Verbraucherintelligenz
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Kunden in der Welt von morgen

  1. 200 Seiten
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Kunden in der Welt von morgen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

2020: Der intelligente Verbraucher verändert die WirtschaftDas Verbraucherverhalten hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt: Die Kunden sind viel informierter und kritischer als früher, sie vernetzen sich, sie vergleichen und sie erwarten Transparenz. Aber auch die Unternehmen wissen mehr über ihre Kunden - und stellen sich darauf ein.Die Entwicklungen auf diesem Gebiet sind so vielfältig, dass sich selbst ganze Wissenschaftszweige auf diesem Gebiet herausgebildet haben. "Neuromarketing" und "Behavioural Economics" sind hierfür nur zwei Stichwörter.In "Verbraucherintelligenz" kommen hochkarätige Autoren verschiedener Disziplinen (Gehirnforschung, Psychologie, Medien, Wirtschaft, Verbände, Marktforschung u.a.) zu Wort und diskutieren die kommenden Trends. Dabei steht stets die Perspektive des Verbrauchers im Fokus: Wie wirken die derzeit beobachtbaren Entwicklungen auf das Verbraucherverhalten in den kommenden Jahren (2020). Wie "ticken" wir als Kunden? Was wird sich durch neue technische Möglichkeiten verändern? Wie werden die Unternehmen darauf reagieren? Und wo müssen wir uns schützen? Damit wir als Kunden wissen, was uns morgen erwartet.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783899814934
Auflage
1
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Produktive Verbraucher

Michael-Burkhard Piorkowsky
Mit dem ökonomischen Begriff „Verbraucher“ wird fast immer ausschließlich die Vorstellung vom Nachfrager, Käufer und Endverbraucher privater Marktgüter einschließlich kommerzieller Dienstleistungen verbunden – und sowohl auf Frauen als auch auf Männer bezogen. Nur Letzteres, dass die männliche Wortform gegebenenfalls die weibliche einschließt, gilt auch für die folgenden Zeilen. Das genannte Begriffsverständnis findet sich gleichermaßen im Alltagsdenken wie auch in den Hauptströmungen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es prägt auch das Denken in der Wirtschafts- und Verbraucherpolitik. Dabei werden diese Verbraucher oder – synonym – Konsumenten der ökonomischen Institution Privathaushalt zugeordnet und so den Produzenten beziehungsweise Unternehmen am Markt gegenübergestellt. So steht es sinngemäß auch in den §§ 13, 14 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Demnach wären wir alle als Mitglieder privater Haushalte letztlich nur Verbraucher.
Übersehen werden dabei gleich mehrere Fakten: Mitglieder privater Haushalte – oder kurz: Haushalte – kaufen ganz überwiegend keine perfekten Konsumgüter, sondern lediglich Vorleistungen für ihre Haushaltsproduktion, zum Beispiel Möbel für die nach und nach eingerichtete Wohnung und Nahrungsmittel für das damit zubereitete, verzehrfertige Abendessen. Das Einrichten der Wohnung und die Zubereitung von Nahrung sind Arbeitsleistungen. Auch die Entscheidungen für die Güterbeschaffung und das normale tägliche Einkaufen sind produktive Leistungen, nämlich Haushaltsmanagement und Beschaffung von Einsatzgütern für die Haushaltsproduktion. Und der Haushaltsprozess endet nicht im Nichts, sondern er führt im Erfolgsfall zur Regeneration, genauer: zur Erhaltung der Vitalfunktionen, zur Bildung von Humanvermögen und zur Gewinnung von Lebenszufriedenheit. Das sind durchaus ökonomisch bedeutsame Ergebnisse in Form materieller und immaterieller Produkte, die in weiterführenden Prozessen der Lebensgestaltung eingesetzt werden. Und schließlich sei auf den – auch in der Umweltökonomik anerkannten – Ersten Hauptsatz der Thermodynamik verwiesen. Danach können Energie und Materie weder hergestellt noch vernichtet, sondern lediglich in ihren Formen und Strukturen verändert werden. Einen Endverbrauch im herkömmlichen Sinne des Konsums der privaten Haushalte gibt es folglich nicht.
