Tanz der Elemente
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Tanz der Elemente

Über die Schönheit des Periodensystems

  1. 224 Seiten
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Tanz der Elemente

Über die Schönheit des Periodensystems

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Über dieses Buch

Chemie ist die fröhlichste Wissenschaft unserer Zeit.Alles fügt sich aus wenigen Bausteinen, den Elementen. Die Natur, der Mensch und jedes Ding. Vor 150 Jahren brachte Dmitri Mendelejew in St. Petersburg die Welt in Ordnung. Jedes Element fand im Periodensystem für immer einen festen Platz. Das Periodensystem war schon immer mehr als eine Tafel im Chemieraum. Man muss seine Geschichte nur von vorn erzählen und am Ende in die Zukunft sehen. Michael Pilz berichtet von den alten Erzen und Elementen der Natur über die antiken Vorstellungen von vier großen Elementen und die göttliche Kunst der Alchemie bis zur künstlichen Welt des Periodensystems und darüber hinaus. Er erzählt eine Kulturgeschichte der Welterklärung und beschreibt die Chemie als fröhlichste Wissenschaft unserer Zeit.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783701746255

Drei

Vom Feuer zum Himmel

Höhlenbilder, erste Elemente, nutzlose und nützliche Metalle und die Welt des Homo chemicus.

Wenn ich als Kind versuchte, mir den ersten Menschen vorzustellen, sah ich keinen nackten Mann im Paradies mit einem Feigenblatt im Schritt. Ich stamme aus einem entschieden wissenschaftsgläubigen Atheistenhaushalt. Ich sah einen pelzigen Schrat wie in den herrlichen Paläomalereien Zdenek Burians. Der erste Mensch trat vor die Höhle, sah sich um und dachte: »Überall, wo man auch hinschaut, Zeug aus lauter Stoff.« Noch stand er mittendrin in der Natur. Als er das Feuer zähmte, wurde er zu einem kulturellen Wesen, das die Stoffe, aus denen die Welt besteht, verwandeln konnte. Er verbrannte Bäume. Er zermahlte Samen, formte Teig und backte Brot. Er garte Tiere. Er wurde zum Homo chemicus, der Eiweiße verdaulich zubereiten und sein Großhirn wachsen lassen konnte, um das Universum zu erkennen und Systeme aufzustellen. Aus dem stolzen Bäcker wurde Abertausende von Jahren später ein neurotischer Gluten-Allergiker. Und aus dem Menschen, der das Feuer hütete, wurde ein Künstler, der zunächst einmal mit den verkohlten Holzstücken zurück in seine Höhle ging und seine Sicht der Dinge an die Wände malte. Er hatte den Kohlenstoff entdeckt.

