Grandiose Täuschungsmanöver der Geschichte
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Grandiose Täuschungsmanöver der Geschichte

  1. 320 Seiten
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Grandiose Täuschungsmanöver der Geschichte

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Über dieses Buch

Johannes Seiffert entführt seine Leser unterhaltsam, spannend und mitunter provokativ ins weite Feld der bewussten Fälschungen und Umdeutungen von historischen Begebenheiten bis hin zur regelrechten Lüge, um die Geschichtsschreibung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Anhand von zehn exemplarischen Fällen entschlüsselt der Autor Mythen und Mythologien. So zeigt er, dass die Gründung des Vatikanstaats auf einer Fälschung beruht, er geht der Frage nach, ob es das Mittelalter überhaupt gab, ob der Krimkrieg (1853–1856) ein erster konzentrierter Versuch zur Zerschlagung Russlands war, untersucht die Dreyfus-Affäre (1894) in Frankreich und beschäftigt sich mit den Verschwörungstheorien zum Terror des 11. September 2001. Er bringt Licht ins Leben, Lieben, Spionieren und Sterben von Elli Barczatis (1912–1955), der einstigen Chefsekretärin des DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, und hinterfragt, welche Rolle US-Drohnenkriege im Völkerrecht spielen. Über all das und vieles mehr bringt der Autor Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Irreführungen zum Vorschein. Johannes Seiffert deckt die Täuschungen auf, betrachtet kritisch angeblich unumstößliche Tatsachen und analysiert, wie es wirklich gewesen ist. Zeitgeschichte vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, die sich spannender als jeder historische Krimi liest!

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783958415638
Kosovo – Die Mafia bekommt einen Staat geschenkt
Freitag, der 19. Juli 2019. Der kosovarische Regierungschef Ramush Haradinaj tritt zurück. Der Name sagt Ihnen nichts? Damit dürften Sie in guter Gesellschaft sein. Das Thema Kosovo und die Namen der Protagonisten sind wohl nur noch einer kleinen Gruppe von Spezialisten geläufig. Ansonsten spielt das Kosovo seit seiner brutalen, mit Bomben und Massakern von der NATO herbeigeführten Herauslösung aus dem jugoslawischen Staatsverband vor genau zwanzig Jahren nur noch eine Randrolle in der Tagesberichterstattung der Presse. Und das ist keineswegs Zufall. Schon der völkerrechtswidrige NATO-Krieg gegen Jugoslawien ab 1990 unterlag einem massiven Täuschungsmanöver seitens der Westblockpresse, die anhand fadenscheiniger »Beweise« und handfester Lügen behauptete, dieser Krieg werde völlig zu Recht geführt. Auf die Spitze getrieben wurde das Täuschungsmanöver dann bei dem vor zwanzig Jahren frech vor aller Augen betriebenen Landraub gegenüber Restjugoslawien beziehungsweise Serbien und der Gründung des eigenständigen »Staates« Kosovo (völkerrechtlich bis heute kein Nationalstaat, sondern gemäß UNO-Resolution Nummer 1244 weiterhin serbische Provinz). Doch eines nach dem anderen.
Interessant ist zunächst einmal, warum Herr Haradinaj zurückgetreten ist. Der Grund für den Rücktritt führt mitten zurück in das verbrecherische Geschehen, das vom Westblock vor den Augen der Weltöffentlichkeit damals betrieben wurde. Als Grund wird in der ganz weit hinten unter den vermischten Nachrichten platzierten Pressemitteilung genannt, Haradinaj sei als Verdächtiger vom UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugo­slawien vorgeladen worden. Die Vorladung des bisherigen Premiers hänge mit seiner Rolle während der Massaker von vor zwanzig Jahren zusammen. Haradinaj war damals Kommandeur der kosovo-albanischen »Freiheitskämpfer-Truppe« UÇK. Massaker vonseiten der UÇK? Vor zwanzig Jahren las sich das in der Westblockpresse noch ganz anders: Da waren die »Freiheitskämpfer« von der UÇK die »Helden« beziehungsweise die »Opfer« der »verbrecherischen, mörderischen Serbenbanden« beziehungsweise der serbischen Armee und Polizei. Das ist also einigermaßen bemerkenswert, dass jetzt – mit zwanzig Jahren Abstand – auf einmal die »Helden« zu Tätern mutieren, und statt auf Empfängen bejubelt zu werden (wie damals), sitzen sie nunmehr auf der Anklagebank. Das wirft natürlich Fragen auf. Und genau mit diesen Unstimmigkeiten wollen wir uns jetzt beschäftigen und versuchen, der allzu gebeutelten historischen Wahrheit näherzukommen.
