Literarische Bilder und Vorbilder der Ewigen Wiederkunft
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«Ist Nietzsches "abgründiger Gedanke" auch eine auf das Diesseits bezogene Wette, ein Versuch, den pascalschen Abgrund der Leere einer Welt ohne Gott zu füllen? Anhand einiger in Nietzsches Bibliothek enthaltener Bände versucht dieses Buch Aufschluss über diese rätselhafte Lehre zu geben».DE. Der erste und einzige Aphorismus, den Nietzsche der Idee der ewigen Wiederkunft widmet, fängt mit einer Frage an: «Wie, wenn [...] ein Dämon [...]?» Dieselbe Frage «Wie wär' es, wenn der Dämon [...]?» stand im Mittelpunkt eines der schönsten Briefe des jungen Philologen Erwin Rohde an Nietzsche und bezog sich hier auf die tief erlebten gemeinsamen Augenblicke. Welches ist also der biografische und literarische Hintergrund dieses rätselhaften Gedankens, den Nietzsche in seinen Aufzeichnungen durch wissenschaftliche Hypothesen zu stützen versuchte? Ist die ewige Wiederkunft ein Versuch, der Leere der Welt nach dem Tod Gottes zu entkommen? Was haben die Zeitauffassungen von Marc Aurel, Montaigne und Pascal, ihre Gedanken zur Spannung zwischen Vergänglichkeit und Dauer, aber auch einige Bilder von Leopardi damit zu tun? Wie schließlich hängt das berühmte Mitternachtslied im Zarathustra mit der ewigen Wiederkunft sowie mit Rohde und Wagner zusammen? Anhand einiger in Nietzsches Bibliothek enthaltener Bände versucht dieses Buch Aufschluss über einen Gedanken zu geben, in dem Nietzsches radikaler Rationalismus – wie Mazzino Montinari schrieb – zu seinen letzten, hellsichtigen Aporien gelangt.EN. The first and only aphorism that Nietzsche devotes to the idea of eternal return begins with the words: "What, if a demon [...]"? The same words "What would be, if the demon [...]?" appeared in one of the finest letters the young philologist Erwin Rohde sent to Nietzsche, and which referred to deeply felt moments they spent together. This study seeks to recreate the biographical and literary background to the intriguing idea that Nietzsche tried to support in his notes with scientific hypotheses. How important for Nietzsche's thought are the views on time of Marc Aurel, Montaigne, Pascal and their ideas on the relationship between transience and eternity? Is Nietzsche's "most abyssal thought" also a Wager in favor of this life, an attempt to escape from or to fill the Pascalian abyss of the emptiness of a world after the death of God? How influential are some of Leopardi's poetic images? Finally, how does the famous midnight song in Zarathustra relate to the eternal return and to Rohde and Wagner? Drawing on works to be found in Nietzsche's private library, this book attempts to shed light on Nietzsche's "radical rationalism"—to quote Mazzino Montinari—and on the ways in which it reaches its final, clairvoyant aporias.

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Information

Verlag
Quodlibet
Jahr
2020
ISBN
9788822910783
1.
«WIE W¨ARE ES, WENN»: DER DÄMON
UND DER BRIEFWESCHEL MIT ROHDE
Die ewige Wiederkunft des Gleichen ist im Grunde eine Kette von unendlich wiederholbaren Punkten oder Augenblicken, die jedes Gefühl der Vergänglichkeit und der anschließenden Abwertung des Lebens bannen und wegzaubern soll. Nach Mazzino Montinari wollte Nietzsche durch diesen Leitgedanken das Dasein im ehernen Kreis der Immanenz nach dem Tod Gottes umschließen und besiegeln; der Übermensch sei erst nach dieser Idee als derjenige entstanden, der imstande sein sollte, sie zu ertragen. Die hohe Anspannung und die Intensität jedes Augenblicks des Lebens, die diese Idee einschließt, sind der «Seligkeit der Vollendung» des Brahmanismus und des Buddhismus (sowie der eng verwandten schopenhauerischen Verneinung des Willens) radikal entgegengesetzt. Im Zarathustra spielt Nietzsche darauf an, wenn er diese Art von Weisheit parodistisch als «Schlaf ohne Träume» schildert (Za 1, KSA 4, 34)1. Nietzsche war vor allem an den Wirkungen und an der philosophischen und ethischen Seite dieser kosmologischen