1 | App-Usability – ein Einstieg |
Checkliste – Die wichtigsten Aufgaben zur App-Usability
Achten Sie auf Ihren Anwender.
Verstehen Sie seine Bedürfnisse.
Unterstützen Sie seine Ziele.
1.1 Was ist Usability, und um was geht es hier eigentlich?
Den Begriff Usability haben Sie bestimmt schon einmal gehört, selbst verwendet oder gar mit erforscht.
Mit jeder neuen Version von Android, iOS oder Windows Phone erscheinen neue Apps mit einem Funktionsumfang und Lösungsansätzen, an die vorher niemand gedacht hätte. Entwickler kommen auf neue Ideen für innovative Eingabearten. Viele solcher Bedienmuster sind dann auch tatsächlich in die großen Updates der mobilen Betriebssysteme aufgenommen worden. Als Beispiel denke man an den Mailclient Mailbox mit seinen Swipe-Gesten zum Archivieren. Die Darstellung ist im bordeigenen Mailclient von iOS sehr ähnlich übernommen worden.
Wenn Sie aufzählen wollten, wie viele Apps Sie benutzt haben, seitdem Sie ein Smartphone nutzen, könnten Sie eine Zahl nennen? Oder sind es eher die App-Namen, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind? Da war doch diese eine App, die keine Buttons hatte und bei der alles über Swipes gesteuert wurde. War farblich sehr ansprechend gestaltet, konnte man auch mit Themes anpassen. Wenn ich mich an den Namen erinnern könnte! Ich weiß nur noch, dass sie für schnelle Notizen gedacht war, um wichtige Dinge nicht zu vergessen …
So gesehen, machte die App alles richtig. Sie haben die App genutzt und Ihre geplanten Vorhaben nicht vergessen – außer vielleicht den Namen der App. Gut, der war recht simpel, Sie kommen bestimmt darauf. Manchmal denkt man, man habe die beste Lösung bereits gefunden, und auch die Testpersonen bestätigen die einfache und selbsterklärende Bedienung der App – bis die ersten Bewertungen im App Store eintreffen. Aber irgendwann wird es die Situation geben: Sie haben wochenlang Arbeit in das (Re-)Design einer App gesteckt, und keiner sagt etwas oder bemerkt, dass sich vieles verändert hat. Dann haben Sie es geschafft – die App wird benutzt, ohne dass der Benutzer nur darauf achtet, wie er sie nutzen soll.
Um was geht es?
Kurz: Es geht darum, ein konkretes Ziel mit wenig Aufwand oder Belastung erfolgreich zu erreichen. Die Definition von Belastung bei der Benutzung von Software ist aber oft schwammig formuliert.
Checkliste – »Belastungen« beim Bedienen von Apps
Kognitiv – benötigter Lernaufwand, um alles zu verstehen.
Motorisch – Durchführen der benötigten Gesten und Klicks.
Psychisch – Wirkung auf den Benutzer im Allgemeinen über Datensicherheit bis hin zu den verwendeten Farben und ihrer Wirkung.
Usability und Werkzeuge
Nutzerfreundlich, gebrauchstauglich, Benutzer, Ziel, effektiv – behalten Sie diese Begriffe im Hinterkopf. Es dreht sich alles zunächst um den Benutzer.
Um es in den Worten von Prof. Simon Nestler zusammenzufassen: »Die zentralen Erkenntnisse der Usability-Forschung sind auf jede Software anwendbar, insbesondere auch für Webanwendungen: Erstens: Achten Sie auf Ihren Anwender. Zweitens: Verstehen Sie seine Bedürfnisse. Drittens: Unterstützen Sie seine Ziele.«
Diese Aussage schließt nicht aus, dass Usability immer selbsterklärend sein soll. Sie unterstreicht sogar das Gegenteil, wenn der Bedarf danach besteht. Versuchen Sie in diesem Kontext, die Software oder App ganz schlicht als Werkzeug zu sehen.
Software als Werkzeug
Werkzeuge nutzen der Mensch und seine Vorfahren schon seit Jahrtausenden, und einiges hat sich im Laufe der Zeit so perfekt entwickelt, dass kaum mehr große Veränderungen nötig sind, etwa beim Hammer.
