Die fachliche QualitĂ€t ist zweifelsohne Grundlage des Erfolgs einer Praxis. Aber das zĂ€hlt nicht allein! StĂ€ndig wechselnde gesetzliche Rahmenbedingungen, neue Leistungsangebote und AbrechnungsmodalitĂ€ten und zunehmend anspruchsvoller werdende Patienten stellen besondere Anforderungen an das gesamte Praxisteam. Hier sind gute Mitarbeiter gefragt. Das Buch vermittelt auf unterhaltsame und informative Weise, wie motivierte Mitarbeiter und die richtige PersonalfĂŒhrung zum Erfolg der Praxis beitragen. Am Beispiel von kleinen authentischen Geschichten aus dem Praxisalltag werden Themen wie FĂŒhrungsstil, Motivation, Kommunikation, Ziele und Erfolgsmessung, Leistung und Anreize, Personalauswahl und Zeitmanagement veranschaulicht und der richtige Einsatz angeregt. Der Autor Christian Henrici ist Diplom-Kaufmann und Lehrbeauftragter des Managementlehrgangs "Betriebswirt der Zahnmedizin". Als GeschĂ€ftsfĂŒhrer der OPTI Zahnarztberatung GmbH verfĂŒgt er ĂŒber umfangreiche Erfahrungen in der Praxis- und PersonalfĂŒhrung und kann auf zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Controlling, PersonalfĂŒhrung und Praxismanagement in der Zahnarztpraxis verweisen.
HĂ€ufig gestellte Fragen
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âAls das WĂŒnschen noch geholfen hatâ â Eskapismus im Haifischbecken
âWenn der Wind der VerĂ€nderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen WindmĂŒhlen.â
(Aus China)
âWas?!â Dr. Rudi Degen schreckt aus seinen Gedanken hoch, weil ein Lufthauch unerwartet sein Gesicht streift. Seine Augen folgen einem Blatt Papier, das wie ein Segel im Wind vor seinem Konterfei hin und her flattert. Erst jetzt nimmt er wahr, dass zwei HĂ€nde das vermeintliche GroĂsegel schwenken â genau genommen gehören die HĂ€nde seiner Praxishelferin Susi, was unschwer an den magentafarbenen FingernĂ€geln zu erkennen ist. Die Blondine steht vor seinem Schreibtisch und wippt ungeduldig auf den FĂŒĂen vor und zurĂŒck. Sein Blick wandert zögerlich nach oben. Sie scheint irgendetwas zu sagen. Der Zahnarzt starrt auf die Ăberdosis Pink auf ihren Lippen und schnappt dabei nur die Worte âangeklopftâ und âUnterschriftâ auf. Er schĂŒttelt sich kurz, als hĂ€tte er Wasser in den Ohren und fragt dann nach einem RĂ€uspern: âWas genau ist das, FrĂ€ulein Susi?â âHandwerkerrechnungâ, antwortet Susi in schnarrendem Tonfall. Der Zahnarzt dreht sich in seinem BĂŒrostuhl abrupt in ihre Richtung und stöĂt dabei gegen die Tischkante. Ein Stapel aus Patientenakten, ProduktbroschĂŒren sowie Heil- und KostenplĂ€nen gerĂ€t gefĂ€hrlichins Wanken, doch Dr. Degen verhindert mit einem reflexartigen Griff den Einsturz. âKönnten Sie mir freundlicherweise in ganzen SĂ€tzen antworten?â, entgegnet er seiner Praxishelferin gereizt. Susi rollt mit den Augen und atmet hörbar aus.
