Vom Dauerstress zur Depression
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Vom Dauerstress zur Depression

Wie Männer mit psychischen Belastungen umgehen und sie besser bewältigen können

  1. 240 Seiten
  2. German
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Vom Dauerstress zur Depression

Wie Männer mit psychischen Belastungen umgehen und sie besser bewältigen können

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Über dieses Buch

Im Beruf und Alltag jederzeit funktionieren, sich abschotten, wenn es einmal nicht so gut läuft, die Fassade wahren - so die Devise vieler Männer. Doch ist der Stress in der Arbeit zu stark oder die Beziehung in der Krise, kann schon einmal alles zu viel werden. Was dann folgt ist Depression: Gerade vom starken Geschlecht wird sie oftmals tabuisiert und unterschätzt.Warum sind Männer verletzlicher als allgemein angenommen? Die Autorin beschreibt vor dem Hintergrund der aktuellen Depressions- und Männerforschung die vielfach verdeckten Erscheinungsformen männlicher Depression, ihre Ursachen und die typischen Bewältigungsstrategien. Sie plädiert für einen offeneren Umgang mit der Krankheit und zeigt Wege der Prävention und Behandlung auf.

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Information

der mann – das unbekannte wesen


in den folgenden kapiteln versuchen wir, uns den Männern und ihrer Psyche anzunähern, auch wenn wir wissen, dass Männer dies gar nicht mögen. Deshalb werden wir behutsam vorgehen und uns an die Fakten halten – und zwar mit großer Wertschätzung und Hochachtung für die anstrengenden Leistungen, die mit dem Mannwerden und Mannsein verbunden sind. Den Prozess der Mannwerdung schauen wir uns sowohl mit Blick auf die neuro­biologische als auch die psychosoziale Entwicklung an, die sich gegenseitig vielfältig beeinflussen, genauso wie es Körper und Psyche tun – das ist heute Allgemeinwissen. Zur Definition: Unter Psyche verstehen wir im Allgemeinen das Seelenleben oder Innenleben, das Männern offenbar weniger zugänglich ist als Frauen und das ihnen daher oft unheimlich erscheint. Das Wort Psyche stammt aus dem Altgriechischen, bedeutet »Atem-Hauch« (Seele). Nach den Schöpfungsmythen vieler Völker haucht Gott dem von ihm geschaffenen, aber noch leblosen Körper seinen Atem ein und macht ihn damit lebendig. Im heutigen Sinne umfasst die Seele oder die Psyche alle Gefühlsregungen und geistigen Prozesse, also alles, was wir denken, fühlen, wahrnehmen und wie wir es erleben und verarbeiten.
Der Obertitel der folgenden Kapitel ist von dem bekannten Filmtitel »Dein Mann, das unbekannte Wesen« von Oswald Kolle inspiriert; in dem Film ging es um die Aufklärung über männ­liche Sexualität. Möglicherweise finden wir uns jetzt besser im Dschungel männlicher Sexualität zurecht, aber hinsichtlich des männlichen Seelenlebens tappen wir oftmals noch im Dunkeln. Da brauchen wir auch etwas, das uns weiterbringt. Vielleicht lohnt es sich, einfach nur weiterzulesen. Denn es wird spannend: Es wird sich zeigen, dass sich sowohl die Hirn­entwicklung als auch die Entwicklung der Psyche von Anfang an in einer großen »Werkstatt« vollziehen, deren »Produkte« nie fertig werden und die sich je nach Nutzung beziehungsweise Bearbeitung modifizieren lassen. Alles im Gehirn ist plastisch, aber es gibt natürlich auch eine Hardware …


warum sind männer so verletzlich?


