Worauf es ankommt
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Worauf es ankommt

Derek Parfits praktische Philosophie in der Diskussion

  1. 396 Seiten
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Worauf es ankommt

Derek Parfits praktische Philosophie in der Diskussion

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Über dieses Buch

Worauf kommt es letztlich an – und kommt es überhaupt auf etwas an? Diese Grundfrage der praktischen Philosophie bildet den Ausgangspunkt von Derek Parfits 2011 erschienenem Werks »On What Matters«. Seine Antwort umfasst ein Moralprinzip, das sich aus drei scheinbar gegensätzlichen Theorien der Ethik ergeben soll. Kantianismus, Kontraktualismus und Konsequentialismus nehmen nach Parfit nur verschiedene Wege, um denselben Berg zu besteigen, und sie treffen sich schließlich am Gipfel des Berges in der »Triple Theory«.Derek Parfit (1942–2017) gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Moralphilosophen, der die Debatten um personale Identität, zum Prioritarismus, zur Populationsethik und zur Frage nach Pflichten gegenüber kommenden Generationen über Jahrzehnte geprägt hat. Mit »On What Matters« hat er eine umfassende normative Ethik und Metaethik vorgelegt, deren Bedeutung von Philosophen wie Peter Singer mit Sidgwicks »Methods of Ethics« verglichen wird.Da sich Parfit ausführlich mit Themen auseinandergesetzt hat, die gerade im deutschsprachigen Raum rege diskutiert werden – etwa die Frage nach der Überzeugungskraft des Kantianismus oder der Rechtfertigung eines Instrumentalisierungsverbots –, ist der Austausch mit den hiesigen Debatten von besonderem Interesse. Die Beiträge in diesem Band thematisieren Aspekte der gesamten praktischen Philosophie Parfits – der Theorie normativer Gründe, des Non-Identity Problems, des Prioritarismus, der Triple Theory und der Metaethik.Der Band enthält Beiträge von Dieter Birnbacher, Annette Dufner, Gerhard Ernst, Johann Frick, Tim Henning, Matthias Hoesch, Sebastian Muders, Thomas Pogge, Markus Rüther, Peter Schaber, Peter Stemmer, Martin Sticker und Ulla Wessels sowie ausführliche Repliken von Derek Parfit selbst, die er noch kurz vor seinem Tod zu Beginn dieses Jahres fertigstellen konnte.