In die Stille hinein klingelt drauĂen an der Anmeldung zum gefĂŒhlt sechzigsten Mal in der letzten halben Stunde das Telefon. âTut mir leid, Doktor keine Zeitâ, vernimmt er die Stimme seiner Helferin GĂŒlay durch die TĂŒr. Den Rest der Konversation verschluckt eine Welle von hĂ€mmernden GerĂ€uschen aus der TeekĂŒche. Ein Klempner frĂ€st dort gerade die Wand auf â er sucht nach einer undichten Stelle in einem Rohr, das den Aufenthaltsraum des Personals vor drei Tagen in einen Wasserspielplatz verwandelt hat. Dr. Degen zĂ€hlt stumm von zehn auf null bis der LĂ€rm verstummt. âMorgen Nachmittag leider kein Termin mehr freiâ, flötet GĂŒlay höflich aber bestimmt in den Hörer. Dr. Degen seufzt: âSie macht das ja eigentlich schon ganz gutâ, beruhigt er sich innerlich. Normalerweise ist GĂŒlay nĂ€mlich gar nicht fĂŒr die Anmeldung zustĂ€ndig, da aber Gabi, seine Fachkraft fĂŒr den Empfangsbereich, zum wiederholten Male an einem Freitag auf mysteriöse Weise erkrankt ist, sind ihm die Alternativen ausgegangen. âWas soll ich denn jetzt damit machen?â, meldet sich Susi mit einem Augenaufschlag wieder zu Wort. Als sie den fragenden Blick ihres Chefs bemerkt, ergĂ€nzt sie schnell: âIch meine, mit der Handwerkerrechnung wegen des Wasserrohrbruchs?â Diesmal schwenkt sie das Papier wie einen FĂ€cher. âBin ich denn fĂŒr alles zustĂ€ndig!? Warum legen Sie die nicht einfach in den Ablagekorb von Frau Redlich?â, entgegnet Dr. Degen konsterniert. In diesem Moment fĂ€llt ihm auf, dass er seine Praxismanagerin, die ihn an zwei Tagen in der Woche bei der Buchhaltung unterstĂŒtzt, heute noch gar nicht gesehen hat. âDie Redlich hat heute einen Urlaubstag, weil Sie die letzten zwei Wochen fĂŒr Gabi am Empfang eingesprungen ist. Haben Sie das etwa vergessen?â, antwortet Susi mit leicht vorwurfsvollem Tonfall. Langsam erinnert sich Dr. Degen an den Urlaubsantrag von Frau Redlich, den er zwischen einer KunststofffĂŒllung und einer Zahnfarbnahme genehmigt hat. Plötzlich hört er ein Klopfen und sieht, wie GĂŒlay zögerlich ihren Kopf durch den TĂŒrspalt schiebt. âDoktorâ, setze sie an, âFrau MĂŒller schon wieder nicht zu Termin gekommenâ Dem Zahnarzt fĂ€llt es schwer, seinen Unmut darĂŒber vor seiner Mitarbeiterin zu verbergen: âSchon das vierte Mal im letzten halben Jahr!â, flucht er leise vor sich hin. In seiner Nachmittagsplanung klafft nun wieder einmal ein Loch, wodurch der Praxis zum wiederholten Male bares Geld verloren geht. âZumindest kann ich mich jetzt in Ruhe auf den Patienten mit der Wurzelkanalbehandlung vorbereitenâ, versucht er sich zu trösten. Susi rĂ€uspert sich, um sich bemerkbar zu machen und GĂŒlays fragendes Gesicht ist ebenfalls noch nicht aus dem TĂŒrspalt verschwunden. DrauĂen klingelt wieder das Telefon. Ein Patient schaut durch die TĂŒr und fragt, warum der Empfang nicht besetzt ist. Dr. Degen verspĂŒrt das dringende BedĂŒrfnis, allein zu sein. Einfach nur Zahnarzt sein, ohne Papierkram, personelle EngpĂ€sse, unmotivierte Mitarbeiter und unzuverlĂ€ssige Patienten. âDanke GĂŒlay, ich sehe spĂ€ter in das Terminbuchâ, sagt er matt. âKĂŒmmern Sie sich um den Empfang.