Max Mohr
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Max Mohr

Arzt und rastloser Literat

  1. 136 Seiten
  2. German
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Max Mohr

Arzt und rastloser Literat

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Max Mohr (1891–1937), zugleich Arzt und Literat, feierte in den 1920er-Jahren große Erfolge als Dramatiker und pflegte mit zahlreichen bedeutenden Kulturschaffenden seiner Zeit engen Kontakt. Er lebte mit seiner Familie am Tegernsee, verbrachte viel Zeit in Berlin, von wo aus er in Briefen einen spannenden Einblick in den hektischen Literatur- und Theaterbetrieb der Weimarer Zeit liefert. Aufgrund seiner jüdischen Identität musste er 1934 emigrieren. Bis zu seinem frühen Tod lebte und arbeitete er als Arzt in Shanghai. In zahlreichen Briefen entwirft er ein plastisches Bild dieser aufstrebenden Metropole. Diese Biografie erzählt von einer vielschichtigen Persönlichkeit: Mohr sehnte sich nach dem Leben auf dem Land und nach abenteuerlichen Reisen; moderner Technik und dem Großstadtleben stand er, ambivalent gegenüber.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783791761473

1Eine jüdische Unternehmerfamilie zwischen Tradition und Assimilation

Der 17. Oktober 1891 war für die Familie Mohr in Würzburg ein freudiger und hoffnungsvoller Tag. Denn an diesem Tag kam Max Mohr zur Welt, oder mit vollständigem Namen: Max Ludwig Mohr. Er war das dritte Kind seiner Eltern Jeanette (1859–1941) und Leon Mohr (1855–1910).
Sein Vater Leon Mohr betrieb in der Alten Kaserngasse 16 eine Malzfabrik und war ein großer Arbeitgeber in Würzburg. Die Fabrik war in einem repräsentativen Gebäudeensemble untergebracht, gebaut Anfang des 18. Jahrhunderts. Seit 1860 gehörte es Markx Mohr (der Vorname war tatsächlich Markx!), der hier 1865 die Malzfabrik gründete. 1871 erwarb Max Mohrs Großvater Moritz Mohr (1810–1887) das Anwesen samt Wohngebäude, Fabrikanlagen, Obst- und Blumengarten. Er profitierte von dem 1868 beschlossenen Wegfall sämtlicher Siedlungshindernisse für Juden in Bayern.
Ob Markx und Moritz (!) Mohr verwandt waren, ist nicht sicher. Wie die Inschriften auf ihren Grabsteinen belegen, gehörten aber beide zu der jüdischen Priesterkaste der Kohanim. Für Moritz Mohr scheint also der jüdische Glaube noch eine wichtige Rolle gespielt zu haben, aber es sieht so aus, als wenn diese Rolle in der Familie Mohr von Generation zu Generation kleiner wurde. Im Jahr nach dem Kauf der Malzfabrik holte sich Moritz Mohr einen Kompagnon ins Boot, er verkaufte die Hälfte des Unternehmens an Lazarus Adler.
Moritz Mohr hatte drei Kinder: Emilie, die später seinen Kompagnon Adler heiratete, Aurela und Leon, den späteren Vater von Max. Leon erhielt 1881 das Heimatrecht der Stadt Würzburg und damit die Erlaubnis zu heiraten. Er war zwar in Bayern geboren und aufgewachsen, aber wegen seines jüdischen Glaubens durfte er nicht einfach heiraten, sondern brauchte dafür eine staatliche Erlaubnis. Nur drei Wochen, nachdem er diese erhalten hatte, heiratete er Jeannette, die Tochter des wohlhabenden Hopfenhändlers Louis Ullmann; Braut und Bräutigam passten also im wahrsten Sinn des Wortes zusammen wie Hopfen und Malz.