Haradinaj werden, wie den anderen UÇK-Kommandeuren, Verbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung während des Kosovokriegs (1998 –1999) vorgeworfen. In der Meldung wird – ganz im Stil der Westblockmedien-Faktenmanipulation – aber sogleich beschwichtigend darauf hingewiesen, das heute überwiegend von Albanern bewohnte Kosovo habe früher zu Serbien gehört, aber im Krieg 1999 seine Unabhängigkeit erkämpft. Offiziell sei das Kosovo seit 2008 unabhängig und werde von mehr als hundert Staaten anerkannt. Serbien habe die Abspaltung seiner ehemaligen Provinz nie akzeptiert und betrachte das Kosovo immer noch als sein Staatsgebiet. Derzeit würden noch etwas mehr als hunderttausend Serben im Kosovo leben. Das Interessante: An dieser Zusammenfassung stimmt kein Wort. Sie ist erstunken und erlogen. Der Wahrheit näher kommt man, wenn man jeden Satz ins Gegenteil verkehrt. Aber eines nach dem anderen.
Generell ist hier vorwegzuschicken, dass nur selten in der abendländischen Geschichte ein Vorgang so sehr von Lügen, Mauscheleien und Manipulationen der öffentlichen Meinung geprägt war wie die vom Westblock und insbesondere von der BRD aktiv betriebene Zerschlagung des Staates Jugoslawien nach 1990 und neun Jahre später die Schaffung des »Staates« Kosovo als UN- beziehungsweise EU-Protektorat von Gnaden des Westblocks beziehungsweise der NATO. Auch in diesem Fall ist der Vorgeschichte beziehungsweise den Geschichtsverläufen der vergangenen tausend Jahre manch erhellender Zusammenhang für die heutige Situation zu entnehmen. Werfen wir also einen Blick zurück ins späte Mittelalter. Damals war das Kosovo serbisch, mit einer kleinen albanischen Minderheit von Wanderhirten. Das änderte sich erst mit dem Überfall der Türken 1389. Seitdem waren die serbischen Fürsten des Kosovos osmanische Vasallen. Ab der Einnahme von Konstantinopel 1453 regierten die Osmanen das Kosovo uneingeschränkt. Die Minderheit der Albaner wurde aufgrund ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit nun im serbischen Kosovo zu Bürgern erster Klasse, die christlich-orthodoxen Mehrheitsserben zu Bürgern zweiter Klasse in ihrem eigenen Land. Die folgenden Jahrhunderte sahen eine Bevorzugung der albanischen Minderheit auf Kosten der zunehmend drangsalierten serbischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo. Im 19. Jahrhundert hintertrieb Österreich-Ungarn die Bemühungen des mittlerweile wieder vom Osmanischen Reich unabhängigen Serbiens, Zugang zum Mittelmeer beziehungsweise der Adria zu erlangen – die k. u. k. Monarchie wollte Serbien als Konkurrenz auf dem von Wien beanspruchten Balkan möglichst klein und wirtschaftlich (also militärisch) schwach halten. Daher unterstützte man auch im nominell noch türkischen Teil des Balkans, zu dem das Kosovo damals noch zählte, die Entstehung eines unabhängigen albanischen Staates als feindseliger muslimischer Konkurrenz zu Serbien. Im Ersten Weltkrieg – der bekanntlich 1914 mit dem k. u. k. Überfall auf Serbien begann, woraufhin sich die Bündnismaschinerie in Gang setzte und den Regionalkonflikt binnen weniger Tage zum Weltkrieg ausweitete – besetzte Österreich-Ungarn auch Teile des Kosovos. Erste Amtshandlung war, die lokale Verwaltung in die Hände der albanischen