6C

Der Kohlenstoff der Steinzeit war die Holzkohle, die in den kalten Feuerstellen lag, und das verbrannte Fleisch, in dem sich auch die ersten Aromaten sammelten, um Krebszellen zu bilden. Dass der Kohlenstoff das Element des Lebenskreislaufs ist, konnte der Mensch damals nicht ahnen. Vielleicht fand er einmal einen schwarzen Felsbrocken, den er zum Glühen bringen konnte, einen grauen Erdklumpen, mit dem er schönere Striche zeichnen konnte als mit den verkohlten Hölzchen aus dem Herd, und einen unscheinbaren Stein, den er nicht spalten konnte. Er wusste von Steinkohle, Graphit und Diamant so wenig wie davon, dass es ihn ohne Kohlenstoff nicht gäbe und dass Kohlenstoff ein Element ist, ein elementarer Baustein der Materie. Wer die Welt betrachtet wie der erste Mensch, kann keine Elemente sehen. Ihm geht es wie Jesse Pinkman in der Serie »Breaking Bad«, als Walter White ihn nach dem Element fragt, das als Stromleiter berühmt sei (es ist Kupfer). »Draht«, sagt Jesse.
In der Bibel kommt die Kohle vor, so heißt es im Buch Jeremia: »Der König aber saß im Winterhause vor dem Kohlenbecken; denn es war im neunten Monat. Sooft nun Jehudi drei oder vier Spalten gelesen hatte, schnitt er sie ab mit einem Schreibermesser und warf sie ins Feuer, das im Kohlenbecken war, bis die ganze Schriftrolle im Feuer verbrannt war.« In den Büchern Hesekiel und Mose wird der Diamant erwähnt wie in griechischen Schriften und der hinduistischen Veda. Kohlenstoff wurde verfeuert, um zu heizen und den Räucheraltar anzufachen, Kohlenstoff wurde, ohne zu wissen dass es sich um Kohlenstoff handelt, als Edelstein gefeiert. Ruß war im Mascara, dem Make-up der Schönheit und der Sünde. Er muss überall gewesen sein, schon »weil er jedem alles zu sagen hat, er ist nicht spezifisch, so wie Adam kein spezifischer Vorfahr ist«, wie Primo Levi schreibt, der Chemiker und Schriftsteller, in seinen Memoiren »Das periodische System«.
Im Periodensystem der Elemente findet sich der Kohlenstoff, wenn man die Tafel zu den alten Mendelejewschen acht Hauptgruppen über die Nebengruppen faltet, in der Mitte wieder. Um in Primo Levis Bild vom Kohlenstoff zu bleiben, der bei ihm auch nur ein Mensch ist: Er ist der Mediator im System, gesellig und genügsam, es gibt niemanden, der sich nicht an ihn binden möchte, er verbindet sich auch gern mit Seinesgleichen und, weil sein Atom so winzig und kompakt ist, fester als die Elemente unter ihm. Vladimir Nabokov schreibt über seine »vier Wertigkeiten«, als wäre C eine messianische Gestalt, ein vierarmiger Gott. Man kann Nabokov gut verstehen, wenn man sich die Ketten, Netzwerke und Ringe ansieht, die der Kohlenstoff abermillionenfach in seinen Molekülen bildet, theoretisch in unendlich vielen. In harmonischen Aminosäuren, die sich in den Zellkernen zu Erbsträngen verdrillen. Im Kohlendioxid, das sich im Chlorophyll der Pflanzen zu Glukose umbaut. Alles Kohlenstoff. Der Mensch verwandelt die Glukose wieder in Kohlendioxid.
