Digitale Gesellschaft
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Über dieses Buch

Nicht weniger als von einer Revolution ist gegenwärtig die Rede. Neuere Verfahren der Künstlichen Intelligenz greifen in sämtliche Bereiche des sozialen und kulturellen Lebens ein: Maschinen lernen Bilder und Sprache zu erkennen, beherrschen die autonome Steuerung von Fahrzeugen ebenso wie Finanzinvestments und medizinische Diagnostik.Im digitalen Wandel ist Lernen damit kein Privileg des Menschen mehr. Vielmehr verschieben sich mit maschinellen Lernverfahren die Relationen zwischen Erkenntnismöglichkeiten, technischen Umwelten und humanen Akteuren.Dieser Band vermittelt erstmals für den deutschsprachigen Raum einen Überblick über die medialen, infrastrukturellen und historischen Voraussetzungen des maschinellen Lernens.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783732835300

III.Daten und Datenpraktiken maschinellen Lernens

Daten als Schnittstelle
Die Poetik des maschinellen Lernens im Design

Daniel Cardoso Llach

EINFÜHRUNG

1962, Steven A. Coons, Professor für Maschinenbau am MIT, kritzelt eine Notiz zu den Grenzen der kreativen Praxis mit künstlich intelligenten Maschinen. Darin verkündet er »die jüngste Entwicklung von Techniken bei der Programmierung eines Computers, um musikalische Melodien […] im Stil von Mozart, Bach oder Brahms« (c1962) zu konstruieren, und darüber nachzudenken, ob die Autorschaft ihrem menschlichen Inspirator oder dem Algorithmus selbst zuzuschreiben ist. In der von Coons verwandten Form war diese Frage nur rhetorisches Vehikel: »Wie produktiv sich auch immer der Computer bei der Erstellung eines Mozart-Stückes erweisen mag, es kommt doch immer noch von Mozart.« (Ebd.) Man kann Coons Reflexionen über synthetische Mozarts als eine Verteidigung menschlicher Autorenschaft früh im Zeitalter von künstlicher Intelligenz betrachten. Aber es ist auch ein hochmütiger und, wie Coons selbst zugesteht, boshafter Beitrag innerhalb einer laufenden Debatte. In dieser Zeit und bis 1967 war er Leiter des Computer-Aided Design-Projekts am MIT, der ersten systematischen Untersuchung des Potenzials von Computern und Software für Design. Innerhalb dieses multidisziplinären Projektes, das aus dem gemeinsamen Interesse akademischer, militärischer und industrieller Teilnehmer an Produktionslösungen entsprungen war, diskutierten Befürworter der Automatisierung und der Augmentation über die Rolle menschlicher Intelligenz und Arbeit für kreatives Design (Cardoso-Llach 2015: 60). Im Folgenden möchte ich Coons Reflexionen zur maschinellen Kreativität als Einstieg in Fragen des generativen und algorithmischen Designs verwenden. Dies vor allem in Bezug auf die jüngeren Entwicklungen im Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, das als maschinelles Lernen bekannt ist. Denn trotz der Aura der Neuheit, die den maschinellen Lerndiskurs in den Medien und in Teilen der Akademie begleitet, haben Träume von adaptiven Designmaschinen schon lange die Fantasie von computerinteressierten Designern, Künstlern und Forschern bereichert. Was hat sich inzwischen verändert? Ein Ziel dieses Beitrags ist es, über die Landschaft aufkommender Designpraktiken