Die Differenzierung zwischen Produktion und Konsum beziehungsweise zwischen Produzenten und Konsumenten ist nicht neu. Aber die traditionsreichen ökonomischen Kategorien Produktion und Konsum(tion) – sowie die ursprünglich ergänzenden Grundbegriffe Zirkulation und Distribution – hatten zunächst vor allem eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung in der frühen Volkswirtschaftslehre. Diese hieß damals noch Politische Ökonomie und sollte als Theorie der Wirtschaftspolitik dienen. In Frage stand insbesondere, wer was zur monetär sichtbaren volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beiträgt und somit ein Anrecht auf den Geldertrag von Erzeugnissen und Transaktionen hat, auf die der Staat durch Erhebung von Steuern zumindest teilweise zugreifen kann. Das war auch ein zentrales Motiv für die Entwicklung der modernen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die ja lediglich die Aktivitäten abbilden, die mit Geld abgegolten werden.
Wertschöpfung wurde in der frühen Ökonomik zunächst mit agrarischer, dann mit jeglicher Sachgüterproduktion gleichgesetzt. Für Adam Smith und Karl Marx, wie für die gesamte ökonomische Klassik, waren professionelle Dienstleistungen, zum Beispiel von Dienstboten, Schauspielern und Staatsdienern, „unproduktive Tätigkeiten“, also Konsum. Denn es wurde kein bestandsbildendes Produkt sichtbar. Erst später wurden alle marktgerichteten Aktivitäten einschließlich bezahlter Dienstleistungen sowie die Staatstätigkeit als produktiv gewertet. Mit der Entwicklung der modernen Wirtschaftswissenschaften und dem Siegeszug der Mikro- und der Makroökonomik wurde dann die Bedeutung von Konsum in dem eingangs angesprochenen Sinn als „Endverbrauch privater Haushalte“ – wie in Stein gemeißelt – definitorisch festgeschrieben.
Allerdings hat es auch immer wieder abweichende, nicht dem Mainstream folgende Theorieansätze gegeben, darunter von Ökonomen, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden sind. Aber deren Beiträge fließen häufig erst mit großer Zeitverzögerung in die ökonomischen Standardlehrbücher und in alltagsökonomische Erwägungen ein. Genannt sei Gary Stanley Becker, der Wirtschaftsnobelpreisträger von 1992, der mit seinen Grundlegungen der Theorie der Allokation der Zeit, der Humankapitaltheorie und der Ökonomik der Familie die unbezahlte Haushaltsarbeit ökonomisch ins rechte Licht gerückt hat.
Ein anderer Blick auf die Verbraucher
Ich werde im Folgenden auf der Grundlage heterodoxer Beiträge zur ökonomischen Theorie und gestützt auf Erkenntnisse der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung drei Themenbereiche betrachten, mit denen die produktive Seite des Verbraucherverhaltens hervorgehoben wird. Das sind erstens generelle Aspekte des Zusammenhangs von Haushaltsproduktion und Konsum, wie dies bereits oben angeklungen ist, zweitens Deutungen von speziellen Konsumverhaltensweisen als kreativer Umgang mit Konsumgütern und drittens spezifisch unternehmerisches Handeln von „Verbrauchern“ im Haushaltskontext.
Die hier gebotene ungewohnte, aber evidente und eigentlich auch intuitiv eingängige Betrachtung der Verbraucher ist nicht nur wegen der bereits lange herrschenden Verengung der Konsumtheorie gerechtfertigt, sondern kann sich auf aktuelle Forderungen berufen. Neuere Theoriekonzepte für die Verbraucherforschung und Verbraucherpolitik sind hierfür fruchtbar. Zu den Wunschkonzepten gehören insbesondere die Neue Institutionenökonomik, die Transaktionskostenökonomik und die Evolutorische Ökonomik, allesamt Konzepte, die das hier dargelegte Verständnis von Konsum als Produktion unterstützen.
