Quergänge
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Vorarlberger Geschichte in Lebensläufen

  1. 265 Seiten
  2. German
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Vorarlberger Geschichte in Lebensläufen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Anhand von 16 Lebensläufen erzählt der Historiker Meinrad Pichler eine Vorarlberger Regionalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Es geht um Wanderarbeiter und Stadtdamen, um Industriepioniere und Landstreicher, um kämpferische Engagierte und Kollaborateure, um Diener und Herren. Kurz: um bewegte Biografien, die jeweils auch die Hinter- und Abgründe ihrer Zeit widerspiegeln.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783706557382
image
Ganz im Gegensatz zu anderen Landgeistlichen ließ sich der Bildsteiner Pfarrer Johann G. Hummel von seinem Freund, dem Bregenzer Maler Anton Boch (1818–1884), ganz nach dem Vorbild städtischer Bürger porträtieren. Als liberaler Bürger hat der ungewöhnliche Pfar rer denn auch gewirkt und sein eigenes Leben gestaltet.
(Bild im Besitz der Landeshauptstadt Bregenz)

So brachte er sich unter seinen eifrigen Berufsgenossen in den Ruf eines allzu freisinnigen Mannes, und bald betrachteten ihn seine Amtsbrüder nur noch so von oben herab, wie einen verirrten Führer, dem die rechte Erleuchtung fehle. Ihn aber schien das wenig zu kümmern. Lächelnd eilte er aus ihrer Gesellschaft zu seinen Büchern heim. Mit den Jahren aber erlag er mehr und mehr seinen Eigenheiten.
– Franz Michael Felder über den Dorfpfarrer in „Reich und Arm“1

VOM OBSERVIERTEN REVOLUTIONÄR ZUM EHRENBÜRGER

DER UNGEWÖHNLICHE LANDPFARRER
JOHANN GEORG HUMMEL
(1808–1888)
AUS BREGENZ
Als am 27. Mai 1888 der ehemalige Pfarrer Johann Georg Hummel in seinem Haus in der Bregenzer Oberstadt verstarb, war ein ungewöhnliches Leben zu Ende gegangen. Von einigen kurzen Zeitungsmeldungen abgesehen, hatte aber die Öffentlichkeit vom Ableben dieses außergewöhnlichen Mannes kaum Notiz genommen. Neben Gründen, von denen noch die Rede sein wird, war dafür auch die Tatsache verantwortlich, dass Hummel seine Generation überlebt und das letzte Lebensjahrzehnt einsam und zurückgezogen verbracht hatte. Er war schon zu Lebzeiten in Vergessenheit geraten. Und so blieb es viele Jahre.2
Zu Unrecht, wie der folgende biographische Versuch zeigen soll. Hier werden Leben und Wirken eines Mannes beschrieben, der quasi als Nebendarsteller nicht nur Geschichte gestaltet, sondern auch erforscht hat, der vorgezeichnete Bahnen mehrmals verlassen hat und in politischer Hinsicht den Weg eines wagemutigen Grenzgängers gegangen ist.
Geboren wurde Hummel am 8. Dezember 1808 in der Bregenzer Schulgasse und zwei Tage später auf den Namen seines Paten, des Bäckermeisters Johann Georg Sohler, getauft.3 Seine Eltern waren arme Leute, erst seit dem Frühjahr 1808 Besitzer eines kleinen Hauses und des Bürgerrechtes.4 Der Vater war als Rotgerber im Taglohn beschäftigt. Von sechs Kindern überlebten fünf das Kindesalter: Der älteste Bruder starb 1852 mittellos in Bregenz, zuvor war schon die jüngste Schwester gestorben, die von Beruf Näherin gewesen war. Eine weitere Schwester heiratete den Bregenzer Zollhelfer und Landwirt Josef Lang; ihr zweiter Sohn Theodor wurde der Begründer des bekannten gleichnamigen Fahrradgeschäftes. Die dritte Schwester war 1838 nach Zurzach in der Schweiz ausgewandert, während der jüngste Bruder 1840 nach Wien übersiedelte, wo er sich als Messerschmiedmeister selbständig machte.5 Bregenz bot um jene Zeit nicht allzu rosige Verdienstmöglichkeiten, die ehemaligen Haupterwerbsquellen, der Holzhandel und die Lastenschifffahrt, befanden sich im Niedergang,6 Industrieansiedlungen erfolgten erst in den 1840er Jahren.
Ein besonders begabter Bub aus ärmlichen Verhältnissen konnte, wenn er eine höhere Bildung anstrebte, fast nur Geistlicher werden, „denn“ – so belehrte der Pfarrer in Franz Michael Felders Roman „Reich und Arm“ den Vater eines begabten Sohnes – „beinahe alle Stipendien sind nur unter dieser Bedingung zu gewinnen, und ein Weltlicher kann überhaupt nur schwer Unterstützung finden“7. So wird es wohl auch bei Hummel gewesen sein, der seit seinem Eintritt in die Bregenzer Kreishauptschule im Jahre 1816 jeweils der beste Schüler seiner Klasse war und deshalb in den Jahren 1817 und 1821 aus der städtischen Stiftung für „arme und brave Schulkinder“ einen „vollständigen Kleideranzug“ erhielt.8 Ein Bildungsaufstieg im Rahmen einer kirchlichen Laufbahn war unter diesen Bedingungen naheliegend.
So finden wir J. G. Hummel in den Jahren 1823 bis 1825 als Schüler am Gymnasium Feldkirch9 und 1830 als Studenten des Brixner Seminars. Im Sommer 1834 wurde er zum Priester geweiht, und am 3. August fand die feierliche Primiz in Bregenz statt. Gestört wurde das Fest durch einen Misston im Geläute der Stadtpfarrkirche. Die Bregenzer hatten nämlich in jenem Frühjahr eine beschädigte Glocke neu gießen lassen, deren Ton nun aber nicht mehr stimmte. Darüber war man so erzürnt, dass man die Glocke einige Tage nach der Primiz einfach vom Turm hinunterwarf, um sie dem Feldkircher Glockengießer zurückzustellen.10 Fürs Läuten zuständig waren die Mesnerbuben. Einer von ihnen sollte nicht nur Hummels Wege noch öfter kreuzen, sondern es auch selbst zu lokaler Berühmtheit bringen, nämlich als Stadtarzt und Mundartdichter: Kaspar Hagen. Dessen Onkel, Christof Anton Walser, auch Dialektdichter und Verfasser einer Bregenzer Pfarrchronik, war zu dieser Zeit Stadtpfarrer von Bregenz; er behielt den Jungpriester Hummel in seiner Pfarre, und zwar als Benefiziat der Seekapelle. In der Folge scheinen sich die beiden aber etwas auseinandergelebt zu haben. Diese Annahme legen nicht nur die kühle Erwähnung der Primiz und die völlige Weglassung von Hummels Bregenzer Tätigkeit in der Pfarrchronik nahe,11 sondern auch Hummels baldiger Wegzug aus Bregenz. Dieser dürfte dadurch beschleunigt worden sein, dass der junge Geistliche am Neujahrstag 1837 verhaftet wurde, nachdem er am verbotenen Neujahrsschießen teilgenommen hatte, „worüber er tüchtig ausgelacht wurde“12.

