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Aristophanes in deutscher Sprache

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Aristophanes in deutscher Sprache

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Das Übersetzen der Komödien des Aristophanes (*um 450 v. Chr.) gilt nicht zuletzt wegen der vielen obszönen Scherze als schwierig. Vor allem die an Obszönitäten besonders reichen 'Frauenkomödien' ( Lysistrate, Ekklesiazusen, Thesmophoriazusen ) wurden bis zum Ende des 18. Jahrhundert kaum rezipiert oder in moderne Volkssprachen übersetzt. Bei den übrigen Komödien wurde das gattungsspezifische Element des Obszönen durch die Übersetzer lange Zeit weitestgehend zurückgedrängt. Erst in jüngster Zeit erscheinen auch Übersetzungen, die sich um eine semantisch adäquate Wiedergabe der obszönen Termini bemühen. Die vorliegende Arbeit untersucht die übersetzungstheoretische und -praktische Auseinandersetzung von insgesamt 11 deutschsprachigen Übersetzern und Bearbeitern des Aristophanes (u.a. W. von Humboldt, Droysen, Schadewaldt, Holzberg, Fried, Jens) mit der Obszönitätsthematik am Beispiel der Komödie Lysistrate. Dabei werden jeweils auch Rückschlüsse auf das durch die Übersetzung und die Behandlung des Obszönen vermittelte Aristophanes- bzw. Antikebild gezogen. Abschließend bietet der Band eine systematische Zusammenstellung der identifizierten Übersetzungsstrategien nach typologischen Gesichtspunkten.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110623291