â Mit einer fahrigen Bewegung zeigt er gleichzeitig auf das Blatt Papier in Susis Hand. âDas können Sie bei mir lassenâ, fĂŒgt er gereizt hinzu. WĂ€hrend Susi im Eiltempo das Zimmer verlĂ€sst, beginnt in der TeekĂŒche der nĂ€chste Satz der Presslufthammersinfonie. Dr. Degen hat das GefĂŒhl, dass das Dröhnen in seinem SchĂ€del widerhallt. Er hĂ€lt die Luft an bis der LĂ€rm endet. Stille. Mit der flachen Hand streicht er sich ĂŒber die mĂŒden Augen, stĂŒtzt schlieĂlich seine Stirn auf die geballte Faust und versucht einen klaren Gedanken zu fassen. Als er den Kopf hebt, bleibt sein Blick an einem gerahmten Foto hĂ€ngen, das auf der linken Seite des Aktenschranks Staub ansetzt. Der Messingrahmen glĂ€nzt nicht mehr, aber die Zeit, aus der es stammt, schillert in seiner Erinnerung in den rosigsten Farben. Er streckt sich nach dem Bild, greift danach und blickt gedankenverloren auf die inzwischen leicht gewellte Fotografie. Ein junger Mann im weiĂen Arztkittel lĂ€chelt ihn stolz an. In seiner rechten Hand hĂ€lt er einen Schraubenzieher, mit dem er kurz zuvor das Schild fĂŒr seine erste eigene Praxis neben der EingangstĂŒr festgeschraubt hat. War das wirklich er? Er sah damals so zuversichtlich aus, und irgendwie so, als könne ihn nichts erschĂŒttern. Das ist jetzt ĂŒber dreiĂig Jahre her. Kaum zu glauben. âDamals war alles besserâ, denkt er bei sich, âdamals hatte ich noch Grund, optimistisch zu sein: Kein ĂŒberflĂŒssiger Admin-Kram, keine HygieneplĂ€ne, keine Konkurrenz aus dem Ausland. DafĂŒr klare Hierarchien im Praxisteam und Patienten, denen man noch sagen konnte, was gut fĂŒr sie ist. AuĂerdem waren die zahnmedizinischen Leistungen noch etwas wert! Jetzt höre ich mich schon an wie meine Tante Gerlinde, die stĂ€ndig der guten alten Zeit nachtrauertâ, ermahnt er sich innerlich, wĂ€hrend er an einem Bleistift kaut. Heute, am Ende seiner beruflichen Laufbahn, fĂŒhlt er sich mĂŒde und erschöpft angesichts des tĂ€glichen Kleinkriegs mit Erstattungsstellen, Patienten und vor allem seinen Mitarbeitern. Eigentlich sollte sein Personal ihn doch unterstĂŒtzen und ihm nicht den letzten Nerv rauben. Wie gut, dass es nicht mehr lange bis zum wohlverdienten Ruhestand ist.
Zum GlĂŒck hat Dr. Degen auch bereits einen jungen Kollegen gefunden, der bereit ist, die Praxis zu ĂŒbernehmen â Dr. Felix Sommer, frisch von der Uni und voller Tatendrang. ZunĂ€chst muss er seinen Nachfolger in spe aber erst einmal einarbeiten â fast wie damals, als sein VorgĂ€nger ihn selbst auf den Start ins Berufsleben vorbereitet hat â mit dem Unterschied, dass Dr. Sommer gleich mit einem Sprung ins kalte Wasser beginnen wĂŒrde. âArmer Tropfâ, bedauert ihn Dr. Degen insgeheim. Er lehnt sich zurĂŒck und atmet tief durch. âAndererseits denken die jungen Kollegen sowieso immer, sie wissen alles besser. Er wird sich die ZĂ€hne schon ausbeiĂenâ, schmunzelt der Praxischef verschmitzt in sich hinein. âVielleicht hat der âNeueâ aber auch tatsĂ€chlich ein paar gute Ideen. Eine Chance muss man ihm gebenâ, murmelt er und nestelt das oberste Blatt vom Papierstapel auf seinem SchreibtischâŠ
Soweit der Anfang der Geschichte. Zugegeben, ihre Inhalte sind frei erfunden und ein wenig ĂŒberspitzt. Sie soll niemanden an den Pranger stellen und erst recht nicht verspotten, sondern nur ein wenig zum Nachdenken und zur Selbstreflektion anregen â stets mit einem Augenzwinkern, versteht sich. Vielleicht mussten Sie ja bereits an der einen oder anderen Stelle schmunzeln und haben insgeheim bei sich gedacht: âDas ist ja fast wie bei uns in der Praxis.