Das sechste ist das dritthäufigste Element im Universum, nach den ersten beiden, Wasserstoff und Helium. In den Sternen, wo die Elemente überhitzt zur Welt kommen, entsteht aus Helium vor allem Kohlenstoff als sechstes Element, und hilft dann wiederum bei der Geburt von noch mehr Helium aus Wasserstoff. Im CNO-Zyklus, der auch benannt ist nach Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker, seinen Entdeckern im Jahr 1939, wird aus Kohlenstoff in den Sternen Stickstoff, Sauerstoff und schließlich wieder Kohlenstoff. Als gäbe es im Himmel einen höheren Plan, das Element des Lebens vorzugsweise zu behandeln und Astrologiegläubigen einen wissenschaftlich haltbaren Gefallen zu tun. Die Erde geizt dafür mit Kohlenstoff. Er liegt weit abgeschlagen auf Rang 13 mit 0,087 Prozent im Kohlendioxid, den lebenden Organismen und vor allem ihren toten Sedimenten. Sichtbar wurde er elementar erst 1772 in Paris, als Antoine Laurent de Lavoisier im Ruß den charbon pur fand und unter entsetzter Anteilnahme der Kollegen einen Diamanten unter einem Brennglas zu Kohlendioxid verdampfen ließ. Carl Wilhelm Scheele demonstrierte 1778 im schwedischen Uppsala, dass auch Graphit aus nichts als reinem Kohlenstoff besteht und dass in weißer Kreide reichlich schwarzer Kohlenstoff vorhanden ist.
In Kreide, Kalk und Kohle ruht der Kohlenstoff des vormenschlichen Lebens. Dass die menschliche Kultur des auch im 21. Jahrhundert längst nicht überwundenen Industriezeitalters auf den Kohleflözen und fossilen Ölquellen errichtet ist, gehört zu den fantastischsten Geschichten der Naturgeschichte. Kohle hat den Vorzug gegenüber allen anderen festen Stoffen, dass sie idealerweise rückstandsfrei verbrennt. In reiner Holzkohle verwandelt sich der Kohlenstoff im Feuer in Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Der Köhler war der Mann im Wald, der Botschafter der Wildnis. Er zog dorthin, wo das Holz wuchs und übte die Kunst aus, Äste, Zweige und Gestrüpp in einer Mulde unter Grassoden zu federleichten, schwarzglänzenden Stücken zu verschwelen, mit denen sich ganze Tiere grillen und die härtesten gebräuchlichen Metalle schmelzen ließen. Köhler waren noch Nomaden und bereits mobile Menschen. Sie waren die anderen, die bei den Bürgern in den Städten so rurale und romantische Gefühle wie uralte Ängste weckten. Diese edlen Wilden traten manchmal auch heraus aus ihren Wäldern und verteilten Gaben an die Armen.
Ob Kohle aus Holz oder aus Stein – sie war immer der Stoff, aus dem sich die sozialen Dramen speisten, und der Brennstoff des kapitalistischen Systems. Die Armen produzierten in den Wäldern reinen Kohlenstoff aus Zellulose, und sie stiegen in die Gruben, um das schwarze Gold des Industriezeitalters aus dem Boden und dem Berg zu hauen, für die Reichen. Da waren auch nicht so Arme wie die Carbonari in Italien, ein Geheimbund eher gutsituierter Patrioten, die gegen die napoleonische und habsburgische Fremdherrschaft im 19. Jahrhundert vorgingen, indem sie sich, wenn sie zusammenkamen, schwarz bemalten und wie Köhler kleideten. Die Carbonari waren nicht nur Vorkämpfer des freien Nationalstaats. Noch die Ultras, die im Fußballstadion des 21. Jahrhunderts für den reinen Fußball auf die Barrikaden gehen, gegen Kohle und Kommerz, sind ihre Kinder. Als die Zechen klamm wurden, entzündeten sich die Konflikte in den Kohlegegenden. Was übrig blieb, waren die Solidaritätshymnen von Billy Bragg und eine nostalgieselige Kumpelfankultur im Fußball. Macht war immer an Materie gebunden. Upton Sinclair schreibt davon in »König Kohle«; D. H. Lawrence legt seiner sozialsentimentalen Lady Chatterley die Worte in den Mund, dass Bergmänner »elementare Geschöpfe« seien, die »Fauna der Elemente« (2).
