As-Sīsīs Hauptstadtprojekt im Kairoer Osten
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As-Sīsīs Hauptstadtprojekt im Kairoer Osten

Neues Verwaltungszentrum und strategische Raumkonstruktion

  1. 68 Seiten
  2. German
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As-Sīsīs Hauptstadtprojekt im Kairoer Osten

Neues Verwaltungszentrum und strategische Raumkonstruktion

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Mit der Neuen Verwaltungshauptstadt soll in der Arabischen Wüste östlich von Kairo eine Planstadt für mehr als fünf Millionen Einwohner entstehen. Anhand dieses riesigen, prestigeträchtigen Bauprojekts des ägyptischen Präsidenten ?Abd al-Fatt?? al-S?s? zeigt Patrick Loewert, wie die Interessen machtvoller Entscheidungsträger mit dem Projekt der Wüstenurbanisierung verwoben sind. Dazu bedient sich der Autor der strategischen Raumkonstruktion als handlungstheoretisch ausgerichtetem Ansatz.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110669497

1Einleitung

Scharm el-Scheich, eine Kleinstadt am Roten Meer an der Südspitze der Sinai-Halbinsel, ist unter Ägyptern wie Touristen vor allem bekannt als ruhiger und abgelegener Badeort. Einen merklichen Bedeutungszuwachs erfuhr die Stadt für drei Tage im März 2015, als hier eine Tagung unter dem Titel Egyptian Economic Development Conference stattfand. ʿAbd al-Fattāḥ as-Sīsī, der zuvor als neuer Präsident vereidigt worden war, hatte die Veranstaltung im Vorfeld als wegweisendes Treffen beworben, um ein von Revolutionen und Umstürzen zerrüttetes Land wirtschaftlich zu beleben und politisch zu stabilisieren. In entsprechender Hoffnung auf Investitionsmöglichkeiten und auf Einsicht in die Pläne der neuen Regierung waren zahlreiche hochrangige Gäste angereist. Neben 18 Staatsoberhäuptern sowie Delegationen aus Industrienationen nahmen auch der US-amerikanische Außenminister, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds und die Vorstandsvorsitzende der Weltbank an der Konferenz teil. Die Regierung erwartete Hunderte Millionen US-Dollar an Investitionszusagen, die in dreißig vorgestellte Projekte fließen sollten.
Eines der wohl aufsehenerregendsten Projekte wurde am ersten Tag vorgestellt: Ein Modell veranschaulichte die Vision einer neuen Großstadt, die später den Namen Neue Verwaltungshauptstadt (New Administrative Capital) tragen sollte. Das noch sehr grobe Konzept sah Wohnviertel für fünf Millionen Menschen vor, einen Flughafen größer als Heathrow, ein 90 Quadratkilometer großes Solarfeld sowie einen kolossalen Obelisken von mehreren Hundert Metern Höhe im Stadtzentrum. Im Süden der Stadt war ein Themenpark mit der vierfachen Fläche Disneylands in Florida geplant. Als Vorbilder der Planstadt wurden Singapur und Dubai als regionale Wirtschaftsknotenpunkte angeführt.1
Auch wenn die Zielvorgaben des Projekts ungewohnt ambitioniert sind, ist die Gründung einer Stadt in der Wüste kein neues Phänomen in Ägypten. Die Siedlungsflächen aus dem grünen Niltal dehnen sich seit Jahrzehnten sukzessive in die benachbarten Wüsten aus. Dies gilt insbesondere für den Großraum Kairo, ein Konglomerat aus drei verschiedenen Städten zu beiden Seiten des Nils. Die Hauptstadt Kairo, östlich des Nils gelegen, erfährt seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Erweiterung in die Arabische Wüste, die das weite Land zwischen dem Nil und dem Roten Meer ausfüllt. Das Hauptstadtprojekt ist daher nicht Beginn, sondern vorläufiger Höhepunkt der Wüstenentwicklung im östlichen Kairoer Großraum.
