
Im Rahmen des SFB 1199 fragen wir, ob und wie sich unter Globalisierungsbedingungen Raumformate und Raumordnungen wandeln. Raumformate sind âgleichermaĂen Strukturen, die das soziale Handeln prĂ€gen, und Imaginationen, die das soziale Handeln anleiten. Und sie sind das Produkt des Handelns genauer bestimmbarer Akteure bzw. Akteursgruppenâ.1 Ein solches Raumformat ist der Nationalstaat. Wie wirkt er mit neuen Raumformaten in geĂ€nderten Raumordnungen zusammen?
Der vorliegende Beitrag behandelt diese Fragen am Beispiel des Raumformates âEnklaveâ. Politische und wirtschaftliche Enklaven gelten in wissenschaftlichen und populĂ€ren Diskursen oft als Konkurrenz zum Nationalstaat. Manche Autoren sehen die Zunahme von Enklaven verschiedener Art als zwangslĂ€ufige Begleiterscheinung des global expandierenden Kapitalismus.2 Enklavenbildung wird in einem Teilprojekt des SFB anhand von empirischen Untersuchungen zu extraktiven Industrien im subsaharischen Afrika nĂ€her betrachtet, was gleichzeitig zu einer breiteren Erörterung dieses PhĂ€nomens einlĂ€dt. Aus unseren vorlĂ€ufigen Ergebnissen lĂ€sst sich die These ableiten, dass bestimmte Ressourcen wie BodenschĂ€tze und die daran gekoppelten Formen der Transnationalisierung von entsprechenden Wertschöpfungsketten sowie die Tendenz zum rent seeking seitens der Regierungen bestimmte Raumformate hervorbringen, darunter prominent die Enklave. Wo Enklavenbildung stattfindet, gibt es oft aber auch Bestrebungen, einer vollstĂ€ndigen Abschottung extraktiver AktivitĂ€ten entgegen zu wirken. Sowohl der Nationalstaat als auch Akteure auf substaatlicher Ebene tragen durch Regulierung, Verhandlung oder Protest dazu bei, dass Fördergebiete von Rohstoffen nicht vollstĂ€ndig von Wirtschaft und Gesellschaft abgekoppelt werden.
In den folgenden Abschnitten stelle ich zunĂ€chst kurz verschiedene Definitionen und Verwendungen der Bezeichnungen âEnklaveâ vor. Dann erlĂ€utere ich die âextraktive Enklaveâ und den damit zusammenhĂ€ngenden âRohstoff-Fluchâ (resource curse). AnschlieĂend diskutiere ich Fergusons These der Enklavenbildung (enclaving) im Rohstoff-Abbau in Afrika und deren kritische Rezeption. Dabei fĂŒhre ich eine weitere Raummetapher ein, welche in Diskursen ĂŒber Bergbau prominent ist, die frontier, und diskutiere das VerhĂ€ltnis von Enklave und frontier zueinander.
Als Enklave (von französisch enclaver âeinschlieĂen, umschlieĂenâ) bezeichnet man in geographisch-politischer Hinsicht ein Staatsgebiet, welches vollstĂ€ndig vom Gebiet eines anderen Staates umschlossen ist.3 Beispiele sind San Marino und die Vatikanstadt innerhalb von Italien oder Lesotho innerhalb von SĂŒdafrika. Im ĂŒbertragenen Sinne spricht man auch von Enklaven, wenn sich innerhalb eines geografischen Gebiets inselartig Siedlungen oder Gemeinschaften befinden, die sich kulturell oder sprachlich von ihrer Umgebung unterscheiden (z. B. âSprachinselnâ wie das Sorbische in Sachsen). Die Bezeichnung Enklave findet sich darĂŒber hinaus in der sozialwissenschaftlichen Literatur in unterschiedlicher Bedeutung. Im Folgenden werden einige dieser Verwendungen skizziert.
