Die Entstehung der Welt
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Die Entstehung der Welt

Studien zum Straßburger Empedokles-Papyrus

  1. 247 Seiten
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Die Entstehung der Welt

Studien zum Straßburger Empedokles-Papyrus

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Über dieses Buch

The discovery of the Strasbourg Empedocles Papyrus and its publication in 1999 was a unique stroke of luck for the study of ancient philosophy. The newly discovered texts supplemented the fragmentary tradition of Empedocles' natural philosophical poem Physika (the title commonly used in antiquity) at crucial points. However, the potential of the papyrus to clarify unresolved problems of interpretation has not yet been fully utilised in the research discussion that followed its publication. In the present work, an overall reconstruction of the Empedoclean theoretical structure is presented on the basis of a continuous analysis of the content and language of the text. In particular, the cyclical structure of all becoming, the functions of love and conflict, the individual stages of cosmogony and zoogony and the relationship between Physika and another of the author's poems, the Katharmoi, are analysed. Finally, the results are also brought together in a new translation of the parts of the poem recovered through the inclusion of the Strasbourg papyrus.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110635584

1 Einleitung

1.1 Der Straßburger Empedokles-Papyrus: Geschichte und allgemeine Charakterisierung

Mit der Veröffentlichung des Straßburger Empedokles-Papyrus im Jahr 1999 durch Alain Martin und Oliver Primavesi wurde der Bestand an überlieferten Primärtexten des Empedokles auf sensationelle Weise erweitert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte keiner der zahlreichen Papyrusfunde des 20. Jahrhunderts in nennenswerter Weise zuvor unbekannte Texte aus dem Werk eines Vorsokratikers zum Vorschein gebracht.5 Die Wiederentdeckung umfangreicher Textfragmente aus Empedokles’ naturphilosophischem Lehrgedicht auf Papyrus stellt für die Erforschung der antiken Philosophie somit einen einzigartigen Glücksfall dar.6
Exzeptionell ist auch die Geschichte, die der Publikation des Papyrus vorausging. Als Martin 1990 begann, sich mit dem Papyrus zu beschäftigen, zunächst noch in völliger Unkenntnis über den Text, den er enthielt, befand sich der Papyrus schon seit 85 Jahren in Straßburg, ohne jedoch bis dahin jemals näher untersucht worden zu sein. Eine Verkettung höchst unglücklicher Umstände hatte dazu geführt, dass Empedokles zu Beginn des 20. Jahrhunderts als sein Autor nicht erkannt worden war und folglich der Text von der Forschung für so lange Zeit ungenutzt blieb.
Eine tragische Rolle spielten dabei, wie im Folgenden deutlich werden wird, die beiden Berliner Philologen Hermann Diels und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Auf ihre Initiative hin war im Jahr 1901 das „Preußische Papyrusunternehmen“ ins Leben gerufen worden, mit dessen Durchführung vom preußischen Kultusministerium die „Commission zur Erwerbung griechisch-litterarischer Papyri aus Egypten“ beauftragt worden war.7 Diese Kommission, der Diels und Wilamowitz als zwei von vier Mitgliedern angehörten,8 hatte im Oktober 1902 als hauptamtlichen Beauftragten des Papyrusunternehmens den Philologen und Archäologen Otto Rubensohn9 nach Ägypten entsandt, um Papyri zu kaufen und Grabungen durchzuführen. Zwei Jahre später, im November 1904, erwarb Rubensohn dort den nachmaligen Straßburger Empedokles-Papyrus.