Als die ersten Chemiker im Zeitalter der Carbonari demonstrierten, dass sich Diamanten unter Feuer in Kohlendioxid verwandeln und verflüchtigen ließen, konnten sie nicht wissen, dass sie einem größeren Problem der Menschheit auf der Spur waren als dem, dass Diamanten offensichtlich keine ewigen Werte sind, wie es die Minenmonopole in Südafrika versprachen. »Und siehe, da ging ein Rauch auf vom Lande wie ein Rauch vom Ofen«, steht im Ersten Buch Mose über Sodom und Gomorrha – was, wie Geologen wissen, von den frühen Gas- und Ölquellen erzählt und davon, was aus dem fossilen Kohlenstoff wird, wenn man ihn verbrennt. Ein Treibhausgas, ein Fußabdruck. Wenn man ihn nicht verbrennt, sondern, wie es sein Platz im Periodensystem nahelegt, zu Ketten aneinander knüpft, werden aus Kohlenwasserstoffen sogenannte Kunststoffe. Dass Plastik einmal ein Versprechen war, daran werden sich Ältere erinnern. Plastik war die Neuschöpfung aller organischen Materie und die Zukunft, als die Zukunft noch ein Grund zur Freude war. Plastik war Pop. Ohne Vinyl hätte es keine Popmusik gegeben, ohne Zelluloid kein Kino. Heute treiben Plastikabfallinseln auf dem Meer wie Eisberge. An Land werden die Plastikabfallberge, für die sich niemand mehr interessiert, verbrannt wie alle anderen fossilen Energiequellen und Treibstoffe. Und wie das Öl und Gas von Sodom und Gomorrha.
Es ist keine gute Zeit für Kohlenstoff. Es hilft ihm auch nicht, dass er seine eigene Chemie hat, die »organische«, was zwar ein schönes Wort ist, weil der Mensch im 21. Jahrhundert dabei an gewachsene Hölzer und gesunden Hopfen denkt, was ja auch richtig ist. Aber Chemie gilt seit den Siebzigerjahren, seit sie schlecht ist, schon an sich als »anorganisch«, was nun wiederum nicht richtig ist. Kein Element bezeugt so glaubwürdig, dass es das Künstliche ohne alles Natürliche nicht gäbe, wie der Kohlenstoff. Ohne ihn wüssten wir von gar nichts. Seine Isotope sagen uns, wie alt die ersten Höhlenbilder sind. Mönche und Alchemisten schrieben mit Graphitstiften und Gallustinte auf geschöpfte Zellulose. Ruß wurde zu Kohlepapier und zu Druckerschwärze. Kohlenstoff führt im Periodensystem die vierte Gruppe an, die Informatikgruppe: Unter ihm stehen Silizium und Germanium, die Elemente der Computerwelt, darunter Zinn und Blei, die Elemente der gravierten Bronzetafeln und der Gutenbergschen Drucklettern, mit denen dann auch Dmitri Mendelejews Lehrbücher gesetzt wurden.
Es ist aber auch, trotz des Kohleausstiegs, eine gute Zeit für Kohlenstoff: Die Köhler sind zurück, weil Menschen gern organisch grillen. Und weil Biodiesel keine Lösung ist, wird es auch irgendwann Kohlenwasserstoffe geben aus Kohlendioxid und Wasser. Tief im Inneren jedes Problems findet sich seine Lösung. Reiner Kohlenstoff kommt nicht nur als Graphit und Diamant vor, es gibt Fullerene, die aus Fünf- und Sechsecken geformt sind wie die Lederfußbälle von früher, und ihre Kristalle, die intelligenten Fullerite für die Nanotechniken der Zukunft. Es gibt Vantablack aus mikroskopisch kleinen Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die, wie in den Kunstwerken von Anish Kapoor, ein vollkommenes Schwarz erzeugen. Die totale Finsternis, das Nichts.