Prosumenten: Ohne Eigenleistungen läuft nichts
Betrachtet sei zunächst der Konsumprozess im Detail, beginnend, wie üblich, beim Einkauf: Ein Haushaltsmitglied geht zum Einkaufen. Er oder sie hat zuvor einen Einkaufszettel geschrieben oder hat im Kopf, was wohl benötigt wird, oder man lässt sich spontan vom Angebot inspirieren. Auch wenn es Freude machen kann, im Supermarkt oder in der Shopping Mall zu bummeln, ist es doch auch Arbeit und Wertschöpfung, den Weg zu Fuß oder wie auch immer zurückzulegen, die Waren auszuwählen, den Bezahlvorgang abzuwickeln und die Einkäufe zurück in die Wohnung zu bringen. Zweifellos ist der Wert der eingekauften Waren im eigenen Haushalt höher als im Regal des Händlers. Wer sich beliefern lässt, muss in der Regel die Differenz zahlen.
Auch das Schreiben eines Einkaufszettels, egal ob kurz oder lang, ist Arbeit. Vielleicht musste vorher noch geprüft werden, wie es um die Vorräte steht, ob das Bankkonto ausreichend gedeckt sein wird, ob bestimmte Artikel in Frage kommen usw. Und wer das täglich oder mehrmals wöchentlich macht, wird es nicht immer als reine Freude empfinden. Bei größeren Anschaffungen können Abstimmungen mit anderen Haushaltsmitgliedern erforderlich werden, also Diskussionen, Verhandlungen oder sogar Familienkonferenzen. Erledigt ein industrieller Einkäufer solche Tätigkeiten, dann ist der Arbeitscharakter nicht in Frage gestellt. Mehr noch: Abstimmungs-, Planungs- und Kontrollaktivitäten werden als Managementleistungen gewürdigt.
Mit dem Kauf der Marktgüter ist es aber nicht getan. Nur sehr wenige Waren sind perfekte Konsumgüter in dem Sinn, dass sie unmittelbar genutzt werden können: Äpfel, soweit sie nicht vorher abgerieben oder gewaschen werden, und Schuhe, soweit sie ohne vorherige Pflege getragen werden, gehören dazu. Aber die allermeisten Güter erfordern und erfahren auch ein Mindestmaß an Weiterbearbeitung für die Nutzung: Der Apfel, der geputzt wird, die Banane, die geschält wird, die Schuhe, die vorsorglich eingecremt werden, das Brot, das geschnitten, zubereitet und am gedeckten Tisch verzehrt wird, die Möbel als Bausatz, die zusammengebaut und mit anderen, vorhandenen Gegenständen kombiniert werden, um ein Ensemble, zum Beispiel ein Wohnzimmer, zu bilden – all das sind produktive Tätigkeiten von Haushaltsmitgliedern. Sie müssen der eigentlichen Nutzung, der Bedürfnisbefriedigung durch „Konsum“ im engen Sinn, vorausgehen.
Auch für die eigene Wohnung gilt, dass sie für die meisten Menschen nicht fix und fertig vom Himmel fällt. Private Haushalte werden durch ihre Mitglieder, ob als Single oder Paar, gegründet. Die Haushaltsgründung beinhaltet fast immer die Wohnungssuche, also Studieren von Angeboten, Besichtigungstermine, Verhandlungen mit Maklern und Wohnungseigentümern, oft auch mit der Hausbank, sodann die Organisation des Um- und Einzugs, vielleicht eine Grundreinigung und Renovierung und schließlich das Einrichten mit Möbeln. Soll das Konsum sein?