â Wundern wĂŒrde mich das nicht, denn sind wir ehrlich: Der Praxisalltag liefert doch die besten Anekdoten. Manchmal sind sie eher belastend, oft aber auch amĂŒsant, gelegentlich etwas skurril, nicht selten banal, aber immer einzigartig. Es âmenscheltâ eben ĂŒberall. Die groĂe Herausforderung fĂŒr Sie als Zahnarzt und Praxisinhaber ist es, damit umzugehen und Ihr âUnternehmenâ trotz allem auf Erfolgskurs zu halten. Hinzu kommen Ă€uĂere Rahmenbedingungen, wie politische und gesetzliche VerĂ€nderungen, neue Regelungen und Vorschriften, zunehmender Wettbewerbsdruck, steigende Fixkosten und unzureichende Honorierungssysteme, die Ihnen diese Aufgabe nicht gerade leichter machen. Die Zeiten sind zweifellos hĂ€rter geworden und der Arbeitsalltag wird zur tĂ€glichen Belastungsprobe â sowohl fĂŒr junge ZahnĂ€rzte als auch fĂŒr erfahrene Kollegen. Vieles hat sich geĂ€ndert im Vergleich zu frĂŒher â den âguten alten Zeitenâ. Aber waren diese Zeiten wirklich gut? In wirtschaftlicher Hinsicht sicher. Denn vor 30 Jahren waren zahnĂ€rztliche Leistungen noch etwas wert, der zahnĂ€rztliche Beruf ein Garant fĂŒr Wohlstand und Anerkennung bis ins hohe Alter. Es gab keine Konkurrenz aus dem Ausland, die Patienten waren zufrieden mit den Leistungen und die Mitarbeiter taten das, was der Chef ihnen sagte â ohne wenn und aber. Um QualitĂ€tsmanagement und Praxiskennzahlen scherte sich niemand. Und die Frage, ob die Zahnarzthelferin zufrieden mit ihrem Gehalt und ihrem Verantwortungsbereich ist, stellte sich einfach nicht. Sie hatte zufrieden zu sein. Punkt. âWo komme ich denn hin, wenn ich mich bei jedem schlecht gelaunten Gesichtsausdruck einer Helferin frage, was ich tun kann, um das zu Ă€ndern?â So argumentieren manche âPraxis-Patriarchenâ auch heute noch. Die Idee, dass Arbeit Freude machen kann und soll, und dass davon nicht nur der Einzelne, sondern auch die gesamte Zahnarztpraxis und die Patienten profitieren, ist ihnen fremd. Bei anderen Kollegen hat bereits ein Umdenken stattgefunden. Sie haben gemerkt, dass eine neue Art von Zahnarztpersönlichkeit gefragt ist: Der Fachmediziner und Unternehmer, der sowohl die âHard Skillsâ als auch die âSoft Skillsâ beherrscht und fĂŒr den seine Mitarbeiter mehr als âErfĂŒllungsgehilfenâ sind, die Dienst nach Vorschrift machen. Ihm ist klar:
!Wettbewerbsvorteile gegenĂŒber seinen Kollegen entstehen auch durch die Auswahl des richtigen Personals.
Denn um seiner âDoppelrolleâ als Zahnarzt und Unternehmer gerecht werden zu können und wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten, muss sich der Praxischef von heute um viel mehr kĂŒmmern als sein Kollege vor 30 Jahren â und ist deswegen umso mehr auf qualifiziertes und motiviertes Personal angewiesen. Doch wie lĂ€sst sich eine kontinuierlich hohe Leistungsbereitschaft mit einem vergleichsweise geringen Helferinnen-Gehalt in Einklang bringen? Fest steht: Neue Zeiten erfordern neue Wege. Um diese zu gehen, braucht es Mut, Einsicht und Lernbereitschaft â aber vor allem auch ein professionelles Praxismanagement. Ein solches möchte ich Ihnen nachfolgend vorstellen. Es basiert auf leistungsgerechter Entlohnung, Fairness, Teamspirit, Transparenz und Respekt. Mit âKuschelkursâ hat das alles nichts zu tun, es ist vielmehr eine neue Art der PersonalfĂŒhrung und -bindung, die letztendlich allen zugutekommt. Doch bevor ich tiefer in die Materie eindringe, schauen wir erst einmal, wie es in der Geschichte weitergehtâŠ
2
âDer Lauscher an der Wandâ oder: Start mit unerwarteten Einblicken
âWenn wir irgendetwas unterschĂ€tzen in unserem Leben â dann ist es die Wirkung der Freundlichkeit.â
(Marc Aurel)