29Cu

Zurück zum Feuer: Eine Horde sitzt am Herd in ihrer Höhle, als die grünen Steine um die Glut herum zu bluten beginnen. Es gibt 13 000 Jahre alte Kupferperlen aus dem Zweistromland. Es gibt das Kupferbeil des Ötzi aus der Jungsteinzeit, die Archäologen und Anthropologen auch als Kupfersteinzeit kennen. Es gibt aus der Zeit um 4000 vor Christus interessant glasierte Steinguttöpfe, die davon berichten, dass die Menschen damals bereits bunte Kupfererze kunstvoll schmelzen konnten. Es gibt biblische Erzählungen über die Kupferwüsten und die Wiegen der Kultur, über den Kupferkönig Salomo und seine sagenhaften Kupferminen. »Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, da du Kupfer aus den Bergen hauest«, sagt das Fünfte Buch Mose. Die Israeliten pflegten ihren Kupferschlangenkult. Als die Ägypter es versklavt hatten, das stolze Volk, musste es für die Herren das Kupfer aus den Bergen hauen. Die Ägypter ließen daraus Schwerter, Helme, Wasserleitungen und Angelhaken schmieden. Im Jerusalemer Tempel stand »Das Meer«, ein Kupferbecken in der Größe eines Swimmingpools und in der Farbe des heiligen Roten Meers. Davon legen die Schriftrollen von Qumran Zeugnis ab, manche sind ebenfalls aus Kupfer.
Dass Kupfer das erste Element war, das den Menschen ansprang, nach dem Kohlenstoff gut durchgebrannter Holzkohle und noch vor dem elementar herumliegenden Gold, wirkt deshalb seltsam, weil es zwar auch rein vorkommt, aber als häufigstes natürliches Metall der Erdkruste am augenfälligsten in seinen meeres- oder himmelfarbenen Erzen. Malachit und Azurit, beide sind Kupfercarbonate. Feuer treibt den Mineralien die Kohlenstoffoxide aus, die Kohle lässt das Kupfer übrig. Abgeschiedene Naturvölker behandeln Kupfermineralien seit Alters her wie steingewordene Schamanen, die im Feuer blutrot glühen und im Wasser wieder grün werden wie Wälder in der Regenzeit. Es ist das einzige rote Metall im großen grauen Meer der anderen Metalle mit den kleinen gelben Inseln Gold und Zäsium. Warum seine Atome das grünblaue Licht der Sonne schlucken und es auf den Menschen rötlich wirken lassen, haben Quantenphysiker mit seinem inneren Energiehaushalt erklärt – was aber nur erklärt, dass es so ist und nicht, warum. Am schönsten hat die Farbe vielleicht Albert Uderzo getroffen: In »Asterix und der Kupferkessel« changiert Kupfer, wie es sich gehört, auf irritierende Weise zwischen Rot, Orange und Gelbrot.
Einerseits hat sich der Aberglaube an die Zauberkraft des Kupfers wunderbar gehalten, Esoterikläden führen Kupferamulette gegen Krebs und Kupferarmbänder gegen Arthritis. Auf der anderen, weltlicheren Seite kennt der Markt für Klempner kaum etwas gesünderes als Wasserleitungen aus Kupfer und seinen Legierungen, die es mit seinen Nachbarn im Periodensystem vorbehaltlos eingeht. Manche Kupfersalze mögen für den Menschen giftig sein und ihn zum Brechen bringen, reines Kupfer tut ihm nichts, fügt aber den Bakterien, die ihn krank machen, schwere Gesundheitsschäden zu und tötet sie. Es wirkt aseptisch, es desinfiziert. Deshalb sind Münzen, vor allem die Cents und Pennys, die geringgeschätzten und allgegenwärtigen, aus Kupfer. Eine Kupfermünze besitzt keinen nennenswerten Materialwert, sie ist soviel wert wie ihre Prägung aussagt. Was wiederum nichts darüber aussagt, dass Kupfer immer von unschätzbarem Wert war: In Montana lieferten sich die »Drei Kupferkönige« des Wilden Westens einen Krieg, verheerender und blutiger als jede Schlacht damals um Öl und Gold. Als der Staat Israel gegründet wurde, öffnete das Volk wieder die Minen Salomos, hämmerte das Zitat aus dem Buch Mose von den sagenhaften Kupferbergen an die Kupfertür der Zeche und errichtete auf seinen Kupfererzen eine Industrienation. Die Freiheitsstatue ist auch aus Kupfer, selbstverständlich.
Ob es edel ist, dazu gehen die Ansichten auch unter Metallurgen auseinander. Kupfer korrodiert nicht, aber es läuft an, es reagiert mit Sauerstoff, Kohlendioxid und saurem Regen zu dekorativem Grünspan. Darunter ist es sich selbst genug und läuft nicht weiter an. Es leitet Strom unter geringsten Widerständen, Kupfer hat die Menschheit elektrifiziert. Als Walter White und Jesse Pinkman in der Serie »Breaking Bad« mit ihrer fahrenden Drogenküche in der Wüste liegenbleiben, basteln sie aus edlen und unedlen Metallen eine Batterie. Der Strom fließt von den unedlen Metallen zu den edlen. Kupfer ist in einer Batterie aus Zink und Kupfer edel und in einer Zelle, einem »Element«, mit Silber unedel. Ein solches Element, wie Luigi Galvani seine Zellen nannte, sorgt für eine gleichbleibende Spannung und einen konstanten Strom. »Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung«, lautet Lenins alte und inzwischen widerlegte Weltformel. Globalisierung ist Kapitalismus plus Kupfer, ist die ältere Gleichung, die noch heute gilt. Kupfer lässt nicht nur freie Elektronen fröhlich fließen. Es lässt sich zu dünnen Blechen hämmern oder walzen, wie die Grünspandächer zeigen; es lässt sich zu Drähten ziehen. Kaum dass sich die Elektrizität dem Menschen offenbart hatte, im späten 18. Jahrhundert, zog er Kupferleitungen über das Land, um Botschaften zu übermitteln. Dann, im 19. Jahrhundert, durch den Ärmelkanal und den Atlantik, schwere Kupferkabel, dick wie Baumstämme, umhüllt mit Kautschuk aus den Kolonien, und im 20. Jahrhundert um die ganze Welt. Noch heute wird die Hälfte der Weltkupferförderung zu Draht gezogen. Bettler stehen vor den Wertstoffhöfen, um das Buntmetall wieder aus dem Elektroschrott zu holen und am Kupferkreislauf teilzuhaben. Satelliten, Glasfaser und kabellose Netzwerke werden nichts daran ändern, dass es keine schöne neue Netzwelt ohne Kupfer gäbe.

