X-Texte zu Kultur und Gesellschaft
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Bildung und Identität in Zeiten der Ökonomisierung

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Bildung und Identität in Zeiten der Ökonomisierung

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Über dieses Buch

Wer sich bildet, macht aus sich ein Bild Gottes. Dieses mittelalterliche Verständnis von Bildung hat in das heutige Bildungswesen wieder Einzug gehalten, allerdings mit ökonomischem Vorzeichen: Gott wurde schlicht durch Geld ersetzt. In der neoliberalen Wirtschaftsgesellschaft, in der Geld göttlichen Status erlangt hat, werden Mensch und Natur zu einer symbolischen Nachbildung des Geldes. Dabei kommt die Bildung in Zeiten des Ökonomismus perfiderweise in humanistischem Gewand daher und erweckt den trügerischen Eindruck, dass das Humboldt'sche Bildungsideal weiterhin gültig sei. Der Essay diskutiert die Genese und die fortlaufenden Selbstbeglaubigungserfordernisse unserer alles durchdringenden Geldkultur sowie die Rolle selbstbestimmter Bildung in ihr.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783732835836

Kapitel 1
Kurze Geschichte der Bildung

Bildung heißt, sich in seinem Selbstbild zu spiegeln. Dieser Individuationsprozess ist gleichzeitig eine Sozialisation. Von diesem Grundgedanken ausgehend hat an der Schwelle zur Moderne der deutsche Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt ein ganzes Bildungssystem entworfen. In Deutschland ist der Name Humboldt zum Symbol eines entsprechenden Bildungsideals geworden, das in ähnlicher Weise auch in vielen anderen Ländern existiert. Doch was heißt das genau, sich in seinem Selbstbild zu spiegeln, zu einem Ich zu werden, wie es auch häufig formuliert wird? Und sind diese Abläufe heute noch von Relevanz? Immerhin ist es inzwischen schon fast zur Standard-Klage oder -Feststellung geworden, dass »Humboldt tot« sei, wie beispielsweise vom Politiker Jürgen Rüttgers 1997 öffentlich verkündet. So viel lässt sich schon jetzt sagen: Solche Ausrufe und die neueren Reformen im Bildungswesen haben zumindest bei vielen dazu geführt, sich den Inhalt des Humboldt’schen Bildungsbegriffs, von dem wieder so häufig die Rede ist, erneut in Erinnerung zu führen. Man wollte schließlich wissen, wer oder was denn da nun eigentlich gestorben sei, aber offenbar dennoch so lebendig ist, dass an den Tod immer wieder eigens erinnert werden muss – oder das zumindest posthum eine solche Strahlkraft hat, dass die Diskussionen nicht abreißen: eben das Humboldt’sche Bildungsideal. Wir wollen uns im Folgenden noch einmal auf besondere Art mit der Frage befassen, was es damit auf sich hat und uns dabei auf das heutige deutsche Bildungswesen beziehen. Aber anders als üblich werden wir nicht nur den »Tod Humboldts«, nicht nur die Nicht-Mehr-Gültigkeit des mit seinem Namen verbundenen Bildungsideals beweinen, sondern darüber hinaus zeigen, dass Humboldt so tot gar nicht ist, von Lebendigkeit allerdings auch nicht wirklich die Rede sein kann. Nein – Humboldt ist, um im Bild zu bleiben, am besten mit dem Begriff »untot« zu beschreiben. Er begegnet uns heute als Wiedergänger in einer ökonomisierten Form.
Doch der Reihe nach. Was ist unter dem Bildungsbegriff, der in Deutschland so eng mit dem Namen Wilhelm von Humboldts verbunden ist, genau zu verstehen? Sein für uns entscheidender Gehalt liegt vielleicht sogar weniger im Beitrag der Person Humboldt als in seinen theologischen Ursprüngen. Der Begriff »Bildung« entstammt einem religiösen Kontext, der Mystik Meister Eckarts (1260-1327/8). Die unio mystica mit Gott kann ihm zufolge der Mensch durch Bildung erreichen, weil Gott, wie in der Genesis 1,27 geschrieben steht, »den Menschen ihm zum Bilde« geschaffen hat. Gemäß dieser Imago-Dei-Lehre ist der Mensch das Abbild Gottes, seine Geburt ist eine Bildwerdung Gottes, die er passiv erleidet, er wird von Gott diesem nachgebildet. Das geschieht, indem er Zeit seines Lebens das Bild Gottes in seiner Seele tragen wird und gemäß dieser Mystik sich seiner irdischen, kreatürlichen Wirklichkeit entbilden und sich durch Verschmelzung seiner Seele mit Gott in diesen einbilden wird. Bildung ist hier eine Vergöttlichung, eine Annäherung des Abbilds Mensch an das reine bildlose Original Gott, die durch dessen Gnade möglich wird. Sich diesen religiösen Ursprung des Begriffs der Bildung zu vergegenwärtigen, ist deshalb wichtig, weil Bildung sich heute im Kontext des Ökonomismus abspielt, einer am Geld hängenden Ideologie, deren strukturelle Ähnlichkeit zur humanistischen Bildungsideologie eben damit zusammenhängt, dass diese wie der Ökonomismus religiösen Ursprungs ist und davon letztlich immer nur vergeblich zu abstrahieren sucht.