DER PFARRER

Im Februar 1837 bewarb sich Hummel um die vakante Pfarre Schröcken; und er bekam diese Stelle, obwohl ihm der Kreishauptmann die erbetene amtliche Protektion abgeschlagen hatte.13 Noch im Sommer 1837 trat er den „einsamen und rauen Posten“14 an.
„Kann man’s hier aushalten den lieben langen Winter?“, fragte der Schoppernauer F. M. Felder anlässlich einer Winterreise auf den Tannberg den ersten Schröckener, der ihm über den Weg lief. Was muss sich erst ein Studierter aus Bregenz gedacht haben angesichts der Schröckener Wirklichkeit? „Wenn man’s nicht aushält, legt man sich hin und stirbt“.15 Das war die sarkastische Antwort, mit der Felder beschieden worden war.
Der junge Pfarrer Hummel zeigte sich in den ersten Jahren engagiert und „sehr wohl gelaunt“, wie der Kreishauptmann bei seiner Visitation feststellen konnte.16 Aber wie seine Vorgänger hatte er für sein Leben doch weitergehende Ambitionen und ließ sich nach sechs Jahren versetzen. Die einzigen Pfarrherren, die es in Warth, besonders aber in Schröcken länger als einige Jahre aushielten, waren durchwegs Einheimische.
Schröcken hatte Ende der 1830er Jahre etwas mehr als 200 Einwohner. Wer keinen Hof übernehmen konnte, musste abwandern. 1850 war die Einwohnerzahl bereits auf unter 200 gefallen. Mehr als die Hälfte der Bauern war schwer verschuldet,17 die meisten lebten trotz „größter Anspruchslosigkeit oft in bitterer Not“18. Es gab ein Gasthaus, das zusammen mit Kirche, Schule und Pfarrhof auf dem einzigen relativ lawinensicheren Plateau stand. Nach Schoppernau führte nur ein Saumpfad, den man in zwei Stunden am besten zu Fuß ging, denn „wer sich eines Reitpferdes bedienen will, darf nicht an Schwindel leiden, da der Weg an vielen Stellen an steilen Abgründen vorbeiführt“19. Post kam nur selten und unregelmäßig, der nächste Arzt und die Hebamme waren in...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Der Quergeist weht, wo er will
  6. Im Dienste Seiner Majestät
  7. Abgeschoben – Abgehauen
  8. Kaffee mit Beigeschmack
  9. Der Gescheiterte Philosoph der Freiheit
  10. Vom Observierten Revolutionär Zum Ehrenbürger
  11. Der Einsame Rufer am Mississippi
  12. Felders Freund, der „Fremdler“
  13. Selbstverwirklichung im Dienst an Anderen
  14. Ein Bohemien in der Kleinstadt
  15. „… Weil wir der Ansicht sind, dass auch ein Getaufter Jude nach wie vor ein Jude Bleibt“
  16. Bregenz – Berlin
  17. Der Vorzugsschüler im Widerstand
  18. Zwischen Allen Fronten
  19. Bauen um Jeden Preis
  20. Der Fremde
  21. Grenz-Erfahrungen
  22. Nachweise und Abkürzungen