Wäre es nun bald nach der Entsendung Rubensohns nicht zu einer fundamentalen Veränderung der Organisationsstruktur des Papyrusunternehmens gekommen, so wäre es nicht unwahrscheinlich gewesen, dass der Papyrus binnen kurzem in die Berliner Papyrussammlung integriert, von dem dortigen Fachpersonal, etwa dem jungen Wilhelm Schubart, als Empedokles-Text identifiziert und von Hermann Diels ediert und als Glanzstück in die Fragmente der Vorsokratiker hätte aufgenommen werden können. Dass die Ereignisse einen anderen Verlauf nahmen, war dadurch bedingt, dass sich die Berliner Papyruskommission schon bald nach der Entsendung Rubensohns mit weiteren an griechischen Papyri aus Ägypten interessierten Institutionen zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossen hatte, dem „Deutschen Papyrus-Cartell“.10
Auch die Initiative dazu war von der Berliner Papyruskommission ausgegangen. Diese verfolgte damit das Ziel, zu verhindern, dass in Ägypten unter den Abgesandten deutscher Interessenten an Papyri eine Konkurrenzsituation eintrat, die bei den einheimischen Händlern, wie man befürchtete, die Preise in die Höhe getrieben hätte. Anlass zur Sorge gaben dabei insbesondere die Aktivitäten der Kaiserlichen Universitäts- und Nationalbibliothek Straßburg. Diese betrieb seit Ende der 1890er Jahre den Aufbau einer eigenen Sammlung griechischer Papyri.11 Maßgeblich daran beteiligt waren der Ägyptologe Wilhelm Spiegelberg und der Klassische Philologe und Religionshistoriker Richard Reitzenstein, die 1898–1899 auf einer gemeinsamen Ägyptenreise zahlreiche Kontakte auf dem dortigen Antikenmarkt geknüpft und durch Ankäufe und eigene Grabungen den Grundstein der Straßburger Sammlung gelegt hatten. Für die Finanzierung des Vorhabens, in Straßburg eine eigene Papyrussammlung aufzubauen, hatten beide dann 1898 beim Kaiserlichen Statthalter in Elsass-Lothringen durch eine geschickte Argumentation die Bereitstellung beträchtlicher Sondermittel erreicht: Nachdem 1870 durch deutschen Beschuss das Gebäude der Straßburger Bibliothek mitsamt der bedeutenden Straßburger Handschriftensammlung zerstört worden war, sollten, so Reitzenstein und Spiegelberg, die zu erwartenden prestigeträchtigen Erwerbungen griechischer literarischer Papyri die damaligen Verluste gleichsam ersetzen und auf diese Weise den internationalen wissenschaftlichen Rang der Straßburger Bibliothek wiederherstellen. Die auf diese Bemühungen hin erfolgte Bewilligung entsprechender Geldmittel führte dazu, dass die Straßburger Bibliothek fortan beim Erwerb von Papyri in Ägypten als finanzkräftigste deutsche Konkurrentin Berlins auftrat.12
Schon im Zuge der in dieser Situation von Berlin aus betriebenen Gründung des Papyruskartells, dem bald weitere Institutionen beitraten,13 kam es nun zu einer organisatorischen Aufspaltung in zwei Abteilungen: Da das Preußische Papyrusunternehmen ausschließlich auf den Erwerb literarischer Papyri abzielte,14 schlossen sich die übrigen Gründungsmitglieder unabhängig von Berlin auch zum gemeinsamen Erwerb urkundlicher Papyri zusammen. Abteilung A des Papyruskartells war, ohne Beteiligung Berlins, für urkundliche, Abteilung B für literarische Papyri zuständig.
Die Straßburger Bibliothek, die nach den Reisen Spiegelbergs und Reitzensteins bereits über ein eigenes Netzwerk von Kontakten in Ägypten verfügte, war allerdings erst nach einigen Zugeständnissen Berlins für einen Beitritt zu gewinnen gewesen. Zu diesen gehörte, dass die Berliner Papyruskommission anbot, rückwirkend alle von Rubensohn seit seiner Entsendung in Ägypten getätigten Ankäufe als gemeinsame Ankäufe des Kartells zu betrachten.15 Außerdem kam die Papyruskommission Straßburg darin entgegen, dass sie die Last der Geschäftsführung der Abteilung B des Papyruskartells übernahm. Sie war damit für die Abwicklung des im Folgenden geschilderten Verfahrens verantwortlich, nach dem die Verteilung der Papyri unter den Mitgliedern des Kartells organisiert war:
Über die auf den Kampagnen des preußischen Papyrusunternehmens angekauften Papyri gingen sämtlichen Mitgliedern der Abteilung B des Deutschen Papyruskartells in bestimmten Zeitabständen Verzeichnisse zu, die Inhalt, Kaufpreis und Kaufort der einzelnen Papyri angeben […]. Aufgrund der Verzeichnisse hatten die einzelnen Mitglieder binnen vierzehn Tagen zu entscheiden, welche der Ankäufe sie (zum Selbstkostenpreis) jeweils zu erwerben wünschten. Gab es, wie meistens, für einen der Ankäufe mehr als einen Interessenten, entschied eine Verlosung […].16
Parallel zu den von ihm erworbenen Stücken sandte Rubensohn also auch Verzeichnisse nach Berlin, in denen er seine Ankäufe dokumentierte, wobei er zumeist auch einzelne Textproben vorlegte. Der Berliner Geschäftsführung war es dabei durch die Satzung des Papyruskartells ausdrücklich untersagt, vor der endgültigen Verteilung, d. h. der Übergabe an die erfolgreichen Bieter, selbst Einsicht in die Papyri zu nehmen.17 Grundlage der Informationen, die den Mitgliedern des Kartells zugingen und Basis ihrer Entscheidung waren, sich am Bieterverfahren für die einzelnen Posten zu beteiligen oder nicht, waren somit allein die Angaben Rubensohns.
Den Kauf des nachmaligen Straßburger Empedokles-Papyrus am 21. November 1904 in Achmim, dem antiken Panopolis, dokumentierte Rubensohn in seinem Tagebuch folgendermaßen:
Zurück nach Achmim. Runde bei den Händlern. Hanna und Genossen haben gar nichts. Nur bei Ginti Faltas findet sich: 1) Ein Kragen aus Kupferblech auf Papyrus aufgeklebt wie wir es in Abusir gefunden haben. Da dabei Fragmente mit litterar. Schrift verwertet sind, kaufe ich ihn für 1 £ St. […].18
Was man sich unter dem „Kragen aus Kupferblech“ vorzustellen hat, lässt sich aus Rubensohns ausführlicherer Beschreibung des hier von ihm erwähnten Parallelfundes aus Abusir erschließen:19 Es handelte sich um einen flachen, halbrunden Streifen, der ursprünglich wahrscheinlich als Schmuckstück auf der Brust einer Mumie auflag, wobei seine Enden von Schulter zu Schulter reichten20 (die Bezeichnung als „Kragen“ ist, jedenfalls nach heutigem Sprachgebrauch, somit eher irreführend).21 Zur Stabilisierung des Streifens diente eine aus beschriebenem Papyrus hergestellte Kartonage.22
Da die erworbenen „Fragmente mit litterar. Schrift“, um die es sich handelte, in die Zuständigkeit der Abteilung B des Papyruskartells fielen, wurden sie von Rubensohn zusammen mit weiteren Erwerbungen nach Berlin übersandt. Für das Verzeichnis, das von dort an die übrigen Mitglieder der Abteilung B zu verschicken war, beschrieb er den Papyrus folgendermaßen:
1 Kasten Papyrusfragmente; sie rühren von einem Papyrusstreifen her, der als Unterlage eines Kranzes aus Kupferblättern gedient hat. Ca. 30 Fragmente, klein u. unansehnlich, meist farblose Worte, aber 3 Versanfänge: ῥιζοφόρῳ[ / ἐκ τῶν ἀψευδ[ / ὄψει γὰρ ξυνοιδ[.23