In den auf das Mittelalter folgenden Jahrhunderten hat sich der Bildungsbegriff zwar säkularisiert und erweitert doch ist diese theologische Unterfütterung nie ganz verloren gegangen. Zunächst gilt es festzuhalten, dass Bildung bereits im Humanismus des 15. und 16. Jahrhunderts um ein aktivisches Element angereichert wurde, indem der Mensch als Subjekt entdeckt und mit der Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und -bestimmung ausgestattet wurde. Immer mehr ist er es selbst, der durch eigene Aktivität sich seinem Gott nachbildet und immer weniger kann er dabei auf einen göttlichen Automatismus vertrauen. Im Späthumanismus des 17. Jahrhunderts entwickelt Francis Bacon die Idee, durch naturwissenschaftliche Experimente die von Gott geschaffenen Naturgesetze ergründen zu können und sich Gott auf diese Weise anzunähern.
Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts betont Vernunft und Mündigkeit, das Selbstdenken und Handeln aus eigenem Antrieb nach logischen Gesichtspunkten. Nach Kant ist Bildung Aufklärung. Noch im neuhumanistischen 19. Jahrhundert, dem »Jahrhundert der Bildung«1, wird Humboldt schreiben, dass der sittliche Mensch sich »durch das Anschauen der höchsten idealischen Vollkommenheit im Bilde der Gottheit« bilde.2 In seiner berühmten Untersuchung »Einsamkeit und Freiheit« beschreibt Helmut Schelsky dieses Bildungsideal folgendermaßen: »Daß gelehrte Bildung der Weg zur Tugend, das Studium der Wissenschaften und Künste ein Gott gefälliger und notwendiger Weg zur Glückseligkeit sei, ist schon die Summe der humanistischen Lebensweisheit«.3 Zum Heilsanspruch der Bildung gesellt sich jedoch nun auch ein Leistungsanspruch an das neu entdeckte Individuum, das sich selbst – sein Ich – bilden muss durch Reflexion und Auseinandersetzung mit sich und der Welt und gegen ein gesellschaftliches Nützlichkeitsdenken. Die für das Zeitalter der Aufklärung übliche Verschulung der universitären Bildung wird nun zurückgewiesen. Und es wird nun ganz explizit auf den Herrschaftsanspruch der Bildung von denjenigen rekurriert, die gesellschaftlich aufsteigen wollen oder ihren höheren sozialen Status absichern wollen. Schon Francis Bacon hatte erkannt, dass Wissen Macht ist. Das Bildungsbürgertum entsteht, in Abgrenzung vom Wirtschaftsbürgertum, das damals zunächst einen geringeren Status hatte. Auch Manfred Fuhrmann beschreibt in seinem Buch »Bildung – Europas kulturelle Identität« die Herausbildung dieser zwei bürgerlichen Richtungen im 19. Jahrhundert, allerdings bezeichnet er die Wirtschaftsbürger als Philantropinisten, für die der materielle Nutzen des Lernens an erster Stelle steht mit dem Ziel, ein nützliches Glied der Gesellschaft zu werden, wohingegen bei den Bildungsbürgern, die bei Fuhrmann unter der Bezeichnung Neuhumanisten kursieren, die Entfaltung der Persönlichkeit an erster Stelle steht.4 Durch eine Orientierung an der Antike kann eine ideale Gesinnung angestrebt werden anstatt eines Krämergeistes. So wird die Universität zur »Institution der sich selbst bildenden Individualisten«5, denn Bildung ist etwas, was man mit und für sich selbst macht, ein »produktives Selbstdenken der Wahrheit«6, allerdings in einer nur dafür existierenden akademischen Gemeinschaft, in der der Mensch sich geistig über sich selbst und die Welt erheben kann, »in einer Lebensform der sozialen Einsamkeit und der bürgerlichen und damit zugleich geistigen Freiheit«7. Niemand kann einem den Bildungsprozess und die Wahrheitsfindung abnehmen, insofern ist der sich Bildende einsam und frei. Wäre er das nicht, handelte es sich um Ausbildung. Diese ist zweckgerichtet und zielt nicht auf die Bildung des Ichs, sondern auf die Ausbildung des Subjekts, des äußeren Zwängen Unterworfenen. Die neuhumanistische Universität aber strebt die Ichwerdung durch Wissenschaft an:
»Der Universität ist vorbehalten, was nur der Mensch durch und in sich selbst finden kann, die Einsicht in die reine Wissenschaft. Zu diesem Selbstaktus im eigentlichen Verstande ist notwendig Freiheit und hülfreich Einsamkeit, und aus diesen beiden Punkten fließt zugleich die ganze äußere Organisation der Universitäten.«8
So lautet das berühmte Zitat von Wilhelm von Humboldt. Im 20. Jahrhundert setzt sich die wirtschaftsbürgerliche Richtung gegenüber der bildungsbürgerlichen durch, der Fuhrmann nur noch eine Liebhaberrolle von wenigen zuspricht. Heute aber, so die Kernaussage unserer vorliegenden Studie, haben wir es mit ganz neuen Aspekten der Beziehung von Wirtschafts- und Bildungsbürgertum zu tun. Das Wirtschaftsbürgertum hat das Bildungsbürgertum nicht nur besiegt, sondern besetzt. Es hat sich dessen Begriffe semantisch verschoben einverleibt. Bildungsbürgerlichkeit ist zur reinen Hülle von Wirtschaftsbürgern geworden. Doch bevor dieser Gedanke im Detail entwickelt wird, sollte zunächst die rudimentäre Entwicklung des Bildungsbegriffs fortgesetzt werden. Schon jetzt ist klar geworden, dass dieser Vorgang kein linearer ist, sondern sich im Laufe der Zeit vielmehr verschiedene, auch sich widersprechende Vorstellungen herausgebildet haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es vor allen das Element der Kritik, um das der Bildungsbegriff erweitert wird. Seitdem ist Kritischsein angesagt. Ideologien, Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse sind zu entlarven. Bildung soll in allen möglichen Lebensbereichen Emanzipation und Freiheit ermöglichen. Seit den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Bildungsbegriff ebenso wie die Sozialwissenschaften insgesamt eine empirische Wende erlebt, eine Hinwendung zur Messbarkeit, verbunden mit einer noch näher zu beleuchtenden Ökonomisierung. Die in den Sechziger Jahren ausgerufene Bildungskatastrophe verlief nach dem aktuellen Muster. Bildung stand bereits im Schatten der Wirtschaft. Ein hohes Bildungsniveau war von nun an primär aus wirtschaftlichen Gründen erstrebenswert. Bildung erhielt immer mehr die Bedeutung von Ausbildung. Für die aktuelle Periode gilt dies in gewisser Weise noch; was sich aber geändert hat, ließe sich durch Ersetzung des Worts »primär« im vorletzten Satz durch »singulär« ausdrücken. Wenn man aber einmal eine so klare, reduzierte Definition von einem Begriff und seiner gesellschaftlichen Rolle hat, formieren sich die vernachlässigten Konnotationen in Gegenbewegungen. Das gilt auch und insbesondere für einen so vielseitigen und abstrakten Begriff wie Bildung. Hier ist die Stelle erreicht, wo wir etwas genauer einsteigen sollten.
Zu der erwähnten Zeit, ab Mitte des 20. Jahrhunderts, und im Zuge der kurz angerissenen Diskussionen, wurde der neuhumanistische Bildungsbegriff des 19. Jahrhunderts häufig als nicht mehr gültig bezeichnet. Emblematisch für diese Haltung ist das 2006 von Konrad Paul Liessmann erschienene Buch »Theorie der Unbildung«. Das ist eine Anspielung auf Adornos 1959 erschienene »Theorie der Halbbildung«. Diese konnte, so Liessmann, immerhin noch Bezug nehmen auf einen vollwertigen Bildungsbegriff wie den neuhumanistischen. Die oberflächlichen Wissenseinheiten, zu denen Bildung damals schon verkommen sei, hätten noch im Schatten der echten Bildung gestanden. Heute in der »Wissensgesellschaft« aber sei eben dieser vollwertige Bildungsbegriff ganz verloren gegangen, so dass die Wissenspartikel nur noch als Unbildung bezeichnet werden können. Liessmann: »›Unbildung‹ meint demgegenüber, daß die Idee von Bildung in jeder Hinsicht aufgehört hat, eine normative und regulative Funktion zu erfüllen. Sie ist schlicht verschwunden.«9 Heute schließlich, so wollen wir argumentieren, ist Bildung in jenem Sinne zwar einerseits tatsächlich verschwunden, aber andererseits inzwischen als ökonomisierter Wiedergänger zurückgekehrt. Nicht zufällig spielt die Figur des Zombies in der aktuellen intellektuellen Diskussion eine so große Rolle. Sehen wir uns dazu exemplarisch einige Aspekte des klassischen neuhumanistischen Bildungsbegriffs und seiner Weiterentwicklungen genauer an.