Minderheit zu übergeben, die das natürlich weidlich zum Nachteil der serbischen Bevölkerung ausnutzte. Nach 1918 wurde das Kosovo wieder serbisch, allerdings in den nächsten Jahren von Unruhen heimgesucht, die von Terroristen gesät wurden, welche von Albanien in das Gebiet einsickerten, um serbische Verwaltungsträger und Armeeposten zu ermorden – eine Strategie, welche das Vorgehen 1999 vorwegnimmt. Jene später die UÇK bildenden Banditen und künftigen Terroristen standen in der Tradition dieser Kaçak (»Banditen«) genannten Kriminellen, den in der gebirgigen Gegend agierenden Banden, die bereits im nun wieder serbischen Kosovo begannen, serbische Posten anzugreifen und das Vieh serbischer Bauern zu rauben. Hier bestanden und bestehen jahrhundertealte Traditionen, und ein Teil dieser Kultur ist die Blutrache, was die besondere Grausamkeit der »Kriegsführung« der UÇK erklärt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien 1941 das Kosovo und Teile Mazedoniens mit dem damaligen italienischen Vasallenstaat Albanien zu »Großalbanien« vereinigt. Das ist genau die Konstellation, von der viele albanische Politiker heute noch beziehungsweise heute wieder träumen. Die im Kosovo etablierte albanische Miliz drangsalierte beziehungsweise vertrieb in dieser Zeit zahlreiche Serben von dort, betrieb also eine handfeste ethnische »Säuberung«. Der serbische Bevölkerungsanteil im Kosovo nahm daher »mit freundlichem Nachdruck« nun sukzessive ab. Nach der deutschen Besetzung der zuvor italienisch verwalteten Gebiete in Albanien und im Kosovo 1943 wurde angesichts des immer katastrophaler werdenden deutschen Soldatenmangels im Mai 1944 sogar noch eine albanische Waffen-SS-Division hauptsächlich aus Freiwilligen des Kosovos aufgestellt, da das deutsche Besatzungsregime in Albanien bereits an Rückhalt verloren hatte. Die Division kam vor allem gegen jugoslawische Partisanen und gegen die serbische Bevölkerung zum Einsatz. Die Angehörigen der Division vertrieben weitere zehntausend serbische Familien, ermordeten zahlreiche Serben und beteiligten sich auch am Holocaust. Die ethnische Säuberung zulasten der serbischen Bevölkerung des Kosovos setzte sich also fort. Im Juni 1944 fiel die Division nach Montenegro ein und setzte dort ihr blutiges Treiben fort, bis sie am 1. November 1944 wegen zunehmender Desertionen und Erfolglosigkeit (trotz unmenschlicher Brutalität) aufgelöst wurde. Die Serben gehörten bekanntlich ohnehin zu den im Zweiten Weltkrieg besonders drangsalierten Völkern, wurden Hunderttausende von ihnen doch in den von kroatischen Rechtsextremisten mit deutscher Förderung betriebenen kroatischen Konzentrationslagern gefoltert und ermordet. Die kroatischen und albanischen Rechtsextremisten beziehungsweise ihre Nachfahren flohen 1945 vor der Roten Armee respektive den serbischen Siegern, weil sie befürchten mussten, juristisch zur Verantwortung gezogen zu werden. Einige von ihnen beziehungsweise ihre Nachfahren, welche die Zeit des Kalten Krieges gefördert vom BND in der Nähe von München überdauerten (als Reservoir für antijugoslawische Aktionen und Spionagenetzwerke), gehörten dann nach 1989 zu den »Gründern« des Staates Kroatien respektive den »Geburtshelfern« des postsozialistischen Albaniens.