nachzudenken, die sich aus der Adaption maschineller Lernverfahren ergibt und ihre Beziehungen mit (und Abweichungen von) früheren Formen der rechnerischen Ästhetik hervorzuheben. Im Nachvollzug der als maschinelles Lernen bekannten, und durch Datenstatistiken und Algorithmen ermöglichten, neuen Form des kreativen Ausdrucks soll gezeigt werden, wo hier neuartige, kreative Räume entstehen, aber zugleich auch seit langem bestehende Bedenken zur Rolle von Autorschaft und Zufall, von menschlichem Handeln und Anpassung in Mensch-Maschine-Interaktionen, Wiederholung finden.
Bevor wir zur Geschichte synthetischer Musik im Kalten Krieg zurückkehren, ist noch zu klären, wovon wir sprechen, wenn es um maschinelles Lernen geht. Häufig werden die Ursprünge der heutigen maschinellen Lerntechnologien auf die Konvergenz von Statistik und künstlicher Intelligenzforschung in den 1980er Jahren zurückgeführt (Park 2015: 46). Eine Reihe technologischer Verschiebungen, wie die Verfügbarkeit von immer größeren Datensätzen und Rechenleistung sowie die Wiederaufwertung neuronaler Netze, hat der Idee, statistische Analysen für maschinelles Schließen zu nutzen, neuen Auftrieb gegeben. So hat der Informatiker Chris Wiggins kürzlich behauptet: »maschinelles Lernen ist angewandte, computerisierte Statistik.« Doch sprechen maschinelle Lernforscher nicht mit einer einheitlichen Stimme. Stattdessen konvergieren verschiedene Denkschulen, von der jede ihre favorisierten Theorien und Algorithmen hat innerhalb eines wachsenden und vielfältigen Feldes (Domingos 2015: xvii). Was diesen Prozess am ehesten vereint, ist ihr Streben, rechnerische Methoden zu verwenden, um etwas zu automatisieren, dass dem induktiven Schließen entspricht: auf der Grundlage früherer Erfahrungen, die als Daten codiert sind, Verallgemeinerungen zu ziehen, Muster zu vermitteln und zukünftige Ergebnisse vorherzusagen.1 Mein Beitrag argumentiert, dass die grundlegende Frage des maschinellen Lernens darin liegt, wie die Daten zusammengestellt und konstruiert werden, und das dieses ein Schlüsselaspekt kreativer und wissenschaftlicher Erkundungen ist. Dementsprechend werde ich Projekte aus Bereichen wie Architektur, Musik und Design heranziehen, um zu verdeutlichen, inwieweit verkörperte Praktiken der Datenerfassung, Kuratierung und Visualisierung in der Tat entscheidend sind, um die algorithmischen Leistungen des maschinellen Lernens zu orchestrieren. Das soll keine Entwertung der verzaubernden Qualitäten dieser Systeme sein, sondern vielmehr herausstellen, in welchem Ausmaß sie im Design und den Künsten neue Formen schöpferischen Handelns und Arbeitens hervorbringen.
Im Folgenden werde ich das generative Spannungsverhältnis zweier miteinander verflochtener Konzeptualisierungen von Daten hinterfragen – Daten als Interface und Daten als Substrat – die die intellektuelle Landschaft des maschinellen Lernens im Design unterfüttern. Im Zuge dieser Reflektion werde ich den Begriff von Daten als Interfaces explorieren und hervorheben, welche Möglichkeiten er für eine kritische und kreative Auseinandersetzung mit dem Machine Learning in der Perspektive des Designs, der Technologiestudien und der Medienwissenschaften bietet.