Da ist einmal dessen zentrale Forderung, den ganzen Menschen mit Charakter und Persönlichkeit zu bilden, und eben nicht nur Wissenspartikel und Informationen zu sammeln und auf Knopfdruck wiedergeben zu können. Das ist ein bekannter und alter Gedanke, der dadurch aber an seiner Richtigkeit nichts eingebüßt hat. Es reicht nicht, Goethes Faust nur gelesen zu haben, seine Inhalte und den Entstehungskontext zu kennen, sondern man muss ihn verinnerlichen, die eigenen Werte und sein Handeln an ihm ausrichten. Man muss sich von den humanistischen Werten der Weltliteratur verändern lassen, anstatt sie einfach zu kennen und mit ihnen rein äußerlich umzugehen. Genau darin liegt dann auch das Versäumnis des promovierten Germanisten Joseph Goebbels, der häufig als Argument dagegen angeführt wird, dass die Beschäftigung mit humanistischen Bildungsinhalten sich positiv auf Charakter und Persönlichkeit auswirke. Ein weiteres Argument, auch nicht ganz ohne Bezug zum Dritten Reich, zweifelt an den Segnungen speziell des Kanonischen am humanistischen Bildungskanon, da hier eine fremde, fragwürdige weil autoritär auferlegte Auswahl von Bildungsinhalten stattgefunden hat, die erwarten lassen könnte, dass auch nach ihnen gebildete Charaktere am Ende fremdbestimmt und autoritär geführt sein könnte. An dieser in den Nachkriegsjahren populären These fällt im Übrigen ihre Konformität zu der erwähnten Behauptung Liessmanns auf, dass zu jener Zeit noch ein vollwertiger Bildungsbegriff zumindest im Hintergrund vorhanden gewesen sei, an dem man sich implizit ausgerichtet habe. Denn auffällig an antiautoritären Argumentationen wie der obigen ist ja ihr Vertrauen auf das Vermögen von Autoritäten, überhaupt noch etwas bewirken und bilden zu können. Liessmann würde folglich heute wohl ausgehend von seiner behaupteten Abwesenheit überhaupt jeder Bildungsmacht darauf verweisen, dass die Kanonproblematik inzwischen hinfällig sei. Wenn es Bildung sowieso nicht mehr gibt, braucht man sich über den richtigen Weg zu ihr auch keine Gedanken mehr zu machen.
Man macht sich aber auch heute noch Gedanken, und zwar über Wege wie Ziele von Bildungsprozessen. Und es handelt sich nicht um irgendwelche Gedanken ohne Bezug zum klassischen Bildungsbegriff, sondern es sind sogar formal die gleichen wie die, die sich schon Humboldt machte. Humboldt wird de facto, nicht nicht, sondern neu gelesen – ob das absichtlich geschieht oder nicht, sei zunächst dahingestellt. Dem inzwischen – da ist Liessmann zuzustimmen – verdrängten Bildungsbegriff wird so, formal, zur Wiederkehr verholfen, und wie es in solchen seit Freud bekannten Fällen üblich ist, ist diese Wiederkehr des Verdrängten von Momenten des Unangenehmen nicht frei. Glauben wir Autoren wie Liessmann oder auch Krautz10, haben die Bildungseinrichtungen nicht mehr das Ziel, Menschen zu bilden, sondern Produktionsfaktoren. Sie sollen mit einem praxisorientierten Handlungswissen versorgt werden, das später im beruflichen Alltag in Unternehmen oder (inzwischen unternehmerisch geführter) staatlicher Verwaltung direkt anwendbar ist. Man lernt beispielsweise in Psychologie oder Kultur...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. Kapitel 1 – Kurze Geschichte der Bildung
  7. Kapitel 2 – Die Ökonomisierung der Bildung
  8. Kapitel 3 – Die Geburt der Wissenschaft aus dem Geist des Geldes
  9. Kapitel 4 – Bildung, Wirtschaft und Literatur
  10. Kapitel 5 – Die Entstehung des Geldglaubens
  11. Kapitel 6 – Die Geldes-Ebenbildlichkeit des Menschen
  12. Kapitel 7 – Geld als Gott, Kapitalismus als Religion
  13. Kapitel 8 – Die Neuschaffung der Welt zum Bilde des Geldes
  14. Kapitel 9 – Theorie der Geldbeglaubigung
  15. Kapitel 10 – Bildung (in) der Postmoderne
  16. Kapitel 11 – Zombifizierte Bildung
  17. Kapitel 12 – Einsamkeit und Freiheit
  18. Kapitel 13 – Der Wert des Eigenen und des Fremden
  19. Kapitel 14 – Das Ich und das Geld
  20. Kapitel 15 – Auf dem Weg zu einer Kulturwissenschaft der Wirtschaft
  21. Kapitel 16 – Gute Bildung
  22. Literatur