Die Anmietung und Einrichtung einer Wohnung sowie die Beschaffung und Weiterverarbeitung von Vorleistungen für den laufenden Betrieb im Privathaushalt lassen sich zum Teil auslagern, und das werden sie teilweise auch. In Frage kommen Agenturen, Makler und Innenarchitekten, Restaurants, Kantinen, Hotels, Reinigungsunternehmen und häusliches Personal. Aber professionelle Beratung, Zulieferung und sonstige Unterstützung müssen finanziert werden und entlasten nicht von den zugrunde liegenden Entscheidungen, sondern ziehen sogar neue Aufgaben nach sich. Dazu gehören die Auswahl der Personen beziehungsweise Organisationen, die tätig werden sollen, und die Kontrolle der Ergebnisse sowie Interventionen im Streitfall. Fraglich ist, ob die ausgelagerte Produktion beziehungsweise die vom Personal geleisteten Ergebnisse genau dem entsprechen, was sich die Haushaltsmitglieder wünschen.
In der ökonomischen Theorie werden die Probleme der passgenauen, an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichteten Produktion sowie der Kontrolle von Lieferanten und Beschäftigten als Transaktionskosten- und Prinzipal-Agent-Problem analysiert. Transaktionskosten, also Kosten der Suche, Abwicklung und Kontrolle von Zulieferungen, entstehen, wenn Leistungen nicht innerhalb einer Organisation erstellt, sondern von außen bezogen werden. Es ist das klassische Problem des „Make or Buy“. Und das Prinzipal-Agent-Problem ergibt sich aus dem menschlichen Verhalten, Dienstverträge eher mäßig als übermäßig zu erfüllen. Ökonomen nennen das Opportunismus, das heißt, der Auftragnehmer achtet auf seinen Vorteil und nutzt die Spielräume im eigenen Interesse und oft zum Schaden des Auftraggebers.
Da es also kaum perfekte Konsumgüter am Markt gibt und somit Konsumgüter im engeren Sinn nicht oder nur zu hohen Transaktionskosten zu beziehen sind beziehungsweise zusätzliche Überwachungsprobleme hinzukommen, bietet es sich an, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Und das geschieht auch in den meisten Haushalten. Nach Ergebnissen der Wohlfahrts-Surveys für die alten Bundesländer werden die täglichen Haushaltsarbeiten, wie Einkauf, Nahrungszubereitung, Wäsche waschen und Wohnungsreinigung, von weit über 90 Prozent der Haushalte in Eigenarbeit verrichtet. Die Reparatur des Wasserhahns und das Tapezieren der Wohnung übernehmen rund 65 Prozent der Haushalte selbst. Den Rohbau beziehungsweise den Innenausbau des eigenen Hauses erbringen immerhin 30 Prozent beziehungsweise 37 Prozent in Eigenleistung, und den eigenen Garten bestellen 30 Prozent als Nutzgarten. Angesichts der sich häufenden Lebensmittelskandale ist durchaus zu erwarten, dass zunehmend Ziergärten in Nutzgärten umgewandelt werden, um selber Obst und Gemüse anzubauen. Es geht also in den meisten Fällen nicht um „Make or Buy“, sondern um „Make and Buy“ beziehungsweise „Buy and Make“.
Das Statistische Bundesamt hat zuletzt für 2001/2002 in einer repräsentativen Zeitbudgetstudie die Aufteilung in bezahlte und unbezahlte Arbeit ermittelt. Danach entfallen von insgesamt rund 152 Milliarden Stunden in 2001 etwa 96 Milliarden Stunden auf unbezahlte Arbeit, und zwar hauptsächlich auf Haushaltsarbeit, und lediglich 56 Milliarden Stunden auf bezahlte Arbeit (ohne Wegezeiten für die Erwerbstätigkeit). Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der gesamten Haushaltsarbeit leisten Frauen, gut ein Drittel (37 Prozent) Männer. Die unbezahlte Arbeit ist bei Frauen und Männern aufgabenspezifisch unterschiedlich verteilt: Auf Haus- und Gartenarbeit – einschließlich Kochen und Spülen, Reinigung von Haus beziehungsweise Wohnung, Wäscheversorgung sowie Tier- und Pflanzenpflege – entfallen bei den Frauen 63 Prozent und bei den Männern 46 Prozent der unbezahlten Arbeit. Auf Einkaufen und Haushaltsorganisation kommen bei den Frauen 20 Prozent und bei den Männern 26 Prozent, auf ehrenamtliche Tätigkeiten bei den Frauen 6 Prozent und bei den Männern 12 Prozent, auf Betreuung und Pflege bei den Frauen 10 Prozent und bei den Männern 7 Prozent und auf handwerkliche Tätigkeiten bei den Frauen 1 Prozent und bei den Männern 10 Prozent ihrer unbezahlten Arbeit.