Abbildung 1: Größere urbane Areale in der Arabischen Wüste nahe Kairo
Als Hauptbestandteil der ägyptischen Raumplanung und -ordnung ist die Urbanisierung der Wüste in ihrem Ausmaß insbesondere für Entwicklungsländer außergewöhnlich und aufgrund ihres Ressourcenverbrauchs von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens.2 Ihre Analyse kann somit zu einem tieferen Verständnis der Strukturen und politischen Wirkweisen des bevölkerungsmäßig größten Landes der arabischen Welt beitragen. Am Beispiel der Neuen Verwaltungshauptstadt als komplexes und großflächiges Projekt von nationaler Tragweite soll gezeigt werden, wie die Interessen machtvoller Entscheidungsträger mit der Wüstenurbanisierung verwoben sind. Dazu bedient sich der Autor der strategischen Raumkonstruktion als handlungstheoretisch ausgerichtetem Ansatz. Demzufolge lässt sich annehmen, dass Akteure in einem Nutzungskonflikt subjektive Realitäten erschaffen, anhand derer sie ihre Standpunkte vertreten und subjektive Ziele verfolgen. Daraus abgeleitet lauten die vier Fragestellungen des vorliegenden Beitrags:
  1. Welche Akteure sind an der Planung und Entwicklung der Neuen Verwaltungshauptstadt beteiligt und welche Ressourcen stehen ihnen zur Verfügung?
  2. Wie verändert sich die Machtposition der Akteure im Laufe des Stadtentwicklungsprozesses?
  3. Welche Argumente vertreten die Akteure, um ihre Interessen und ihre Einflussnahme im Projekt zu rechtfertigen?
  4. Welche Zielvorstellung liegt den jeweiligen Argumentationslinien zugrunde?
Als Vorbereitung für die Erörterung der Fragen werden in Kapitel 2 in Kürze die Entwicklung des Konstruktivismus, der Strukturationstheorie, des Rational-Choice-Ansatzes und der strategischen Raumkonstruktion als theoretisches Fundament vorgestellt. Anschließend befasst sich der Autor in Kapitel 3 mit den Methoden, die einen empirischen Zugang zu der Thematik ermöglichen. In Kapitel 4 werden deskriptiv die beiden Entwicklungsstränge vorgestellt, die dem Projekt der Neuen Verwaltungshauptstadt zugrunde liegen, nämlich einerseits die Siedlungsexpansion in die Arabische Wüste sowie andererseits die bislang erfolglosen Versuche, das Regierungszentrum zu verlegen. Darauf aufbauend werden in Kapitel 5 die Einflussnahmen und Handlungsmuster der Projektbeteiligten erläutert. Hierfür wird zunächst die Ausgangslage jedes Akteurs beleuchtet. Anschließend erfolgt eine Analyse der internen Argumentation gegenüber konkurrierenden Akteuren, der externen Argumentation als Rechtfertigung des Hauptstadtprojekts in der Öffentlichkeit sowie der Veränderung der Machtposition der Akteure im Laufe des Stadtentwicklungsprozesses. In Kapitel 6 werden die oben gestellten Fragen beantwortet, indem die Akteure zueinander in Verbindung gesetzt werden. Der Untersuchungszeitraum der Arbeit reicht bis etwa September/Oktober 2017, als die ersten Entwicklungsphasen abgeschlossen waren (siehe dazu Kap. 4.3). Neuere Entwicklungen werden am Rande behandelt und aufgrund der fortdauernden Entwicklung der Verwaltungshauptstadt nicht detailliert analysiert. Das Diskussionspapier stellt die gekürzte und aktualisierte Fassung einer Ende 2017 eingereichten Masterarbeit dar.3