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Information

Derek Parfit

Erwiderungen

1 Kants Universalisierungsformel

Erwiderungen auf Thomas Pogge, Matthias Hoesch und Martin Sticker
Manche der Philosophen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, das Interesse an Kants Ethik in der englischsprachigen Welt wiederzubeleben, sind zu dem Schluss gekommen, dass Kants Universalisierungsformel uns nicht dabei hilft zu entscheiden, welche Handlungen falsch sind. Allen Wood meint, dass Kants Formel, verwendet man sie als ein solches Kriterium, »fundamental fehlerhaft« und »ziemlich wertlos«1 sei. Barbara Herman ist der Auffassung, dass »trotz einer traurigen Geschichte von Versuchen niemand [Kants Formeln] dazu gebracht hat zu funktionieren«2. Onora O’Neill glaubt, dass Kants Formel in manchen Fällen »entweder eine inakzeptable oder gar keine Orientierung«3 biete. Thomas Hill bezweifelt, dass Kants Formel allein »auch nur eine lose und partielle Handlungsorientierung«4 bieten kann.
Diese Kritiken betreffen meines Erachtens eine bestimme Version von Kants Formel. Kant zufolge handeln wir falsch, wenn wir nach Maximen handeln, die keine allgemeinen Gesetze sein können. Obwohl diese Version von Kants Formel falsche Versprechen verurteilt, scheitert sie daran, Tötungen, Verletzungen, Nötigungen, Lügen und Diebstähle, die aus Eigennutz begangen werden, zu verurteilen.5 Eine andere Version von Kants Formel verurteilt das Handeln nach Maximen, von denen wir nicht vernünftigerweise wollen können, dass sie allgemeine Gesetze werden. Diese Version von Kants Formel kann meines Erachtens funktionsfähig gemacht werden. Wenn man sie auf bestimmte Art und Weise überarbeitet, ist diese Formel erstaunlich erfolgreich.
Ich habe dafür argumentiert, dass diese Formel der Überarbeitung bedarf, weil sie den Begriff der Maxime in einer Weise verwendet, dass er sich auf Lebensgrundsätze (policies) beziehen kann.6 Drei der Beispiele Kants sind die Maxime, anderen »in ihrer Noth nicht Beistand leisten zu wollen«7; die Maxime, »mein Vermögen durch alle sichere Mittel zu vergrößern«8; und die Maxime der Selbstliebe bzw. der eigenen Glückseligkeit9. Eines meiner Argumente kann auf die folgende Weise zusammengefasst werden:
(1) Nach Kants Formel handeln wir genau dann falsch, wenn wir nach einer Maxime handeln, die einen bestimmten Test nicht besteht.
Daher gilt:
(2) Kants Formel impliziert, dass es, wenn eine Maxime diesen Test nicht besteht, immer falsch wäre, nach ihr zu handeln, und dass es, wenn eine Maxime diesen Test besteht, immer zulässig wäre, nach ihr zu handeln.
(3) Es gibt viele Maximen, die einen Lebensgrundsatz beinhalten, nach denen zu handeln manchmal falsch, aber manchmal zulässig wäre.
Daher gilt:
(4) Bezogen auf solche Maximen verurteilt Kants Formel entweder fälschlicherweise einige Handlungen, die zulässig sind, oder sie erlaubt fälschlicherweise einige Handlungen, die falsch sind.
Ich habe dieses Argument als »Einwand der uneinheitlichen Maximen« (Mixed Maxims Objection) bezeichnet. Wie diese Zusammenfassung zeigt, hängt nichts von den Details des Tests ab, den Kants Formel auf unsere Maximen anwendet. Kants Formel scheitert schlicht deswegen, weil sie den Begriff der Maxime auf eine Art und Weise verwendet, dass er sich auf Lebensgrundsätze beziehen kann.
Um diesen Einwand zu illustrieren, habe ich den Fall eines fiktiven Egoisten diskutiert, dessen einzige Maxime ist: ›Tue das, was am besten für Dich ist!‹ Ich habe dieses Beispiel Kant entliehen, der sich auf die Maxime der Selbstliebe bzw. der eigenen Glückseligkeit bezieht. Diese egoistische Maxime besteht Kants Test nicht. Kants Formel impliziert daher, dass die Handlungen des Egoisten falsch sind bzw. der Pflicht widersprechen, wann auch immer er nach seiner Maxime handelt. Ich habe behauptet, dass diese Implikation falsch ist. Dieser Egoist würde nicht falsch handeln, wenn er seine Schulden bezahlte und seine Versprechen hielte, weil er der Überzeugung ist, dass diese Handlungen am besten für ihn sind. Und er würde auch nicht falsch handeln, wenn er sich wärmere Kleidung anzöge oder ein ertrinkendes Kind in der Hoffnung rettete, dafür eine Belohnung zu erhalten.10