Hypothese interessiert. Dass er fest an die ewige Wiederkehr des Gleichen glaubte, ist zu bezweifeln. Sicherlich hat er jedoch in seinen Aufzeichnungen wiederholt versucht, diese Idee durch naturwissenschaftliche Lektüren und Beweise zu stützen. Um der Entstehung einiger Aspekte dieses geheimen und rätselhaften Bildes als Gegenbild einer metaphysischen Weltauffassung nachzugehen, werde ich die Bedeutung des Augenblicks, die “Einmaligkeit” und ihre Verknüpfung mit dem Wiederkunftsgedanken untersuchen. In einer späten Aufzeichnung wird diese Verbindung durch den Verweis auf “ein einziges Mal” zusammengefasst: «wenn nur ein einziges Mal unsere Seele wie eine Saite vor Glück gezittert und getönt hat, so waren alle Ewigkeiten nöthig, um dies Eine Geschehen zu bedingen – und alle Ewigkeit war in diesem einzigen Augenblick unseres Jasagens gutgeheißen, erlöst, gerechtfertigt und bejaht» (NL 1886-1887, 7[38], KSA 12, 307 ff.). Schon in der zweiten Unzeitgemässen Betrachtung hatte Nietzsche eine ähnliche Auffassung des Glücks mit Bezug auf Leopardi zum Ausdruck gebracht: «Wer sich nicht auf der Schwelle des Augenblicks, alle Vergangenheiten vergessend, niederlassen kann, […] der wird nie wissen, was Glück ist» (UB II HL, KSA 1, 250). Diese Empfindung taucht im Zarathustra-Kapitel Mittag wieder auf: «Das Wenigste gerade, das Leiseste, einer Eidechse Rascheln, ein Hauch, ein Husch, ein Augen-Blick – Wenig macht die Art des besten Glücks» (Za IV, KSA 4, 344). In Ecce homo werden diese «Dinge, die leicht und ohne Geräusch vorbeihuschen», zu «göttliche[n] Eidechsen», die Nietzsche durch die eigene Kunst wie der Apollo Sauroctonon «ein wenig fest zu machen» versucht (EH, KSA 6, 329). Nach Jaspers plädiert Nietzsches Philosophie des Werdens für den «Werth des Kürzesten und Vergänglichsten, das verführerische Goldaufblitzen am Bauch der Schlange vita» (NL 1887, 9[26], KSA 12, 348)2.
Eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1881 verrät, wer Nietzsches Bezugspunkt im Hinblick auf das Glück ist: «Stellen des Glückes zu sammeln z. B. Em[erson]» (NL 1881, 12[227], KSA 9, 616). Emerson hatte in der Tat die «göttlichen Augenblicke» verherrlicht, die «auf uns die höchste Macht ausüben, wenn sie uns unsere Zerknirschungen […] verdammen lassen» (Versuche, S. 233)3. Eine Stelle Emersons klingt im panischen Gefühl Zarathustras an, als heißer Mittag auf den Fluren schläft und die Welt vollkommen wird (Za IV, KSA 4, 343; Versuche, 391). “Mittag und Ewigkeit” ist ein grafisch hervorgehobener Titel in einer Notiz vom 23. August 1881 (der Untertitel lautet “Fingerzeige zu einem neuen Leben”), in der Zarathustra zum ersten Mal die Bühne betritt. Die im Heft M III I enthaltene Aufzeichnung verbindet die Idee der Wiederkunft mit derjenigen des Augenblicks oder des “noch einmal”: «Zum “Entwurf einer neuen Art zu leben”. […] “Annulus aeternitatis.” Begierde, alles noch einmal und ewige Male zu erleben» (NL 1881, 11[195], KSA 9, 519 f.).
Göttliche und schnell gestorbene Augenblicke der frühen Jugend, die häufig von einer “das Herz lösenden” Empfindung begleitet sind, bilden das Thema des Grablieds des Zarathustra.
Doch was verbindet solche Augenblicke mit dem “ungeheuren” Augenblick, der die Bereitschaft zur Wiederholung und Verewigung nach sich zieht? Welches sind also die Metaphern und Bilder, die vor allem die ersten Formulierungen des Gedankens der ewigen Wiederkunft in den Jahren von der Morgenröthe bis zum Zarathustra begleiten, und welche literarischen Vorbilder oder welche Erlebnisse stehen Nietzsche in diesen Jahren vor Augen? Auf diese Frage versucht diese Untersuchung eine Antwort anhand einiger von Nietzsche gelesenen und in seiner nachgelassenen Bibliothek vorhandenen Werke zu geben, ohne dabei die wissenschaftlichen Hypothesen, die bereits Thema naturwissenschaftlich orientierter Analysen waren4, einzubeziehen.
Der Gedanke der ewigen Wiederkunft wird in Also sprach Zarathustra stets in einer nächtlichen Szenerie heraufbeschworen und gleichsam aus dem Mutterschoß der Nacht geboren.