Das Paar lebte nun gemeinsam in ihrem Haus in der Rottendorfer Straße 1 in Würzburg und hatte drei Kinder: Irma, Hedwig (1883–1944) und eben Max, um den es in diesem Buch hauptsächlich geht. Irma, die zehn Jahre ältere Schwester von Max, starb tragischerweise im Alter von nur sieben Jahren, er hat sie also nie kennengelernt. Hedwig besuchte die höhere Mädchenschule und anschließend das Institut der Englischen Fräulein in Würzburg. Zudem nahm sie Unterricht an der Musikschule. Die Familie Mohr legte großen Wert auf höhere Bildung, gerade auch für die Töchter.
Leon musste in den folgenden Jahren mehrere Todesfälle in der Familie verkraften: 1887 starb sein Vater Moritz – sein Grabstein ist noch heute auf dem jüdischen Friedhof in Höchberg zu finden –, wenige Monate danach starb Emilie, seine Schwester. Der traurige Höhepunkt dieser Reihe von Todesfällen war der seiner Tochter Irma im Sommer 1889. Daher der eingangs formulierte Satz, dass der Tag der Geburt von Max Mohr ein glücklicher und hoffnungsvoller Tag für die Familie war.
Leon Mohr legte 1898 seine Aktivitäten in der Malzfabrik vollständig nieder. Er wurde also mit Mitte vierzig Pensionär; der Grund für diesen Schritt ist unbekannt. Die Malzfabrik existierte noch einige Jahrzehnte.
Max Mohr war zur Zeit des Ausscheidens seines Vaters Leon aus dem Unternehmen gerade einmal sieben Jahre alt; er war zu jung, um sich auch nur als Gedankenspiel damit zu befassen, ob er eines Tages einmal den Familienbetrieb übernehmen werde. Sofern es einen familiären Erwartungsdruck in Bezug auf seinen beruflichen Lebensweg gegeben hat, bezog sich dieser nicht darauf, einmal die Nachfolge des Vaters anzutreten. Max war also recht frei in seiner Entscheidung, was er mit seinem Leben anfangen wollte.
Die weitere Geschichte der Mohr’schen Malzfabrik
Leon Mohrs Kompagnon Lazarus Adler behielt den Namen Mohr’sche Malzfabrik bei, er konnte sich allerdings nicht lange darüber freuen, alleiniger Besitzer des Betriebs zu sein: Er starb nur ein Jahr nach Leon Mohrs Ausstieg aus der Firma.
Lazarus’ Sohn Willy Adler (geb. 1877) übernahm 1899 das Unternehmen. Ab 1907 wurde sein Schwager Ferdinand Blum Miteigentümer, das Unternehmen wurde in Adler & Blum umbenannt und weiter ausgebaut. Nach Blums Tod im Jahr 1929 war Willy Adler wieder alleiniger Inhaber. Er führte das Unternehmen trotz 1931 einsetzender wirtschaftlicher Schwierigkeiten bis in das Jahr 1934 weiter. Dann wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft brutal aus der Firma hinausgedrängt. Zuvor war er bereits mehrfach aufgrund von Denunziationen durch nationalsozialistische Mitarbeiter in seiner Belegschaft verhaftet worden. Sein Vetter Julius Adler protestierte in einer Denkschrift gegen den NS-Zugriff auf die Malzfabrik. Daraufhin wurde er verhaftet, in das KZ Dachau eingeliefert und dort wenige Tage später erschossen. Die Malzfabrik wurde »arisiert«, die Tradition des jüdischen Familienunternehmens wurde – wie die so vieler in den 1930er Jahren – gewaltsam beendet. Die Fabrik erlebte einen wirtschaftlichen Niedergang und wurde Ende der 1930er Jahre abgerissen.

