Staatliche Grenzen
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Staatliche Grenzen

  1. 56 Seiten
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Staatliche Grenzen

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Über dieses Buch

Staatliche Grenzen sind in Europa ein zentraler Topos politischer Auseinandersetzungen, in denen liberale, national-konservative, populistische und offen rassistische Positionen artikuliert werden. Welche Funktionen haben sie? Welche Effekte und WidersprĂŒche im Hinblick auf die Kontrolle welcher MobilitĂ€ten werden durch Grenzen produziert? Diesen Fragen geht dieser Band nach.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110641691

1 Einleitung

Auch und gerade unter Bedingungen der Globalisierung sind Grenzen ein wesentliches Element raumbezogener gesellschaftlicher Formierungsprozesse. Daher sind sie Gegenstand des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1199 „VerrĂ€umlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ (Erste Förderphase 2016 – 2019).1 Grenzen werden im Kontext des SFB als prozessual und relational verstanden: prozessual in dem Sinne einer Betonung des Be- und Abgrenzens als TĂ€tigkeit; relational im Hinblick darauf, dass das Ziehen von Grenzen stets als kontextuell verstanden werden muss und diese KontextualitĂ€t wiederum als eine dynamische, verĂ€nderliche begriffen wird. Dieses VerstĂ€ndnis ermöglicht ein relativ breites Adressieren unterschiedlicher Formen des Grenzziehens wie auch unterschiedlicher Grade der sozialen und rĂ€umlichen Manifestation von Grenzen, ihrer gegenseitigen Beeinflussung und StĂŒtzung, ihrer sozialen Verbindlichkeit, Durchsetzung und StabilitĂ€t.
Innerhalb dieses Spektrums beschrĂ€nkt sich der vorliegende Text auf staatliche Grenzen. Diese sind insofern fĂŒr den SFB von Interesse, als der Nationalstaat eines der Raumformate ist, mit denen sich der SFB im Hinblick auf ihre Bedeutung fĂŒr und ihre VerĂ€nderung durch die global condition auseinandersetzt. Einerseits ist das Raumformat des Nationalstaats durchaus erfolgreich im Hinblick auf seine – bei aller Variation und FragilitĂ€t – hegemonial gewordene Form sozialer und politischer Organisation und Herrschaft,2 andererseits ist diese „Leitkategorie“3 massiv unter Druck geraten. Was gegenwĂ€rtig im Hinblick auf die Durchsetzung einer global condition beobachtet und beschrieben wird, weist auf eine Ausdifferenzierung und VervielfĂ€ltigung von global agierenden Akteur*innen hin, die sich von einer primĂ€r auf Nationalstaaten und ihrer internationalen Verflechtung beruhenden Raumordnung emanzipieren.4 Das hat zur Folge, dass die hegemoniale Position, die der Nationalstaat als Raumformat der Moderne erlangt hat, so unbestritten und selbstverstĂ€ndlich nicht mehr ist, wie sie in vielen Teilen der Welt (und nicht zuletzt in Europa) erschienen sein mag. Gegen die Folgen einer auf vielen Felder ökonomisch und kulturell durchgesetzten global condition, gegen die als Desintegration und SkalenvergrĂ¶ĂŸerung sichtbar werdenden Bruchlinien und Verwerfungen und gegen die damit einhergehenden Verunsicherungen wird aktuell der Nationalstaat und mit ihm ein nationalstaatlich legitimiertes und entsprechend justiertes Grenzregime (wieder) in Stellung gebracht. Staatliche Grenzen sind in Europa gegenwĂ€rtig ein zentraler Topos politischer Auseinandersetzungen, in denen liberal-kosmopolitische, national-konservative, wirtschaftsliberale, populistische und offen rassistische Positionen artikuliert werden. Aber auch jenseits normativer Perspektiven auf staatliche Grenzen im Kontext ideologischer Polarisierungen stellt sich die Frage nach der Bedeutung (national‐)staatlicher Grenzen im Hinblick auf die konkret – auch imaginativ – gegebenen sozial-rĂ€umlichen Ordnungen und Beziehungen: Welche Funktionen haben sie? Welche Erwartungen werden im Hinblick auf ihr „Funktionieren“ von wem artikuliert? Welche Effekte und WidersprĂŒche im Hinblick auf die Kontrolle welcher MobilitĂ€ten werden durch Grenzen produziert?