79Au

Ohne Gold wäre der Mensch kein Chemiker. Seit er im Sand beim Jagen und beim Sammeln und im Fluss beim Fischen und beim Baden auf den ersten Schatz stieß, ist er vom gelben Metall besessen. Von seinem Gewicht, vom Glanz. Es ist gediegen, es ist selten. Seit der Steinzeit sucht der Mensch nach Gold, seit 7000 Jahren formt er es zu Schmuckstücken und anderen Kostbarkeiten, seit 2000 Jahren versucht er sich im Labor daran, Gold aus den weniger begehrten Elementen herzustellen – was die Sonne und die Sterne können und was auch Atomphysiker könnten, wenn sich solche Kernfusionen lohnen würden. Die Ägypter gossen goldene Totenmasken für die Pharaonen, ihre Sklaven, die Israeliten, standen staunend an den Häfen, wenn die Schiffe eintrafen mit »Sandelholz und Edelgestein, Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen«, wie das Erste Buch der Könige vermerkt. Ägypten war die erste Hochkultur, die ihre Macht dem Gold verdankte. Die Israeliten gossen sich das Goldene Kalb als Götzen und umtanzten es, bis Moses kam und es zerstörte, wie auch immer. König Midas machte sich, indem er alles, was ihm in die Finger kam, in Gold verwandelte, bereits als Mythos um die Alchemie verdient, bevor in Lydien hundert Jahre nach ihm Geldstücke aus Elektron auftauchten, silberhaltigem Gold. 550 Jahre vor unserer Zeit verfügte König Krösus, reine Goldmünzen zu prägen. Er setzte den Wert fest, er erfand die Währung, er sorgte dafür, dass Gold und Geld seither ideenreich gefälscht werden.
Im Siebten Buch Josua kommen Goldzungen als unsittliche Zahlungsmittel vor. Plinius der Ältere schreibt in seiner »Naturgeschichte«: »Der erste Mensch, der sich Gold an die Finger steckte, beging das schwerste Verbrechen gegen das menschliche Leben.« (3) Schon das zweitschwerste Verbrechen war, laut Plinius, die erste Goldmünze. Aber auch er verschweigt in seiner wortreichen Verwünschung nicht, dass Gold so wunderbar das Licht der Sonne einfange, was wissenschaftlich seiner Zeit wiederum um fast zwei Jahrtausende voraus war: Anders als beim Kupfer wissen Quantentheoretiker, warum das blaue Licht vom Gold geschluckt wird und es deshalb gelb strahlt. Um den schweren Kern bewegen sich die Elektronen annähernd mit Lichtgeschwindigkeit, die Relativität sorgt für den goldenen Glanz. Die Schönheit steckt in der Struktur. Es ist das schwerste der natürlich vorkommenden Elemente in der Kupfergruppe. Archimedes war es, der die vom Gefühl her außerordentliche Dichte in einem Glas Wasser maß. Und ebenfalls im Gegensatz zu Kupfer kommt es seltener in Erzen vor und überwiegend rein. Seine Atome binden sich lieber an ihresgleichen als an fremde. Es ist unzweifelhaft edel und gediegen. Weil es sich nur ungern bindet, ist es, anders als der Diamant, ta...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. INHALT
  6. Eins: Am Anfang war das Nichts
  7. Zwei: Der Sibirische Prophet
  8. Drei: Vom Feuer zum Himmel
  9. Vier: EIn, zwei, drei, Viele Elemente
  10. Fünf: DAs große KunstWerk
  11. Sechs: Die AlcHemie der Aufklärung
  12. Sieben: Alte Schweden
  13. Acht: Es lebe die Revolution!
  14. Neun: Alles Atome
  15. Zehn: Alles Fügt Sich
  16. Elf: Im PostperiodiSchen ZeitalTer
  17. Zwölf: Die Poesie des Periodensystems
  18. Dreizehn: Am ENde ist es alles
  19. Anmerkungen
  20. Literatur
  21. Über den Autor