Stellen wir uns als nächstes einen Moralisten vor, dessen einzige Maxime ›Tue Deine Pflicht!‹ ist. Da diese Maxime Kants Test besteht, impliziert Kants Formel, dass die Handlung dieses Moralisten richtig wäre, wann auch immer er nach dieser Maxime handelt, und zwar in dem Sinne, dass sie der Pflicht gemäß ist. Diese Implikation ist inakzeptabel. Wenn Menschen tun, was sie für ihre Pflicht halten, dann mag ihren Handlungen ein gewisser moralischer Wert zukommen. Wir sollten aber nicht schlussfolgern, dass die Handlungen dieser Menschen alle richtig wären. Von denen, die glauben, dass sie ihre Pflicht tun, und aus diesem Grund handeln, handeln einige ziemlich falsch. Es besteht ein weiteres Problem. Wenn unsere einzige Maxime ›Tue Deine Pflicht!‹ ist, dann kann Kants Formel uns nicht dabei helfen zu entscheiden, ob wir zu einer Handlung verpflichtet sind.
Ähnliches trifft auch auf spezifischere Maximen zu, wie etwa ›Halte Deine Versprechen!‹. Kants Formel impliziert, dass es entweder immer richtig oder immer falsch wäre, nach dieser Maxime zu handeln. Das stimmt nicht. Obwohl es richtig wäre, die meisten unserer Versprechen zu halten, wäre es mit Blick auf einige Versprechen falsch, sie zu halten; etwa in dem Fall, dass ein Versprechen nicht zu halten die einzige Weise darstellte, einer unschuldigen Person das Leben zu retten.
Thomas Pogge, Matthias Hoesch und Martin Sticker legen in ihren gehaltvollen und zum Nachdenken anregenden Beiträgen in diesem Band verschiedene Erwiderungen auf diesen Einwand der uneinheitlichen Maximen nahe. Eine Art der Erwiderung besteht darin, meine Prämisse (1) zu bestreiten und stattdessen zu behaupten, dass
(5) Kant seine Formel nicht dafür vorgesehen hatte, uns dabei zu helfen zu entscheiden, welche Handlungen falsch sind.
Hoesch und Sticker schreiben, dass Kants Formel »die moralische Richtigkeit […] von Maximen prüfen möchte«. Ähnlich schreibt Pogge, dass Kants Formel »ein Kriterium für die Zulässigkeit von Maximen« ist und nicht dafür vorgesehen ist, die Richtigkeit einzelner Handlungen abzuschätzen.
Auch wenn es manchmal schwierig ist zu entscheiden, was Kant meint oder wovon er überzeugt war, kann (5) meines Erachtens nicht wahr sein. (5) steht mit zu vielen von Kants Behauptungen in Konflikt. Zum Beispiel schreibt Kant:
Um indessen mich in Ansehung der Beantwortung dieser Aufgabe, ob ein lügenhaftes Versprechen pflichtmäßig sei, auf die allerkürzeste und doch untrügliche Art zu belehren, so frage ich mich selbst: würde ich wohl damit zufrieden sein, daß meine Maxime […] als ein allgemeines Gesetz […] gelten solle […]?11
Kant schreibt auch, dass seine Formel »in Ansehung aller Pflicht überhaupt« das, »was zu thun sei, […] ganz genau bestimmt«12 und dass
leicht zu zeigen [sei], wie sie [die gemeine Menschenvernunft] mit diesem Compasse in der Hand in allen vorkommenden Fällen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden, was gut, was böse, pflichtmäßig, oder pflichtwidrig sei […].13
Kant stellt noch einige ähnliche Behauptungen auf. Er war zumindest dann, wenn er solche Behauptungen aufstellte, der Überzeugung, dass seine Formel uns dabei helfen kann zu entscheiden, welche der uns möglichen Handlungen in dem Sinne richtig oder falsch wären, dass sie der Pflicht gemäß sind bzw. der Pflicht widersprechen.
Pogge, Hoesch und Sticker schlagen zudem vor, dass wir zwischen einer Handlung als solcher oder dem, was jemand tut, und dem Umstand, dass diese Person dies tut, weil er oder sie nach einer bestimmten Maxime handelt, unterscheiden sollten. Indem wir diese Unterscheidung in Anschlag bringen, könnten wir die Prämissen (2) und (3) des Einwands der uneinheitlichen Maximen zurückweisen. Wir könnten die These aufstellen, dass