1‚Obszöne Sprache‘ in der Alten Komödie

1.1Das Phänomen der ‚Aischrologie‘ in der Alten Komödie

1.1.1Ursprünge und Vorformen

Komödienaufführungen fanden in Athen spätestens seit dem frühen 5. Jahrhundert v. Chr. statt. Seit dem Jahr 486 v. Chr. waren sie fester Bestandteil der alljährlich im Frühjahr (März/April) gefeierten Großen Dionysien, seit 445/4 auch der Lenäen (Januar/Februar). Diese institutionalisierten Festveranstaltungen zu Ehren des Gottes Dionysos umfassten bekanntlich11 – neben anderen Kult- und Repräsentationsveranstaltungen12 – auch Preiswettkämpfe um die besten Darbietungen von Dithyrambenchören13 (nur bei den Dionysien), Tragödien14 und Komödien15. In der Organisation dieser musischen Wettkämpfe spiegelte sich die demokratische Verfasstheit des attischen Staates wider. So waren zahlreiche athenische Bürger als Choregen, Chorsänger, Laiendarsteller oder Mitglieder des Preisgerichts unmittelbar in das agonale Geschehen eingebunden.16 Die übrigen Athener verfolgten die für jeweils nur eine einzige Aufführung konzipierten und einstudierten Stücke als Zuschauer auf den Rängen des Dionysostheaters, das zur Zeit des Aristophanes etwa 6000 bis 7000 Menschen17 Platz bot.
Die frühe Form der attischen Komödie, die sogenannte Alte Komödie, ist uns heute fast ausschließlich durch die elf erhaltenen Stücke des Aristophanes (um 450 bis nach 388 v. Chr.) bekannt.18 Von älteren und gleichaltrigen Komödiendichtern sind lediglich Fragmente überliefert.19 Aristophanes brachte zwischen den Jahren 427 und 388 v. Chr. etwa 45 Komödien zur Aufführung und errang mindestens fünfmal den ersten Platz im Komödienagon. Insbesondere seine frühen, in der Anfangsphase des Peloponnesischen Krieges entstandenen Stücke (Acharner, Ritter, Wolken I, Wespen, Frieden) lassen in ihrem Aufbau noch deutliche Bezüge zu älteren Formen komischer Dramatik erahnen. Dazu gehört vor allem die typische Gegenüberstellung eines komischen Protagonisten mit bäuerlich-derben Zügen (βωμολόχος), der ebenso wie die Nebendarsteller mit ausgepolstertem Hinterteil und künstlichem Phallos ausgestattet ist, und eines Chores, dessen Mitglieder sehr häufig als ‚Tiere‘20 oder andere Phantasiegestalten (z. B. als Wespen, Vögel oder Wolken) kostümiert sind. Im Wechsel von dialogischen Sprechszenen und gesungenen oder rezitativischen Chorpartien – der Chor kann dabei sowohl Gegner als auch Unterstützer des Protagonisten sein – wird in der Regel ein gänzlich absurd erscheinendes Anliegen des Protagonisten unter Überwindung zahlreicher komischer Hindernisse seiner Verwirklichung entgegengeführt. So handelt etwa in den Acharnern der attische Bauer Dikaiopolis im siebten Jahr des Peloponnesischen Krieges einen dreißigjährigen Privatfrieden mit den Spartanern aus, um wieder ungehindert Handel mit den Nachbarstaaten treiben zu können, mit denen Athen offiziell verfeindet ist. Dafür muss er sich trickreich gegen den Chor – eine Gruppe von reaktionären Köhlern aus dem attischen Demos Acharnai – zur Wehr setzen, die ihn als Kriegsverräter beschimpfen und mit dem Tode bedrohen. Nach glücklicher Überwindung sämtlicher Widerstände wird die neue Situation dann üblicherweise in einer Reihe lustiger Szenarien (epeisodische Szenen) auf ihre ‚Alltagstauglichkeit‘ überprüft, bevor das siegreiche Agieren des Protagonisten schließlich durch ein sinnenfreudiges Festgelage belohnt wird.21
Vor dem Hintergrund dieser absurd-phantastischen Handlungs- und Personenkonstellation nimmt jedoch die Alte Komödie – und darin liegt ihre Besonderheit – immer wieder unmittelbar Bezug auf das aktuelle Zeitgeschehen und das Leben in der athenischen Polisgemeinschaft.22 So unterzieht der Komödiendichter des 5. Jahrhunderts die politischen und kulturellen Verhältnisse seiner eigenen Zeit – wie z. B. die prekäre Situation Athens zur Zeit des Peloponnesischen Krieges, die übertriebene Prozesswut der Athener, neuartige intellektuelle Strömungen oder die zeitgenössische Dramenproduktion – einer witzigen, oftmals auch harschen Kritik. Dies schließt sowohl beleidigende Äußerungen gegenüber fiktiven Handlungsträgern der Komödie als auch derbe namentliche Verspottungen (ὀνομαστὶ κωμῳδεῖν)23 prominenter Zeitgenossen ein.24 Dabei bieten körperliche Schwächen, persönliche Marotten, moralische Defizite oder sexuelle Vorlieben literarischer Konkurrenten oder politischer Gegner dem Komiker willkommene Angriffsflächen für beleidigende Schmähungen und obszöne Scherze. Die ‚Opfer‘ solcher Schmähungen werden bisweilen direkt als Bühnenfiguren in die Handlung einbezogen, wie z. B. der Philosoph Sokrates (Wolken) oder der Tragiker Euripides (Thesmophoriazusen, Frösche), bisweilen werden ihre Namen im Verlauf des Stückes – nach Art eines ‚running gag‘ – immer wieder mit unrühmlichen Situationen in Verbindung gebracht wie etwa bei dem als Schildwegwerfer (ῥίψασπις bzw. ἀσπιδαποβλής) verhöhnten Politiker Kleonymos25 oder dem homosexuellen Demagogen Kleon, den Aristophanes in zahlreichen Komödien verspottet26 und unter anderem als „Feigling und Riesenarschfotze“27 (δειλὸς καὶ λακαταπύγων; Ach. 664) tituliert.
Dieses für die Alte Komödie typische Phänomen der verbalen Verunglimpfung, das üblicherweise mit dem aus der antiken Rezeptionstradition übernommenen Terminus ‚Aischrologie‘ (αἰσχρολογία) bezeichnet wird,28 lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf kultische Ursprünge zurückführen.29 So wurden beispielsweise während der lokalen griechischen Kultfeste für Demeter oder Dionysos Festumzüge (πομπαί und κῶμοι) veranstaltet, bei denen die Teilnehmer u. a. künstliche Phalloi mitführten, sich gegenseitig verspotteten und mit obszönen Beleidigungen attackierten.30 Das freizügige Sprechen über sexuelle und skatologische Inhalte – im griechischen Alltagsleben ebenso wie in anderen Kulturen mit einem strikten Tabu belegt31 – war im Rahmen dieser offiziellen und zeitlich begrenzten Festivitäten gesellschaftlich sanktioniert.32 Die Obszönität wurde hier nicht als anstößig empfunden, sondern geradezu erwartet.33 Aus solchen kultischen Verspottungsritualen entwickelte sich wohl zunächst eine primitive Vorform der Komödie als dramatische Aktivität mit Streit und Obszönität, die allmählich durch das Ausdifferenzieren der Chor- und Schauspielerpartien sowie der komödienspezifischen Strukturelemente die Gestalt der uns überlieferten Form der Alten Komödie annahm.34
Eine frühere Form der Weiterentwicklung der kultisch-volkstümlichen Aischrologie stellt die iambische Dichtung dar, deren Überlieferung im 7. Jahrhundert v. Chr. einsetzt.35 Die Vertreter des Iambos, zu ihnen gehörten u. a. Archilochos von Paros, Solon von Athen und Semonides von Amorgos, stellten – wahrscheinlich im Kontext der aristokratischen Symposionskultur – zeitgenössische Ereignisse in den Mittelpunkt ihrer Dichtung und ergingen sich dabei in unflätigen Beschimpfungen ihrer politischen Widersacher.36
In der Komödie des 4. Jahrhunderts war das Element der persönlichen Invektive nahezu verschwunden. Bereits in den späten Komödien des Aristophanes (Ekklesiazusen, Plutos) ist ein deutlicher Rückgang der Aischrologie zu verzeichnen, so dass diese Stücke bisweilen schon der sogenannten Mittleren Komödie zugerechnet werden,37 die als Übergangsphase zu der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts einsetzenden Neuen Komödie angesehen wird.38 Die Handlung der Neuen Komödie ist – im Unterschied zur Alten Komödie – zumeist im ‚bürgerlichen‘ Milieu angesiedelt und besteht häufig in der karikierenden Darstellung eines schwierigen Charaktertypus und der Lösung verzwickter, aber harmloser Liebeshändel – hiervon vermitteln uns vor allem die Stücke Menanders (342/1–291/0 v. Chr.) und die an ihn anknüpfenden röm...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Vorwort
  6. Inhaltsverzeichnis
  7. Einleitung
  8. 1 ‚Obszöne Sprache‘ in der Alten Komödie
  9. 2 Obszöne Sprache als Übersetzungsproblem
  10. 3 Deutsche Aristophanes-Übersetzungen im Vergleich
  11. 4 Auswertung der Arbeitsergebnisse
  12. Literaturverzeichnis
  13. Personenregister