In einer Modellrechnung zur Ergänzung der Sozialproduktberechnung durch ein „Satellitensystem Haushaltsproduktion“ hat das Statistische Bundesamt 2001 die Untergrenze der Bruttowertschöpfung durch Haushaltsarbeit vorsichtig mit 820 Milliarden Euro beziffert. Das entspricht knapp 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit in etwa der Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie (ohne Baugewerbe) sowie der Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr zusammen. Grob gerechnet, beträgt also das gesellschaftliche Gesamtprodukt, wenn es um die unbezahlte Haushaltsproduktion ergänzt wird, mindestens 140 Prozent des herkömmlich nachgewiesenen Sozialprodukts. Für die Schweiz werden solche Berechnungen mit ähnlichen Werten alle drei bis vier Jahre vom Bundesamt für Statistik der Schweiz vorgelegt.
Seit Jahrzehnten steigt durch zunehmende Technisierung der Arbeitsprozesse die Produktivität der privaten Haushalte. Mit Haushaltsgeräten, wie Waschmaschine, Spülmaschine, Mikrowellenofen, Kühlschrank und Tiefkühltruhe sowie Elektrorasenmäher, sind die allermeisten Haushalte versorgt, soweit gewünscht. Die Ausrüstung mit Maschinen und damit die Substitution von Arbeit durch Kapital in den Privathaushalten entsprechen fast dem, was in normalen Handwerksbetrieben zu finden ist. Die ständige Verfügbarkeit der Geräte im Haushalt, etwa der Waschmaschine, ist ein Vorteil gegenüber alternativen Marktangeboten, wie der Wäscherei, denn man kann das eigene Gerät sogar nachts im Schlafanzug anschalten. Produktivitätsgewinne ergeben sich auch aus der Möglichkeit, mehrere Arbeitsaufgaben im Haus parallel zu erfüllen, zum Beispiel das Mittagessen vorzubereiten, die Wäsche zu waschen und die Kinder zu betreuen. Wenn bezahlte Haushaltshilfen diese Aufgaben übernehmen, besteht am Arbeitscharakter kein Zweifel. Doch faktisch bleibt es auch dann Produktion und Wertschöpfung, wenn die Arbeit in Eigenleistung erbracht wird.
Die produktiven Beiträge von „Verbrauchern“ in Produktionsprozessen wurden in der ökonomischen Theorie bereits mit Bezug auf personenbezogene Dienstleistungen gewürdigt. Unter dem Stichwort „Koproduktion“ wird insbesondere in der Dienstleistungsökonomik dargelegt, dass Verbraucher bei der Erstellung persönlicher Dienstleistungen mitwirken müssen. Beim Arzt, beim Friseur, in der Physiotherapie und in der Verbraucherberatung, um einige Beispiele zu nennen, ist ein Mindestmaß an Mitwirkung erforderlich, um die endgültige Leistungserstellung im Sinne einer Endkombination abzuschließen. Dabei setzt der Dienstleister den Dienstnehmer – so die Interpretation der herkömmlichen Dienstleistungstheorie – wie einen externen Produktionsfaktor ein. Aber man kann es aus der Perspektive des Privathaushalts auch umgekehrt sehen: Das Haushaltsmitglied fragt die Dienstleistung nach und setzt den Anbieter in seiner Haushaltsproduktion ein, die ja nicht zwingend in den eigenen vier Wänden stattfinden muss. Im medizinischen Bereich ist schon lange klar, dass Arzt und Patient zusammenwirken müssen. Der Patient muss die Untersuchung unterstützen, er muss im Großen und Ganzen dem ärztlichen Rat folgen, die Medizin korrekt einnehmen usw. Im Extremfall hängt der Erfolg der Therapie allein vom Genesungswillen des Patienten ab. Aber auch in diesem Versorgungsbereich wird Fremdversorgung teilweise durch Selbstversorgung ersetzt, zum Beispiel mit dem eigenen Blutdruckmessgerät und dem selbst durchgeführten Schwangerschaftstest.