1945 war der, wie gesehen, 1941 von Deutschland (!) zerschlagene Staat Jugoslawien neu erstanden. Diesmal unter der Führung des charismatischen Staatschefs und ehemaligen Partisanengenerals Marschall Josip Broz Tito, einem kommunistischen Dissidenten, der sich bald mit Moskau und Peking überwarf und künftig seinen eigenen, dritten Weg eines Staatssozialismus im Bündnis der Blockfreien Staaten suchte. Zum Dank dafür erhielt er ökonomische und finanzielle Unterstützung aus dem Westen, die zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beitrug. Das Kosovo war in dieser Periode Teil Serbiens innerhalb des jugoslawischen Staatsverbands. Aber auch vom Westen ließ sich Tito nicht vereinnahmen, er setzte das sozialistische Experiment fort, bei dem die Arbeiter tatsächlich jeweils Eigentümer der Fabriken waren, in denen sie arbeiteten (Arbeiterselbstverwaltung/Radničko Samoupravljanje). Das wurde während der Zerschlagung Jugoslawiens ab 1990 (das wäre ein eigenes Kapitel wert) unter der Führung von den USA und der BRD schnell liquidiert, zumindest in den Staaten, die nun, wie erwähnt, von seit Jahrzehnten in Pullach (am Sitz des BND) ausgebildeten und verpflegten Exilanten aus Kroatien, Slowenien und Bosnien übernommen und in den Westblock eingegliedert wurden. Gerade die illegitime Loslösung Sloweniens und Kroatiens 1990 wurde mit entscheidender (geheimer) Schützenhilfe aus Bonn betrieben, die BRD war einmal mehr – wie schon »Großdeutschland« 1941 – dabei, sich den Balkan in mundgerechte Happen für die Wirtschaftsmaschinerie des eigenen Landes zu zerhacken. Die umgehende deutsche Anerkennung der nun selbständigen »Staaten« Slowenien und Kroatien am Tag nach ihrer »Unabhängigkeitserklärung« führte, wie geplant, zur Verschärfung der ethnonationalistischen Spannungen (ein ähnliches Vorgehen legte die BRD gegenüber Venezuela an den Tag, als sie im Februar 2019 umgehend den von den USA inthronisierten »Parlamentspräsidenten« Juan Guaidó als Präsidenten des Landes anerkannte, obwohl es eine reguläre im Amt befindliche Regierung unter Nicolás Maduro gibt – in diesem Fall bislang ohne Erfolg, Guaidó ist wieder in der Versenkung verschwunden, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, er hat das ihm vom Westen vorgegebene Ziel, Maduro aus dem Amt zu putschen, nicht erreicht, daher wird er fallengelassen). Ser­bien wehrte sich gegen diese Vereinnahmung – und geriet so ins Fadenkreuz des Westblocks, der hier ein Exempel statuieren und das letzte staatssozialistische und eng mit der russischen »Brudernation« verbündete Land auf europäischem Boden zerschlagen wollte.
Für das besondere Interesse des Westblocks am Kosovo gab und gibt es noch einen weiteren Grund. Denn seit dem Mittelalter sind die unermesslichen Bodenschätze dieser Region bekannt und berühmt. Sie sind es, welche die Region seit 1990 für westliche Konzerne respektive für den Westblock geostrategisch äußerst interessant machen; sie sollten nun, 1999, unter allen Umständen unter westlichen Einfluss gebracht und der drohenden russischen Einwirkung entzogen werden. Es sind im Einzelnen Braunkohle, Blei, Zink, Nickel, Uran, Silber, Gold, Kupfer und Magnesit, hinzu kommen Lignit, Kohle und Chrom. Dazu gibt es reiche, lukrative Vorkommen an Asbest, Marmor, Kalksandstein und Quarz. Jetzt könnte man einwenden, dass die meisten dieser Minen seit 1990 beziehungsweise seit 1999 stillgelegt vor sich hinrotten. Doch das ist aus westlicher Sicht unerheblich – man ist derzeit nicht auf den Inhalt dieser Minen angewiesen, noch gibt es ausreichend preisgünstige Zufuhr dieser Bodenschätze aus anderen Regionen; das Kosovo zählt aber zur strategischen Reserve des Westens, auf die im Zweifelsfall, beispielsweise bei einer Verschärfung der Konfrontation mit der Volksrepublik China, welche sich zu einem Großteil der »Seltenen Erden« den Zugang gesichert hat, zurückgegriffen werden könnte.