Der erste Aphorismus im veröffentlichten Werk, den Nietzsche diesem Gedanken am Schluss des vierten Buchs der Fröhlichen Wissenschaft widmet (FW 341), enthüllt durch den Mond eine Anspielung auf eine nächtliche Atmosphäre, die das geheime Gefühl der “nox intempestiva” wachruft, in der die Zeit aus ihren Angeln gehoben zu werden scheint. Unter den im Notizheft M III I enthaltenen Aufzeichnungen über den Wiederkunftsgedanken, die im Frühjahr-Herbst 1881 entstanden, findet sich neben wissenschaftlichen Hypothesen zu dem Thema und einer Anspielung auf die kosmischen Bilder von Pascal eine Betrachtung über eine schon von den “Alten” beschriebene Zeitempfindung, die anscheinend eine geheime persönliche Erfahrung Nietzsches zum Ausdruck bringt:
Es giebt einen Theil der Nacht, von dem ich sage “hier hört die Zeit auf!” Nach allen Nachtwachen, namentlich nach nächtlichen Fahrten und Wanderungen hat man in Bezug auf diesen Zeitraum ein wunderliches Gefühl: er war immer viel zu kurz oder viel zu lang, unsere Zeitempfindung fühlt eine Anomalie. Es mag sein, daß wir es auch im Wachen zu büßen haben, daß wir jene Zeit gewöhnlich im Zeitenchaos des Traums zubringen! genug, Nachts von 1–3 Uhr haben wir die Uhr nicht mehr im Kopf. Mir scheint, daß eben dies auch die Alten ausdrückten, mit intempestiva nocte und εν αωρονυκτι (Aeschylus) “da in der Nacht, wo es keine Zeit giebt”; und auch ein dunkles Wort Homers zur Bezeichnung des tiefsten stillsten Theils der Nacht lege ich mir etymologisch auf diesen Gedanken hin zurecht: mögen die Übersetzer es immerhin mit “Zeit der Nachtmelke” wiedergeben – wo in aller Welt hat man je die Kühe Nachts um Ein Uhr gemolken! Wo war man dermaßen thöricht! (NL 1881, 11[260], KSA 9, 539 ff.).
Ähnlich wird der Verlust des Zeitgefühls, der nicht notwendigerweise oder ausschließlich auf den Gebrauch von Mohn/Opium5 zurückzuführen ist, in einem Gedicht aus den Idyllen aus Messina, Das nächtliche Geheimnis, veranschaulicht: «Eine Stunde, leicht auch zwei, / Oder war’s ein Jahr? – da sanken / Plötzlich mir Sinn und Gedanken / In ein ew’ges Einerlei, / Und ein Abgrund ohne Schranken / That sich auf […]» (IM, KSA 3, 340).
Im zweiten Kapitel des dritten Buches des Zarathustra, Vom Gesicht und Rätsel, wird der wie ein Traum oder eine Vision anmutende Wiederkunftsgedanke «in stillster Mitternacht» inszeniert, «wo auch Hunde an Gespenster glauben» (Za III, KSA 4, 201): «Eben nämlich gieng der volle Mond, todtschweigsam, über das Haus, eben stand er still, eine runde Gluth». Spinne, Mond: Es sind die unheimlichen Begleiterscheinungen, die schon im Aphorismus 341 der Fröhlichen Wissenschaft6 auftauchen. Der Aphorismus dreht sich um die Achse eines «ungeheuren Augenblick[s]», der die Bereitschaft zur ewigen Wiederholung aller einzelnen Glieder der Kette nach sich zieht (FW 341, KSA 3, 570). Im Zarathustra wird die ewige Wiederkunft durch dieselbe Metapher veranschaulicht: «Und sind nicht solchermaassen fest alle Dinge verknotet, dass dieser Augenblick alle kommenden Dinge nach sich zieht? Also – – sich selber noch» (Za III, KSA 4, 200). In einem Gedicht aus dieser Zeit wird das Adjektiv “ungeheuer”, der Ewigkeit zugeschrieben: «Nur dein Auge – ungeheuer / Blickt mich’s an, Unendlichkeit!» (FW, KSA 3, 649). Nietzsche spielt mit dem doppelten Sinn des Wortes, das nicht nur im räumlichen Sinne als “riesengroß” zu verstehen ist, sondern auch als etwas, das ein unheimliches und ängstliches Gefühl wachruft. Der Titel des besagten Aphorismus aus der Fröhlichen Wissenschaft, Das grösste Schwergewicht (das Wort “Schwergewicht” wird hier zweimal wiederholt) setzt sich der Empfindung der Flüchtigkeit und Eitelkeit aller Dinge entgegen, die alle Augenblicke zu nichts werden lässt. Eine Notiz aus dem Nachlass erklärt das Wort: «Die Frage bei allem, was du thun willst: “ist es so, daß ich es unzählige Male thun will?” ist das größte Schwergewicht» (NL 1881, 11[143], KSA 9, 496). Auf dem Augenblick lässt Nietzsche das Gewicht einer ganzen Ewigkeit lasten. Auch das lateinische Wort Mome...

Inhaltsverzeichnis

  1. Copertina
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Siglenverzeichnis
  4. 1. «Wie wäre es, wenn»: Der Dämon und der Briefwechsel mit Rohde
  5. 2. Leopardi, der “einsame Gesang” und die nichtige Öde des Weltalls
  6. 3. Die Hingabe an den Augenblick: Montaigne und das horazische vixi
  7. 4. Der Abgrund der Zeit und der abgründige Gedanke: Marc Aurel und die Muschel am Meeresstrand
  8. 5. Pascal und Nietzsches Gegenwette
  9. 6. Wagners Tod, der Wurm der Wiederkunft und die Glocke der Mitternacht
  10. Literaturverzeichnis
  11. Abstract
  12. Biographie