2 SozialrÀumliche Segregation
Eine Verwendung von âEnklaveâ bezieht sich auf PhĂ€nomene sozialrĂ€umlicher Segregation in StĂ€dten. Das Resultat solcher Segregationsprozesse wird oft auch âGhettoâ genannt. Separate Wohngebiete fĂŒr Angehörige bestimmter Berufsgruppen, Völker oder Religionen gab es schon in den StĂ€dten der Antike. Als âGhettoâ bezeichnete man erstmals 1516 in Venedig das abgeschlossene jĂŒdische Wohnviertel. WĂ€hrend des Dritten Reichs wurden Sammellager fĂŒr Juden vor der Deportation in Vernichtungslager Ghetto genannt. Seit den 1920er Jahren verwendet man diese Bezeichnung fĂŒr Stadtteile mit ĂŒberwiegend armer und unterprivilegierter Bevölkerung in US-amerikanischen GroĂstĂ€dten.1 Wacquant hebt hervor, dass sich marginalisierte Bevölkerungsgruppen und Stadtteile in europĂ€ischen LĂ€ndern nicht mit dem US-amerikanischen âHyperghettoâ vergleichen lassen.2 WĂ€hrend letzteres durch eine systemische Exklusion, Kriminalisierung und âterritoriale Stigmatisierungâ der afroamerikanischen Bevölkerung gekennzeichnet sei, verhindere der Staat in europĂ€ischen LĂ€ndern in der Regel eine solche Polarisierung.
Gelten Ghettos als RĂ€ume fĂŒr Stadtbewohner, die aufgrund verschiedener Merkmale sozial ausgegrenzt werden, so sind âgated communitiesâ selbst gewĂ€hlte urbane RĂŒckzugsorte. Seit den 1970er Jahren wĂ€chst in den USA die Anzahl von Wohnsiedlungen, welche von Mauern oder ZĂ€unen umgeben und von Sicherheitsdiensten bewacht werden.3 Luymes zeigt auf, dass die Herausbildung urbaner Enklaven in Form von abgeschlossenen Wohnsiedlungen in US-amerikanischen GroĂstĂ€dten mit verschiedenen Aspekten wie sozialer Fragmentierung, steigenden BedĂŒrfnissen nach PrivatsphĂ€re und Sicherheit, der Entwicklung von GrundstĂŒcksmĂ€rkten und Suburbanisierung zusammenhĂ€ngen.4 âGated communitiesâ sind eine Reaktion auf eine (wahrgenommene) Zunahme von KriminalitĂ€t und eine abnehmende LeistungsfĂ€higkeit staatlicher Sicherheitsdienste.
Der Umzug in eine âgated communityâ kann ein Distinktionsmerkmal sein: Diese Lebensform muss man sich leisten können. Caldeira nennt die von ihr erforschten âgated communitiesâ in Sao Paulo und Los Angeles âfortified enclavesâ.5 GeschĂŒtzte Wohnsiedlungen sind fĂŒr Eliten attraktiv, weil sie gleichzeitig Sicherheit, Abgeschlossenheit, soziale HomogenitĂ€t, Annehmlichkeiten und Dienstleistungen bieten. Die Einwohner der âfortified enclavesâ schotten sich freiwillig selbst ab und tragen damit zu einer Fragmentierung der urbanen Ăffentlichkeit bei. Gleichzeitig hĂ€ngt der Lebensstil der Bewohner von âfortified enclavesâ ab von hĂ€uslichen Dienstleistungen durch Angehörige der Ă€rmeren Schichten, von denen sie sich eigentlich abgrenzen wollen.
Das PhĂ€nomen findet sich zunehmend auch im Globalen SĂŒden. So sehen Bezuidenhout und Buhlungu die Verfestigung urbaner Enklaven wie suburb, compound, township und homeland in sĂŒdafrikanischen BergbaustĂ€dten als Symptom der Post-Apartheids-Ăra, die von staatlicher SchwĂ€che und zunehmender sozio-ökonomischer Ungleichheit charakterisiert ist.6
Inhaltsverzeichnis
- Title Page
- Copyright
- Contents
- 1âEinleitung
- 2âSozialrĂ€umliche Segregation
- 3âUrbane ethnische Enklavenökonomien
- 4âEnklavenökonomie und Enklavendemokratie
- 5âExtraktive Enklaven und Rohstoff-Fluch
- 6âExtraktive Enklaven und frontiers in Afrika
- 7âSchluss