In erneut leicht misszuverstehender Weise bezeichnet Rubensohn den halbrunden Streifen, von dem er im Tagebuch als „Kragen“ gesprochen hatte, hier als einen „Kranz“ (was eher an einen Kopf- als einen Brustschmuck denken lässt). Eine nachträgliche Rekonstruierbarkeit seines Fundstücks erachtete er, wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, für die weitere wissenschaftliche Befassung mit dem Papyrus offenkundig als nicht relevant. Nur so erklärt sich nämlich, dass Rubensohn noch in Ägypten die Kupferblätter von ihrer „Unterlage“ gelöst hat, wobei der zusammenhängende „Papyrusstreifen“ in „Papyrusfragmente“ zerteilt wurde (deren Anzahl von Rubensohn offenbar nicht präzise ermittelt, sondern bloß ungefähr abgeschätzt wurde). Nach Berlin schickte er also nicht die Kupferblätter, sondern nur das Papyrusmaterial.24
Dort dürften sodann nach aller Wahrscheinlichkeit sowohl Diels als auch Wilamowitz Rubensohns Beschreibung des Papyrus gelesen haben: Sie waren die herausragenden gräzistischen Experten der Papyruskommission, ohne deren ausdrückliches Votum kaum der Beschluss, am Bieterverfahren teilzunehmen, gefasst worden wäre. Zu einer substanziellen Beschäftigung mit den von Rubensohn zitierten Textfragmenten kam es jedoch offenkundig nicht. Denn hätten Diels und Wilamowitz sich mit ihnen tatsächlich näher befasst, hätte sich, wenn nicht beiden, so jedenfalls Diels, der sich in den Vorsokratikern wie kein zweiter auskannte, der Anfangsverdacht aufdrängen müssen, dass der Autor dieses Textes Empedokles sein könnte.
Zwar waren die von Rubensohn notierten Worte ῥιζοφόρος und ἀψευδής in den seinerzeit bekannten Empedokles-Texten nicht überliefert,25 und auch die Formulierungen ἐκ τῶν und ὄψει γάρ, zu denen sich nachträglich Parallelen ausmachen lassen (ἐκ τῶν, B 23, 5; ἔνθ’ ὄψει, B 76, 3, jeweils am Versanfang), sind, für sich betrachtet, nicht spezifisch genug, als dass aus ihnen auf Empedokles hätte geschlossen werden können. Aber ein Wort hätte Diels mit Gewissheit alarmiert: ξύνοδ[ος], ein herausgehobener Terminus aus Empedokles’ Elementenlehre (B 17, 4), wenn nicht Rubensohn ausgerechnet dieses Wort – durch irrtümliche Einfügung eines, wie die folgende Abbildung26 zeigt, nicht überlieferten Iota – zu ξυνοιδ[ verschrieben und dadurch den Eindruck erweckt hätte, es habe an dieser Stelle eine Form des Verbums ξύνοιδα im Text gestanden:27
Abb. 1 Ensemble a (ii), 27–30 (Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg)
Freilich hätten Diels und Wilamowitz, wenn sie sich mit den von Rubensohn mitgeteilten Textfragmenten auch nur ansatzweise beschäftigt hätten, leicht erkennen können, dass es sich bei den Versen auf dem Papyrus um Hexameter handelt. Allein ξύνοιδ[ passt nicht ins Metrum und entlarvt sich dadurch als Korruptel, zu deren Heilung sich die Emendation ξύνοδ[ geradezu aufdrängt.28 Dies nicht erkannt zu haben, macht die eigentliche Tragik aus, die zumal für die Rolle von Diels in dieser Angelegenheit kennzeichnend ist. Denn der Versanfang ὄψει γὰρ ξύνοδ[ον], der gleichsam bereit lag, rekonstruiert zu werden, hätte sofort an die Grundsituation des empedokleischen Lehrgedichts denken lassen: den Lehrer, der seinem Schüler Einblick in die Vereinigung der Elemente ankündigt.
Dass es hierzu nicht kam, mag auch an den besonderen Belastungen gelegen haben, denen speziell Diels zu dieser Zeit ausgesetzt war – er amtierte als Rektor der Berliner Universität und litt überdies unter gesundheitlichen Problemen.29 Man ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. 1 Einleitung
  5. 2 Der Wechsel zwischen Mehreren und Einem
  6. 3 Die Funktionen von Liebe und Streit
  7. 4 Die unaufhörliche Bewegung der Elemente
  8. 5 Die Entstehung des Kosmos
  9. 6 Die Entstehung der Lebewesen
  10. 7 Die Biologie und das Tötungsverbot
  11. 8 Zusammenfassung
  12. 9 Text und Übersetzung
  13. Anhang: Eduard Wellmann (1842–1918) – zur Widmung der vorliegenden Arbeit