der mann als embryo und neugeborener: schwieriger start ins leben


beginnen wir mit der hardware, der genetischen Ausstattung des Menschen. Die Schwierigkeiten beginnen schon vor der Geburt: Der Embryo ist nicht sofort männlich, sondern muss erst dazu gemacht werden – denn alle Embryos sind zunächst weiblich! Das ist das Standardmodell der Natur! Anders als in der Bibel ist nämlich nicht das männliche, sondern das weibliche Geschlecht das ursprüngliche: Alle Embryonen bleiben weiblich, wenn die Natur nicht ab der siebten Woche energisch dagegen einschreitet. Wird die Eizelle von einem Spermium befruchtet, das ein X- und ein Y-Chromosom besitzt, bewirkt ein kleines Genschnipselchen auf dem Y-Chromosom, dass aus dem Embryo ein Junge werden kann. Das Ganze klappt dann, wenn einerseits Testos­­teron gebildet wird und andererseits das sogenannte Anti-Müller-Hormon produziert wird, das dafür sorgt, dass aus dem Embryo tatsächlich kein Mädchen mehr werden kann.
das männliche gehirn entwickelt sich
das testos­­teron des männlichen embryos wandert nun in sein Gehirn, wird dort in Östrogen umgewandelt und erledigt in dieser »Maskierung« die Umbauarbeiten an den Nervenzellen, das heißt die Organisation und Verschaltung eines männlichen Gehirns: Beispielsweise entwickelt sich eine stärkere Lateralisierung der beiden Hirnhälften, was eine stärkere Spezialisierung der Hirnhälften für bestimmte Funktionen bedeutet und was konkret heißt, dass Männer bestimmte Dinge besser können als Frauen (und umgekehrt). Ein anderer Unterschied besteht darin, dass ein Teil des Hypothalamus, einer wichtigen Schaltzentrale des Gehirns, beim männlichen Embryo deutlich größer wird und später das Sexualverhalten steuert.
Der Hirnforscher Gerald Hüther vergleicht das männliche Gehirn mit einem Orchester, bei dem die Pauken und Trompeten nach vorn und die harmonischen Instrumente nach hinten gerückt sind. Beim weiblichen Gehirn sei es umgekehrt. Das ist die biologische Hardware, die sich sofort bei männlichen Neu­geborenen beobachten lässt: Sie sind impulsiver, schneller aufgeregt und lassen sich schwerer wieder beruhigen als neugeborene Mädchen (Hüther 2009). Aber auch später zeigen sich eine höhere Impulsivität, mehr Antrieb, mehr Motorik, mehr Aggressivität, aber auch größere Schwierigkeiten beim Spracherwerb. Wenn sie die Wahl haben, greifen kleine Jungen spontan zu Autos, Baggern und Bällen, kleine Mädchen dagegen zu Puppen, was deutlich zeigt: Geschlechtsspezifisches Verhalten ist nicht nur eine Sache der Erziehung, sondern auch eine der Biologie (was übrigens lange als »politically incorrect« galt).
Wir wollen hier nicht intensiver in die Hirnforschung einsteigen, das würde nur verwirren, da für die einen das Gehirn quasi ein Geschlechtsorgan ist mit deutlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen, während die anderen nur wenige Unterschiede für ausreichend belegt halten. Wie dem auch sei, es gibt einige hirnanatomische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die bedeutsam sein können für die Verarbeitung von Emo­tionen. So sind bei Frauen zum Beispiel die beiden Hirnhälften (die rechte ist zuständig für Gefühle, die linke für Verstand) unter­einander besser durch neuronale Kommunikation verschaltet, was bewirkt, dass sie eher als Männer gleichzeitig analytisch und intuitiv sein können, sprachlich besser und sozial intelligenter sind und auch ein besseres Gedächtnis haben. Bei Männern dagegen hat sich die Verschaltung auf die einzelnen Hirnhälften konzentriert: Sie haben bessere räumliche und motorische Fähigkeiten. Wenn Männer reden, ist nur ihre linke Hirnhälfte aktiv. Wenn Frauen reden, ist das ganze Gehirn aktiv.
Wir alle kennen solche Vorwürfe aus eigener Erfahrung: den Männern sind Frauen zu emotional und den Frauen sind Männer zu wenig emotional. Denn alle glauben, das sei eine Sache der freien Entscheidung. Stimmt nicht – kaum jemand weiß, dass Männer und Frauen unterschiedliche Hirnschaltkreise für die Verarbeitung von Emotionen haben.