Staatliche Grenzen – so die diesem Text zu Grunde liegende Annahme – haben als Mittel der VerrĂ€umlichung unter Bedingungen der Globalisierung keineswegs an Bedeutung verloren, sondern behalten wichtige Funktionen in Praxen des Raumordnens oder gewinnen sogar neue hinzu. In diesem Sinne können Grenzen als Mittel des Definierens wie auch des Sichtbarmachens dynamischer territorial-rĂ€umlicher Ordnungen des Sozialen, Wirtschaftlichen und Politischen verstanden werden.5
Als Mittel der Herstellung gesellschaftlicher Ordnungen als rĂ€umliche Ordnungen sind Grenzen eng verbunden mit einer Vielzahl von rĂ€umlichen Konstruktionen – im SFB 1199 als „Raumformate“ adressiert6 – die aus der Sicht der im Sonderforschungsbereich zusammenwirkenden Projekte von besonderer Relevanz fĂŒr das VerstĂ€ndnis von Raum unter Bedingungen der Globalisierung sind. Raumformate sind einerseits durchgesetzte gesellschaftliche Strukturierungen, an denen sich Handeln ebenso (reproduzierend) orientieren, wie es sich von ihnen absetzen kann. Raumformate liegen andererseits als handlungsprĂ€gende Imaginationen vor. Ein solches Raumformat ist der Nationalstaat: eine global durchgesetzte, hegemonial gewordene, dennoch variantenreiche Form der Amalgamierung von Territorium, SouverĂ€nitĂ€t und Herrschaft7 – Murphy spricht von „regimes of territorial legitimation“8 –, die regelmĂ€ĂŸig nicht nur einen Herrschaftsraum, sondern auch einen Sozial- und Wirtschaftsraum definiert (ungeachtet ihrer permanenten Überschreitungen). Painter9 hat diese im Raumformat des Nationalstaats manifestierte Verdichtung als territory effect beschrieben und damit darauf verwiesen, dass Nationalstaaten Produkte von Prozessen und Praktiken sind, die ihrerseits als rĂ€umlich (territorialisierend, aber auch skalierend, vernetzend, verortend) verstanden werden können, oder, um es in der Terminologie des SFB auszudrĂŒcken, als „Ergebnisse von (
) VerrĂ€umlichungsprozessen, die sich durch lĂ€ngerfristige Wiederkehr, Routinisierung und Institutionalisierung sowie durch PerformativitĂ€t und die Reflexion ihrer Stabilisierung auszeichnen.“10
Grenzen spielen fĂŒr dieses Raumformat eine höchst relevante Rolle – was nicht zuletzt an einer Vielzahl aktueller Probleme beobachtet werden kann: Wenn ĂŒber die Steuerung der Verteilung von GeflĂŒchteten in der EuropĂ€ischen Union (EU) verhandelt wird, steht im Kern das Schengenregime zur Debatte. Der Status der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland hat sich im Laufe der Brexit-Verhandlungen als das möglicherweise am schwersten zu lösende Problem der Entflechtung von Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EuropĂ€ischen Union erwiesen. Staatliche Grenzen interferieren zudem mit zahlreichen anderen Raumformaten wie z. B. „Regionen“, „Imperien“, „Warenketten“ und deren inhĂ€renten Grenzziehungen: Zum einen weil fĂŒr diese Raumformate die jeweilige AusprĂ€gung von Staatsgrenzen – z. B. in Form von Regulationen des GĂŒter- und Zahlungsverkehrs – relevant sind, zum anderen, weil Raumformate stets mittels (eigener) Grenzziehungen operieren. Diese mĂŒssen keineswegs immer mit einer scharfen territorialen Demarkation einhergehen, sondern können symbolischer oder wahrnehmungsbezogener Art sein – und dennoch nicht minder wirksam im Hinblick auf sozialweltliche Ordnungsvorstellungen.
Der argumentative Ausgangspunkt ist mithin die (national‐)staatliche Grenze, die als konstitutives Merkmal mit dem Territorium als hegemoniale rĂ€umliche Form der Organisation politischer Herrschaft in der Moderne einhergeht. Zudem beziehen sich die nachfolgenden AusfĂŒhrungen primĂ€r auf Prozesse in Europa und Nordamerika, woraus eine Ausrichtung zugunsten bestimmter geopolitischer Problematisierungen resultiert, die die Erfahrungen des globalen Nordens stĂ€rker reflektiert als Perspektiven, die sich auf andere Voraussetzungen, Erfahrungen, Möglichkeiten und Restriktionen des Handelns beziehen. Dies wĂ€re zwar im Hinblick auf eine umfassende Darstellung des sozial-rĂ€umlichen PhĂ€nomens „Grenze“ wĂŒnschenswert, kann aber im Rahmen dieses Bandes nicht geleistet