Der Hammer ist ein Werkzeug, das sich aus einem einfachen Stein entwickelt hat. Anfangs noch unförmige, klobige Steine, wurden nach und nach rundliche Bachsteine eingesetzt – runde Handschmeichler, die weniger Verletzungen hervorriefen und beim Einsatz nicht so sehr ermüdeten. Allerdings hielten diese Bachsteine aufgrund ihrer Struktur nie lange und zerbrachen. Nach und nach hat sich aus unförmigen und dann rundlichen Steinen der altbekannte Hammer entwickelt, im Prinzip nichts weiter als ein Stein mit einem Stab, um die Beschleunigung besser auszunutzen und das Verletzungsrisiko zu minimieren. Mit Ausnahme von kleinen Anpassungen ist der Hammer perfekt, wie er ist. Denn: Er ist schlicht, erfüllt seinen Zweck, und vor allem weiß man sofort, wie man ihn benutzen muss.
Grenzen wir zunächst den Begriff Benutzer, sofern nicht ausdrücklich anders genannt, als technisch unbedarften Nutzer mit mittelmäßigen Kenntnissen ab. Zudem verwenden wir ihn als Sammelbegriff für weibliche und männliche Nutzer.
Wie geht das denn jetzt?
Sobald sich der Benutzer diese Frage stellt, haben wir schon das erste Problem. Er kann das Programm nicht so verwenden, wie er sich das vorgestellt hat. Demnach wird er es entweder verlassen oder sich externe Hilfe zur Bedienung suchen. Im schlimmsten Fall beendet er das Programm und fasst es nie wieder an.
Usability hat in erster Linie nichts mit einem schönen Design zu tun. Dieser Schritt kommt zum Schluss der Entwicklung. Jedoch tragen ein abgestimmtes und verständliches Layout und ein durchdachtes Design enorm zu einer guten Usability bei.
Der Benutzer will nur eins: dass das Programm sein Problem löst. Dass dieser Schritt nicht unnötig verzögert werden soll, versteht sich von selbst. Ebenso, dass Frustrationen vermieden werden sollen.
Menschen beobachten
Sollten Sie einmal an einem belebten Bahnhof (U- oder S-Bahnhof geht auch) eine halbe Stunde Zeit totschlagen müssen, stellen Sie sich einfach in die Nähe eines Fahrkartenautomaten und beobachten unauffällig die Nutzer. Teilen Sie sie vorher in drei Gruppen ein: junge, technisch versierte Nutzer (Digital Natives), mittelalte, technisch bewanderte Nutzer sowie Senioren.
Achten Sie möglichst darauf, nicht entdeckt zu werden, da der Benutzer direkt in (Support-)Kommunikation treten wird. Solche Beobachtungen vermitteln einen guten Einstieg in die Usability von Touchscreens.
Wozu braucht man Usability?
Die Digital Natives, also Benutzer, die mit Internet, Smartphone, Notebooks etc. aufgewachsen sind, haben in der Regel keine Angst im Umgang mit neuer Software.
Sie probieren auch gern aus, was funktionieren könnte, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sie etwas löschen oder kaputt machen könnten. Diese Benutzer sind vertraut mit bekannten Mustern und setzen sie immer wieder ein.
Genau das ist der Knackpunkt: Immer wieder verwendete Muster oder Icons, die beliebig eingesetzt werden und nicht immer die gleiche Funktion beherbergen, können dazu führen, dass der Nutzer umdenken muss. Diese Muster sind schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ein Umdenken in Stress ausarten kann.
Als Beispiel nehmen wir den Blinker im Auto. Möchte man nach rechts abbiegen, drückt man den Blinker nach oben, will man nach links, drückt man ihn nach unten. Das ist eine auch logisch nachvollziehbare Bedienart. Jetzt stellen Sie sich eine Autofahrt vor, bei der Sie zum Rechtsblinken den Hebel zu sich ziehen und zum Linksblinken den Hebel drücken müssten.
Das Beispiel ist weit hergeholt, aber das war gewollt. Beim Thema Autofahren würden nur die wenigsten mit Schulterzucken und einer Aussage wie »Na und? Man gewöhnt sich an alles.« antworten.
Ein näherliegendes Beispiel ist ein mit X beschrifteter Button. Wirklich festgelegt ist die Funktion dahinter nicht. So kann der Button für Abbruch oder auch für Löschen stehen, je nach...