Emotionen werden im Gehirn wesentlich von einem Teil des limbischen Systems verarbeitet, der sogenannten Amygdala, dem Mandelkern. Die Amygdala ist sozusagen die Alarmanlage des Gehirns. Sie verknüpft eingehende Informationen der Sinnes­organe mit Gefühlen und leitet sie an die anderen Hirnbereiche weiter, erst dann wird das Bewusstsein mit eingeschaltet. Die Amygdala spielt daher bei der Entstehung von Angst und Aggression eine große Rolle. Bei Männern ist sie in Relation zum Gesamt­volumen des Gehirns größer als bei Frauen. Wir werden später noch sehen, warum dieser und andere hirnanatomische Unterschiede für das Verständnis der Depression von Männern eine Rolle spielen könnten. Soweit nur in Kürze zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden in den Gehirnen von Männern und Frauen. Nun zurück zu unserem Ausgangspunkt: dem für Männer besonders schwierigen Start ins Leben.
das grosse x- und das kleine y-chromosom
neurobiologen sind sich einig darüber, dass Männer genetisch das schwächere Geschlecht sind, weil sie nicht wie Frauen über zwei stattliche X-Chromosomen verfügen, bei dem eins die »Sicherungskopie« des anderen ist, sondern nur über ein ­X-Chromosom und ein eher winziges Y-Chromosom, auf dem etwa nur 60 Gene lokalisiert sind gegenüber den jeweils 800 Genen auf jedem X-Chromosom. Damit fehlt den Männern das »Ersatzrad«, was sie in ihrer Entwicklung als kleiner Embryomann (und auch in der langen Zeit danach) viel empfindlicher macht für alle Störungen; zunächst für all diejenigen, die in der Schwangerschaft der Mutter auftreten können.
Deshalb sterben männliche Embryonen auch häufiger unbemerkt ab, sind als Frühgeborene deutlich empfindlicher und sterben bei Komplikationen öfter als weibliche Frühgeborene. Hüther macht klar: Das, was Männer genetisch verletzlicher macht als Frauen, ist nicht das Y-Chromosom, sondern die Tatsache, dass eben kein zweites X-Chromosom vorhanden ist. Die 800 Gene auf einem X-Chromosom werden in jeder embryonalen Zelle gebraucht, und wenn ein Gen einmal nicht so optimal funktioniert, springt das entsprechende Gen auf dem zweiten X-Chromosom ein. Ein toller Mechanismus! Hier sind die Männer wirklich benachteiligt: Ihnen fehlt der »doppelte Boden«, und das macht ihnen den Start ins Leben einfach schwieriger.
Aber kommen wir noch einmal zurück zum Y-Chromosom, das den Männern zwar ihr Geschlecht gibt, aber ansonsten unnütz ist, anders als bisher angenommen. Es soll sich hierbei übrigens um den verstümmelten Rest eines ursprünglich weiblichen X-Chromo­soms handeln. Seit ein paar Jahren hat das Y-Chromo­som nun eine Rehabilitation erfahren. Es sieht zwar ziemlich mickrig aus, soll aber extrem stabil sein. Denn in den letzten 25 Millionen Jahren soll das männliche Geschlechtschromosom nur ein einziges Gen verloren haben, wie der DNA-Vergleich mit Rhesus-Affen vermuten lässt. Vor einiger Zeit ging man noch davon aus, dass das Y-Chromosom weiter schrumpft und Gene verliert, wie dies in den vorangegangenen 300 Millionen Jahren Evolution der Fall gewesen war. Vor diesem Hintergrund schien der Untergang des Mannes in geschätzten 125 000 Jahren unaufhaltsam, denn dann würde das Y-Chromosom endgültig verschwunden sein. Dies stellte sich als falsch heraus – wir können aufatmen! Die neuen Erkenntnisse besagen, dass auf dem Y-Chromosom die 12 Gene, die im Laufe der Evolution erhalten geblieben sind, offenbar sehr wichtig für das Überleben sind, aber was sie konkret bewirken, ist noch unklar. Das interessiert uns hier aber nicht besonders, denn entscheidend ist nur, dass die Männer, und seien sie genetisch auch nicht ganz so robust, uns erhalten bleiben. Und dass das Y-Chromosom, so mickrig es auch aussieht, weiterhin für die Erhaltung der Menschheit gebraucht wird.