2Kindheit und Schulzeit

Über die Kindheit von Max Ludwig Mohr ist nicht allzu viel bekannt, es existieren aus dieser Zeit keine Briefe und nur wenige Dokumente. Rückblickend schreibt er am 11. November 1936: »Ich seh auch auf meinen Kinderbildern oft so melancholisch aus, ohne es wohl richtig gewesen zu sein.«
Die Eltern lassen ihm eine gute Ausbildung zukommen, schon vor dem Besuch der Grundschule hat er privaten Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen. Ab September 1901 besucht er das Königlich Neue Gymnasium in Würzburg und erfährt dort eine humanistisch geprägte Ausbildung. In seinem Abiturjahrgang ist er der einzige Jude und erhält den Religionsunterricht gemeinsam mit jüdischen Schülern der jüngeren Klassenstufen. Beim Rabbinatsanwärter Dr. Gustav Tachauer lernt er in seinem Abschlussjahr Hebräische Lektüre, Wiederholung biblischer Geschichten und Jüdische Fest- und Gedenktage.
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Max Mohr im Matrosenanzug.
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Max Mohr als Gymnasiast: In Anzug und Krawatte sitzt er auf einem Baum, ein eigentümlicher Kontrast.
In dieser Zeit lernt Max auch seine erste Jugendliebe kennen. Die Eltern des Mädchens erfahren jedoch von seiner jüdischen Herkunft und verbieten den Kontakt zwischen den beiden. Diese Erfahrung ist für Max offenbar so tiefgreifend, dass er von da an seine jüdische Herkunft nach Möglichkeit verschweigt. In Formularen und Dokumenten gibt er stets an, konfessionslos zu sein. Seine spätere Tochter Eva erzählt, nicht einmal ihre Mutter Käthe habe davon gewusst.
Joseph Reuß
Max Mohrs Schwester Hedwig heiratete am 18. August 1902 Joseph Reuß (1872–1944). Er war Jurist und stammte wie Hedwig aus einer jüdischen Familie. Eine Karriere als Jurist war ihm allerdings nicht in die Wiege gelegt: Nachdem sein Vater Gustav, von Beruf Hopfenreisender, Suizid begangen hatte, lebte die Familie in ärmlichen Verhältnissen. Aber Josephs Mutter schaffte es nicht nur, ihn und seine vier Geschwister allein durchzubringen, sondern sie ermöglichte Joseph sogar den Besuch des Alten Gymnasiums in Bamberg.
Reuß machte 1891 das Abitur und studierte Jura. Nach bestandenem Universitäts- und Assessorexamen begann er 1898 seine Tätigkeit als Königlich Dritter Staatsanwalt am Würzburger Landgericht. Knapp zwei Jahre nach der Hochzeit mit Hedwig kam Sohn Friedrich (1904–1985) zur Welt. Das Kind wurde evangelisch-lutherisch getauft.
Joseph und vermutlich auch seine Ehefrau ließen sich ebenfalls taufen und konvertierten damit zum christlich-evangelischen Glauben. Solch ein Schritt war im damaligen Kaiserreich eine notwendige Voraussetzung für eine Karriere im Staatsdienst, noch im selben Monat wurde Reuß zum Amtsrichter am Amtsgericht von Neuburg an der Donau berufen.
Ein weiterer Karrieresprung gelang ihm 1907 mit dem Wechsel nach Augsburg. Dort begann er als Staatsanwalt am Landgericht und stieg bis zum Oberlandesgerichtsrat auf. Die Familie führte dort ein christlichbürgerliches Leben: Jeden Sonntag besuchten sie den christlichen Gottesdienst und begingen die christlichen Feiertage.
Sohn Friedrich kannte seinen Onkel Max Mohr bestens und wusste in späteren Interviews viele Episoden aus dessen Leben zu erzählen.
In den 1990er Jahren führt der Enkel Max Mohrs, Nicolas Humbert, ein Interview mit Agnes Herz (1903–1997), die in seinen letzten Lebensjahren die Geliebte Max Mohrs war und der er viele Geschichten aus seiner Kindheit und Jugend anvertraut hat. Sie erinnert sich zum Beispiel daran, er habe erzählt, einmal als Dreizehnjähriger mit Absicht seiner hochschwangeren Schwester gegen den Bauch getreten zu haben. Weder für seine Schwester noch für seine Mutter habe er besondere Zuneigung empfunden. Und eine andere, vielleicht sogar prägende Episode: Sein Vater Leon sei ein begeisterter Reiter gewesen, der den Sohn Max bereits als kleines Kind auf Reitausflüge mitnahm. Bei einem dieser Ausflüge sei etwas Schlimmes passiert. Er, der kleine Max, saß hinter seinem Vater auf dem Pferd. Er verlor den Halt und stürzte vom Sattel, aber der Vater bemerkte das nicht und ritt einfach weiter.
Er erzählt Agnes Herz auch die Geschichte, er sei mit 13 Jahren von zu Hause weggelaufen und habe sich für neun Monate einem Wanderzirkus angeschlossen. In den Schulzeugnissen aus dieser Zeit ist keine längere Abwesenheit vermerkt, daher kann man wohl davon ausgehen, dass diese Zeit beim Zirkus mehr Fantasie als Realität war. Vielleicht ist er tatsächlich einmal weggelaufen – offenbar hat er zumindest den Wunsch dazu gespürt.
Mohr entdeckt schon als Junge seine Leidenschaft für den Bergsport und unternimmt regelmäßig Wander- und Klettertouren in die Alpen bis in die Dolomiten. Seine Eltern wissen oft nichts von seinen Ausflügen. Einmal ist sein Vater so in Sorge um den Siebzehnjährigen, dass er eine Vermisstenanzeige aufgibt. Wenige Tage später erhält er die telegraphische Nachricht, dass sich Max im Tourenbuch Sellahaus eingetragen hat und also offenbar unversehrt ist.
Neben seiner Leidenschaft für die Berge zeigt Mohr als Jugendlicher auch künstlerische Ambitionen. Er spielt im Schulorchester Bratsche und in seinem späteren Leben gern Ziehharmonika. Neben seiner musikalischen – und selbstverständlich literarischen – Ader hat er auch ein gewisses schauspielerisches Talent, was er nicht auf der Bühne, aber in verschiedenen realen Episoden seines Lebens zeigen wird.
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Die Vermisstenanzeige und das beruhigende Telegramm.
Mohrs Schulzeit geht am 14. Juli 1910 zu Ende, doch gibt es für den Abiturienten wenig Grund zu feiern: Keine zwei Wochen zuvor stirbt sein Vater Leon Mohr im Alter von 55 Jahren.

