1.1 Einleitung
Der Schluckakt basiert auf einem komplexen Zusammenspiel unterschiedlicher Mechanismen. Um die komplizierten Abläufe verstehen und einordnen zu können, muss man mit der Anatomie der Mundhöhle, des Larynx und Pharynx, des Ösophagus und der ösophagokardialen Übergangsregion vertraut sein.
1.2 Orale (präparatorische) Phase
Nach der Nahrungsaufnahme in den Mund erfolgt zunächst eine Zerkleinerung der Nahrungsbestandteile durch das Kauen. Dies bewirkt eine wichtige mechanische Zerkleinerung und gleichzeitig wird die Speise mit Speichel und der darin enthaltenen Amylase durchsetzt und angefeuchtet. Die Speichelsekretion nimmt bereits beim Anblick der Speise massiv zu und wird durch Geschmacks- und Geruchsstoffe sowie durch die Kaubewegung selbst weiter gesteigert.
Schließlich wird der so präparierte Nahrungsbrei durch die Zungen- und Wangenbewegung in den hinteren Bereich der Mundhöhle befördert und medialisiert, d. h. in der Zungenmitte positioniert. Hier erfolgt die willkürliche Einleitung des Schluckaktes, die zusätzlich durch die sensorische Funktion des Zungengrundes und des weichen Gaumensegels ausgelöst wird und die reflektorische Einleitung der Schluckbewegung bewirkt. Der Mundraum wird nach vorne durch ein Anpressen der Zunge an den harten Gaumen verschlossen.
Als Nächstes kommt es durch die Kontraktion der Pharynxmuskulatur zur einer Elevation des weichen Gaumens (Velum) und dadurch zum Verschluss des hinteren Nasengangs und somit des Nasopharynxs. Gleichzeitig hebt sich dadurch der Kehlkopf an. Dies leitet zum Teil mechanisch, zum Teil aktiv eine Dorsalbewegung und ein Abklappen der Epiglottis ein und bewirkt so eine funktionelle Protektion des Kehlkopfes und der Atemwege. Durch die beschriebene Kranialbewegung des Kehlkopfes werden der obere ösophageale Sphinkter und der Ösophaguseingang an den Zungengrund angenähert. Mit dem Beginn der Schluckkontraktion des M. constrictor pharyngis kommt es zu einer Erschlaffung des oberen Sphinkters und dadurch zu einer Passage des Nahrungsbolus in die proximale Speiseröhre. Dieser Vorgang läuft sehr schnell ab und führt zu einer sehr raschen Boluspassage durch den oberen Sphinkter. Nach der Passage tritt eine schnelle, meist sogar überschießende Kontraktion des oberen ösophagealen Sphinkters ein.
1.3 Funktion des oberen Ösophagussphinkters
Der obere ösophageale Sphinkter bestehend aus dem M. constrictor pharyngis inferior wird durch einen kontinuierlichen neuralen Tonus verschlossen gehalten. Dieser neurale Tonus wird im N. ambiguus im Hirnstamm erzeugt und mittels Motoneuronen an den oberen Sphinkter weitergeleitet.
Mit der Initiation des Schluckaktes im Schluckzentrum im Bereich des 4. Ventrikels im Hirnstamm kommt es zu einer Inhibition der neuralen Aktivität in diesem Kerngebiet und damit zu einer Hemmung des M. constrictor pharyngis. Dadurch erschlafft der obere Sphinkter sehr schnell und ermöglicht in einer zeitlich koordinierten Bewegung die Boluspassage durch den oberen Sphinkter.
Der Druck im oberen ösophagealen Sphinkter wird durch unterschiedliche Faktoren reguliert. Beim Sprechen, bei Stresssituationen und auch bei Atembewegung nimmt der Kontraktionszustand zu. Bei Inspiration und bei Flüssigkeitsreflux in die tubuläre Speiseröhre entsteht eine reflektorische Druckerhöhung, die eine Protektion der Atemwege gewährleisten soll.
1.3.1 Zenker’sches Divertikel
Eine häufige funktionelle Störung des oberen Sphinkters ist die Ausbildung eines Zenker’schen Divertikels. Das Zenker-Divertikel bildet sich als Folge einer Funktionsstörung des unteren Abschnitts des oberen Sphinkters meist am sog. Kilian’schen Dreieck zwischen dem M. constrictor pharyngis inferior und dem M. cricopharyngeus. Diese beiden Muskelgruppen bilden zusammen den Verschlussmuskel des pharyngoösophagealen Übergangs.
Durch eine gestörte oder aufgehobene Erschlaffung des unteren Anteils des M. constrictor pharyngis inferior kommt es zu einer Druckerhöhung im Bereich des oberen Sphinkters beim Schlucken und damit zu einer Schleimhautausstülpung im Bereich der Muskellücke [1]. Als Ursache können sowohl eine neurale Dyskoordination bei neurologischen Störungen [2] als auch eine degenerative Umwandlung in fibröses Gewebe im M. cricopharyngeus vorliegen [3]. Die divertikelartige Aussackung führt zu einer anatomischen Verlagerung des oberen ösophagealen Sphinkters und zu Schluckstörungen mit Regurgitation von unverdauten Speisen.
1.3.2 Zervikale (krikopharyngeale) Achalasie und hypertensiver oberer Sphinkter
Kommt es durch Durchblutungsstörungen (Apoplex, z. B. beim Wallenberg-Syndrom), durch Tumoren oder durch operative Eingriffe im Bereich des Hirnstamms zu einer Störung des Schluckzentrums, kann die Hemmung des Nucleus ambiguus gestört werden und der obere Sphinkter kann nicht mehr regelrecht erschlaffen. Es bildet sich eine zervikale Achalasie aus, die jedoch eine komplett andere Pathophysiologie als die Achalasie des unteren ösophagealen Sphinkters besitzt. Auch Erkrankungen der quergesteiften Muskulatur wie die okulopharyngeale Dystrophie oder die Einschlusskörperchenmyositis können eine zervikale Achalasie verursachen.
Eine andere Störung ist der hypertensive obere Ösophagussphinkter. Bei dieser Störung lassen sich erhöhte Druckwerte im oberen Sphinkter nachweisen lassen, der jedoch beim Schluckakt komplett relaxiert. Der hypertensive obere Sphinkter kann sowohl ein Globusgefühl, lokale Schmerzen sowie eine Dysphagie verursachen.
Therapeutisch kommt je nach Schwere der Symptomatik eine Botox-Injektion in den oberen Sphinkter infrage oder auch eine Myotomie des M. cricopharyngeus [4]. Es muss jedoch der Wegfall der Barrierefunktion des oberen Sphinkters (Aspirationen, Regurgitationen) als Nebenwirkung bedacht werden.
1.4 Proximale Speiseröhre
Das obere Drittel der Speiseröhre besteht wie der Larynx und der obere ösophageale Sphinkter aus quergestreifter Muskulatur. Die peristaltische Kontraktion und damit die Propulsion des Schluckbolus wird durch eine sequenziell...