weitere hürden: schwieriger start ins erwachsenenleben


fast noch faszinierender als der blick in die vorgeburtliche Hirnentwicklung ist die Tatsache, dass unser Gehirn – zumindest theoretisch – nie zu Ende entwickelt ist, auch nicht im Alter. Wir kommen zwar mit männlichen oder weiblichen Hirnstrukturen als Hardware auf die Welt, aber das ist kein biologischer Determinismus, im Gegenteil: Wie die Leber wächst auch das Gehirn mit seinen Aufgaben (hier im positiven Sinne der Neurogenese). So wie es genutzt wird, so organisiert es sich auch, und das schon recht schnell bei kurzfristigen sich wiederholenden Erfahrungen beziehungsweise Aktivitäten. Wir sind gespannt darauf, wie aus dem kleinen Embryomann mit seinen hirnspezifischen »Pauken und Trompeten« ein richtiger Mann wird und welche weiteren Hürden er überwinden muss.
In diesem Kapitel geht es weder um gestörte Familien­verhältnisse, Gewalt, alkoholabhängige Väter oder böse Mütter noch um neurotische Entwicklungsstörungen, sondern um die ganz normalen Konflikte, die ein Mann als kleiner und großer Junge während seiner psychosozialen Entwicklung bewältigen muss.
kindheit
zunächst steht die genetisch bedingte verletzlichkeit, mit der Jungen auf die Welt kommen, in scharfem Kontrast zu den landläufigen Klischees von der angeborenen männlichen Stärke. Dabei leiden Jungen viel häufiger als Mädchen an Krankheiten und Verhaltensauffälligkeiten. Sie sind etwa viermal häufiger von Stottern, Legasthenie, Bettnässen und Autismus betroffen, chronische Krankheiten kommen bei Jungen nahezu doppelt so häufig vor wie bei Mädchen. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (Zappelphilipp-Syndrom) wird bei Jungen drei- bis viermal häufiger diagnostiziert als bei Mädchen; eine verzögerte oder gestörte Sprachentwicklung, exzessiver Medienkonsum, motorische Entwicklungsstörungen und die Häufigkeit von Verletzungen und tödlichen Unfällen vervollständigen die Liste. Erstaunlich ist, dass dieser deutlich höheren Anfälligkeit von Jungen wenig (fachspezifische) Aufmerksamkeit geschenkt wird. Vielmehr passt dies zu dem überwiegend negativen Image von Jungen: Sie gelten als wild, gefährlich oder dumm, schwer erziehbar, verstockt oder böse. Jungen sorgen in der Regel einfach für mehr Ärger als Mädchen.
Was steckt dahinter? Auf der neurobiologischen Seite das Testos­­teron mit seinen »Pauken und Trompeten« und dem im Vergleich zu Mädchen viel stärkeren Bewegungsdrang, der oft nicht ausreichend ausgelebt werden kann, eine geringere Verbindung zwischen der sprachorientierten und der sensorischen Hirnhälfte und eine langsamere Hirnentwicklung. Auf der psychologischen Seite Trennungsangst und ein besonderes Bedürfnis nach emotio­naler...

Inhaltsverzeichnis

  1. Geleitwort I
  2. Geleitwort II
  3. Vorwort
  4. Einleitung
  5. Männer als Helden – stark, aber verletzlich
  6. Der Mann – das unbekannte Wesen
  7. Depression – die unbekannte Krankheit
  8. Wenn Männer depressiv werden
  9. Therapie oder Bier? Was wirklich hilft
  10. Danksagung
  11. Literatur