Eine andere Art Koproduktion ist die Mitwirkung potentieller Nutzer an der Entwicklung von Produkten und Strategien, insbesondere im Unternehmenssektor, sei es als Testpersonen in medizinischen Studien, als Befragte in Marktforschungserhebungen oder als Verbrauchervertreter in einem Verbraucherbeirat. Auch das kooperative Verfassen von Texten im Internet ist Koproduktion.
Sozialwissenschaftliche Analysen bezeichnen die hier betrachteten Aktivitäten von Verbrauchern im Haushaltszusammenhang als „Eigenarbeit“, „Konsumarbeit“, „Sorgearbeit“ oder „Versorgungsarbeit“, weil wohl Hausarbeit und Haushaltsarbeit zu banal klingen. Die moderne Haushaltsökonomik spricht von „Haushaltsproduktion“. Dabei haben Ökonomen immer wieder diskutiert, wie Haushaltsarbeit von Haushaltsaktivitäten ohne Arbeitscharakter abgegrenzt werden kann. Es ist auf den ersten Blick einsichtig, dass nicht die ganzen 24 Stunden des Tages als Haushaltsproduktion gewertet werden können. In der Literatur ist deshalb zur Abgrenzung das „Drittpersonenkriterium“ vorgeschlagen worden. Danach sind alle Aktivitäten, die von Dritten übernommen, also ausgelagert werden können und die keinen unmittelbaren Nutzen stiften, wie gelegentliches Kochen aus Leidenschaft, als Haushaltsproduktion zu werten. Aktivitäten, die selbst vollzogen werden müssen, wie Nahrungsaufnahme, Schlaf und bestimmte Aktivitäten der persönlichen Hygiene, gelten dagegen als Konsum. Dieses Kriterium liegt den meisten Erhebungen zur Haushaltsproduktion zugrunde. Folgt man dem Drittpersonenkriterium, dann sind auch Bildungs- und Lernprozesse nicht als produktive, sondern als konsumtive Tätigkeiten zu werten. Dies entspricht aber weder dem Fachverständnis der Bildungsökonomen noch dem gesunden Menschenverstand.
Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass es gute Gründe gibt, Aktivitäten, die herkömmlich als Verbrauch oder Konsum betrachtet werden, zu einem erheblichen Teil als Produktion zu verstehen. Dazu gehören die Beschaffung von Vorleistungen und deren Endkombination zu nutzenstiftenden Konsumgütern einschließlich Eigenerstellung von Dienstleistungen. Aber auch die weitergehende Nutzung der Haushaltsgüter hat produktive Wirkungen, denn sie dient – bis zum letzten Atemzug – der Erhaltung der Vitalfunktionen, der Bildung von Humanvermögen und der Gewinnung von Lebenszufriedenheit. Das enge und auch das weite Verständnis von Haushaltsproduktion bringt der Begriff „Prosument“ treffend zum Ausdruck. Alvin Toffler hat diesen Begriff in seinem 1980 erschienen Buch „The Third Wave“ geprägt. Er sieht nach der Agrarrevolution und der Industriellen Revolution eine dritte Welle nachindustrieller gesellschaftlicher Entwicklung, in der die postmodernen Prosumenten die Hauptrolle spielen.
Kreative Konsumenten: Bastler, Sammler & Co.
Mitglieder privater Haushalte sind nicht nur unterschiedlich produktiv, sondern auch unter...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckel
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. I. Verbraucherschutz
  7. II. Gehirnforschung
  8. III. Geldanlage und Altersvorsorge
  9. IV. Verbraucherbeteiligung
  10. V. Zielgruppen
  11. VI. Verbraucherverhalten 2020
  12. Die Autorinnen und Autoren