2 Theorie

Das Feld der Politischen Geographie als Teil der Sozialgeographie ist ein Sammelbecken verschiedener, sich ergänzender und nicht klar voneinander abgegrenzter Theoriesysteme, wozu unter anderem die Geographische Konfliktforschung zählt. Die handlungsorientierte Konfliktforschung zeichnet sich dadurch aus, dass in einer Analyse von beteiligten Akteuren und ihren Machtpotenzialen Konflikte um die Verfügung über Ressourcen und um deren Kontrolle offengelegt werden. Als grundlegende Untersuchungsgegenstände der Konflikttheorie gelten das „Handeln der Akteure im Konflikt als individuelle Nutzenoptimierungs-Strategie, das Handeln der Akteure innerhalb der Grenzen, Zwänge und Möglichkeiten der sozialen Institutionen und Regeln, [sowie] die Rolle und Bedeutung [von] Ressourcen für das Handeln der Akteure im Raumnutzungskonflikt.“4 Eine Variante der Konfliktforschung bietet Paul Reuber mit seinem Ansatz der subjektiven Raumkonstruktion an, demgemäß Akteure im Konflikt um die Nutzung von Ressourcen subjektive Raumbilder konstruieren, um eigennutzenorientierte Zielvorstellungen durchzusetzen. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, die Entwicklung von Raumnutzungskonflikten hinsichtlich der Wahrnehmung der Beteiligten untersuchen und Rückschlüsse auf ihre subjektiven Ziele ziehen zu können. Diese Herangehensweise lässt eine umfassende Durchleuchtung der kollektiven und individuellen Intentionen und Außendarstellungen zu, die sich in einer machtbetonten Struktur entfalten.
Raumbezogene Konflikte sind nach Anthony Giddens „grundsätzlich gesehen nichts anderes (…) als eine Variante menschlicher Interaktion bzw. gesellschaftlichen Handelns“.5 Demnach erscheint die Urbanisierung der Wüste als eine Vielzahl von Handlungen, die Widerstand anderer Beteiligter hervorrufen. Für diese Perspektive auf räumliche Planungsprozesse sind drei theoretische Einflüsse wesentlich: Die konstruktivistischen Theorien zur Raumwahrnehmung, die Strukturationstheorie Giddens und die Rational Choice-Theorie.
Der Konstruktivismus geht – aufbauend auf den Arbeiten von Ferdinand de Saussure und Jacques Derrida – davon aus, dass die Grundlage des Handelns von Akteuren eine subjektiv konstruierte Realität ist. Er verneint eine objektive Welt und eine bestmögliche Perspektive auf sie; stattdessen nimmt jedes Individuum eine eigene Welt wahr, die real ist und gleichberechtigt neben den Welten anderer Individuen steht. Die Annahme der sozialen Konstruktionen führt, wenn man sie konsequent weiterdenkt, zur Auflösung selbst als naturgesetzliche Tatsachen empfundener Dimensionen wie Zeit und Raum.6 Der Raum existiert nicht mehr als allgemeingültige Tatsache, sondern wird von Menschen konstruiert und definiert. Jegliche Annahme einer Realität beruht auf subjektiven Eindrücken und Selektionen. Dem Forscher fällt somit nicht mehr die Aufgabe zu, die eine objektive Realität zu beleuchten. Vielmehr liegt das Erkenntnisziel der konstruktivistischen Geographie in einer Analyse der Wirklichkeiten raumgestaltender Akteure, die sich in beständigem Wandel und Austausch befinden.
Die Strukturationstheorie nach Giddens erklärt das Handeln der Akteure in diesen subjektiven Realitäten und bildet damit die Grundlage für die geographische Konfliktforschung. Zentraler Bestandteil der Theorie ist die Neuerfindung des Handlungsbegriffs: Demnach sind weniger die Absichten der Subjekte von Bedeutung, als deren tatsächliche Möglichkeiten, die Welt zu verändern.7 Voraussetzung wie Resultat dieser Handlungen sind soziale Strukturen, wobei die von den Subjekten produzierte soziale Wirklichkeit durch diese Strukturen bedingt ist. Das Zusammenwirken der Akteure innerhalb der Strukturen lässt sich durch ein dynamisches Machtgefüge erklären, das die Akteure motiviert, ihre Wahrnehmung prägt und sie mit unterschiedlichen Zugängen zu Ressourcen ausstattet. Giddens Begriff der „Macht“ ist durch drei wesentliche Eigenschaften gekennzeichnet: Er ist moralisch neutral – also nicht grundsätzlich böse –, nicht spezifischen Beteiligten zuzuordnen und allgegenwärtig.8 Die Macht der Akteure beruht nach Giddens auf ihren Ressourcen und sozialen Regeln. Ressourcen sind zweifach zu verstehen: einerseits als Kontrolle über Güter, Objekte, andererseits als Kontrolle über Personen.9 Regeln sind dagegen auf der strukturellen Ebene angesiedelt. Sie erscheinen entweder als kodifizierte Gesetze oder wirken als unbewusste, sozial hergestellte Normen. Die Handlungspraktiken der Akteure generieren diese Regeln und setzen sie durch.
Geht man nun von der Annahme aus, dass Akteure in einer subjektiven Realität handeln und ihr machtbetontes Handeln im Raum auf Regeln und Ressourcen aufbaut, bleibt noch die Entscheidung für eine Handlung zu klären, d.h. die bewusst oder unbewusst hergestellte Motivation zur Handlung auf Basis eines Wahlprozesses. In der verhaltenswissenschaftlichen Sozialgeographie wurden Akteure hierfür schon früh als rational handelnde, eigennutzenorientierte Beteiligte verstanden. Zentraler Ausgangspunkt ist die „Annahme, dass in allen (…) Lebens- und Gesellschaftsbereichen von einzelnen Individuen Wahlhandlungen vorgenommen werden.“10 Die Akteure versuchen, individuell den größten Nutzen mit den geringstmöglichen Kosten zu erreichen. Die modernen Rational Choice-Ansätze nehmen an, dass dieser Nutzen nur subjektiv rational sein kann und sich nicht unbedingt objektiv erschließen lässt. Außerdem handeln die Akteure nicht „unter selbstgewählten, sondern unter vorgefundenen, das heißt vorstrukturierten Umständen“ und sind somit in ihrer Wahlfreiheit stark eingeschränkt.11
Die Grundgedanken der bisher behandelten Konzepte lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Akteure führen mit Rücksicht auf Umwelteinflüsse raumbezogene Handlungen aus. Den Entschluss für eine Handlung fassen sie nach Abwägung verschiedener Wahloptionen. Die Handlungen üben sowohl Einfluss auf die strukturierenden Regeln als auch auf di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Abbildungen
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Theorie
  7. 3 Methodik
  8. 4 Der Kairoer Großraum und das Untersuchungsgebiet
  9. 5 Die Akteure
  10. 6 Fazit
  11. Literatur