(6) unser Handeln nach einer Maxime immer falsch ist, wenn diese Maxime Kants Test nicht besteht; doch das, was wir tun, müsste nicht falsch sein.
Mein Egoist handelt beispielsweise falsch, wenn er ein ertrinkendes Kind rettet, weil er hofft, dafür eine Belohnung zu erhalten; dass er das Kind rettet, ist jedoch nicht falsch. Wir können gleichermaßen behaupten, dass
(7) unser Handeln nach einer Maxime niemals falsch ist, wenn diese Maxime Kants Test besteht, doch das, was wir tun, könnte falsch sein.
Diese Thesen stellen meines Erachtens keine Entgegnung auf den Einwand der uneinheitlichen Maximen dar. Kant hat behauptet, dass seine Formel uns dabei helfen kann zu entscheiden, ob eine Handlung erlaubt oder falsch wäre. Wenn (6) und (7) wahr wären, könnte Kants Formel uns nicht dabei helfen, solche Fragen zu beantworten. Ob eine Handlung falsch wäre, würde nicht von der Maxime abhängen, nach der wir handeln.
Pogge schlägt eine andere Antwort vor. Er stellt die These auf, dass
(8) wir nach Kant selbst dann, wenn unsere Handlungen pflichtgemäß sind, falsch handeln können, weil wir nicht aus Pflicht handeln bzw. nicht handeln, um unsere Pflicht zu erfüllen (vgl. S. 68).
Ich zweifle diese Interpretation von Kants Sichtweise an. Kant behauptet, dass wir, um einige unserer Tugendpflichten zu erfüllen, nicht nur richtig, sondern auch um der Pflicht willen handeln müssen. Kant behauptet aber darüber hinaus, dass wir viele Rechtspflichten haben, die wir erfüllen, indem wir unabhängig von unseren Beweggründen tun, was moralisch gefordert ist. Wenn solche Handlungen nicht um der Pflicht willen ausgeführt werden, haben sie zwar keinen moralischen Wert, sie können aber pflichtgemäß sein und sind in diesem Sinne nicht falsch.
Pogge scheint außerdem zu vertreten, dass
(9) die Frage, ob wir in Kants Sinn falsch handeln, nur davon abhängt, ob wir aus Pflicht handeln (vgl. S. 6769).
Wenn (9) wahr wäre, könnten wir es vermeiden, in Kants Sinn falsch zu handeln, in dem wir immer um der Pflicht willen handeln. Wir müssten Kants Formel nicht zu Rate ziehen, denn wir müssten uns nicht fragen, welche Handlungen der Pflicht gemäß sind bzw. ihr widersprechen. Diese Version von Kants Auffassung würde nur wenig zu unserem moralischen Nachdenken beitragen. Pogge könnte stattdessen plausiblerer Weise behaupten, dass
(10) wir selbst dann, wenn wir in irgendeiner Weise um der Pflicht willen handeln, in Kants Sinn falsch handeln, wenn unsere Handlung nicht auch der Pflicht gemäß ist.
Nach dieser Sichtweise wäre es erforderlich, dass wir wissen, welche Handlungen der Pflicht gemäß sind bzw. ihr widersprechen, wir müssten also Kants Formel zu Rate ziehen. Damit uns der Gebrauch dieser Formel weiterhelfen kann, müssten wir allerdings eine Erwiderung auf den Einwand der uneinheitlichen Maximen geben können. Diesem Einwand zufolge verurteilt Kants Formel fälschlicherweise einige zulässige Handlungen und erlaubt einige Handlungen, die...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einführung: Derek Parfits praktische Philosophie in der Diskussion
  6. Parfit über Kantianismus und Konsequentialismus
  7. Parfit und die Frage, was moralisch falsch ist
  8. Parfit über die Achtung für Personen
  9. Instrumentalisierung – Überlegungen im Anschluss an Parfit
  10. Zukünftige Personen und Schuld ohne Opfer
  11. Kants Ethik und das Problem der Nicht-Identität
  12. Welche Tatsachen sind Gründe? Zu Parfits On What Matters
  13. Warum das Vermeiden von Schmerzen zählt
  14. Parfit über epistemische Rationalität
  15. Prioritaristischer Konsequentialismus?
  16. Was ist falsch an ontologisch robusten Tatsachen?
  17. Erwiderungen
  18. Siglenverzeichnis
  19. Bibliographie
  20. Autorenverzeichnis