âDer erste Tag in der neuen Praxis!â Dr. Felix Sommer jubeltinnerlich bei dem Gedanken. Er nimmt zwei Stufen auf einmal, wĂ€hrend er die kleine Treppe bis zur EingangstĂŒr hinaufsteigt. Sein Blick fĂ€llt auf das angelaufene Messingschild mit den inzwischen rostigen Schrauben und den leicht verblassten Buchstaben. âDieser Teil der Praxis hat seine besten Zeiten wohl hinter sichâ, denkt er amĂŒsiert, als er den Klingelknopf anvisiert. Dass am Wirkungsort von Dr. Degen, dessen Nachfolge er antreten soll, einiges einer âFrischzellenkurâ bedarf, war ihm schon nach seinem ersten Besuch klar gewesen. Dennoch â er freut sich auf diese Herausforderung. Nach Jahren der Theorie im Hörsaal und seiner Approbation als Zahnarzt hatte er in einer Klinik an der âWirklichkeitâ geschnuppert und beschlossen, dass ihm diese Variante der BerufsausĂŒbung deutlich zu anonym war. Also verbrachte er seine Assistenzzeit in einer Gemeinschaftspraxis. Die beiden FachzahnĂ€rzte wussten nicht nur am Behandlungsstuhl zu ĂŒberzeugen. Sie setzten auf motivierte Mitarbeiter und solide ökonomische Planung. Die Arbeit in diesem engagierten Team hatte ihm SpaĂ gemacht â und frĂŒhzeitig einen Entschluss in ihm reifen lassen: Er wollte sich in das Abenteuer der eigenen Praxis stĂŒrzen, sich selbst etwas aufbauen und sehen, ob er ebenfalls ein Team fĂŒhren konnte. Was fĂŒr ein GlĂŒcksfall, dass er direkt nach dem Auslaufen seines Vertrags auf die Annonce von Dr. Degen gestoĂen war. Ganz nach der alten Schule, als Anzeige in einer zahnĂ€rztlichen Wochenzeitung. Dr. Sommer schmunzelt, als er sich erinnert. Von Internet und neuen Medien hatte sein VorgĂ€nger in spe wohl nur von seinen Enkeln gehört. âNoch einmal durchatmen und den Augenblick genieĂenâ, denkt er. Nicht viele seiner Freunde von der UniversitĂ€t hatten das GlĂŒck gehabt, so schnell eine passende Praxis zu finden. Viele wollten dies auch gar nicht und hatten sich stattdessen fĂŒr die Sicherheit eines AngestelltenverhĂ€ltnisses entschieden. Die meisten erhofften sich davon, Familie und Beruf besser in Einklang bringen zu können und geregeltere Arbeitszeiten zu haben. Auch die Verantwortung fĂŒr eine eigene Praxis mit all dem administrativen Aufwand wollten sie alleine nicht schultern. Doch er, Felix Sommer, dachte nicht so. Er freute sich auf seinen ersten Tag als niedergelassener Zahnarzt.
Und so ist er an seinem besagten ersten Tag auch pĂŒnktlich in der Praxis. Seine Augen schweifen in Richtung des Fensters, das ihm von der Treppe aus freie Sicht auf den Empfangsbereich gewĂ€hrt. Eine BrĂŒnette mit Pferdeschwanz sitzt dort mit dem RĂŒcken zu ihm und fĂŒhlt sich scheinbar unbeobachtet. Auf dem Bildschirm, auf den sie starrt, poppen immer wieder bunte Fenster auf. Dr. Sommer erkennt den Web-Auftritt eines bekannten Stadtmagazins. Offenbar widmet sich die Dame an der Anmeldung gerade der Planung des kommenden Wochenendes. Im nĂ€chsten Moment öffnet sich die TĂŒr zum Behandlungszimmer und Dr. Degen geht mit eiligen Schritten auf die Anmeldung zu. Er nestelt sich den Mundschutz aus dem Gesicht als die BrĂŒnette hastig die Website schlieĂt. Dr. Sommer hat genug gesehen und drĂŒckt den Klingelknopf. âDas ist ja schon der junge Kollegeâ, stellt Dr. Degen leicht gehetzt fest und schĂŒttelt seinem GegenĂŒber die Hand. âIhr erster Tag hier steht leider unter keinem guten Stern, mein Lieberâ, fĂŒgt er mit gequĂ€ltem LĂ€cheln hinzu und zwĂ€ngt sich neben seine Helferin hinter die Anmeldung. âFrĂ€ulein Gabi, taugen Sie hier nur zur Dekoration oder können Sie sich auch nĂŒtzlich machen? Wo haben wir denn den Terminplaner?â, zischt er gereizt und kramt aus der Tiefe einer Schublade ein abgegriffen aussehendes Buch mit schwarzem Ledereinband heraus, in dem er umstĂ€ndlich zu blĂ€ttern beginnt. âGerade eben haben zwei Schmerzpatienten angerufen und das Wartezimmer ist voll, mal sehen, wo wir die noch einschieben können.