3Studium und Militärzeit

Nach dem Abitur stehen Max Mohr fast alle Möglichkeiten für sein weiteres Leben offen. Seine jüdische Herkunft bedeutet allerdings auch hier eine Einschränkung. Beispielsweise wäre ihm eine Karrierelaufbahn im Staatsdienst oder beim Militär, wie sie von sehr vielen seiner nichtjüdischen Altersgenossen angestrebt wird, nicht möglich gewesen. Er entscheidet sich für ein Studium der Humanmedizin in seiner Heimatstadt, zum Wintersemester 1910/11 immatrikuliert er sich an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Bei der Wahl des Studienortes spielt wohl auch seine Mutter Jeannette eine Rolle. Sie ist zu diesem Zeitpunkt erst seit wenigen Wochen Witwe, und ihr ein...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Vorbemerkung
  5. Einleitung
  6. 1 Eine jüdische Unternehmerfamilie zwischen Tradition und Assimilation
  7. 2 Kindheit und Schulzeit
  8. 3 Studium und Militärzeit
  9. 4 Im Ersten Weltkrieg
  10. 5 Zurück in Bayern
  11. 6 Das große Ziel: ein bedeutender Dramatiker werden
  12. 7 Der etablierte Autor
  13. 8 Die »wilden Zwanziger« gehen zu Ende
  14. 9 Die Zäsur des Jahres 1933
  15. 10 Exil in Shanghai
  16. Anhang
  17. Impressum