Doch wie wurde nun die Besetzung des nominell serbischen Staatsgebiets im Kosovo durch den Westblock 1999 bewerkstelligt? Die Antwort ist einfach: mit den üblichen Mitteln. Als Ausgangspunkt für die Geschehnisse im Kosovo wird in der Westblockpresse gern die sogenannte Amselfeld-Rede des damaligen serbischen Kommunistenführers und ehemaligen Bankdirektors Slobodan Milošević von 1989 genannt. Darin habe er den künftigen von Serbien zulasten der albanischen Kosovaren betriebenen »Ethnozid [Völkermord] im Kosovo« (als solcher wird das serbische Vorgehen gegen kosovo-albanische Terroristen und Räuberbanden von der Westblockpresse gern beschrieben) schon rundheraus angekündigt. Werfen wir also erst einmal einen Blick darauf, was Milošević damals tatsächlich gesagt hat und was in der Westblockpresse dann daraus gemacht wurde.
Schauplatz der Rede, die am Vidovdan (St. Veitstag), dem 28. Juni 1989, anlässlich der Gedächtnisfeier zum 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld stattfand, war das serbische Denkmal für die Schlacht in Gazimestan. Dort hatte sich ein Millionenpublikum eingefunden, um der Rede zu lauschen. Milošević war zu diesem Zeitpunkt Präsident des Bundes der Kommunisten Serbiens (der KP Serbiens). Der 28. Juni ist traditionell einer der höchsten religiösen und nationalen Volksfeiertage Serbiens. Es war kein Zufall, dass auch das Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand, das zum Ersten Weltkrieg führte, am 28. Juni 1914 stattfand. Am 28. Juni 1948 kam es auch zum endgültigen Bruch zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion (SU). Im Zusammenhang mit der Schlacht auf dem Amselfeld am 28. Juni 1389 ist übrigens auch das serbische Kosovo-Gedichtepos entstanden, nicht nur eines der bedeutendsten epischen Gedichte der Weltgeschichte, sondern auch einer der Höhepunkte der serbischen Kulturgeschichte. Ein adäquates, objektives Verständnis der Amselfeld-Rede von 1989 ist naturgemäß ohne eine zumindest oberflächliche Kenntnis des Kosovo-Mythos (Amselfeld-Mythos) kaum möglich. Werfen wir daher einen kurzen Blick auf diesen Mythos.
In der europäischen Geschichte gibt es kaum einen vergleichbaren Fall, der dem nahekäme, was das Kosovo nach der Schlacht auf dem Amselfeld für das National­empfinden der Serben bedeutet. Zwar gab es vom 15. bis zum 17.Jahrhundert in der Region eine ansatzweise kulturelle Blüte unter osmanischer Herrschaft. In der serbischen Überlieferung überwiegt jedoch die Erinnerung an eine katastrophale Niederlage gegen die »Gottlosen«, zumal im 18. und 19. Jahrhundert das osmanische Militärwesen sowie Wirtschaft und Verwaltung zunehmend überfordert waren und die Steuerbelastung der überwiegend serbischen Bevölkerung des Kosovos extrem anstieg. Aus dem in den kirchlichen Legenden beschworenen Märtyrertod der serbischen Soldaten auf dem Amselfeld entwickelte sich das mythische Bild, das es möglich machte, den als militärische Niederlage empfundenen Ausgang der Schlacht als Sieg im moralischen Sinne aufzufassen. In den Erzählungen und Liedern des 18. und 19. Jahrhunderts steht Miloš Obilić im Vordergrund als zu Unrecht Beschuldigter, der mit einer List bis vor den Sultan kommt, ihn tötet und so seine Ehre wiederherstellt. Diesem »Helden« stellen die Sagen den »Verräter« Fürst Vuk Branković gegenüber, der egoistisch sein eigenes Leben rettete, statt wie die übrigen Soldaten den Opfertod gegen die »Ungläubigen« zu erleiden.