EIN NACHHALTIGES BEGEHREN: ADAPATIVITÄT, KOMPOSITION, GENERATIVITÄT

Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen konzipierte Steven A. Coons Kreativität als ein eindeutig und irreduzibel menschliches Attribut – als einen Prozess der außerhalb der Möglichkeiten der Automatisierung liegt. Er trug so dazu bei, das neu aufkommende Gebiet des Computational Designs2 in kybernetischen Begriffen als symbiotischen Dialog zwischen Mensch und Maschine zu definieren (Cardoso-Llach 2015: 49-68). Nicht nur steckte er damit einen theoretischen Claim bezüglich menschlicher Urheberschaft ab, sondern Coons’ Tirade spiegelt auch seine Aufmerksamkeit bezüglich der Lebendigkeit des US-amerikanischen Kontexts von intellektueller und technischer Produktion im Zusammenhang mit kybernetischen Ideen wieder. Verschiedene Forschungsgruppen experimentierten in den 1950er und 1960er Jahren mit automatisierter Musikkomposition und haben möglicherweise Coons zu seinem Beispiel inspiriert. Eine Gruppe von Forschern unter der Leitung von Frederick P. Brooks hat unweit des MIT am Harvard Computation Laboratory 1957 eine Methode zur automatischen Erstellung von Melodien durch numerische Codierung und Strukturanalyse von 37 Beispielmelodien vorgeschlagen. Der resultierende Datensatz wurde durch Brooks und seine Mitarbeiter auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Sequenzen unterschiedlicher Länge analysiert (Bigramme, Trigramme und so weiter bis Oktogramme). Anschließend synthetisierten sie neue Melodien, wobei ein Computer zufällig neue Strukturen ableitete (Brooks 1957: 175).
Abbildung 1
Der Begriff maschinelles Lernen war bis 1959 nicht definiert und für Brooks und seine Koautoren dementsprechend nicht verfügbar. Allerdings kann man sein Experiment als ein frühes Beispiel maschinellen Lernens als ästhetische Konzeption bezeichnen. Brooks und seine Koautoren haben zuerst eine probabilistische Beschreibung von einem Set melodischer Samples erstellt um dann gänzlich neue Strukturen mittels Markov-Analysen erzeugt, die dieser Beschreibung entsprechen sollten. In der Sprache maschinellen Lernens würden diese Beispiele den »Trainingsdatensatz« darstellen. Beispielsweise kann auf Grundlage der Analyse der Mustermelodien die probabilistische Beschreibung der Daten ergeben, dass die Note A der Sequenz C-E-G mit einer 0,2 prozentigen Wahrscheinlichkeit folgt. Das bedeutet, dass Note A in zwei von zehn Fällen dem C-E-G-Muster folgt. Wenn also während der Synthese eine Pseudozufallszahl zwischen Null und Eins in den Bereich zwischen 0 und 0,2 fällt, würde das Programm die Sequenz C-E-G-A konstruieren (ebd. 178). Die Nutzung eines Computers um die Anzahl der aufgetretenen spezifischen Notenmuster zu berechnen, ist die entscheidende Voraussetzung dieser probabilistischen Beschreibung. Zukünftige Entwicklungen des maschinellen Lernens vorwegnehmend, haben Brooks und seine Mitarbeiter Häufigkeitstabellen und rudimentäre statistische Analysen in den Dienst generativer Inferenz gestellt – in der Absicht ein ästhetisches Ergebnis zu liefern: eine ›Original-›Melodie passend zum Beispielsatz.
Abbildung 2
Ein weiteres Experiment in der Musikkomposition aus den späten 1950er Jahren könnte ebenfalls Coons Überlegungen inspiriert haben: MUSICOMP, ein Computerprogramm, das von den Chemikern und Komponisten Lejaren Hiller und Robert Baker an der Universität von Illinois entwickelt wurde (Alpern 1995: 2-3, vgl. Maurer 1999: 1). MUSICOMP baute auf früheren Arbeiten von Hiller und dem Mathematiker Leonard Isaacson auf, der ein in der Chemie zur Berechnung von Molekülbindungen genutztes Programm so abwandelte, dass es zur Generierung neuer melodischer Tonfolgen nutzbar war. Hiller und Isaacson adaptieren die Software beispielsweise so, dass die Struktur tetraedrischer Kohlenstoffbindungen in musikalische Kontrapunkte transponiert wurde (Bewley 2004: 7). Mit diesem Ansatz