â Endlich findet er die gesuchte Seite und runzelt die Stirn. âWarum konnte das nicht gestern passieren. Da haben zwei Patienten abgesagt und einer ist ohne Abmeldung nicht erschienenâ, bemerkt er seufzend. âIn den nĂ€chsten zwei Stunden kann ich mich leider kaum um Sie kĂŒmmern, aber FrĂ€ulein Susi zeigt Ihnen noch einmal alles, was Sie wissen mĂŒssen. Ihr letzter Besuch hier ist auch schon wieder ein paar Wochen herâ. âKeine Sorge, ich werde mich schon zu beschĂ€ftigen wissenâ, beruhigt Dr. Sommer seinen sichtlich gestressten Kollegen. âWo ist eigentlich FrĂ€ulein Susi?â Mit fragendem Gesichtsausdruck wendet dieser sich wieder seiner Helferin Gabi zu. âĂhmâŠâ, beginnt sie stockend, â⊠wahrscheinlich in der FrĂŒhstĂŒckspause.â âSeit fast einer Stunde!?â, hakt Dr. Degen konsterniert nach. Gabi zuckt ratlos mit den Schultern. âWie wĂ€re es, wenn Sie zurĂŒck zu Ihrer Behandlung gehen und ich erst einmal meinen Mantel aufhĂ€nge. Ihre Helferin wird sicher jeden Moment zurĂŒckkommenâ, schlĂ€gt Dr. Sommer vor. âUnd Sie kommen wirklich zurecht?â, fragt dieser eher rhetorisch nach. âKein Problemâ, beruhigt er ihn. Dr. Degen lĂ€chelt dankbar und verschwindet mit wehendem Arztkittel durch die TĂŒr zum Behandlungszimmer. Auf dem Weg zur Garderobe fĂ€llt Dr. Sommer eine halboffenstehende MilchglastĂŒr ins Auge. Neugierig tritt er ein. Der Geruch von nassem Mörtel steigt ihm in die Nase. Die Tapete mit einem Schilfgrasmuster, das vermutlich in den 80er Jahren der letzte Schrei war, hĂ€ngt in Fetzen von der Wand und eine FrĂ€smaschine hat bereits breite Furchen hinterlassen. âOffensichtlich ein Wasserrohrbruchâ, denkt er bei sich. Hoffentlich ist hier nicht alles so marode wie die Wasserleitungen. Vielleicht hĂ€tte er bei der Begehung doch genauer hinsehen sollen. Er erinnert sich, dass in diesem Raum eine kleine TeekĂŒche untergebracht war, die schon vor dem Malheur mit dem kaputten Rohr nicht gerade einladend aussah. âKein Wunder, dass es das Personal in den Pausen aus dem Haus treibtâ, murmelt er. In diesem Moment hört er, wie von drauĂen jemand durch die EingangstĂŒr kommt. âDu hast Nerven so lange wegzubleiben. Der Chef hat Dich schon gesuchtâ, vernimmt er Gabis keifende Stimme. âDen Aufstand kannst Du Dir sparenâ, reagiert Susi gelassen. âWenn Du nicht wieder mal dein Wochenende selbst verlĂ€ngert hĂ€ttest, hĂ€tte GĂŒlay nicht deine Schicht an der Anmeldung ĂŒbernehmen mĂŒssen und ich nicht ihre bei der Behandlungsvorbereitungâ, sĂ€uselt Susi betont lĂ€ssig. Gabi schnappt nach Luft. âDas ist eine böswillige Unterstellungâ, ruft sie empört. âSchrei ruhig noch lauter. Die Patienten im Wartezimmer sind auch interessiertâ, kontert die Blonde. âWie auch immerâ, fĂŒgt sie hinzu. âFĂŒ...
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt
Schmutztitel
Titelblatt
Copyright-Seite
Inhalt
Statt einer EinfĂŒhrung
1. âAls das WĂŒnschen noch geholfen hatâ â Eskapismus im Haifischbecken
2. âDer Lauscher an der Wandâ oder: Start mit unerwarteten Einblicken
3. âDas haben wir schon immer so gemachtâ â Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit
4. âGut, dass wir darĂŒber gesprochen haben!â â Miteinander statt ĂŒbereinander reden
5. âDer Chef traut uns doch sowieso nichts zu!â â Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
6. âWer mit Peanuts bezahlt, wird von Affen bedientâ â Leistung, die sich fĂŒr alle Beteiligten lohnt
7. Mitarbeiter oder MitlĂ€ufer? â Das Praxispersonal als Basis fĂŒr den Erfolg
8. Sorgfalt ist Alles â und ohne Sorgfalt ist alles nichts
9. Guter Wille mit System â ĂŒberprĂŒfbare Ziele festlegen
10. Kleine Dramen mit Happy End â sechs Monate spĂ€ter
11. âArbeiten, um zu leben, nicht leben, um zu arbeitenâ â Zeitmanagement und Work-Life-Balance