Im 19. Jahrhundert erweiterten sich die Überlieferungen zum Thema Kosovo zu einem nationalen Mythos. Dabei wurde der Befreiungskampf gegen die Osmanen zu einem Kampf der Kräfte des »Guten« gegen die des »Bösen«. Treibende Kraft des Kampfes war nun das Volk. Die Menschen wuchsen mit dem Mythos auf. Der »Kosovo-Schwur« wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts institutionalisiert. Heldentod, »himmlisches Reich« und »irdisches Reich« im Sinne von einem serbischen Nationalstaat gingen eine immer engere Verknüpfung ein. Das Epos einte die entstehende serbische Nation und beflügelte den Aufbau des montenegrinischen Staates. Montenegro entwickelte sich zu einem Zentrum der Einigung des Serbentums, wie es später Serbien für die Einigung der Südslawen Jugoslawiens werden sollte. Serbien als Kleinstaat war um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Gefahr, unter den dort Einfluss nehmenden Großmächten Habsburg und Russland aufgeteilt zu werden. Da die Habsburger eine Expansion Serbiens nach Norden und Westen verhinderten, richtete Belgrad sein Interesse auf den Süden, unter anderem auf den Kosovo, zu diesem Zeitpunkt als »Altserbien« bezeichnet.
Einen ersten Höhepunkt erreichte die Wirkungsmächtigkeit des Kosovo-Mythos 1889 zum 500-Jahr-Jubiläum der Schlacht. In Belgrad fand eine große Feier samt Requiem für die Gefallenen auf dem Amselfeld statt. Der serbische König nahm an den Feierlichkeiten zu Ehren der Helden der Schlacht auf dem Amselfeld und an der Einweihung des Denkmals in Kruševac teil. Innerhalb der Feiern wurde die Befreiung des zu diesem Zeitpunkt noch osmanischen Kosovos gefordert und die Einheit aller Serben beschworen, unter welcher Herrschaft sie auch lebten. Der Kosovo-Mythos verband sich dabei mit dem parallel zu ihm entwickelten Kult des Heiligen Veit, an dessen Feiertag, dem 28. Juni, die orthodoxe Kirche auch den kurz nach der Schlacht auf dem Amselfeld heiliggesprochenen Fürsten Lazar ehrte. Seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts nahm die Popularität des Vidovdan, also des Veitstags, stark zu. Am Vidovdan 1876 erklärte Serbien dem Osmanischen Reich den Krieg. Am Vidovdan 1881 wurde ein Geheimvertrag mit der Habsburger Monarchie unterzeichnet; gegen Verzicht auf eine eigenständige serbische Außenpolitik erklärte sich Österreich bereit, die serbische Dynastie zu unterstützen und eine mögliche Gebiet­erweiterung nach Süden zu tolerieren. Ab 1890 wurde der Vidovdan offiziell zum Feiertag. Bis 1945 fiel der Vidovdan auch mit dem Ende des Schuljahrs in Serbien zusammen.
Zu den alten Volkstraditionen um den Veitstag gehörte auch der Brauch, dass der Hausherr am Abend vor dem Fest jedem Mitbewohner einen Strauß Pfingstrosen schenkte, worauf die Beschenkten antworteten: »Ich werde sein wie jene, die ihr Blut auf dem Amselfeld vergossen.« Der Legende nach entstanden die Pfingstrosen des Amselfelds aus dem vergossenen Blut der gefallenen Soldaten, die roten aus serbischem und die blauen aus »türkischem« Blut. In diesem Zusammenhang der Stärkung des Mythos entstand auch der Entwurf eines Vidovdan­tempels von der Hand des in Slawonien geborenen Bildha...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Die »Konstantinische Schenkung«
  3. Gab es das »Mittelalter« überhaupt?
  4. Die Sizilianische Vesper
  5. Der Krimkrieg 1853 bis 1856 – Ein erster konzertierter Versuch zur Zerschlagung Russlands
  6. Die Dreyfus-Affäre
  7. Elli Barczatis – Lieben, Spionieren, Sterben
  8. Kosovo – Die Mafia bekommt einen Staat geschenkt
  9. Der 11. September 2001 – -cui bono?
  10. US-Drohnenkriege – geniale Idee oder völkerrechtswidrige Hinrichtungen par ordre de mufti?
  11. Die »Befreiung« Libyens 2011
  12. Nachwort