komponierte Hiller (der später mit John Cage zusammenarbeitete) die Illiac Suite, eines der ersten musikalischen Werke, das mit einem Computer komponiert wurde.3 Die von Hiller und Isaacson in der Illiac Suite verwendeten Rechentechniken entsprechen nicht vollständig unseren Definitionen maschinellen Lernens. Sie nutzten die Monte-Carlo-Methode für die Erzeugung von Notensequenzen, ein stochastisches Verfahren, bei dem Ergebnisse auf der Grundlage von Gewichtungen vordefinierter Eigenschaften ausgewählt werden (Hiller und Isaacson 1959: 68-72, Zaripov und Russell 1969: 123). Theoretisch könnten diese Eigenschaften aus der statistischen Analyse der Musik anderer Komponisten abgeleitet werden – ähnlich dem Experiment von Brooks. Trotzdem haben sich die vier Stücke, aus denen die Illiac Suite besteht, nicht aus diesem Zugang ergeben. Vielmehr dienten Regeln, die in Subroutinen genannten kleineren Teilcodes verschlüsselt sind und die musikalische Eigenheiten, wie Melodie, Harmonie und Struktur des Stückes, spezifizierten, der Kontrolle. Zum Beispiel generiert das Programm zufällig Notensequenzen und prüft dann auf Konflikte wie: »(1) keine Tritonen erlaubt; (2) keine Septime erlaubt; (3) die Melodie muss auf eingestrichenem c beginnen und enden und (4) das Klangspektrum der Melodie, von der höchsten zur niedrigsten Note, darf eine Oktave nicht überschreiten« (Hiller und Isaacson 1959: 75). In dem Fall, dass eine zufällig generierte Sequenz mit einer dieser Regeln in Konflikt geriet, wurde sie verworfen und automatisch eine neue Sequenz generiert. Im Gegensatz zum probabilistischen Ansatz von Brooks, passt Hiller und Isaacsons Zugang nicht in komplett in unsere Definition maschinellen Lernens. Hier wird auf feststehende Sets von stilistischen Regeln gesetzt und nicht – zumindest nicht direkt – auf Beispieldatensätze.
Abbildung 3
Die Experimente im automatisierten Komponieren aus der Zeit des Kalten Krieges stehen illustrativ für einige der frühesten Versuche, die Kalkulationspotenz von Computer für die Kunst nutzbar zu machen. Westliche Musik bot aufgrund ihrer sequenziellen Beschaffenheit und der schriftlichen Notation, die leicht numerisch codiert werden kann, diesen Forschern einen fruchtbaren Boden für rechnergestütztes Spekulieren. Wie bereits gesagt, zeitigten diese Verfahren aber nur dann sinnvolle Ergebnisse, wenn mittels des Einsatzes gezielter Einschränkungen die andernfalls zufälligen Ergebnisse einer Formung4 unterworfen wurden. Zur der Gewichtung und Auswahl des Outputs der stochastischen Verfahren entwickelten diese Forscher geschickte Wege. Um die Illiac Suite zu komponieren, verglichen Hiller und Isaacson Zufallslösungen mit einem probabilistischen Abbild, das aus einem Beispielsatz abgeleitet wurde. Um ihre Experimente in der Musikkomposition durchführen zu können, entwarfen Brooks und seine Mitarbeiter einen Algorithmus, der zufällig generierte musikalische Muster mit einer Reihe von formalen Regeln abglich. In beiden Fällen ergab sich etwas, dass stilistische Konsistenz nahelegte.
Wissenschaftler aus der Architektur und den bildenden Künsten sahen sich demselben Problem gegenüberstehen: Wie kann man einen Designraum einschränken? Statt in eindimensionalen Symbolsequenzen, beispielsweise festgelegten musikalischen Skripten, arbeiteten sie im zweidimensionalen Raum visueller Darstellungen. Als die Begrenztheit von Brute-Force-Methoden erkannt wurden, begannen die frühen Forscher im Bereich des rechnerischen Designs daran zu arbeiten, die wilde Kombinatorik von a...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. I. Epistemologien und Genealogien des maschinellen Lernens
  7. II. Historische Imaginationen und Diskursformationen zu (autonomen) Lernmaschinen
  8. III. Daten und Datenpraktiken maschinellen Lernens
  9. IV. Materialität und Ästhetik lernender Maschinen
  10. V. Interviews
  11. Autor_innenverzeichnis