werden. Folglich sind die in den nachfolgenden Kapiteln getroffenen Aussagen keine Aussagen ĂŒber „Grenzen“ schlechthin, sondern Aussagen, die im Wesentlichen auf der Interpretation Bedingungen und AusprĂ€gungen von Grenzregimes in Europa und Nordamerika basieren.11 So berĂŒcksichtigen die nachfolgenden AusfĂŒhrungen vor dem Hintergrund eines Interesses an Fragen der Produktion und Reproduktion von Raumformaten primĂ€r Arbeiten,12 die Grenzen – im Sinne der „arrangements theories“13 – als GegenstĂ€nde der sozialen Welt deuten, d. h. die staatliche Grenzen nicht nur als Mittel und Ausdruck von Machtordnungen, sondern zugleich auch als Mittel und Ausdruck von Wissensordnungen verstehen.
In Kapitel 2 werden die Begriffe border, bordering, borderscape und Grenzregime/border regime im Hinblick auf ihre jeweilige Perspektive auf staatliche Grenzen diskutiert. Die in diesem Text verwendete Literatur spiegelt die MultidisziplinaritĂ€t wider, die die gegenwĂ€rtige Grenzforschung prĂ€gt, hat aber – der eigenen disziplinĂ€ren Herkunft geschuldet – einen Schwerpunkt in der Geographie und in den (geographienahen) critical border studies.14 Ziel dieses Kapitels ist es, (erstens) die unterschiedlichen Reichweiten der konzeptionellen Begriffe in Bezug auf ihre KapazitĂ€t, die materiellen, strukturellen und symbolischen Dimensionen staatlichen Grenzen als Produkt und Mittel multipler Arrangements zu erfassen, um damit (zweitens) einen begrifflichen Rahmen dafĂŒr zu schaffen, dass das VerhĂ€ltnis des Raumformats „Nationalstaat“ zu „staatlichen Grenzen“ weder eindeutig noch stabil ist. Dieser Gedanke wird in den Kapiteln 3 und 4 aufgegriffen und vertieft. Kapitel 3 betont zunĂ€chst die Rolle von staatlichen Grenzen im Sinne des von Painter identifizierten „territory effect“ als Ausdruck sowohl einer territorial-rĂ€umlichen Verdichtung von Zirkulation und Regulation von sozialer, ökonomischer und politischer Prozesse als auch der DiskontinuitĂ€t.15 Kapitel 4 hebt die Bedeutung des „umzĂ€unten Machtcontainers“16 als Ergebnis wie auch als ProjektionsflĂ€che von SouverĂ€nitĂ€t hervor. In Abschnitt 5 wird die Rolle staatlicher Grenzen fĂŒr die Definition individueller wie kollektiver IdentitĂ€t – genauer gesagt fĂŒr die Identifikation des Einzelnen in Bezug auf einen staatsbĂŒrgerlichen Status – herausgearbeitet. Daran schließen sich zwei Kapitel an, in denen die VerĂ€nderung von Kontroll- und Überwachungspraktiken als Prozess einer vielfĂ€ltigen – rĂ€umlichen, organisatorischen und akteursbezogenen – Ausdifferenzierung.
Kapitel 8 und 9 thematisieren den konkreten Ort der Grenze und das Grenzland als Produkt der territorialen, fixen und wechselseitig exklusiven Gestalt des Raumformats Nationalstaat. Dies geschieht nicht um einem begrifflichen Konzept von Grenze das Wort zu reden, das diese auf eine lineare Demarkation reduziert, sondern um darauf zu verweisen, dass rĂ€umliche und soziale Dispersionen von Grenzfunktionen – die Verlagerung von Kontroll- und Überwachungsfunktionen in Datenbanken, in Visaerteilungsmechanismen, in ein ex-territoriales Vorfeld, an private Unternehmen usw. – eben nicht bedeutet, dass dem konkreten Ort der Grenze keine Bedeutung mehr zukĂ€me. Dem – wie auch immer konkret zu bestimmende – Nahraum der Grenze kommt daher durchaus „immer noch“ erhöhte Aufmerksamkeit zu: als Zone erhöhter staatlicher Wachsamkeit bis hin zur militĂ€rischen (Dauer‐)PrĂ€senz wie auch als Experimentierraum fĂŒr niedrigschwellige ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. 1 Einleitung
  5. 2 Border und bordering, borderscape und Grenzregime: Eine begriffliche Vorbemerkung
  6. 3 Staatliche Grenzen im Kontext rĂ€umlicher Strukturierungen des Sozialen
  7. 4 SouverĂ€nitĂ€t und Grenzsicherung
  8. 5 IdentitĂ€t und Identifikation
  9. 6 Versicherheitlichung und preparedness
  10. 7 „Smart Borders“: Ausdifferenzierung von Grenzfunktionen
  11. 8 Der Ort der Grenze: Verortung und Entortung von Kontroll- und Überwachungspraktiken
  12. 9 Grenzland: Grenze und (lokale) Alltagspraktiken
  13. 10 Zusammenfassung